Chirurgische Mitralklappenrekonstruktion: Neue und bewährte Techniken beim minimal invasiven Operationszugang
Autoren:
Dr. med. Luca Koechlin
Prof. Dr. med. Denis Berdajs
Prof. Dr. med. Friedrich S. Eckstein
Klinik für Herzchirurgie
Universitätsspital Basel
Spitalstrasse 21, 4051 Basel
Korrespondenz:
E-Mail: friedrich.eckstein@usb.ch
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Die chirurgische Mitralklappenrekonstruktion ist der Goldstandard in der Behandlung der schweren primären Mitralklappeninsuffizienz. Durch die Etablierung von minimal invasiven Techniken ist es gelungen, die Belastung für Patienten weiter zu reduzieren und das Outcome zu optimieren. Ein grundlegendes Verständnis der normalen Anatomie und der entsprechenden Veränderungen bei Erkrankungen ist essenziell für die optimale, individuelle Therapie jedes Patienten.
Keypoints
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Die chirurgische Mitralklappenrekonstruktion ist der Goldstandard in der Behandlung der schweren primären Mitralklappeninsuffizienz.
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Ein grundlegendes Verständnis der komplexen Anatomie der Mitralklappe sowie der verschiedenen Ätiologien der Mitralklappeninsuffizienz ist entscheidend für die optimale Therapie.
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Durch verschiedene chirurgische Techniken ist es möglich, praktisch alle Ätiologien der Mitralklappeninsuffizienz zu adressieren und somit eine klappenerhaltende Rekonstruktion anzustreben.
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Minimal invasive Zugänge ermöglichen optimale intraoperative Bedingungen und führen zu kürzerer Hospitalisationsdauer verglichen mit einem konventionellen Zugang via mediane Sternotomie. Deshalb sollte routinemässig ein minimal invasiver Zugang gewählt werden.
Die Mitralklappeninsuffizienz (MI) gehört trotz des Rückgangs der rheumatischen Erkrankungen in Europa zu den häufigsten Klappenvitien bei Erwachsenen.1,2
Das Behandlungsziel bei der primären MI ist die Rekonstruktion der nativen Klappe unter Erhalt der Klappenstruktur und der Funktion. Die chirurgische Mitralklappenrekonstruktion ist bei fast allen Mitralklappenpathologien weiterhin der Goldstandard in der Therapie. Da es eine Vielzahl von Rekonstruktionstechniken gibt, können praktisch sämtliche Pathologien der Mitralklappe adressiert werden. Die Invasivität des Eingriffs wurde in den letzten Jahren weiter reduziert, indem der konventionelle Zugang über eine mediane Sternotomie zunehmend durch minimal invasive Zugänge wie beispielsweise eine anterolaterale rechtsseitige Minithorakotomie ersetzt wurde. Die Operation wird dann videoskopisch oder telemanipulativ (DaVinci-System) durchgeführt.3–8
Die chirurgische Mitralklappenrekonstruktion schafft optimale Bedingungen für einen langfristigen Therapieerfolg. Die wiederhergestellte anatomische Struktur der kompetenten Klappe verbessert die physiologische Funktion, wodurch die linksventrikuläre Funktion erhalten, der pulmonal-arterielle Druck vermindert und die Dilatation des linken Vorhofs gestoppt oder reduziert wird. Damit werden Phasen von Rhythmusstörungen wie Vorhofflimmern vermindert und/oder verhindert. Es konnte gezeigt werden, dass die Lebenserwartung bei Patienten nach einer Mitralklappenrekonstruktion vergleichbar ist mit derjenigen der Normalbevölkerung.9
Da die Mitralklappenrekonstruktion im Vergleich zum Mitralklappenersatz bei der Behandlung der primären MI mit geringerer perioperativer Mortalität, besserem Langzeitüberleben sowie geringeren Blutungskomplikationen assoziiert ist, sollte die Rekonstruktion wann immer möglich einem Ersatz vorgezogen werden.10
Für Patienten mit (zu) hohem Operationsrisiko für eine chirurgische Mitralklappenrekonstruktion haben sich in der letzten Dekade wenige kathetergestützte Techniken zur Rekonstruktion (beispielsweise Mitraclip®, Cardioband®) oder den Ersatz (Tendyne®) teilweise in der Routine etabliert.11–13 Fokus dieses Artikels ist die chirurgische Mitralklappenrekonstruktion.
