Operative Therapie der tief infiltrierenden kolorektalen Endometriose: Nutzen und Risiken

Die operative Therapie einer tief infiltrierenden Endometriose (TIE) sollte durch ein erfahrenes interdisziplinäres Team geplant und durchgeführt werden, um einen optimalen Behandlungserfolg zu erzielen. Dabei ist eine exakte präoperative Diagnostik mittels Transvaginalsonografie (TVS) oder MRI mit entsprechender Erfahrung in der Diagnostik der TIE zur Operationsplanung essenziell.

Keypoints
  • Die TVS ist die First-Line-Methode zur Abklärung von Patientinnen mit möglicher Endometriose. Bei speziellen Fragestellungen wie Nervenbeteiligung kann ergänzend eine MRT durchgeführt werden.

  • Ausgedehnte chirurgische Eingriffe bei kolorektaler Beteiligung sollten durch erfahrene Operateure interdisziplinär geplant und durchgeführt werden, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.

Neben oberflächlichen peritonealen Läsionen und Endometriosezysten des Ovars liegt in ca. 20% der Fälle von Endometriose auch eine tief infiltrierende Endometriose (TIE) vor, welche verschiedene Organe und Strukturen wie die Harnblase, den Darm, die Scheide, die Sakrouterinligamente oder das Septum rectovaginale befallen kann. Klassische Symptome sind Dys- und/oder Hämatochezie, Subfertilität, ausgeprägte Dyspareunie, zyklische Dysurie und Dysmenorrhö. Kolorektale TIE kann bei ausreichender Erfahrung mittels transvaginaler Sonografie (TVS) akkurat diagnostiziert werden. Die TVS dient somit zur primären Diagnostik, zur Verlaufskontrolle bei medikamentöser Therapie sowie zur präoperativen Abklärung der Ausdehnung der Erkrankung, um eine optimale chirurgische Therapie zu planen. Bei spezifischen Fragestellungen wie fraglicher Beteiligung des Sakralplexusist eine weitere Abklärung mittels Magnetresonanztomografie (MRT) sinnvoll.

Diagnostik

Vaginalsonografisch zeigen sich die normale Mukosa und Submukosa des Darms echoreich, während die Lamina muscularis propria echoarm bis anechogen erscheint. Endometrioseherde im Bereich des Rektums und des Colon sigmoideum können als anechogene, pilzförmige Verdickungen der Lamina muscularis der Darmwand dargestellt werden (Abb. 1, 2). Hierbei ist es wichtig, alle darstellbaren Darmabschnitte auf das mögliche Vorliegen weiterer Herde zu untersuchen, um ein multifokales Befallsmuster auszuschließen. Eine zusätzliche MRT kann die Diagnostik im Bereich höher gelegener Darmabschnitte unterstützen. Manche tief infiltrierenden Endometrioseknoten können im Rahmen der klassischen bimanuellen Untersuchung diagnostiziert werden, aber über 50% der Läsionen sind nicht tastbar und gelangen nur durch bildgebende Methoden zur Darstellung.

Abb. 1: Rektumendometriose mit TVS dargestellt,* TIE, ** normale Rektumvorderwand und *** -hinterwand

Abb. 2: Segmentresektat des Rektums, * TIE, ** normale Rektumvorderwand

Die Aussagekraft der oben genannten sonografischen Kriterien der kolorektalen TIE in Bezug auf die histologisch verifizierte Prävalenz wurde in mehreren Metaanalysen untersucht. Positive und negative Vorhersagewerte (NPV, PPV) lagen bei 98% bzw. 96% für Darmendometrioseherde innerhalb des kleinen Beckens, wobei die MRT nach aktuellen Studien bei erfahrenem Untersucher der TVS etwa gleichwertig, jedoch teurer und schwieriger verfügbar ist. Zusätzlich ist die Anwendung von Klassifikationssystemen ähnlich der FIGO-Stadieneinteilung bei gynäkologischen Malignomen sinnvoll. Die von der Stiftung Endometrioseforschung (SEF) entwickelte Enzian-Klassifikation (Abb. 3) mit ihrer aktualisierten Version des #Enzian erlaubt die universell anwendbare Beschreibung der Endometriose inklusive pelviner Adhäsionen durch den Operateur wie auch den Diagnostiker.

Abb. 3: Enzian-Klassifikation

Operative Therapieoptionen

Die Indikation zur operativen Therapie stellen therapieresistente, die Lebensqualität reduzierende Beschwerden und/oder Infertilität dar. Somit müssen Nutzen und Risiken einer kolorektalchirurgischen Intervention mit der Patientin abgewogen und besprochen werden. Es stehen – abhängig vom Ausprägungsgrad der Darmendometriose – drei Behandlungsmethoden zur Diskussion: „rectal shaving“ (RS), „disc resection“ (DR) und Segmentresektion des Rektums (SR).

