ESC gibt detaillierte Empfehlungen für Menschen mit Diabetes heraus
Bericht:
Reno Barth
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Mit ihren „2023 ESC Guidelines for the Management of Cardiovascular Disease in Patients with Diabetes“ setzt die europäische Kardiologengesellschaft ihren bereits 2019 eingeschlagenen Weg fort und gibt detaillierte Empfehlungen zur Behandlung von Patienten mit Diabetes mit kardiovaskulären Komorbiditäten. Eine wichtige Rolle spielt dabei ein neuer, speziell auf die diabetische Population zugeschnittener Risikoscore, der SCORE2-Diabetes.
Seit Langem ist bekannt, so Prof. Dr. Emanuele di Angelantonio von der University of Cambridge, dass Menschen mit Diabetes mellitus ein ungefähr doppelt so großes Risiko haben, eine kardiovaskuläre Erkrankung zu entwickeln, und mit höherer Wahrscheinlichkeit auch multiple kardiovaskuläre Risikofaktoren aufweisen.1 Nach wie vor ist Diabetes mit einem Verlust an Lebensjahren assoziiert, der umso deutlicher ausfällt, je früher die Krankheit auftritt.2 Gängige Risikoscores sind in der diabetischen Population nur eingeschränkt anwendbar, daher wurde für die neue ESC Guideline mit dem SCORE2-Diabetes ein spezifischer Risikoscore entwickelt, validiert und getestet. Dabei ging man vom in ESC-Leitlinien verwendeten SCORE2 aus, der unter anderem die unterschiedlichen Verhältnisse in unterschiedlichen Regionen Europas einbezieht. Durch die Kombination dieses Scores mit Daten von mehr als 200 000 Diabetespatienten aus mehreren Registern wie zum Beispiel der UK-Biobank wurde der SCORE2-Diabetes erstellt.3
Diabetesspezifische Faktoren in den SCORE2 einbezogen
Der neue Score kombiniert Informationen über konventionelle kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Alter, Rauchen, Blutdruck und Cholesterin mit diabetesspezifischen Informationen wie Alter bei Diagnose, Blutzucker und Nierenfunktion. Auch der SCORE2-Diabetes bezieht die spezifischen Risiken in verschiedenen europäischen Regionen sowie das Geschlecht ein und quantifiziert das Risiko für einen tödlichen oder nicht tödlichen Herzinfarkt oder Schlaganfall innerhalb der nächsten zehn Jahre. Di Angelantonio: „Die Validierung ergab, dass der SCORE2-Diabetes sowohl bei niedrigem als auch bei moderatem und hohem Risiko in der Diabetespopulation eine bessere Performance zeigt als der SCORE2.“ Die Verwendung des SCORE2-Diabetes hat in den aktuellen Guidelines eine I/B-Empfehlung. Er soll eingesetzt werden, um das Risiko von Personen abzuschätzen, bei denen noch keine kardiovaskuläre Erkrankung oder schwerer Endorganschaden vorhanden ist. Patienten mit kardiovaskulärer Erkrankung oder Endorganschaden fallen automatisch in die Kategorie „sehr hohes Risiko“.
Aufgrund der hohen Prävalenz von kardiovaskulären Erkrankungen in der diabetischen Population empfiehlt die ESC mit I/A-Empfehlung ein Diabetes-Screening bei kardiovaskulär erkrankten Personen. Geeignete Screening-Marker sind HbA1c und/oder Nüchternglukose. Des Weiteren wird empfohlen, Patienten mit Diabetes regelmäßig auf kardiovaskuläre Erkrankung, Zeichen und Symptome von Herzinsuffizienz sowie chronische Nierenerkrankung (CKD) abzuklären, wie Task-Force-Mitglied Prof. Dr. Nikolaus Marx von der Universität Aachen ausführt. Das Screening auf eine CKD kann anhand der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) und/oder der Albuminausscheidung im Harn erfolgen.
Wahl der antihyperglykämischen Therapie nach Risikoprofil
Hinsichtlich der Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 gibt die ESC klare Vorgaben betreffend den Einsatz der zahlreichen verfügbaren Medikamente. Hintergrund dieser Überlegungen sind die potenziell kardioprotektiven Effekte bestimmter antihyperglykämischer Therapien, insbesondere der SGLT2-Inhibitoren (SGLT2i) und der GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA). Daher soll bereits beim Einstieg in die Diabetestherapie das kardiovaskuläre Risikoprofil mitbedacht werden. Die ESC empfiehlt nun sehr detailliert, welche Patienten welche antidiabetische Therapie erhalten sollen. Daraus ergeben sich mehrere „key recommendations“ (alle Klasse I):
Patienten mit Diabetes mellitus und kardiovaskulärer Erkrankung sollen unabhängig von der glykämischen Kontrolle einen SGLT2i und/oder einen GLP-1-RA zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos erhalten.
Patienten mit Diabetes mellitus und Herzinsuffizienz sollen unabhängig von der glykämischen Kontrolle einen SGLT2i zur Vermeidung von Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz erhalten.
Patienten mit Diabetes mellitus und CKD sollen einen SGLT2i zur Vermeidung von Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz und kardiovaskulären Todes sowie den nichtsteroidalen Aldosteronantagonisten Finerenon zur Reduktion des kardiovaskulären und renalen Risikos erhalten.
Kann mit der empfohlenen Therapie das glykämische Ziel nicht erreicht werden, so ist in Richtung einer Zweifach- oder Dreifach-Kombinationstherapie zu eskalieren, wobei Substanzen zum Einsatz kommen sollen, für die zumindest keine nachteilige Wirkung auf Herz und/oder Nieren bekannt ist. Das bedeutet beispielsweise, dass bei Vorliegen von Herzinsuffizienz zusätzlich zum SGLT2i Metformin und/oder ein GLP-1-RA eingesetzt werden sollen, während Saxagliptin oder Pioglitazon in dieser Indikation kontraindiziert sind. Neu ist die Empfehlung zum Switch. Auch bereits eingestellte Patienten sollen entsprechend diesen Empfehlungen umgestellt werden.
Quelle:
ESC 2023, Session „2023 ESC Guidelines for the Management of Cardiovascular Disease in Patients with Diabetes“, am 26. August in Amsterdam
Literatur:
1 Emerging Risk Factors Collaboration: Lancet 2010; 375(9733): 2215-22 2 Seshasai SRK et al.: N Engl J Med 2011; 364(9): 829-41 3 SCORE2-Diabetes Working Group and the ESC Cardiovascular Risk Collaboration: Eur Heart J 2023; 44(28): 2544-56
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