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ASD- und PFO-Verschluss – Update 2019
Jatros
Autor:
Dr. Gudrun Lamm
Klinische Abteilung für Innere Medizin 3<br> Universitätsklinikum St. Pölten<br> Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften<br> E-Mail: gudrun.lamm@stpoelten.lknoe.at
30
Min. Lesezeit
16.05.2019
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<p class="article-intro">Für den Verschluss eines Vorhofseptumdefektes bestehen laut den ESC-Guidelines aus dem Jahre 2010 klare Empfehlungen bei Patienten mit Zeichen einer Rechtsherzbelastung und wirksamem Shunt und fehlender signifikanter pulmonaler Hypertension unabhängig vom Vorhandensein von Symptomen. Bei Patienten ≤ 60. Lebensjahr mit ischämischem zerebrovaskulärem Ereignis (nichtlakunärem Infarkt) und PFO mit großem Shunt bzw. gleichzeitigem ASA gibt es zunehmende Evidenz für den perkutanen PFO-Verschluss zur Verhinderung eines Schlaganfallrezidivs.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <p><strong>ASD-Verschluss</strong></p> <ul> <li>Bei Rechtsherzbelastung/ Qp : Qs ≥ 1,5 : 1</li> <li>PVR < 5 Wood-Einheiten</li> <li>Unabhängig von Symptomen</li> <li>Bevorzugt interventionell (ASD II)</li> </ul> <p><strong>PFO-Verschluss</strong></p> <ul> <li>Ausschluss anderer Schlaganfallursachen</li> <li>Bei nichtlakunären Infarkten</li> <li>≤ 60. Lebensjahr</li> <li>PFO mit großem Shunt oder ASA</li> </ul> </div> <p>Während der Verschluss eines Vorhofseptumdefektes laut den ESC Guidelines von 2010 unverändert bei signifikantem Links-rechts-Shunt indiziert ist, gibt es nun auch für den Verschluss eines persistierenden Foramen ovale bei ausgewählten Patienten mit kryptogenem Schlaganfall zunehmende Evidenz.</p> <h2>Vorhofseptumdefekt</h2> <p>Ein Vorhofseptumdefekt (Atriumseptumdefekt, ASD) betrifft etwa 25 % aller angeborenen Vitien im Erwachsenenalter. Voneinander unterschieden werden der Ostium-secundum-Defekt (ASD II), der mit einem Anteil von 70–80 % die häufigste Form ist, der Ostium-primum-Defekt (ASD I), der Sinus-venosus-Defekt und, noch seltener, der Sinus-coronarius-Defekt.<sup>1</sup><br />Beim symptomatischen, aber auch beim asymptomatischen Patienten mit Zeichen einer Rechtsherzbelastung bzw. signifikantem Links-rechts-Shunt (Shuntratio von Qp : Qs ≥ 1,5 : 1) und einem pulmonalen Gefäßwiderstand (PVR) < 5 Wood-Einheiten besteht die Indikation zur Durchführung eines ASD-Verschlusses.<sup>2</sup> Ein ASDVerschluss führt nicht nur im Kindes- und Jugendalter, sondern auch im Erwachsenenalter > 40. Lebensjahr zu einer deutlichen Verbesserung der klinischen Symptomatik und einer Abnahme der Rechtsherzbelastungszeichen.<sup>3</sup> Besteht bereits eine pulmonale Hypertension, ist ein ASD-Verschluss in Abhängigkeit von den pulmonalen Gefäßwiderständen in selektionierten Fällen möglich, besteht jedoch eine Shuntumkehr, ist ein ASD-Verschluss kontraindiziert.<sup>2</sup></p> <p><strong>Welcher Eingriff bei welchem Patienten?</strong><br />Neben dem operativen ASD-Verschluss, der bei Ostium-primum-, Sinus-venosusund Sinus-coronarius-Defekten die Therapiestrategie der Wahl darstellt, besteht beim ASD II bei Vorhandensein entsprechender anatomischer Voraussetzungen (Defektgröße, ausreichender Randsaum) die Möglichkeit eines interventionellen Verschlusses (Abb. 1) mit einer, bei entsprechender Patientenselektion, hohen Erfolgsquote und niedriger Komplikationsrate. Vergleichsstudien zeigen sehr gute Ergebnisse des interventionellen Verschlusses verglichen mit operativem Verschluss hinsichtlich des Residualshunts bei deutlich weniger Komplikationen.<sup>4</sup> Vor allem bei Patienten > 40. Lebensjahr ist aber mit einer höheren Rate an Vorhofflimmern nach einem ASD-Verschluss zu rechnen, und zwar unabhängig davon, ob dieser interventionell oder chirurgisch durchgeführt wurde.<sup>5, 6</sup></p> <h2>Persistierendes Foramen ovale</h2> <p>Im Gegensatz zum ASD besteht beim persistierenden Foramen ovale (PFO) kein Septumdefekt im eigentlichen Sinne. Die Prävalenz eines PFO bei Schlaganfallpatienten vor dem 55. Lebensjahr liegt je nach Studienlage im Bereich von 40 % bis 54 %, wenn keine andere Schlaganfallursache oder Risikofaktoren für zerebrovaskuläre Ereignisse bestehen.