
Antiplättchentherapie nach perkutaner Koronarintervention
Autoren:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Johann Auer1
Ass. Dr. Florian Schmalzer1
Ass. Dr. Cristina Badea1
OA Dr. Carina Primus1
Prim. Priv. Doz. Dr. Robert Berent2
1Abteilung für Innere Medizin 1 mit Kardiologie und internistische Intensivmedizin,
St. Josef Krankenhaus, Braunau
E-Mail: johann.auer@khbr.at
2HerzReha Bad Ischl, Zentrum für kardiovaskuläre Rehabilitation und Fettstoffwechselstörungen
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Eine optimale antithrombotische Therapiestrategie besteht in einer Balance zwischen dem Schutz vor thrombotischen Ereignissen und einem Anstieg des therapieassoziierten Blutungsrisikos. Hier finden Sie wichtige Erkenntnisse zur antithrombotischen Therapie bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit, die mittels perkutaner Koronarintervention (PCI) behandelt werden.
Keypoints
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Eine duale Thrombozytenaggregationshemmung (DAPT) nach perkutaner Intervention verringert die stentassoziierten thrombotischen Risiken.
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Die optimale Dauer der DAPT und die Wahl des P2Y12-Inhibitors werden aktuell untersucht. Die Entscheidung richtet sich derzeit nach dem individuellen thrombotischen Risiko und dem Blutungsrisiko.
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Die Dauer einer Dreifachtherapie – orales Antikoagulans (vorzugsweise NOAC) + DAPT – ist so kurz wie möglich zu halten und es ist frühzeitig eine Doppeltherapie mit einem NOAC- und einem P2Y12-Inhibitor einzusetzen.
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Für die Mehrzahl aller Patienten gilt, dass etwa eine Woche nach der PCI eine Doppeltherapie NOAC + P2Y12-Inhibitor durchgeführt werden sollte.
Das thrombotische Risiko nach einer koronaren Stentimplantation setzt sich aus unterschiedlichen Faktoren zusammen. Dazu zählen das erhöhte Risiko für Koronarthrombosen in Zusammenhang mit den zugrunde liegenden Patienteneigenschaften und der koronaren Atherosklerose, die Aktivierung des lokalen thrombotischen Risikos durch das lokale Gefäßtrauma infolge der Stentimplantation und die thrombogenen Eigenschaften des implantierten Materials.
Duale Thrombozytenaggregationshemmung (DAPT)
Der obligatorische Einsatz von P2Y12-Rezeptorinhibitoren zusätzlich zu Aspirin im Sinne einer DAPT hat zu einer erheblichen Verringerung der thrombotischen Ereignisse nach PCI geführt. Die DAPT wird derzeit als Standard-Therapiekonzept in den aktuellen Leitlinien für die antithrombotische Therapie bei Patienten nach einer PCI empfohlen (Abb. 1–3). Die aktuellen Guidelines fokussieren auch auf die individuelle Abwägung des thrombotischen Risikos und der notwendigen Intensität der gerinnungsaktiven Therapie mit dem Blutungsrisiko des Patienten. Dies ist erforderlich, da das Auftreten sowohl von thrombotischen Ereignissen als auch von schweren Blutungskomplikationen die Prognose ungünstig beeinflusst wird.