Anatomie
Die Therapie der MI erfordert vom Behandlungsteam ein grundlegendes Verständnis der normalen Anatomie und der Veränderungen dieser komplexen Struktur bei Erkrankungen.
Die Mitralklappe ist eine Segelklappe und besteht aus mehreren synchron arbeitenden Strukturen. Sie öffnet sich weit in der Diastole und schliesst sich kompetent in der Systole. Morphologische Veränderungen des Klappenapparates können diese funktionale Integrität beeinträchtigen, was zu einer Öffnungsbehinderung, einem abnormen Segelklappenschluss und/oder einer Regurgitation des Blutes aus dem linken Ventrikel zurück in den linken Vorhof führen kann.
Die Mitralklappe besteht aus einem Anulus am atrioventrikulären Übergang, an dem zwei Klappensegel ansetzen. Von diesen ziehen Sehnenfäden (Chordae tendineae) zu den Papillarmuskeln im linken Ventrikel (Abb. 1).
Abb. 1: Der Längsschnitt durch den linken Ventrikel veranschaulicht die Lage der Mitralklappe zwischen dem linken Vorhof und dem linken Ventrikel in enger Verbindung zur Aortenklappe. Sehnenfäden (Chordae tendineae) ziehen von den Papillarmuskeln im linken Ventrikel zur Mitralklappe (unpublizierte Daten von D. Berdajs)
Die beiden Mitralklappensegel unterscheiden sich deutlich in ihrer Form und Struktur und werden grob in ein anteriores und posteriores Segel unterteilt. Die Nomenklatur in der Mitralklappenchirurgie erfolgt meist nach Carpentier. Das posteriore Segel umfasst circa 2/3 des Umfangs, ist aber schmal und wird grob in drei Segmente, das laterale (P1), das zentrale (P2) und das mediale (P3) Segment, unterteilt. Das vordere Mitralklappensegel entspringt vom restlichen, vornehmlich dem Herzskelett anhaftenden vorderen Abschnitt und ist viel grösser. Auch hier erfolgt die Einteilung entsprechend dem posterioren Segel in drei Segmente: A1 lateral, A2 zentral und A3 medial. Die zentralen Segmente P2 und vor allem A2 sind wesentlich grösser als die seitlichen Segmente, wobei vor allem das P2-Segment von Sehnenfadenelongation und -ruptur betroffen ist. Dies ist letztendlich eine der Hauptursachen der behandlungsbedürftigen, degenerativen primären MI (Abb. 2).
Abb. 2: Chirurgischer Blick vom linken Vorhof auf die Mitralklappe, welche in ein anteriores und posteriores Segel mit den entsprechenden Segmenten A1/P1, A2/P2 und A3/P3 unterteilt wird (unpublizierte Daten von D. Berdajs)
Jedes Segelsegment setzt mit seiner basalen, fibrösen Zone am Anulus an und hat zentral eine breite, meist sehnenfadenfreie und dünnere Segelfläche. Daran anschliessend findet sich ein breiter, fibröser Rand, an dem die primären Sehnenfäden ansetzen. Diese Zone korrespondiert mit dem entsprechenden gegenüberliegenden Segment im Idealfall auf gleicher Höhe und sorgt so für eine ausreichende Koaptationszone.
Die Mitralklappe, bzw. ihr Anulus, trennt den linken Vorhof von der linken Herzkammer. Der Anulus hat eine ovale Form mit dem grösseren Durchmesser kommissural (Bereich A1/P1 zu A3/P3) als anteroposterior (Bereich A2 zu P2) und ist flexibel. So ändert sich während des Herzzyklus die Form des Anulus. Der Anulusbereich, welcher mit dem Herzskelett verbunden ist und an welchem das vordere Segel entspringt, hat eine höhere Stabilität, bewegt sich jedoch während des Herzzyklus zusammen mit der angrenzenden Aortenwurzel vor und zurück. Dieser fibrös aufgebaute Bereich ist weniger anfällig für eine mögliche Dilatation als die restlichen zwei Drittel des Anulus, die vornehmlich muskulös aufgebaut sind und an denen das posteriore Segel entspringt. Dementsprechend ist dieser Anteil bei einer schweren MI anfälliger für eine Dilatation. Auch Verkalkungen sind in diesem Bereich häufiger.14
Bei einer normal funktionierenden Mitralklappe ziehen von den Segelrändern, ähnlich einem Fallschirm, fächerförmige Sehnenfäden zu den im Ventrikel liegenden Papillarmuskeln. Es gibt primäre Sehnenfäden mit Ansatz am freien Rand des Segels, sekundäre Sehnenfäden, die zentraler ansetzen, und von der Ventrikelwand ausgehende tertiäre Sehnenfäden, die nur am posterioren Segel basal ansetzen.
