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Ein komplexer inflammatorischer Fall

Morbus Crohn und Morbus Still mit akutem Leberversagen

<p class="article-intro">Morbus Still und Morbus Crohn sind beides komplexe inflammatorische Erkrankungen, deren Genese noch nicht geklärt ist. Vermutlich spielen mehrere verschiedene Faktoren, wie Genetik, Immunsystem, Infektionen und Umwelteinflüsse, eine Rolle bei den Entstehungsmechanismen. Im Folgenden wird ein interessanter Fall präsentiert, bei dem eine Patientin sowohl ein akutes Leberversagen als Folge des Morbus Still als auch einen Morbus Crohn trotz immunsuppressiver Therapie entwickelte.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Anamnese und Diagnostik</h2> <p>Eine 26-j&auml;hrige, normalgewichtige (BMI 23,5) Patientin stellt sich erstmalig mit unspezifischen Gelenksbeschwerden, vor allem der Knie- und H&uuml;ftgelenke, und Synovitis des Tarsus beidseits in der rheumatologischen Ambulanz vor. Anamnestisch gibt die Patientin ein rezidivierendes kleinfleckiges, juckendes Exanthem an, welches in Kombination mit Fiebersch&uuml;ben auftritt. Die Patientin hat keine Vorerkrankungen, keine rezenten viralen oder bakteriellen Infekte. Sie ist Mutter zweier gesunder Kinder. In der initialen laborchemischen Untersuchung zeigen sich bei der Patientin der CRP-Wert auf 3,4mg/dl (Normbereich 0&ndash;0,5mg/dl) sowie Ferritin auf 1327&micro;g/l (Normbereich 30&ndash;400&micro;g/l) erh&ouml;ht. Rheumafaktor und Blutsenkung liegen im Normbereich. Bildgebend sind in der Sonografie einzig eine Hepatomegalie und Splenomegalie auff&auml;llig. Es wird daher eine Therapie mit oralem systemischem Steroid (1mg/kgKG) bei der Verdachtsdiagnose einer rheumatischen Erkrankung begonnen. In der ambulanten Verlaufskontrolle, 3 Wochen sp&auml;ter, beklagt die Patientin anamnestisch einen zunehmenden Ikterus seit 6 Tagen und zunehmenden Bauchumfang. Klinisch (Aszites) und laborchemisch (INR 5,2; PTT &gt;83sec; Bilirubin 17,5mg/ dl [Normwert 0&ndash;0,5mg/dl]) pr&auml;sentiert sich die Patientin mit dem Bild einer akuten Lebersch&auml;digung (&bdquo;acute liver injury&ldquo;), worauf die Patientin an die Universit&auml;tsklinik Innsbruck transferiert wird.</p> <h2>Weiterf&uuml;hrende Diagnostik</h2> <p>In der weiteren laborchemischen Diagnostik kann eine virale Hepatitis (Hepatitis- A&ndash;E-Antik&ouml;rper und PCR-negativ) ausgeschlossen werden. Ebenso sind die Immunserologie und PCR f&uuml;r Herpes simplex, Epstein-Barr-Virus, Cytomegalievirus und Parvovirus B19 negativ. Eine Autoimmunhepatitis kann ebenso laborchemisch nahezu ausgeschlossen werden (Immunglobuline, ANA, SMA, Anti-SLA/LP, Anti- LKM1, Anti-LC1 und Anti-LKM3, Ro52- Antik&ouml;rper negativ). Bei unauff&auml;lliger genetischer Analyse f&uuml;r Morbus Wilson, H&auml;mochromatose und Alpha-1-Antitrypsinmangel ist eine metabolische Genese des akuten Leberversagens ebenso auszuschlie&szlig;en. Bei anamnestisch fehlender Einnahme von hepatotoxischen Substanzen und bildgebendem Ausschluss einer vaskul&auml;ren Genese wie des Budd-Chiari-Syndroms, einer Schockleber mittels MRT des Abdomens oder eines akuten Rechtsherzversagens mittels Echokardiografie bleibt die Genese der Lebererkrankung zun&auml;chst unklar.</p> <h2>Therapeutisches Management</h2> <p>Bei zunehmender Verschlechterung des Zustands der Patientin muss diese mit hepatischer Enzephalopathie Grad IV und Prothrombinzeit &gt;100sec, Bilirubin 20,2mg/dl mit dem Bild eines akuten Leberversagens auf die Intensivstation verlegt werden. Es wird entsprechend den King&rsquo;s-College-Kriterien die Indikation zur Lebertransplantation gestellt und die Patientin erfolgreich transplantiert.<br /> In Zusammenschau der Befunde wird von einem Leberversagen im Rahmen eines adulten Morbus Still ausgegangen. 14 Tage post transplantationem treten bei der Patientin neuerlich erh&ouml;hte Transaminasen auf. Histologisch zeigen sich gro&szlig;e Nekroseareale im Sinne einer isch&auml;mischen Komponente sowie vermehrte Inflammation differenzialdiagnostisch bei einem Rezidiv der Grunderkrankung. Trotz Intensivierung der immunsuppressiven Therapie kommt es zum neuerlichen Organverlust, sodass eine Retransplantation durchgef&uuml;hrt wird. Auch hier zeigt sich nach initial gutem postoperativem Ergebnis ein neuerlicher Anstieg der Transaminasen, nach Ausschluss einer Absto&szlig;ung, wohl im Sinne einer Reaktivierung der Grunderkrankung. Neuerlich wird die immunsuppressive Therapie eskaliert, diesmal kann allerdings die Organfunktion wiederhergestellt werden.