Abb. 1: Algorithmus zur dualen antithrombozytären Therapie (DAPT) bei Patienten nach perkutaner Koronarintervention
Abb. 2: Algorithmus zur antithrombotischen Therapie bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom ohne ST-Hebung, die kein Vorhofflimmern haben, sich aber einer perkutanen Koronarintervention unterziehen. DAT = duale antithrombotische Therapie. R = Rivaroxaban 2,5mg 2x täglich
Abb. 3: Algorithmus für die antithrombotische Therapie bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom ohne ST-Hebung, die Vorhofflimmern haben und sich einer perkutanen Koronarintervention oder einer medikamentösen Behandlung unterziehen. DAT = duale antithrombotische Therapie. Bevorzugung eines NOAC gegenüber OAC mit Vitamin-K-Antgonisten. Clopidogrel wird in der Doppeltherapie Aspirin vorgezogen Dosierungsempfehlung für die NOAC bei normaler Nierenfunktion: Apixaban 5mg 2x tgl., Dabigatran 150mg 2x tgl., Edoxaban 60mg 1x tgl, Rivaroxaban 20mg 1x tgl. DAT bei hohem Blutungsrisiko bedeutet: Dabigatran 2× 110mg/Tag, Rivaroxaban 1× 15mg/Tag
In diesem Artikel geben wir einen Überblick über die antithrombotische Therapie nach PCI bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit. Dabei geht es um
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die Dauer der DAPT,
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die Auswahl des P2Y12-Inhibitors,
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die Eignung von Aspirin gegenüber einem P2Y12-Inhibitor als singuläre Thrombozytenaggregationshemmung (SAPT) und
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das optimale Regime für Patienten, die eine orale Antikoagulation (OAC) benötigen.
Dauer der DAPT
Die bereits in den 1990er-Jahren publizierten Studien ISAR und STAR konnten die Überlegenheit von DAPT gegenüber Aspirin-Monotherapie bzw. gegenüber einer OAC mit Vitamin-K-Antagonisten plus Aspirin zeigen. In diesen Studien reduzierte eine DAPT (Aspirin plus Ticlopidin) die thrombotischen Ereignisse Tod, Myokardinfarkt (MI) und koronare Revaskularisation im Vergleich zu Aspirin allein oder Warfarin plus Aspirin-Therapie innerhalb eines Monats nach PCI um 75% bis 85%. Seither ist eine DAPT bestehend aus Aspirin plus einem P2Y12-Inhibitor das Therapiekonzept der Wahl für das antithrombotische Management bei Patienten nach koronarem Stenting. Aufgrund von potenziellen Nebenwirkungen von Ticlopidin (z.B. Knochenmarkstoxizität) wurde Ticlopidin durch Clopidogrel als Thienopyridin der zweiten Generation ersetzt.
Bei medikamentenfreisetzenden Stents (drug eluting stents; DES) der ersten Generation zeigten sich jedoch Hinweise auf ein erhöhtes Stentthromboserisiko. In mehreren Studien wurde eine 12-monatige DAPT mit einem geringeren ischämisch-thrombotischen Risiko in Verbindung gebracht. Daher wurde die empfohlene Dauer der DAPT auf 6–12 Monate erhöht. In weiterer Folge wurden mehrere Studien durchgeführt, die versuchten, die optimale Dauer der DAPT zu ermitteln. Dabei wurde „kurzfristig“ zumeist mit weniger als 12 Monaten und „längerfristig“ mit über 12 Monaten definiert (Abb. 1).
Eine koreanische Studie, die im Jahr 2010 veröffentlicht worden ist, hat ergeben, dass eine DAPT über einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten keine Vorteile im Hinblick auf eine Verringerung des Risikos für MI oder Tod nach DES-Implantation bringt. Im Gegensatz dazu zeigte die DAPT-Studie an 9961 randomisierten PCI-Patienten, dass eine insgesamt 30-monatige DAPT im Vergleich zu 12 Monaten mit einer signifikant niedrigeren MI- und Stentthromboserate einhergeht. Die Häufigkeit schwerer Blutungen und die Gesamtmortalität waren allerdings in der Gruppe mit 30-monatiger DAPT höher. Mehrere Metaanalysen bestätigten diese Ergebnisse und wiesen darauf hin, dass eine Langzeit-DAPT zwar das MI- und Stentthrombose-Risiko senken kann, allerdings ein erhöhtes Blutungsrisiko nach sich zieht.
Blutungen nach PCI sind mit einer signifikanten Erhöhung der nichtkardiovaskulären Mortalität assoziiert. Daher sollte bei Patienten mit einem hohen Blutungsrisiko und/oder einem niedrigen ischämischen Risiko eine kurzfristige DAPT bevorzugt werden (Abb. 2).