<sup>7</sup> Zumeist sind Patienten mit einem PFO asymptomatisch. Die bedeutendste klinische Manifestation stellt jedoch das Auftreten einer paradoxen Embolie bedingt durch einen vorübergehenden Rechts-links-Shunt dar. Der kausale Zusammenhang zwischen einem PFO und dem Auftreten eines ischämischen Insults ist nicht immer klar. Als Hilfestellung beim Abschätzen, wann das Eintreten eines durch ein PFO bedingten Schlaganfalls wahrscheinlich ist, kann unter anderem der „Risk of Paradoxical Embolism“(RoPE)- Score herangezogen werden (Tab. 1).<sup>8</sup> Bei einem Score < 7 muss eine sorgfältige Risiko- Nutzen-Abwägung hinsichtlich der Durchführung eines PFO-Verschlusses erfolgen. Bei allen Patienten mit „embolic stroke of unknown source“ (ESUS) müssen andere Ursachen, insbesondere auch Vorhofflimmern, ausgeschlossen werden, bevor ein PFO-assoziierter Schlaganfall angenommen werden kann. Das bedeutet, dass eine sorgfältige neurologische Untersuchung inklusive einer zerebralen Bildgebung unabdingbar ist.</p> <p><strong>Evidenz für den interventionellen PFO-Verschluss</strong><br /> Für den interventionellen PFO-Verschluss9 mithilfe von Devices (Abb. 2) gibt es erst seit der Publikation von Ergebnissen randomisierter Studien aus dem Jahre 2017 zunehmende Evidenz.</p> <p><strong>CLOSE-Studie</strong><br /> In der CLOSE-Studie<sup>10</sup> wurden 663 Patienten mit rezentem ischämischem Insult und entweder großem Shunt (mehr als 30 Mikrobubbles in der Echokontraststudie) oder PFO in Kombination mit einem Vorhofseptumaneurysma (ASA) zwischen dem 16. und 60. Lebensjahr in drei Gruppen randomisiert. Verglichen wurde perkutaner PFO-Verschluss (wobei 11 verschiedene Devices zum Einsatz kamen) plus Plättchenhemmer vs. Plättchenhemmer allein vs. orale Antikoagulation. Das mittlere Follow-up betrug 5,3 Jahre. Als primärer Endpunkt wurde das Auftreten eines Schlaganfalles gewählt. In der Verschlussgruppe traten verglichen mit alleiniger Plättchenhemmertherapie signifikant weniger Schlaganfälle auf. Beim Vergleich zwischen oraler Antikoagulation und Plättchenhemmer war die Schlaganfallhäufigkeit zwar in der Antikoagulationsgruppe numerisch niedriger, statistische Signifikanz wurde jedoch nicht erreicht. Die Rate an Vorhofflimmern war in der Verschlussgruppe signifikant höher verglichen mit der Plättchenhemmergruppe.</p> <p><strong>RESPECT-Studie</strong><br /> Im Long-Term-Follow-up der RESPECTStudie<sup>11</sup> wurden 980 Patienten mit kryptogenem Schlaganfall zwischen dem 18. und 60. Lebensjahr randomisiert zu perkutanem Verschluss mittels Amplatzer PFO Occluder oder medikamentöser Therapie, bestehend aus Aspirin, Clopidogrel, Warfarin oder Dipyridamol. Die Drop-out-Rate betrug 20,8 % in der PFO-Verschluss-Gruppe vs. 33,3 % in der medikamentösen Therapiegruppe. Nach einem mittleren Followup von 5,9 Jahren war der primäre Endpunkt aus nichttödlichem Schlaganfall, tödlichem Schlaganfall oder Tod innerhalb von 45 Tagen in der Interventionsgruppe verglichen mit der Gruppe mit medikamentöser Therapie signifikant reduziert, vor allem wenn ein substanzieller Shunt (> 20 Mikrobubbles in der Echokontraststudie) oder ein Vorhofseptumaneurysma bestanden.</p> <p><strong>Gore-REDUCE-Studie</strong> <br />In die Studie Gore REDUCE<sup>12</sup> wurden 664 Patienten mit kryptogenem Schlaganfall aufgenommen. Diese wurden in zwei Gruppen randomisiert: in eine Gruppe mit perkutanem PFO-Verschluss mittels Gore Helex bzw. ab dem Jahr 2012 Gore Cardioform Septal Occluder plus Plättchenhemmertherapie versus eine Gruppe unter alleiniger Plättchenhemmer­therapie. 81 % aller Patienten zeigten in der transösophagealen Echokardiografie einen moderaten bzw. großen Rechts-links-Shunt (> 6 bzw. > 25 Mikrobubbles) in Ruhe oder nach Valsalva-Manöver. Nach einem mittleren Follow-up von 3,2 Jahren war die Rate an Schlaganfallrezidiven in der Gruppe, in der ein PFO-Verschluss durchgeführt worden war, signifikant niedriger als in der Gruppe unter alleiniger Plättchenhemmertherapie. Nicht signifikant unterschiedlich war die Rate an stummen – lediglich in der Bildgebung detektierten – Hirninfarkten. Die Rate an postinterventionellem Vorhofflimmern war jedoch in der Interventionsgruppe signifikant höher.