</p> <h2>Weiterer Verlauf</h2> <p>Der weitere Verlauf der Patientin ist unauff&auml;llig, die immunsuppressive Therapie mit Mycophenolat-Mofetil und Tacrolimus wird fortgef&uuml;hrt und die Patientin pr&auml;sentiert sich in der weiteren Nachsorge anhaltend mit guter Organfunktion. F&uuml;nf Jahre nach Lebertransplantation stellt sich die Patientin neuerlich in der gastroenterologischen und hepatologischen Ambulanz mit Beschwerden vor. Anamnestisch klagt die Patientin &uuml;ber starke, teils blutige Diarrh&ouml;, auch nachts, mit starken, krampfartigen Bauchschmerzen und einem Gewichtsverlust von 15kg K&ouml;rpergewicht (aktueller BMI 20,1). Laborchemisch auff&auml;llig zeigen sich ein leicht erh&ouml;htes CRP (5,2mg/dl) sowie ein stark erh&ouml;htes Calprotectin mit 2345&micro;g/g (Normbereich 0&ndash;50&micro;g/g) im Stuhl. Zur weiteren Diagnostik wird bei der Patientin eine Koloskopie durchgef&uuml;hrt, in der sich makroskopisch das Bild eines Morbus Crohn zeigt, welches histologisch best&auml;tigt wird. Eine systemische Steroidtherapie sowie eine Therapie mit Azathioprin ergeben bei der Patientin keine Befundbesserung. Ebenso f&uuml;hrt eine Anti-TNF-Therapie zu keiner Besserung der klinischen Symptomatik mit anhaltender blutiger Diarrh&ouml; und krampfartigen Bauchschmerzen. Somit wird eine Therapie mit Vedolizumab, einem a4&szlig;7-Integrin-Inhibitor, einmalig alle 8 Wochen, eingeleitet. Darunter wird eine klinische Vollremission erlangt. Ebenso zeigt sich in der neuerlichen Koloskopie eine Vollremission der Mukosa (&bdquo;mucosal healing&ldquo;).</p> <h2>Diskussion</h2> <p>Der Fall zeigt ein besonders drastisches Bild eines Morbus Still mit Leberversagen und eines Morbus Crohn trotz Immunsuppression und ist somit ein au&szlig;ergew&ouml;hnlicher Verlauf eines komplexen inflammatorischen Krankheitsbildes, dessen Genese nicht eindeutig gekl&auml;rt ist.<br /> In vielen rezenten Studien zeigt sich eine Korrelation zwischen Mikrobiota und Inflammation (Abb. 1).<sup>1</sup> Der Intestinaltrakt ist mit einer gro&szlig;en Zahl an Mikroorganismen inklusive Trillionen von Bakterien besiedelt. Es hat sich eine Symbiose zwischen Mikroorganismen und Tr&auml;ger entwickelt. Neben den metabolischen Aufgaben werden &uuml;ber die Mikrobiota Immunantwort, Immunhom&ouml;ostase und Schutz vor pathogenen Keimen mitgeneriert. Ver&auml;nderungen der Darmmikrobiota, wie zum Beispiel di&auml;tisch oder durch Umwelteinfl&uuml;sse, erh&ouml;hen das Risiko f&uuml;r pathogene Infektionen und inflammatorische Erkrankungen.<sup>2</sup><br /> Morbus Still ist eine inflammatorische Erkrankung unklarer Genese, die durch rezidivierendes Fieber, Arthritis und Ekzem definiert ist. Sie wurde erstmals von Goerge Still bei Kindern beschrieben.<sup>3</sup> Des Weiteren k&ouml;nnen bei Patienten mit Morbus Still Pharyngitis, Arthralgien, Hepatomegalie und Splenomegalie auftreten. Die Hepatomegalie kann in 12 bis 45 % aller F&auml;lle auftreten.<sup>4</sup> Obwohl die Hepatomegalie als Komplikation des Morbus Still beschrieben wird, ist unseres Wissens kein Fall mit akutem Leberversagen im Rahmen des Morbus Still bekannt.<br /> Als weiteres herausstechendes Merkmal entwickelt die Patientin trotz immunsuppressiver Therapie einen Morbus Crohn, welcher als eine inflammatorische Erkrankung unklarer Genese, die den ganzen Darmtrakt vom Mund bis zum Anus befallen kann, definiert wird (Abb. 2).<sup>5</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Infekt_1801_Weblinks_s30_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1204" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Infekt_1801_Weblinks_s30_abb2.jpg" alt="" width="685" height="654" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> Hier wird an einem konkreten Fall pr&auml;sentiert, dass die Erforschung der Interaktionen zwischen Immunsystem, Mikrobiota und pathogenen Keimen eine immer gr&ouml;&szlig;ere Bedeutung gewinnt, um inflammatorische Erkrankungen besser verstehen und behandeln zu k&ouml;nnen.</div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Pickard JM et al.: Immunol Rev 2017; 279(1): 70-89. doi: 10.1111/imr.12567 <strong>2</strong> Chassaing B et al.: Gut 2017; 66(8): 1414-27. doi: 10.1136/gutjnl-2016-313099. Epub 2017 Mar 21 <strong>3</strong> Still GF: Med Chir Trans 1897; 80: 47 <strong>4</strong> Gerfaud-Valentin M et al.: Autoimmun Rev 2014; 13: 708 <strong>5</strong> Mekhjian HS et al.: Gastroenterology 1979; 77: 898</p> </div> </p>
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