In der STOPDAPT-2-Studie wurde eine einmonatige DAPT gefolgt von einer Clopidogrel-Monotherapie mit einer 12-monatigen DAPT verglichen. Dabei wurde gezeigt, dass das einmonatige DAPT-Regime nach einem Beobachtungszeitraum von einem Jahr zu einer geringeren Rate des kombinierten Endpunktes aus kardiovaskulären Ereignissen (kardiovaskulärer Tod, MI, definitive Stentthrombose, ischämischer und hämorrhagischer Schlaganfall) und Blutungen führt. Diese und weitere Studien weisen darauf hin, dass bei selektierten Patienten die DAPT-Dauer unter intensiven Maßnahmen der Sekundärprävention und PCI-Optimierung (DES der neuen Generation und intravaskuläre Bildgebung) auf nur einen Monat verkürzt werden kann.
In der DAPT-STEMI-Studie wurde eine 6-monatige mit einer 12-monatigen DAPT bei Patienten mit ST-Strecken-Hebungs-MI verglichen. Dabei zeigte sich kein signifikanter Unterschied im Outcome zwischen den beiden Regimen.
Eine Metaanalyse, die 10 randomisiert kontrollierte Studien einschließlich der DAPT-STEMI-Studie inkludierte, zeigte, dass eine kurzfristige DAPT (weniger als 6 Monate) tendenziell mit einem (nicht statistisch signifikanten) höheren MI-Risiko verbunden ist. Auch das Risiko für eine Stentthrombose war (nicht signifikant) erhöht. Die Rate an Blutungen war tendenziell geringer verglichen mit längerer DAPT (12 Monate oder mehr).
Das Vorliegen eines aktuen Koronarsyndroms (ACS) ist eine wichtige Determinante für die Dauer der antithrombotischen Therapie nach PCI. In den Guidelines wird aber auch ein hohes Blutungsrisiko als Faktor angegeben, der bei der Festlegung der DAPT-Dauer berücksichtigt werden muss. Die optimale Dauer der DAPT hängt jedoch von den Ischämie- und Blutungsrisikoprofilen ab, die umfassend bewertet werden sollten (Abb. 1, 2).
Bewertung des individuellen Risikos
Tab. 1: DAPT-Score: ein Score ≥2 ist assoziiert mit einem günstigen Nutzen-Risiko-Verhältnis für eine verlängerte DAPT, ein Score <2 mit einem ungünstigen Verhältnis
Die aktuellen Guidelines empfehlen eine Risikostratifizierung für ischämische Ereignisse und Blutungskomplikationen. Es wird darauf hingewiesen, dass viele Patienten für beide Arten von Ereignissen gleichzeitig ein hohes Risiko aufweisen. Die Identifizierung von Kandidaten für eine langfristige DAPT basiert häufig auf einer klinischen Beurteilung und der Berücksichtigung von Parametern aus der täglichen Praxis (z.B. Alter, Diabetes, ACS, Charakteristika der PCI-Prozedur etc.). Spezielle Risiko-Scores und Entscheidungshilfen können bei der Festlegung der DAPT-Dauer nach PCI hilfreich sein, um den Schutz vor Ischämie zu maximieren und das Blutungsrisiko für jeden Einzelfall zu minimieren (Tab.1).
