Zytomegalievirus: an die Risiken der Reaktivierung denken!
Bericht:
Reno Barth
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Infektionen mit dem Zytomegalievirus (CMV) verlaufen bei Gesunden zumeist asymptomatisch, führen jedoch zur Persistenz des Virus im Organismus. Problematisch kann CMV werden, wenn es unter Immunsuppression zu einer Reaktivierung kommt, die sowohl nach Transplantationen als auch bei kritisch kranken Patienten mit erhöhter Mortalität assoziiert ist. Sowohl präemptive Therapien als auch medikamentöse Prophylaxe sind taugliche Strategien, dieses Problem in den Griff zu bekommen.
Die Seroprävalenz des Zytomegalievirus bewegt sich in unterschiedlichen europäischen Ländern zwischen 30% und 96%, hängt jedoch auch vom Lebensalter ab und nimmt mit den Lebensjahren zu.1 In bestimmten Situationen (insbesondere bei Immunsuppression) kann es sowohl zu hochsymptomatischen Erstinfektionen als auch zu Reaktivierungen der Infektion kommen. Darüber hinaus sind bei bereits Infizierten auch symptomatische Reinfektionen mit anderen CMV-Stämmen möglich. Gefährdet sind unter anderem Patienten nach Organ- oder Stammzelltransplantationen sowie andere Immunsupprimierte (etwa unter Therapie mit Ibrutinib, Daratumumab, Alemtuzumab, bispezifischen Antikörpern wie Teclistamab etc.) und Patienten auf Intensivstationen. Bei HIV-Infizierten hat sich die Situation dank der hochwirksamen antiretroviralen Therapien stark verbessert, so Univ.-Prof. Dr. Robert Krause von der Medizinischen Universität Graz.
Das Risiko einer Reaktivierung hängt von der konkreten klinischen Situation ab. Nach einer Stammzelltransplantation wird es mit ca. 50% zu Woche 7 angegeben.2 Bei CAR-T-Zell-Therapien werden in rund 25% der Fälle CMV-Reaktivierungen gefunden, die meist in den Wochen 2 bis 6 auftreten.3 Auch nach Transplantation solider Organe sind CMV-Reaktivierungen mit 30% häufig.4 Bei Patienten auf Intensivstationen wurden nach zwei bis drei Wochen bei bis zu 35% CMV-Reaktivierungen festgestellt.5 Eine Studie aus dem Jahr 2016 fand CMV-Reaktivierungen im Schnitt 41 Tage nach Stammzelltransplantation, insgesamt traten 98% aller Reaktivierungen bis Tag 100 auf.6 Letzteres deckt sich jedoch nicht mit der Erfahrung im klinischen Alltag, so Krause, der auch von deutlich späteren Reaktivierungen berichtet.
CMV-Reaktivierung als Risikofaktor für Mortalität
CMV-Reaktivierungen sind klinisch relevant, denn die CMV-Viruslast hat sich als zeitabhängiger Risikofaktor für die Sterblichkeit nach Stammzelltransplantationen (SZT) erwiesen.7 Das klinische Bild einer CMV-Reaktivierung ist vielfältig und reicht von Allgemeinsymptomen bis zu diversen Endorganmanifestationen wie Retinitis, Ösophagitis, Kolitis, Proktitis, Hepatitis, Pankreatitis, Pneumonie, Nephritis oder Enzephalitis. Um dies zu verhindern, kann entweder eine präemptive Therapie durchgeführt oder eine Prophylaxe gegeben werden (Abb. 1). Bei der Prophylaxe wird mit der Transplantation eine antivirale Therapie begonnen. Präemptive Therapie bedeutet, dass mittels PCR in regelmäßigen Abständen auf Virämie getestet und bei Bedarf behandelt wird. Wie lange Prophylaxe gegeben werden muss, ist nicht endgültig geklärt. Es gibt auch keinen Konsens betreffend einen Cut-off für die präemptive Therapieeinleitung. Krause: „In der Regel beginnt man die Therapie bei viraler DNA-Verdoppelung in ≤2 Tagen oder 103 Kopien/ml.“
Abb. 1: Prophylaxe und präemptive Therapie zur Verhinderung einer CMV-Reaktivierung (modifiziert nach Griffith P, Reeves M 2021)15
