Aktuelle ESC-Leitlinie Vorhofflimmern und neue Studiendaten
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Vorhofflimmern ist und bleibt weiterhin eine Volkskrankheit. Prof. Dr. med. Ibrahim Akin, Mannheim, sprach über neue Aspekte der ESC-Leitlinie Vorhofflimmern bezüglich der Praxis und über wichtige Studienergebnisse, die aus zeitlichen Gründen nicht mehr in der Leitlinie berücksichtigt werden konnten.
Die Prävalenz des Vorhofflimmerns (AF) wird in den nächsten 40 Jahren, insbesondere bei Menschen über 80 Jahren, weiter ansteigen, wie aus der aktuellen Leitlinie der ESC hervorgeht.1 Das Lebenszeitrisiko beträgt etwa 30%. Das klinische Erscheinungsbild ist in ca. einem Drittel der Fälle asymptomatisch und in zwei Dritteln symptomatisch. Die Prognose der Patienten kann durch das Vorhofflimmern beeinträchtigt sein, insbesondere wenn andere kardiale Erkrankungen verstärkt werden. Auch kognitive Beeinträchtigungen wurden beschrieben.
Bei der aktuellen Auflage der ESC-Leitlinie wurde eine systematische Herangehensweise gewählt, die über den Leitbegriff „CC zu ABC“ bei der Diagnose, der Kategorisierung und der Therapie unterstützt.1 Das erste C steht für „confirm“, die Bestätigung der Diagnose durch das EKG, das zweite C für „characterise“, die Charakterisierung der Erkrankung anhand des 4S-AF-Schemas. Die 4S stehen für Schlaganfallrisiko, Symptom-Schweregrad, Schweregrad der AF-Last und Substrat-Schweregrad. Der ABC-Pfad betrifft die Behandlung des Vorhofflimmerns mit A für Antikoagulation zur Vermeidung von Schlaganfällen, B für Bessere Kontrolle der Symptome und C für Co-Morbiditäten und dem Management kardiovaskulärer Risikofaktoren.
In der AF-Diagnostik spielt heutzutage nicht nur das EKG eine Rolle, sondern viele Patienten verwenden beispielsweise eine „smart watch“ zur Kontrolle der Herzfrequenz, so dass häufiger EKG-Erscheinungen auffallen könnten, die möglicherweise nicht relevant sind. Dazu wurden zwei neue Studien erst nach Veröffentlichung der Leitlinie publiziert, die das Thema des Vorhofflimmern-Screenings in ein neues Licht setzen.2, 3 In der dänischen LOOP-Studie wurde 70- bis 90-jährigen Menschen ohne Vorhofflimmern, aber mit wenigstens einem weiteren Risikofaktor für einen Schlaganfall, ein Messgerät implantiert und bei AF-Episoden ≥6 Minuten eine Antikoagulation durchgeführt. Im Vergleich zur Kontrollgruppe wurde dreimal häufiger ein Vorhofflimmern diagnostiziert (12% vs. 35%), aber das Risiko für einen Schlaganfall oder arterielle Embolien nicht signifikant reduziert (HR=0,80; 95% CI0,61-1,05; p=0,11).2 Möglicherweise werde aber das Signifikanzniveau bei längerer Nachbeobachtungszeit noch erreicht, prognostizierte Akin. In der schwedischen STROKESTOP-Studie wurde ein geringer Nutzen durch das Screening von 75-76 Jahre alten Menschen auf Vorhofflimmern gesehen.3 Der EHRA Practical Guide für den Gebrauch von tragbaren Messgeräten empfiehlt ein Screening für Menschen mit ≥1 relevanten Begleiterkrankungen und für Menschen >75 Jahre.4
Bei den Charakterisierungen gibt es Neues bei der Klassifikation der Vorhofflimmern-Symptomatik.1 Hier soll eine Objektivierung der Symptomschwere mithilfe des EHRA-Scores erfolgen. Bei der Schweregradeinteilung wird eine spontane Terminierung sowie die AF-Dauer und -Episodendichte pro Zeiteinheit einbezogen. Der Substrat-Schweregrad erfasst die Vorhofmyokardstruktur bzw. die kardiale Gesamtstruktur sowie Begleiterkrankungen und kardiovaskuläre Risikofaktoren.
Neu bei der Antikoagulation ist die Abschätzung des individuellen Risikos, die nicht nur mit dem altbekannten HAS-BLED-Score durchgeführt werden soll, sondern Risikofaktoren für Blutungen bei OAK- und Thrombozytenaggregationshemmertherapie in die Klassen „nicht modifizierbar“, potenziell modifizierbar“ und „modifizierbar“ unterteilt, um eine individualisierte Entscheidung fällen zu können.
Für die Therapie wurde bisher die AFFIRM-Studie zitiert und für die Leitlinienempfehlung der Rhythmustherapie herangezogen. Die AFFIRM-Studie zeigte keinen Mortalitätsunterschied zwischen Rhythmus- versus Frequenzkontrolle.5 Die aktuelle Studie EAST-AFNET 4 zur Rhythmustherapie schloss Patienten mit neu diagnostiziertem AF ein und zeigte einen Vorteil der Rhythmustherapie gegenüber der Standardtherapie.6 In zwei weiteren Studien wurde ein Vorteil der frühen Kryoablation gegenüber der medikamentösen Therapie bei Patienten mit symptomatischem Vorhofflimmern beschrieben.7, 8 In den aktuellen ESC-Leitlinien wird die Katheter-Ablation mit einer IIa-Empfehlung angegeben. Dies könnte in der nächsten Version, unter Berücksichtigung der neuen Studienlage, auch eine Ia-Empfehlung werden, mutmaßte Akin. Bezüglich der Begleiterkrankungen wird mit einem multidisziplinären ganzheitlichen Ansatz ein umfassendes AF-Risikofaktor-Management angestrebt, das zu Optimierung des Erfolgs der AF-Katheterablation beitragen soll.
Quelle:
„Update Rhythmologie“, 128. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM), 1. Mai 2022
Literatur:
1 Hindricks G et al. Eur Heart J 2021; 42: 373-498
2 Svendsen JH et al. Lancet 2021; 398: 1507-1516
3 Svennberg E et al. Lancet 2021; 398: 1498-1506
4 Svennberg E et al. Europace 2022, doi:10.1093/europace/euac038
5 Wyse DG et al. N Engl J Med 2002; 347: 1825-1833
6 Kirchhof P et al. N Engl J Med 2020; 383: 1305-1316
7 Andrade JG et al. N Engl J Med 2021; 384: 305-315
8 Wazni OM et al. N Engl J Med 2021; 384: 316-324
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