Die Papillarmuskeln liegen im Ventrikel in anterolateraler und posteromedialer Position und haben normalerweise bis zu drei Köpfe, von denen die Sehnenfäden entspringen. Die Anzahl und Verteilung der Papillarmuskeln kann jedoch erheblich variieren. So sind teilweise grössere Papillarmuskeln durch mehrere kleinere Muskelbündel, welche an der Ventrikelwand ansetzen, ersetzt. Den posteromedialen Papillarmuskeln entspringen meist die Sehnenfäden für die medialen Segelsegmente der posteromedialen Kommissur A3/P3 und die Hälfte von A2/P2. Den anterolateralen Papillarmuskeln entspringen die Sehnenfäden für die lateralen Segelsegmente der anterolateralen Kommissur, A1/P1 und die andere Hälfte von A2/P2.
Pathogenese und Epidemiologie
Hauptursache für eine erworbene MI ist neben entzündlichen Ursachen mit Segelperforation primär ein unvollständiger Schluss der beiden Mitralklappensegel. Dies kann entweder durch eine isolierte Anulusdilatation mit konsekutiver Malkoaptation der beiden Mitralklappensegel oder durch eine Kombination von Restriktion, Elongation oder Ruptur von Sehnenfäden hervorgerufen werden. Auch ein Prolaps beider Segel bei einem Morbus Barlow oder im Rahmen einer Bindegewebsstörung (beispielsweise beim Marfan-Syndrom) führt zu einer Malkoaptation der beiden Mitralklappensegel mit konsekutiver Insuffizienz.
Die funktionelle Unterteilung der MI erfolgt nach Carpentier in eine primäre und eine sekundäre Insuffizienz mit unterschiedlichen Typen I, II, IIIa und IIIb (Tab.1).
Tab. 1: Einteilung der Mitralklappeninsuffizienz (MI) nach Carpentier2
Die akute, schwere MI, beispielsweise verursacht durch einen akuten Sehnenfadenabriss bei Degeneration oder einen ischämischen Papillarmuskelabriss nach Myokardinfarkt, ist klinisch immer und meist schwer symptomatisch. Die chronische MI hingegen entwickelt sich über längere Zeit und kann dementsprechend auch lange oligosymptomatisch verlaufen. Letztendlich führt aber auch sie zur Dilatation des linken Vorhofs, zu Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern sowie weiteren kardialen Symptomen mit Herzinsuffizienz bis hin zur Dekompensation mit Lungenödem.
Aufgrund der hervorragenden Langzeitresultate sowie der geringen perioperativen Morbidität und Mortalität wird die chirurgische Rekonstruktion der Mitralklappe in internationalen Guidelines der kardiologischen und herzchirurgischen Gesellschaften bei symptomatischen Patienten mit schwerer MI, aber auch frühzeitig bei asymptomatischen Patienten mit einer linksventrikulären Dysfunktion (LVESD ≥40mm und/oder LVEF ≤60%) empfohlen und sollte sofern möglich einem Ersatz der Klappe vorgezogen werden.15
Chirurgische Therapien
Chirurgische Mitralklappenrekonstruktion
Bei der chirurgischen Mitralklappenrekonstruktion kann ein grosses Spektrum verschiedenster Korrekturmöglichkeiten gleichzeitig durchgeführt und unter direkter oder videoskopischer Sicht aneinander angepasst und angewendet werden. Prinzipiell können somit alle Strukturen der Mitralklappe und des subvalvulären Apparats operativ angegangen und rekonstruiert oder ersetzt werden. Primäre Techniken hierfür sind Sehnenfadenersatz, -längenkorrektur und -transposition, Segelresektion, Segelrekonstruktion, Anulus-Rekonstruktionstechniken usw.