Letermovir wurde im Jänner 2018 zur CMV-Prophylaxe bei CMV-seropositiven Empfängern einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSZT) zugelassen. DieZulassung erfolgte für eine Behandlung zunächst bis Tag 100, mittlerweile liegen auch Daten über 200 Tage Prophylaxe vor. Die Wirksamkeit im Vergleich zu Placebo wurde bereits vor zehn Jahren in einer Studie mit CMV-seropositiven Patienten nach Stammzelltransplantation demonstriert. Letermovir war bereits in einer Dosis von 120mg/d besser als Placebo, verhinderte CMV-Reaktivierungen und reduzierte die Mortalität.8
Die Wirksamkeit bis zum Tag 200 wurde in einer rezenten Phase-III-Studie gezeigt, in die CMV-seropositive Empfänger (R+) einer HSCT eingeschlossen waren, die zuvor mit Letermovir bis Tag 100 behandelt worden waren und ein hohes Risiko für eine CMV-Infektion/-Erkrankung aufwiesen.9 Endpunkt war eine klinisch signifikante CMV-Infektion (Erkrankung oder Therapieeinleitung wegen Virämie) in den Wochen 14 bis 28. Die Empfehlung für eine Therapie wurde bei ≥300 Kopien/ml gegeben. Allerdings wirft diese Studie neue Fragen auf, so Krause. Denn Letermovir war zwar bis Tag 200 wirksam, nach dem Absetzen kam es jedoch zu einem Ansteigen der CMV-Reaktivierungen. Krause: „Bedeutet das jetzt, dass wir Letermovir unbegrenzt geben müssen? Das ist noch nicht klar und Thema weiterer Studien.“
Weiters sind in dieser Indikation Ganciclovir und Valganciclovir im Einsatz. Aciclovir und Valaciclovir zeigten in Studien bei CMV eine schwache Wirksamkeit, kommen jedoch auf Intensivstationen bei Herpes-simplex-Virus-Infektionen bzw. -Reaktivierungen zum Einsatz, so Krause. Brincidofovir wurde in der Prophylaxe bei SZT untersucht, führte jedoch zu einem numerischen, aber nicht signifikanten Anstieg der Mortalität und spielt daher in dieser Indikation keine Rolle mehr. Auch schwere Nebenwirkungen waren mit Brincidofovir häufiger als mit Placebo.10
Letermovir auch nach Nierentransplantationen wirksam
Bei Transplantation solider Organe hängen die Empfehlungen zur CMV-Prophylaxe von der konkreten Konstellation ab: Das höchste Risiko einer CMV-Erkrankung besteht bei seropositivem Donor und seronegativem Empfänger (D+R-). Sind sowohl Spender als auch Empfänger seropositiv oder ist der Spender negativ und der Empfänger positiv, so kann man von einem mittleren Reaktivierungsrisiko ausgehen. Sind sowohl Spender als auch Empfänger seronegativ, so ist das Risiko einer Infektion gering. Auf Basis eines Reviews aus dem Jahr 2018 wurde eine Prophylaxe mit Valganciclovir für 3 bis 6 (Lunge bis 12) Monate für die Konstellationen D+R-, D+R+ und D-R+ empfohlen.11 Neue Studiendaten könnten diese Empfehlungen allerdings schon bald verändern. Denn Letermovir wurde nach Nierentransplantation für bis zu 200 Tage untersucht und zeigte gute Wirksamkeit und Verträglichkeit. Dabei wurde Letermovir nicht mehr mit Placebo, sondern mit Valganciclovir verglichen.12 Diese Daten sind allerdings noch nicht in die Empfehlungen eingeflossen.
Reaktivierungen von CMV stellten historisch im Zusammenhang mit HIV-Infektionen ein erhebliches Problem dar und werden bei einer CD4+-Zellzahl unter 50 Zellen/mm3 relevant. In Zeiten gut wirksamer antiretroviraler Therapien (ART) kommt es jedoch nur noch in seltenen Fällen zu Problemen mit CMV. Die Reaktivierung äußert sich unter anderem in Retinitis, gastrointestinaler CMV-Erkrankung oder Pneumonitis. Krause: „Obwohl die CMV-Erkrankung bei HIV selten geworden ist, muss man sie differenzialdiagnostisch immer noch in Betracht ziehen.“ Tritt eine CMV-Erkrankung oder eine Organmanifestation auf, so soll diese mit Ganciclovir oder Valganciclovir behandelt werden. Falls gleichzeitig eine antiretrovirale Therapie (ART) begonnen wird, so sollte dies um ein bis zwei Wochen zeitversetzt geschehen, um Probleme mit der Immunrekonstitution zu vermeiden.
