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Morbus Crohn und Morbus Still mit akutem Leberversagen
Jatros
Autor:
Dr. Maria Effenberger
Innere Medizin I<br> Universitätsklinik Innsbruck<br> E-Mail: maria.effenberger@tirol-kliniken.at
30
Min. Lesezeit
05.04.2018
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<p class="article-intro">Morbus Still und Morbus Crohn sind beides komplexe inflammatorische Erkrankungen, deren Genese noch nicht geklärt ist. Vermutlich spielen mehrere verschiedene Faktoren, wie Genetik, Immunsystem, Infektionen und Umwelteinflüsse, eine Rolle bei den Entstehungsmechanismen. Im Folgenden wird ein interessanter Fall präsentiert, bei dem eine Patientin sowohl ein akutes Leberversagen als Folge des Morbus Still als auch einen Morbus Crohn trotz immunsuppressiver Therapie entwickelte.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Anamnese und Diagnostik</h2> <p>Eine 26-jährige, normalgewichtige (BMI 23,5) Patientin stellt sich erstmalig mit unspezifischen Gelenksbeschwerden, vor allem der Knie- und Hüftgelenke, und Synovitis des Tarsus beidseits in der rheumatologischen Ambulanz vor. Anamnestisch gibt die Patientin ein rezidivierendes kleinfleckiges, juckendes Exanthem an, welches in Kombination mit Fieberschüben auftritt. Die Patientin hat keine Vorerkrankungen, keine rezenten viralen oder bakteriellen Infekte. Sie ist Mutter zweier gesunder Kinder. In der initialen laborchemischen Untersuchung zeigen sich bei der Patientin der CRP-Wert auf 3,4mg/dl (Normbereich 0–0,5mg/dl) sowie Ferritin auf 1327µg/l (Normbereich 30–400µg/l) erhöht. Rheumafaktor und Blutsenkung liegen im Normbereich. Bildgebend sind in der Sonografie einzig eine Hepatomegalie und Splenomegalie auffällig. Es wird daher eine Therapie mit oralem systemischem Steroid (1mg/kgKG) bei der Verdachtsdiagnose einer rheumatischen Erkrankung begonnen. In der ambulanten Verlaufskontrolle, 3 Wochen später, beklagt die Patientin anamnestisch einen zunehmenden Ikterus seit 6 Tagen und zunehmenden Bauchumfang. Klinisch (Aszites) und laborchemisch (INR 5,2; PTT >83sec; Bilirubin 17,5mg/ dl [Normwert 0–0,5mg/dl]) präsentiert sich die Patientin mit dem Bild einer akuten Leberschädigung („acute liver injury“), worauf die Patientin an die Universitätsklinik Innsbruck transferiert wird.</p> <h2>Weiterführende Diagnostik</h2> <p>In der weiteren laborchemischen Diagnostik kann eine virale Hepatitis (Hepatitis- A–E-Antikörper und PCR-negativ) ausgeschlossen werden. Ebenso sind die Immunserologie und PCR für Herpes simplex, Epstein-Barr-Virus, Cytomegalievirus und Parvovirus B19 negativ. Eine Autoimmunhepatitis kann ebenso laborchemisch nahezu ausgeschlossen werden (Immunglobuline, ANA, SMA, Anti-SLA/LP, Anti- LKM1, Anti-LC1 und Anti-LKM3, Ro52- Antikörper negativ). Bei unauffälliger genetischer Analyse für Morbus Wilson, Hämochromatose und Alpha-1-Antitrypsinmangel ist eine metabolische Genese des akuten Leberversagens ebenso auszuschließen. Bei anamnestisch fehlender Einnahme von hepatotoxischen Substanzen und bildgebendem Ausschluss einer vaskulären Genese wie des Budd-Chiari-Syndroms, einer Schockleber mittels MRT des Abdomens oder eines akuten Rechtsherzversagens mittels Echokardiografie bleibt die Genese der Lebererkrankung zunächst unklar.</p> <h2>Therapeutisches Management</h2> <p>Bei zunehmender Verschlechterung des Zustands der Patientin muss diese mit hepatischer Enzephalopathie Grad IV und Prothrombinzeit >100sec, Bilirubin 20,2mg/dl mit dem Bild eines akuten Leberversagens auf die Intensivstation verlegt werden. Es wird entsprechend den King’s-College-Kriterien die Indikation zur Lebertransplantation gestellt und die Patientin erfolgreich transplantiert.<br /> In Zusammenschau der Befunde wird von einem Leberversagen im Rahmen eines adulten Morbus Still ausgegangen. 14 Tage post transplantationem treten bei der Patientin neuerlich erhöhte Transaminasen auf. Histologisch zeigen sich große Nekroseareale im Sinne einer ischämischen Komponente sowie vermehrte Inflammation differenzialdiagnostisch bei einem Rezidiv der Grunderkrankung. Trotz Intensivierung der immunsuppressiven Therapie kommt es zum neuerlichen Organverlust, sodass eine Retransplantation durchgeführt wird. Auch hier zeigt sich nach initial gutem postoperativem Ergebnis ein neuerlicher Anstieg der Transaminasen, nach Ausschluss einer Abstoßung, wohl im Sinne einer Reaktivierung der Grunderkrankung. Neuerlich wird die immunsuppressive Therapie eskaliert, diesmal kann allerdings die Organfunktion wiederhergestellt werden.