Die chirurgischen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass ein stabiles und somit lang anhaltend gutes Rekonstruktionsergebnis immer einer gleichzeitigen Ringanuloplastie bedarf.10,16,17 Ursächlich hierfür dürfte die sich unter der MI zeitgleich entwickelnde Anulusdilatation sein, die ebenfalls korrigiert werden muss. Die Implantation eines Mitralanuloplastieringes zur Stabilisierung und Reduktion des Anulus sollte somit bei jeder chirurgischen (und vermutlich auch interventionellen) Mitralklappenrekonstruktion durchgeführt werden.
Bei primärer MI wegen Segelprolapses durch Sehnenfadenelongation oder -ruptur gibt es als Behandlungsoptionen primär zwei verschiedene chirurgische Rekonstruktionstechniken: 1) Die Resektion des prolabierenden Anteils des Segels mit dem entsprechenden Sehnenfaden mit konsekutivem spannungsfreiem Vernähen der verbleibenden Segelanteile («resect»). Dabei muss sichergestellt sein, dass die beiden verbleibenden Segelanteile gross genug sind, damit sie den Verlust an reseziertem Segelgewebe ausgleichen können. Eventuell muss hierfür eine Korrektur am Anulus mit einer sogenannten Kompressionsnaht durchgeführt werden. Dabei wird jedoch die Klappenöffnungsfläche verkleinert und in einem zweiten Schritt mit einem entsprechend kleineren Anuloplastiering angepasst und reduziert. 2) Bei der Rekonstruktion ohne Resektion wird das native Segel respektiert («respect»). Prolabierende Segelanteile werden belassen, die rupturierten Sehnenfäden werden mittels Gore-Tex-Fäden in entsprechenden Längen ersetzt. Bei isolierter Sehnenfadenelongation kann auch eine Papillarmuskelplastik oder eine isolierte Sehnenfadenverkürzung durchgeführt werden. Mit diesen gewebeschonenden Rekonstruktionstechniken bleiben die dreidimensionale Struktur sowie der subvalvuläre Apparat der Mitralklappe erhalten. Somit kann auch ein grösserer Mitralklappenring zur Ringanuloplastie implantiert werden, was für die Hämodynamik vor allem unter Belastung Vorteile mit sich bringen dürfte.
Segeldefekte, -retraktionen und -perforationen, wie z.B. bei oder nach Endokarditis, können entweder direkt verschlossen oder mit einer Patchplastik versorgt werden. Bei Infektionen können künstliche Gore-Tex-Fäden auch mittels Sehnenfadentransfer durch eigene Sehnenfäden ersetzt werden. Verkalkungen am Segel oder am Anulus können entfernt und Defekte mit Patchplastiken gedeckt und rekonstruiert werden. Ist die Klappe jedoch sehr stark destruiert und somit nicht mehr rekonstruierbar, ist der Mitralklappenersatz mittels biologischer/mechanischer Prothese die letzte Therapieoption.
Eine primäre Mitralinsuffizienz kann auch durch ein Missverhältnis von überschüssigem Segelgewebe und einem relativ kleinen Anulus bedingt sein (beispielsweise bei M. Barlow). Hierbei prolabieren die Segelanteile und führen zu einer Malkoaptation der Segel oberhalb des Anulus im Bereich der Sehnenfadenansätze, was zu einer Koaptationslücke und Insuffizienz führt. Bei symmetrischem Prolaps aller Segelanteile ohne absolute Sehenfadenverlängerung kann durch die Implantation eines grossen Anuloplastieringes der Anulus relativ erweitert werden, was zu einem «Aufspannen» der beiden Segel führt. Die der Insuffizienz zusätzlich zugrunde liegende horizontale Kippbewegung des Anulus wird verhindert, die Koaptationsfläche der Mitralsegel kommt wieder unterhalb des Anulus zu liegen und der Klappenschluss erfolgt wieder auf Höhe der Segel, was zu einer kompetenten Klappe führt.