Der PRECISE-DAPT-Score besteht aus nur fünf Parametern (Alter, vorangegangene Blutung, Hämoglobinwert, Leukozytenzahl und Kreatinin-Clearance), die einfach erhoben werden können, und dient zur Einschätzung des Blutungsrisikos (TIMI Major- oder Minor-Blutung) unter DAPT. Ab einem PRECISE-DAPT-Score von 25 wird das Blutungsrisiko unter einer dualen antithrombozytären Therapie als „hoch“ eingestuft. Bei diesen Patienten zeigt sich gleichzeitig ein erhöhtes ischämisches Risiko. Diese Patienten haben keinen Vorteil bezüglich ischämischer Ereignisse, wenn sie die DAPT fortsetzen. Im Gegenteil, diese Hochrisikogruppe scheint unter einer längeren DAPT auch bezüglich ischämischer Ereignisse eher einen Nachteil zu haben. Das Academic Research Consortium hat kürzlich die Kriterien für ein hohes Blutungsrisiko definiert, zu denen Alter, Nieren- oder Lebererkrankungen, Medikamente und andere Faktoren gehören. Zusammenfassend konnte die DAPT-Dauer bei den meisten Patienten (vor allem bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko) nach PCI in den letzten Jahren eher verkürzt werden. Eine langfristige DAPT kann jedoch in bestimmten Populationen von Vorteil sein, z.B. bei Patienten mit ACS und/oder komplexer PCI.
Minimierung von ischämischem Risiko und Risiko für Blutungskomplikationen
Zur Optimierung des Outcomes müssen sowohl das ischämische Risiko als auch das Risiko für Blutungsereignisse minimiert werden. Die Maßnahmen dafür gehen über die Auswahl des optimalen antithrombotischen Regimes hinaus und umfassen die Wahl des Stents, die Optimierung der PCI-Prozedur und die Verwendung von Protonenpumpenhemmern (PPI) zur Reduktion des Risikos für gastrointestinale Blutungen (Abb. 1 und 2).
Es konnte eine Überlegenheit von „drug-eluting stents“ (DES) der neuen Generation im Vergleich zu BMS hinsichtlich Sicherheit und Wirksamkeit (Verringerung der Raten von MI, Stentthrombose und Revaskularisation) für alle Patienten- und Läsionsuntergruppen nachgewiesen werden.Günstige Ergebnisse für DES der neuen Generation wurden auch für Hochrisikopatienten-Populationen gezeigt. Eine mittels optischer Kohärenztomografie (OCT) durchgeführte Studie zeigt bereits zwei Wochen nach einem akuten MI eine gute Heilungstendenz bei einem DES der neuen Generation (Cobalt-Chrom-Everolimus-eluierender Stent), was zumindest teilweise die Möglichkeit einer sehr kurzen DAPT bei Patienten mit DES der neuen Generation unterstreicht.
Auch die Optimierung der PCI-Prozedur hat zu verbesserten klinischen Ergebnissen beigetragen. Die ULTIMATE-Studie berichtete, dass eine durch intravaskulären Ultraschall (IVUS) gesteuerte PCI verglichen mit angiografisch gesteuerter PCI die Komplikationsrate (Kombination aus kardiovaskulärem Tod, Zielgefäß-MI und klinisch getriebener Revaskularisierung des Zielgefäßes) nach einer 12-monatigen Nachbeobachtung in einer All-Comer-Population signifikant verringerte.
Weitere Maßnahmen zur Verringerung von Blutungskomplikationen nach PCI umfassen neben anderen Interventionen wie Blutdruckkontrolle und Vermeidung einer Polypharmazie auch die Verwendung eines PPI zur Verhinderung von Blutungen im oberen Gastrointestinaltrakt, der mit etwa 60% häufigsten Blutungslokalisation nach PCI.
Auswahl des P2Y12-Hemmers
Clopidogrel ist der am häufigsten verwendete P2Y12-Inhibitor für DAPT. Prasugrel und Ticagrelor werden überwiegend bei Patienten mit ACS eingesetzt (Tab. 2).
Tab. 2: P2Y12-Rezeptorantagonisten zum Einsatz bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom ohne ST-Strecken-Hebung (modifiziert nach Thiele H et al.: DGK-Kommentar zu ACS ohne ST-Strecken-Hebung 2020)
Studien mit Einsatz von Thrombozytenfunktionstests konnten zeigen, dass die Wirkung von Prasugrel und Ticagrelor im Vergleich zu Clopidogrel deutlich rascher einsetzt. Die Ergebnisse der TRITON-TIMI-38-Studie und der PLATO-Studie bestätigen das Konzept, dass eine wirksamere antithrombotische Therapie zwar die Zahl ischämischer Ereignisse reduziert, aber gleichzeitig die Blutungsrate erhöht. Aufgrund dieser Ergebnisse werden in den aktuellen Guidelines Prasugrel und Ticagrelor zusätzlich zu Aspirin bei Patienten mit ACS zumeist mit einer limitierten Therapiedauer empfohlen. Der Wechsel von Prasugrel oder Ticagrelor zurück zu Clopidogrel wird in mehr als 10% der Fälle mit ACS aufgrund von Blutungen oder anderen Nebenwirkungen erforderlich.