</p> <h2>Weiterer Verlauf</h2> <p>Der weitere Verlauf der Patientin ist unauffällig, die immunsuppressive Therapie mit Mycophenolat-Mofetil und Tacrolimus wird fortgeführt und die Patientin präsentiert sich in der weiteren Nachsorge anhaltend mit guter Organfunktion. Fünf Jahre nach Lebertransplantation stellt sich die Patientin neuerlich in der gastroenterologischen und hepatologischen Ambulanz mit Beschwerden vor. Anamnestisch klagt die Patientin über starke, teils blutige Diarrhö, auch nachts, mit starken, krampfartigen Bauchschmerzen und einem Gewichtsverlust von 15kg Körpergewicht (aktueller BMI 20,1). Laborchemisch auffällig zeigen sich ein leicht erhöhtes CRP (5,2mg/dl) sowie ein stark erhöhtes Calprotectin mit 2345µg/g (Normbereich 0–50µg/g) im Stuhl. Zur weiteren Diagnostik wird bei der Patientin eine Koloskopie durchgeführt, in der sich makroskopisch das Bild eines Morbus Crohn zeigt, welches histologisch bestätigt wird. Eine systemische Steroidtherapie sowie eine Therapie mit Azathioprin ergeben bei der Patientin keine Befundbesserung. Ebenso führt eine Anti-TNF-Therapie zu keiner Besserung der klinischen Symptomatik mit anhaltender blutiger Diarrhö und krampfartigen Bauchschmerzen. Somit wird eine Therapie mit Vedolizumab, einem a4ß7-Integrin-Inhibitor, einmalig alle 8 Wochen, eingeleitet. Darunter wird eine klinische Vollremission erlangt. Ebenso zeigt sich in der neuerlichen Koloskopie eine Vollremission der Mukosa („mucosal healing“).</p> <h2>Diskussion</h2> <p>Der Fall zeigt ein besonders drastisches Bild eines Morbus Still mit Leberversagen und eines Morbus Crohn trotz Immunsuppression und ist somit ein außergewöhnlicher Verlauf eines komplexen inflammatorischen Krankheitsbildes, dessen Genese nicht eindeutig geklärt ist.<br /> In vielen rezenten Studien zeigt sich eine Korrelation zwischen Mikrobiota und Inflammation (Abb. 1).<sup>1</sup> Der Intestinaltrakt ist mit einer großen Zahl an Mikroorganismen inklusive Trillionen von Bakterien besiedelt. Es hat sich eine Symbiose zwischen Mikroorganismen und Träger entwickelt. Neben den metabolischen Aufgaben werden über die Mikrobiota Immunantwort, Immunhomöostase und Schutz vor pathogenen Keimen mitgeneriert. Veränderungen der Darmmikrobiota, wie zum Beispiel diätisch oder durch Umwelteinflüsse, erhöhen das Risiko für pathogene Infektionen und inflammatorische Erkrankungen.<sup>2</sup><br /> Morbus Still ist eine inflammatorische Erkrankung unklarer Genese, die durch rezidivierendes Fieber, Arthritis und Ekzem definiert ist. Sie wurde erstmals von Goerge Still bei Kindern beschrieben.<sup>3</sup> Des Weiteren können bei Patienten mit Morbus Still Pharyngitis, Arthralgien, Hepatomegalie und Splenomegalie auftreten. Die Hepatomegalie kann in 12 bis 45 % aller Fälle auftreten.<sup>4</sup> Obwohl die Hepatomegalie als Komplikation des Morbus Still beschrieben wird, ist unseres Wissens kein Fall mit akutem Leberversagen im Rahmen des Morbus Still bekannt.<br /> Als weiteres herausstechendes Merkmal entwickelt die Patientin trotz immunsuppressiver Therapie einen Morbus Crohn, welcher als eine inflammatorische Erkrankung unklarer Genese, die den ganzen Darmtrakt vom Mund bis zum Anus befallen kann, definiert wird (Abb. 2).<sup>5</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Infekt_1801_Weblinks_s30_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1204" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Infekt_1801_Weblinks_s30_abb2.jpg" alt="" width="685" height="654" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> Hier wird an einem konkreten Fall präsentiert, dass die Erforschung der Interaktionen zwischen Immunsystem, Mikrobiota und pathogenen Keimen eine immer größere Bedeutung gewinnt, um inflammatorische Erkrankungen besser verstehen und behandeln zu können.</div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Pickard JM et al.: Immunol Rev 2017; 279(1): 70-89. doi: 10.1111/imr.12567 <strong>2</strong> Chassaing B et al.: Gut 2017; 66(8): 1414-27. doi: 10.1136/gutjnl-2016-313099. Epub 2017 Mar 21 <strong>3</strong> Still GF: Med Chir Trans 1897; 80: 47 <strong>4</strong> Gerfaud-Valentin M et al.: Autoimmun Rev 2014; 13: 708 <strong>5</strong> Mekhjian HS et al.: Gastroenterology 1979; 77: 898</p>
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