Einer sekundären MI liegt meist eine Geometriestörung des linken Ventrikels zugrunde. Ist der linke Ventrikel durch einen Myokardinfarkt geschädigt, verlagert sich der betroffene Wandbereich mit Papillarmuskel nach lateral, was zu einer relativen Verkürzung des dortigen subvalvulären Apparats («tethering») und zu einer asymmetrischen, meist im posterioren Bereich liegenden Insuffizienz führt. Bei einer dilatativen Kardiomyopathie mit schwerer linksventrikulärer Dysfunktion kommt es zu einer ringförmigen Dilatation des Anulus und einer seitlichen Verschiebung aller Papillarmuskeln, was in einer breiten, durch die ganze Mitralklappe reichenden Insuffizienz resultiert. Chirurgisch sowie interventionell sind hier eine isolierte Ringanuloplastie sowie auch eine Clip-Implantation möglich, wobei die Rolle einer Intervention bei der sekundären MI weniger klar ist als bei der primären. Es kommt oft zu einem Rezidiv der Mitralinsuffizienz, da die Rekonstruktion oft nicht die zugrunde liegende Ventrikelpathologie adressiert. Ein Mitralklappenersatz ist für diese Patienten oft eine bessere und langfristigere Alternative zur Mitralklappenrekonstruktion.15
Für eine chirurgische Mitralklappenrekonstruktion am stillgelegten, eröffneten Herzen mithilfe der Herz-Lungen-Maschine sollte heutzutage als Standard ein minimal invasiver Zugang gewählt werden.4–8,18 Am Mitralklappenzentrum des Universitären Herzzentrums Basel werden seit über 10 Jahren isolierte chirurgische Mitralklappenrekonstruktionen routinemässig über eine minimal invasive rechtsseitige anterolaterale Minithorakotomie durchgeführt. Lediglich eine vernachlässigbare Anzahl an Patienten mit bestimmten Kontraindikationen, wie beispielsweise einer ausgeprägten Trichterbrust, qualifiziert nicht für solch eine Operation. Die Hautinzision beträgt circa 6–8cm und ist maximal so gross, dass das Implantat (Anuloplastiering) eingebracht werden kann. Anstatt eines rigiden Rippenspreizers wird ein weicher, zirkulärer und flexibler Wundhalter verwendet, was die postoperative Schmerzbelastung weiter reduziert. Die Kanülen für die Herz-Lungen-Maschine werden meist unter echokardiografischer Kontrolle perkutan in die Leistengefässe eingelegt und die Gefässe postoperativ mittels perkutanen Verschlusssystems verschlossen. Alternativ kann bei aortaler Atheromatose der Aorta descendens auch direkt die Aorta ascendens oder in seltenen Fällen die A. subclavia kanüliert werden. Die Visualisierung des Operationsfeldes und der Mitralklappe erfolgt über ein 3D-Endoskop mit 10mm Durchmesser. Mit der videoskopischen, dreidimensionalen Darstellung der orthotop liegenden Mitralklappe und Vergrösserung des nur circa 15cm2 messenden Operationsfeldes auf einen bis 58Zoll grossen 4K-3D-Monitor wird eine bislang in der konventionellen Operation noch nie erreichte Übersichtlichkeit und Genauigkeit in der Mitralklappenchirurgie erreicht. Somit wird bei einer videoassistierten Operation auch der Operationsassistenz, den Ausbildungsassistenten, dem Operationspflegepersonal, den Kardiotechnikern und dem Anästhesiepersonal eine direkte visuelle Beteiligung am Operationsverlauf ermöglicht. Echokardiografische Befunde der Mitralklappe können mit den Live-Monitorbildern korreliert, direkt mit dem Untersucher besprochen und weitere Operationsschritte geplant werden. Dies erhöht das Verständnis aller Mitarbeiter für die zugrunde liegenden Pathologien der Mitralklappe und die Möglichkeiten und Techniken der Mitralklappenrekonstruktion und verbessert somit auch die Transparenz und Qualität des Eingriffes. Dies im Gegensatz zur konventionellen Operation via eine mediane Sternotomie, bei welcher aufgrund des stark eingeschränkten Gesichtsfeldes lediglich der Operateur das Operationsfeld einsehen kann.
Am Mitralklappenzentrum des Universitären Herzzentrums Basel streben wir routinemässig die gewebeschonende Rekonstruktion («respect») an. Als Ersatz für die Sehnenfäden werden Gore-Tex-Fäden und, sofern nötig, Perikardpatches als Ersatz für fehlende Segelanteile verwendet. Zur Stabilisierung und Grössenreduktion des Anulus wird ein, den anatomischen Gegebenheiten angepasster, semirigider oder rigider, meist dreidimensionaler Anuloplastiering implantiert. Das Einnähen des Anuloplastieringes erfolgt mit geflochtenen, nicht resorbierbaren Einzelfäden. Das langwierige Knoten der Fäden mithilfe eines Knotenschiebers entfällt, da die Fäden durch einfaches Auslösen und Kompression einer metallenen Hülse (COR-KNOT®) unter entsprechendem Zug fixiert und danach kurz oberhalb der Hülse abgeschnitten werden (Abb. 3).