Unklare Datenlage: CMV-Prophylaxe auf der Intensivstation
Ein besonderes Problem können CMV-Reaktivierungen auf Intensivstationen darstellen. Zwar zeigen reine Antikörperstudien hinsichtlich der Mortalität keinen Unterschied zwischen seropositiven und seronegativen ICU-Patienten, doch ist ein Direktnachweis von CMV (PCR, Kultur, pp65) und damit festgestellte CMV-Infektion mit erhöhter Mortalität auf der ICU verbunden. Bei CMV-Reaktivierung (Nachweis mittels PCR) sind mechanische Beatmung, ICU-Aufenthalt und Krankenhaus-Aufenthalt verlängert und der Gasaustausch ist länger beeinträchtigt. Das Risiko für verlängerte Hospitalisierung/Tod war bei positiver CMV-PCR am Tag 30 um den Faktor 14 erhöht. CMV-PCR-Positivität ist auch mit mehr Organdysfunktion assoziiert.
Daten zur medikamentösen CMV-Prophylaxe auf der ICU sind nur spärlich vorhanden. Eine randomisierte Studie verglich Ganciclovir, Aciclovir und Placebo in einer Population von mehr als 24 Stunden intubierten und mechanisch ventilierten seropositiven Patienten über 28 Tage. Endpunkte waren mittels PCR nachgewiesene CMV-Reaktivierung (Blut, Lunge, Urin, Rachen, sonstige Körperflüssigkeiten), Organfunktion, Dauer des ICU-Aufenthalts sowie Tod. Die Studie musste wegen einer erhöhten Zahl von Todesfällen im Aciclovir-Arm abgebrochen werden.13 Krause: „Das führt dazu, dass wir nicht wissen, was Ganciclovir gemacht hätte. Warum Aciclovir überhaupt hineingenommen wurde, erschließt sich mir nicht, da bei CMV keine gute Wirksamkeit zu erwarten ist.“
Aus Beobachtungsstudien weiß man, dass rund 35% der seropositiven, kritisch kranken Patienten reaktivieren und dass die Reaktivierungsrate mit niedrig dosiertem Valganciclovir auf rund 3% gesenkt werden kann. Krause: „Wir wissen allerdings nicht, was das klinisch bedeutet.“ Eine weitere mit Ganciclovir durchgeführte Prophylaxe-Studie auf der ICU hatte als primären Endpunkt Interleukin 6 als Entzündungsmarker und fand keine signifikanten Unterschiede zwischen den Armen. Allerdings waren in der Ganciclovir-Gruppe kürzere Beatmungszeiten erforderlich (sekundärer Endpunkt).14 Krause: „Wir wissen, dass jeder Tag am Respirator für den Patienten ungünstig ist. Allerdings reicht die Datenlage nicht aus, um eine CMV-Prophylaxe auf der Intensivstation generell zu empfehlen.“
Quelle:
„CMV-Prophylaxe“, Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Robert Krause, Graz, am 10. April 2024 im Rahmen des ÖIK in Saalfelden
Literatur:
1 Ludwig A.: Euro Surveill 2009; 14(9): pii=19140 2 Marty FM et al.: N Engl J Med 2017; 377: 2433-2444 3 Kampouri E et al.: Clin Infect Dis 2024;78(4): 1022-32 4 Ramanan P et al.: Infect Chemother 2013; 45: 260-71 5 Cowley NJ et al.: JAMA Intern Med 2017; 177(6): 774-83 6 Teira P: Blood 2016; 127:2427-38 7 Green ML et al.: Lancet Haematol 2016; 3(3): e119-27 8 Chemaly RF et al.: N Engl J Med 2014;370:1781-9 9 Russo D et al.: Lancet Haematol 2024; 11(2): e127-e135 10 Marty FM.: Biol Blood Marrow Transplant 2019; 25(2): 369-81 11 Meesing A et al.: Expert Rev Clin Pharmacol 2018;11(8): 773-8 12 Limaye AP et al.: JAMA 2023; 330(1): 33-42 13 Cowley NJ et al.: JAMA Intern Med 2017; 177(6): 774-83 14 Limaye AP et al.: JAMA 2017; 318(8):731-40 15 Griffith P, Reeves M: Nat Rev Microbiol 2021;19(12): 759-77
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