Eine Umstellung auf Clopidogrel führte in der TRANSLATE-ACS-Studie nicht zu einer Zunahme der Zahl ischämischer Ereignisse verglichen mit der Fortsetzung der Gabe des potenteren P2Y12-Inhibitors. Die kürzlich durchgeführte randomisierte TROPICAL-ACS-Studie zeigte, dass eine durch Thrombozytenfunktionstests gesteuerte Deeskalation der Thrombozytenaggregationshemmung von Prasugrel zu Clopidogrel bei Patienten mit ACS einer Fortsetzung der Therapie mit Prasugrel hinsichtlich der ischämischen Endpunkte nicht unterlegen war. Es wurde mit der Deeskalationsstrategie eine nicht signifikante Verringerung der Blutungsereignisse nach 12 Monaten beobachtet.
Aspirin versus P2Y12-Inhibitoren als „single antiplatelet therapy“ (SAPT)
Nach einer PCI ist nach Abschluss der DAPT in der Regel eine unbefristete SAPT angezeigt. Aspirin ist die Standardtherapie im Rahmen einer SAPT. Mehrere Studien konnten eine potenzielle Überlegenheit von P2Y12-Inhibitoren gegenüber Aspirin zeigen.
In der CAPRIE-Studie wurden 19185 Patienten mit vorangegangenem ischämischem Schlaganfall, MI oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit randomisiert und entweder mit Clopidogrel oder Aspirin behandelt. Nach einem Beobachtungszeitraum von 3 Jahren hatten Patienten, die mit Clopidogrel behandelt wurden, ein niedrigeres Risiko für das Auftreten von ischämischen Schlaganfällen, MI oder für vaskulären Tod (p=0,04). Die Häufigkeit von Blutungen war in beiden Behandlungsgruppen nicht signifikant unterschiedlich. Etwa ein Drittel der Patienten wurde nach einem früheren MI eingeschlossen. In dieser Patientenpopulation wurde kein signifikanter Unterschied des Outcomes zwischen einer Behandlung mit Clopidogrel und einer Behandlung mit Aspirin beobachtet.
In die GLOBAL-LEADERS-Studie wurden 15968 Patienten eingeschlossen und erhielten randomisiert entweder einen Monat lang täglich 75–100mg/Tag Aspirin plus zweimal täglich 90mg Ticagrelor, gefolgt von 23 Monaten Ticagrelor-Monotherapie, oder sie erhielten eine Standard-DAPT mit Clopidogrel 75mg/Tag (bei Patienten mit stabilem CAD) oder Aspirin 75–100mg/Tag plus 90mg Ticagrelor zweimal täglich (bei Patienten mit ACS) für 12 Monate, gefolgt von einer Aspirin-Monotherapie für 12 Monate. Nach 12 Monaten wurde also eine Ticagrelor-Monotherapie mit der Aspirin-Monotherapie verglichen. Es wurde kein signifikanter Unterschied hinsichtlich des primären Endpunkts – Tod jeglicher Ursache und neu aufgetretener Q-Zacken-MI im Beobachtungszeitraum von 2 Jahren festgestellt.
In den kürzlich durchgeführten Studien STOPDAPT-2 und SMART-CHOICE wurde die Nichtunterlegenheit der kurzfristigen DAPT (1 oder 3 Monate) mit nachfolgender Clopidogrel-Monotherapie im Vergleich zur 12-monatigen DAPT festgestellt. Damit wurde die Therapieoption einer Clopidogrel-Monotherapie nach DAPT bei Patienten nach DES-Implantation unter Beweis gestellt. Somit ist derzeit nicht schlüssig bewiesen, ob P2Y12-Inhibitoren einer Therapie mit Aspirin als SAPT überlegen sind.