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1902_Weblinks_jatros_kardio_1902_s34_abb1_lamm.jpg" alt="" width="330" height="339" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1902_Weblinks_jatros_kardio_1902_s33_tab1_lamm.jpg" alt="" width="300" height="470" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1902_Weblinks_jatros_kardio_1902_s34_abb2_lamm.jpg" alt="" width="700" height="347" /></p> <h2>Empfehlungen der österreichischen Schlaganfallgesellschaft</h2> <p>Diese rezenten Studiendaten haben dazu geführt, dass die österreichische Schlaganfallgesellschaft im Jahr 2018 aktualisierte Empfehlungen herausgegeben hat. Die wesentlichen Änderungen gegenüber früheren Empfehlungen sind:<sup>13</sup></p> <ol> <li>Beim zerebrovaskulär asymptomatischen Patienten ist ein prophylaktischer PFO-Verschluss nicht indiziert.</li> <li>Nach erstem ischämischem zerebrovaskulärem Ereignis und PFO ist eine lebenslange Plättchenhemmertherapie indiziert, sofern keine Indikation für eine orale Antikoagulation besteht.</li> <li>Bei ausgewählten Patienten ≤ 60. Lebensjahr mit ischämischem Schlaganfall und großem PFO bzw. ASA reduziert der perkutane Schirmchenverschluss die Rate an Rezidivschlaganfällen, geht jedoch mit einem höheren Risiko an Vorhofflimmern einher.</li> </ol> <p>Besonders zu betonen sind die Notwendigkeit der Patientenselektion und allem voran auch der Ausschluss von anderen Schlaganfallursachen und Vorhandensein von nichtlakunären Infarkten in der zerebralen Bildgebung.</p></p>
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<p><strong>1</strong> Silvestry FE et al.: Guidelines for the echocardiographic assessment of atrial septal defect and patent foramen ovale: From the American Society of Echocardiography and Society for Cardiac Angiography and Interventions. J Am Soc Echocardiogr. 2015; 28(8): 910-58 <strong>2</strong> Baumgartner H et al.: ESC Guidelines for the management of grown-up congenital heart disease (new version 2010). Eur Heart J 2010; 31(23): 2915-57 <strong>3</strong> Humenberger M et al.: Benefit of atrial septal defect closure in adults: impact of age. Eur Heart J 2011; 32(5): 533-60 <strong>4</strong> Butera G et al. Percutaneous versus surgical closure of secundum atrial septal defects: a systematic review and meta-analysis of currently available clinical evidence. EuroIntervention 2011; 7(3): 377-85 <strong>5</strong> Silversides CK et al.: Predictors of atrial arrhythmias after device closure of secundum type atrial septal defects in adults. Am J Cardiol 2008; 101: 683-87 <strong>6</strong> Gatzoulis MA et al.: Atrial arrhythmia after surgical closure of atrial septal defects in adults. N Engl J Med 1999; 340(11): 839-46 <strong>7</strong> Lechat P et al.: Prevalence of patent foramen ovale in patients with stroke. N Engl J Med 1988; 318: 1148-52 <strong>8</strong> Kent DM et al.: An index to identify stroke-related vs incidental patent foramen ovale in cryptogenic stroke. Neurology 2013; 81(7): 619-25 <strong>9</strong> Lamm G et al. Persistierendes Foramen ovale - Ergebnisse nach Verschluß mit dem Amplatzer- Okkluder - Ein Singlezentrum-Bericht. Journal für Kardiologie – Austrian Journal of Cardiology 2007; 14(7- 8): 218-23 <strong>10</strong> Mas JL et al.: Patent foramen ovale closure or anticoagulation vs. antiplatelets after stroke. N Engl J Med 2017; 377(11): 1011-21 <strong>11</strong> Saver JL et al.: Long-term outcomes of patent foramen ovale closure or medical therapy after stroke. N Engl J Med 2017; 377(11): 1022-32 <strong>12</strong> Søndergaard L et al.: Patent foramen ovale closure or antiplatelet therapy for cryptogenic stroke. N Engl J Med 2017; 377(11): 1033-42<strong> 13</strong> Österreichische Schlaganfall Gesellschaft: Positionspapier – Update 2018: Persistierendes Foramen ovale. neurologisch 2018; Supplementum 3: 3-16, www.oegsf.at</p>
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