Ziel der chirurgischen Therapie ist die Resektion der TIE mit Erhalt der reproduktiven Organe im Sterilitätsfall. Operationsart und Technik hängen vom Grad der Ausprägung als auch der Erfahrung und Präferenz des interdisziplinären gynäkologisch-chirurgischen Teams ab. Mehrere Studien belegen klar den Vorteil minimalinvasiver Techniken gegenüber der Laparotomie hinsichtlich des Blutverlustes, postoperativer Komplikationen, Liegedauer und postoperativer Schwangerschaftsraten. Im Folgenden sollen die drei Methoden kurz beschrieben werden:

Unter dem sogenannten „Shaving“ wird die oberflächliche schichtweise Entfernung der kolorektalen TIE verstanden, wobei die Darmmukosa und die luminale Struktur des Rektosigmoids erhalten bleiben. Nach aktuellen Studien und Metaanalysen werden idealerweise Läsionen zwischen 2 und 3cm Durchmesser reseziert, die nicht tief in die Darmwand infiltrieren. In der Praxis kann der Grad der Infiltration bereits vor dem Eingriff mittels TVS eingeschätzt werden. Nach Ansicht der Autoren ist die „Shaving“-Technik nur für oberflächliche Läsionen geeignet, welche jedoch selten als solche auftreten. Daher ist in vielen Fällen von einer residuellen Erkrankung bei durchgeführtem „Shaving“ auszugehen.

Eine weitere Option stellt die DR dar, die sich zu einer Standardmethode bei mittelgroßen (2–3 cm Durchmesser), tief infiltrierenden Darmläsionen etabliert hat. Geeignet ist diese Technik für eine unifokale Erkrankung, die weniger als 50% der Gesamtzirkumferenz betrifft. Dabei wird der entstehende Wanddefekt nach Invagination oder Exzision der TIE vernäht oder mittels Stapler, welcher meistens transanal eingebracht wird, verschlossen.

Bei über 4–6 cm messender infiltrierender und/oder multifokaler TIE schließlich wird die klassische Darmsegmentresektionangewandt, mit bis dato über 4000 publizierten Fällen. Die Extraktion des Darmsegments erfolgt über eine erweiterte suprasymphysäre oder paraspinale Inzision oder mittels „NOTES“-Technik transanal. Die kolorektale Anastomose wird in der Regel „End-End“ oder „End-Seit“ mit Zirkulärstaplern durchgeführt.

Komplikationen der operativen Therapie

Die Raten an Major-Komplikationen (Grad III–IV nach Clavien-Dindo) von Shaving, DR und SR liegen nach einer aktuellen Metaanalyse bei 2,2%, 9,7% und 9,9%. Diese Zahlen müssen jedoch mit Vorsicht interpretiert werden, da wesentliche Faktoren, die Komplikationen wie Anastomoseninsuffizienz etc. beeinflussen, bei den vorliegenden Metaanalysen nicht einfließen. Dazu zählen die Höhe der Anastomose, die Beteiligung der Vagina bzw. die Resektion der Vagina und – wesentlich – Erfahrung und Expertise des Operationsteams. In Summe ist die Shaving-Technik mit geringeren Raten an Leakage und Rektovaginal(RV)-Fistelbildung im Vergleich zur DR und SR verbunden. Die Darmfunktion (Entleerungsfrequenz, Obstipation und Kontinenz) scheint im bis dato selten publizierten Langzeit-Follow-up durch das Belassen des nerven- und gefäßführenden pararektalen Fettgewebes nicht negativ beeinträchtigt bzw. sogar teilweise verbessert zu sein. Andererseits betragen die Rezidivraten nach RS hinsichtlich Schmerzsymptomen bis zu 10%, wobei nicht klar ist, ob die wiederkehrende Schmerzsymptomatik direkt mit der Operationstechnik assoziiert ist. Weiters sind beim Shaving Re-Interventionsraten bis zu 27% nach bereits 20 Monaten beschrieben, was eine klinisch relevante Persistenz der kolorektalen TIE im Rahmen des Ersteingriffs nahelegt.