In die TWILIGHT-Studie wurden 9006 Patienten nach PCI und Stentimplantation eingeschlossen. In der Mehrzahl der Fälle (64,8%) war die PCI aufgrund eines ACS vorgenommen worden. Nach erfolgreicher PCI erhielten alle Studienteilnehmer zunächst in offener Form eine dreimonatige Ticagrelor/ASS-Behandlung. Nach drei Monaten wurden 7119 Teilnehmer, die zwischenzeitlich keine Komplikationen erlitten hatten, in zwei Gruppen randomisiert. Sie erhielten in verblindeter Form für weitere 12 Monate entweder eine Ticagrelor-Monotherapie (plus Placebo) oder eine DAPT bestehend aus Ticagrelor plus ASS. Der primäre Endpunkt (im Zeitraum von 12 Monaten aufgetretene Blutungen [BARC-Typ 2, 3 oder 5]) trat in der Ticagrelor/Placebo-Gruppe signifikant seltener auf als in der Ticagrelor/ASS-Gruppe. Bezüglich eines sekundären Endpunktes, nämlich des Auftretens von ischämischen Ereignissen (Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall), fand sich kein Unterschied.
PCI-Patienten mit gleichzeitiger Indikation für orale Antikoagulation
Eine Langzeitbehandlung mit OAC ist bei Patienten mit mechanischen Herzklappen, bei Vorhofflimmern (AF) mit Risikofaktoren für thromboembolische Ereignisse und bei Patienten mit venösen Thromboembolien angezeigt (Abb. 3). Etwa 20% bis 30% dieser Patienten haben gleichzeitig eine koronare Herzerkrankung (KHK), die eine PCI erforderlich machen kann. In diesen Fällen ist eine Kombination aus oraler Antikoagulation und Antiplättchentherapie indiziert.
Klinische Routine war zunächst, eine Dreifachtherapie (Kombination aus OAC und DAPT) anzuwenden, um einerseits sowohl das Risiko für einen ischämischen Schlaganfall zu reduzieren als auch andererseits eine Stentthrombose zu verhindern. Es ist jedoch bekannt, dass eine solche Behandlung mit einem signifikant erhöhten Risiko für schwere Blutungen verbunden ist. Es wurde deshalb in den letzten Jahren intensiv an Therapiestrategien gearbeitet, die eine Verkürzung der Tripeltherapie bzw. eine Deeskalation der Therapieintensität ermöglichen.
Die WOEST-Studie verglich eine Dreifachtherapie mit einer Doppeltherapie mit einem Vitamin-K-Antagonisten (VKA) plus Clopidogrel und konnte zeigen, dass die Dreifachtherapie im Vergleich zur Doppeltherapie nach 1 Jahr mit einem erhöhten Blutungsrisiko verbunden ist. Obwohl diese Studie nicht ausreichend gepowert war, um Unterschiede in den ischämischen Ereignissen festzustellen, war die Rate des kombinierten Endpunktes bestehend aus Tod, MI, Schlaganfall, systemischer Embolie, Zielgefäßrevaskularisation und Stentthrombose unter einer Dreifachtherapie höher als bei Patienten mit dualer Therapie.
In weiterer Folge zeigten die Studien PIONEER AF-PCI (Rivaroxaban) und RE-DUAL PCI (Dabigatran) bei Patienten mit AF, die sich einer PCI unterziehen mussten, eine geringere Rate an Blutungskomplikationen unter einer dualen Therapie mit einem Nicht-Vitamin-K-oralen Antikoagulans (NOAC) plus P2Y12-Inhibitor im Vergleich zu einer Dreifachtherapie mit einem VKA plus P2Y12-Inhibitor plus Aspirin.