Abb. 3: Intraoperativer Blick auf eine mittels Anuloplastiering sowie zweier Neochordae (künstliche Sehnenfäden) rekonstruierte Mitralklappe vor (A) und während (B) des intraoperativen Wassertests zur Überprüfung der Dichtigkeit
Eine Analyse der letzten konsekutiven 160 Patienten mit MI und einem 2-Jahres-Follow-up bis April 2022, die in der Herzchirurgie des Universitären Herzzentrums Basel minimal invasiv operiert wurden, zeigte exzellente intra- sowie postoperative Ergebnisse. Bei allen Patienten konnte die Mitralklappe erfolgreich rekonstruiert werden. Eine Konversion zur Sternotomie war in keinem der Fälle notwendig, die Spitalmortalität betrug 0% und die postoperative Morbidität war sehr gering (mediane Dauer auf der Intensivstation: 1Tag). Nach einem medianen Follow-up von 2 Jahren zeigten 97% der Patienten keine oder lediglich eine milde Restinsuffizienz der Mitralklappe.
Direkter Sehnenfadenersatz am schlagenden Herzen
Eine weitere, noch weniger invasive Methode stellt der direkte Sehnenfadenersatz am schlagenden Herzen via eine linksseitige laterale Minithorakotomie dar. Hierbei kann mittels direkten Sehnenfadenersatzes ein prolabierendes Segel adressiert werden. Am schlagenden Herzen wird die Herzspitze direkt punktiert. Danach wird mit einem starren Applikator der neue Sehnenfaden an den prolabierenden Segelabschnitt angeheftet und der Sehnenfaden anschliessend aussen an der Punktionsstelle an der Herzspitze fixiert (z.B. NeoChord, HARPOON). Ein Vorteil dieser Technik ist die Applikation des Sehnenfadens am schlagenden Herzen. Somit kann die Länge des Sehnenfadens zeitgleich mittels transösophagealer Echokardiografie determiniert und die Funktion der rekonstrukierten Mitralklappe beurteilt werden. Da jedoch oft mehrere Sehnenfäden benötigt werden, müssen diese nacheinander appliziert werden. Zudem kann es bei übermässiger Manipulation an der Herzspitze zu Blutungen aus derselben kommen. Eine weitere Limitation besteht darin, dass der neue Sehnenfaden an der Aussenseite des linken Ventrikels fixiert wird und dieser somit seine Geometrie im Verlauf nicht ändern darf. Eine Stabilisierung des Anulus mittels Ringanuloplastie ist über diesen Zugang und mit dieser Technik nicht möglich. Aus den oben genannten Gründen ist diese Therapieform primär bei Kontraindikationen für die Verwendung einer Herz-Lungen-Maschine in Erwägung zu ziehen.
Weitere Techniken
An dieser Stelle soll explizit erwähnt werden, dass in den letzten Jahren eine ganze Reihe an interventionellen Therapiemöglichkeiten, wie beispielsweise der MitraClip™ oder das Cardioband™, entwickelt und teilweise grossflächig implementiert wurde.11–13 Es wurden auch weitere minimal invasive Techniken für den chirurgischen Mitralklappenersatz, beispielsweise mittels Tendyne™-Prothese, einer Möglichkeit zum transapikalen Mitralklappenersatz, entwickelt.19 Da der Fokus dieses Artikels allerdings auf der chirurgischen Mitralklappenrekonstruktion liegt, wird hier auf diese Techniken nicht näher eingegangen.
Schlussfolgerung
Die chirurgische Mitralklappenrekonstruktion bietet hervorragende Möglichkeiten zur Behandlung diverser Ätiologien der MI und ist der Goldstandard in der Behandlung der schweren primären MI. Durch die Entwicklung minimal invasiver Techniken ist es gelungen, die chirurgische Mitralklappenchirurgie weiter zu entwickeln, zu standardisieren, die Belastung für die Patienten zu vermindern und das Outcome weiter zu optimieren.
Literatur:
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