Hinsichtlich der Raten an Anastomoseninsuffizienzen und RV-Fistelbildung scheinen DR und SR keine wesentlichen Unterschiede aufzuweisen. Ein von einigen Autoren eingebrachtes Argument gegen die SR ist die erweiterte Radikalität der Operation mit möglicher Irritation der Gefäß- und Nervenversorgung des Rektums und angrenzender Beckenorgane und damit verbundener Erhöhung der postoperativen Morbidität hinsichtlich Darmfunktionsstörung, Anastomosenstenose und LARS-Syndrom (anteriores Resektionssyndrom nach Rektumresektion mit Diarrhö und erhöhter Defäkationsfrequenz). Hier ist anzumerken, dass die SR per se je nach Arbeitsgruppe sehr unterschiedliche Ergebnisse, Komplikationsraten und Operationsvarianten (limitierte nerven- und gefäßsparende Variante versus klassische totale mesorektale Resektion, TMR) aufweist. Die von den Autoren praktizierte „nerve-vessel sparing tubular resection“, bei welcher das gesamte mesorektale nerven- und gefäßführende Fettgewebe belassen wird, zeigt in einer rezenten Publikation der Autoren niedrige Raten an Anastomoseninsuffizienzen und Fistelbildung (1,9% bzw. 1%) sowie im Vergleich zur DR keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der postoperativen Funktionalität (minor und major LARS in 5% bzw. 1%) und postoperative Anastomosenstenose in 1,2% bei SR.

Weiters konnten die Autoren im Rahmen einer in Publikation befindlichen internationalen Multicenterstudie speziell bei tiefen vorderen Resektionen (Anastomosenhöhe unter 6cm ab ano) signifikant niedrigere Raten an Anastomoseninsuffizienzen und RV-Fistelbildung bei der „Nerve-vessel sparing tubular resection“-Technik im Vergleich zur DR mit gleichen Raten an LARS zeigen. Eine Schutzileostomie führt zu einer möglichen Reduktion der klinisch apparenten Anastomoseninsuffizienzen und wird in der Regel bei Anastomosen unter 5–6cm ab ano angelegt.

Nach Ansicht der Autoren sollte das primäre Ziel der operativen Therapie die komplette Resektion der kolorektalen TIE sein. Letztendlich liegt die Wahl der Methode im Ermessen des Operateurs – und somit dessen operativer Erfahrung bzw. Expertise.

Ergebnisse

Bis dato existiert nur eine prospektiv-randomisierte Studie zum Vergleich der Operationstechniken nach Resektion der kolorektalen TIE zur Verbesserung der Fertilität, welche keine signifikanten Unterschiede zwischen DR und SR aufzeigen konnte (spontane Schwangerschaftsraten [SSR] von 66,7% vs. 72,7%).

Eine rezente Analyse zur Fertilitätsverbesserung nach SR bei TIE berichtet eine kumulative SSR von 48–69%, wobei die spontanen Konzeptionsraten zwischen 21% und 61% stark variieren und naturgemäß von vielen Begleitfaktoren wie Alter der Patientin, „male factor“, Eizellreserve, bestehender Adenomyose etc. abhängig sind. In einer Gruppe von 102 Patientinnen nach SR beobachteten die Autoren ebenso eine signifikante Reduktion der Schmerzsymptome (NAS Dysmenorrhö, Dyspareunie, Dyschezie) von im Mittel 8,3 auf 2,1; 3,5 auf 0,7 und 4,2 auf 0,7 mit einer kumulativen postoperativen SSR von 64% mit 40% spontaner Konzeptionsrate. Eine signifikante Reduktion der Schmerzsymptome ist bei kompletter Resektion in über 90% zu erwarten. Es muss jedoch angemerkt werden, dass konkomitante Adenomyose und chronische Schmerzsymptome mit sich über Jahre entwickelnden psychischen Krankheitsbildern das Gesamtergebnis der Operation hinsichtlich Schmerzreduktion negativ beeinflussen können.

Zusammenfassung

Die chirurgische Therapie der kolorektalen TIE beinhaltet drei mögliche Operationsmethoden: RS, DR und SR. Die zahlenmäßig größte Evidenz zur postoperativen Schmerzreduktion, zur Verbesserung der Fertilität und zu Komplikationraten liegt für die SR vor. RS und DR sind ebenso etablierte Techniken, wobei das RS geringere Komplikationsraten, jedoch möglicherweise höhere Rezidiv- und Reinterventionsraten verglichen mit DR und SR aufweist.Große prospektiv-randomisierte Studien zum Vergleich der drei Methoden fehlen jedoch bis jetzt.

Wesentliche Faktoren, die das Ergebnis der operativen Therapie beeinflussen, sind neben der Technik klarerweise die Erfahrung des interdisziplinären Teams und die damit verbundene Zahl an Operationen („volume activity“ per Zentrum und Jahr). Daher sollte die chirurgische Therapie der kolorektalen TIE primär an Zentren bzw. durch Teams mit entsprechender Erfahrung hinsichtlich der bevorzugten Operationstechnik, der interdisziplinären Zusammenarbeit und des Managements von Komplikationen erfolgen.

Die Inhalte dieses Artikels waren Thema bei der virtuellen Herbsttagung der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) im September 2020.

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