In der AUGUSTUS-Studie wurde mit einem 2×2-faktoriellem Design Apixaban mit einem VKA und Aspirin mit Placebo verglichen. Es konnte gezeigt werden, dass Apixaban mit einem geringeren Risiko für Blutungsereignisse assoziiert war als der VKA. Die zusätzliche Gabe von Aspirin führte nach 6 Monaten zu einem höheren Blutungsrisiko als Placebo. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die mittlere Zeit von der PCI bis zur Randomisierung in der AUGUSTUS-Studie 6 Tage (maximal bis zu 14 Tage) betrug. Daher ist nicht definitiv geklärt, ob Aspirin in den ersten Tagen nach PCI nach einem ACS weggelassen werden kann, ohne dass dadurch das Risiko für ischämische Ereignisse erhöht wird.
Festzuhalten ist, dass alle genannten Studien zur Verkürzung beziehungsweise Deeskalation der antithrombotischen Kombinationstherapie für den Sicherheitsendpunkt Blutungskomplikationen und nicht für die Erkennung von Unterschieden in den ischämischen Ereignissen gepowert waren. Basierend auf den Ergebnissen dieser und weiterer Studien empfehlen die aktuellen Guidelines, die Dauer der Dreifachtherapie so kurz wie möglich zu halten (während eines Index-Krankenhausaufenthaltes oder bis zu einem Monat abhängig vom ischämischen Risiko und vom Blutungsrisiko) und frühzeitig eine Doppeltherapie mit einem NOAC- und einem P2Y12-Inhibitor einzusetzen.
Clopidogrel wird in der Doppeltherapie meist Aspirin oder anderen P2Y12-Inhibitoren vorgezogen, da in den meisten Studien Clopidogrel verwendet worden ist. NOACwerden als OAC anstelle eines VKA bevorzugt. Nach einem Jahr sollte eine (N)OAC-Monotherapie durchgeführt werden.
Schlussfolgerung
Bei KHK-Patienten ohne hohes Blutungsrisiko ist nach einer PCI eine DAPT für einen Zeitraum von 6 Monaten die Standardstrategie zur antithrombotischen Therapie. Eine kurzfristige DAPT für 1 bis 3 Monate ist mit der heutigen PCI-Technologie vor allem bei Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko möglich. Patienten mit einem hohen ischämischen Risiko (z.B. Patienten mit ACS-Präsentation und komplexer PCI wie Bifurkations-Stenting oder komplexer Hauptstammintervention) können von einer langfristigen DAPT profitieren. Ischämisches Risiko und Blutungsrisiken sollten mithilfe von Risikostratifizierungsmodellen umfassend bewertet werden.
Es ist darauf hinzuweisen, dass durch Strategien zur Optimierung der PCI-Prozedur (Verwendung von DES der neuen Generation, intrakoronarer Bildgebung, ggf. Anwendung von Koronarphysiologie) das ischämische Risiko minimiert wird. Zusätzlich kann das Blutungsrisiko während der Dauer der DAPT durch liberale Verordnung eines PPI verringert werden. Unter den drei derzeit verfügbaren oralen P2Y12-Inhibitoren ist Clopidogrel bei Patienten mit chronischen Koronarsyndromen die Standardtherapie, während die potenteren Substanzen Prasugrel und Ticagrelor bei Patienten nach ACS und nach Stentthrombose zur Anwendung kommen.
Für eine SAPT kann sowohl ein P2Y12-Inhibitor als auch Aspirin verordnet werden. Derzeit fehlen eindeutige Beweise für einen signifikanten Vorteil eines P2Y12-Inhibitors gegenüber Aspirin.
Bei Patienten, die eine Indikation für eine OAC-Therapie haben, sollte die dreifache antithrombotische Therapie (Tripeltherapie) so kurz wie möglich verordnet werden (während des Index-Krankenhausaufenthaltes oder bis zu 1 Monat). DOAC werden in dieser spezifischen Population gegenüber VKA für OAC bevorzugt.
Literatur:
bei den Verfassern
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