
ESC-Guidelines 2023 für die Behandlung des akuten Koronarsyndroms
Autor:innen:
Dr. Eva Steinacher
Univ.-Prof. Dr. Irene Lang
Assoc. Prof. PD Dr. Alexander Niessner, MSc
Universitätsklinik für Innere Medizin II
Klinische Abteilung für Kardiologie
Medizinische Universität Wien
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Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist die Hauptursache für Morbidität und Mortalität weltweit. Auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (European Society of Cardiology; ESC), der von 25. bis 28. August 2023 in Amsterdam stattgefunden hat, wurden die neuen Leitlinien zur Behandlung des akuten Koronarsyndroms („acute coronary syndrome“; ACS) vorgestellt.1
Keypoints
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Während die Mehrheit der Patient:innen mit einem akuten Koronarsyndrom Brustschmerzen hat, ist auch bei anderen weniger spezifischen Beschwerden, insbesondere bei Frauen, ein akutes Koronarsyndrom differenzialdiagnostisch in Erwägung zu ziehen.
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Eine präklinische Behandlung mit einem P2Y12-Inhibitor soll nur mehr zurückhaltend erfolgen, insbesondere bei kurzen Anfahrtswegen zum PCI-Zentrum.
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Die intravaskuläre Bildgebung ist insbesondere bei unklarer Ursache eines akuten Koronarsyndroms ein wertvolles Hilfsmittel und kann darüber hinaus auch zur Optimierung der Stentimplantation beitragen.
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Aufgrund negativer Studiendaten ist die Indikation für eine mechanische Kreislaufunterstützung im Rahmen eines infarktbedingten Schocks restriktiv zu stellen.
Während die verschiedenen ACS-Entitäten in früheren europäischen Leitlinien separat behandelt wurden, umfasst die neue internationale Guideline erstmals das gesamte Spektrum des ACS, einschließlich der instabilen Angina pectoris (AP), des Myokardinfarktes ohne ST-Streckenhebungen (NSTEMI) und des Myokardinfarktes mit ST-Streckenhebungen (STEMI). Die Leitlinien wurden entwickelt, um medizinisches Fachpersonal bei der Diagnostik und Behandlung von ACS-Patient:innen zu unterstützen. Über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren haben 26 Arbeitsgruppenmitglieder und 58 Rezensent:innen in Zusammenarbeit mit nationalen kardiologischen Gesellschaften 193 Empfehlungen basierend auf 936 Referenzen für die optimale evidenzbasierte Versorgung von Akutpatient:innen erarbeitet. Zum ersten Mal wurde auch das ESC-Patient:innenforum miteinbezogen, um eine Diskussion aus Patient:innenperspektive hinsichtlich patient:innenzentrierter Versorgung zu erlauben.
Die 5 wesentlichen Schritte im ACS-Management
Die aktuelle Leitlinie bietet einen umfassenden Überblick über die Behandlung von ACS-Patient:innen, von der Aufnahme bis zur Langzeitbehandlung. Der Fokus liegt auf fünf wesentlichen Schritten im Management von ACS-Patient:innen (Abb. 1):
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Erkennung
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Risikostratifizierung
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Antithrombotische Therapie
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Revaskularisation
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Sekundärprävention
Abb. 1: Darstellung der fünf wesentlichen Schritte in der Behandlung von ACS-Patienten. ACS, „acute coronary syndrome“; CABG, „coronary artery bypass grafting“; ECG, electrocardiogram; LMWH, „low molecularweight heparin“; NSTE-ACS, „non-ST-elevation acute coronary syndrome“; PCI, „percutaneous coronary intervention“; PPCI, „primary percutaneous coronary intervention“; STEMI, „ST-elevation myocardial infarction“; UFH, „unfractionated heparin“. (aus Byrne RA et al. 2023)
Elektrokardiogramm und weiterführende Diagnostik
Mittels Elektrokardiogramms (EKG), klinischer Einschätzung und Beurteilung der hämodynamischen Stabilität soll eine anfängliche Risikostratifizierung erfolgen und eine Arbeitsdiagnose definiert werden. Diese soll über weiterführende Untersuchungen inklusive des hochsensitiven TroponinT („high-sensitivity cardiac troponin“; hs-cTn), Bildgebung und Angiografie bis zur endgültigen Diagnose verfolgt werden (I-B).
NSTEMI
Wie aus den vorhergehenden Leitlinien bekannt gilt bei Arbeitsdiagnose NSTEMI weiterhin der 0/1- bzw. 0/2-Stunden-hs-cTn-Algorithmus mit potenzieller Messwiederholung nach 3 Stunden bei inkonklusivem Ergebnis (I-B). Patient:innen mit sehr hohem Risiko, definiert durch hämodynamische Instabilität, akute Herzinsuffizienz aufgrund von Myokardischämie, Schmerzen, die auf eine medizinische Behandlung nicht ansprechen, lebensbedrohliche Arrhythmien, mechanische Komplikationen oder dynamische ischämische EKG-Veränderungen, sollen einer sofortigen Notfallangiografie und gegebenenfalls perkutaner Koronarintervention („percutaneous coronary intervention“; PCI) unterzogen werden (I-C). Patient:innen mit hohem Risiko, definiert durch bestätigte NSTEMI-Diagnose, EKG-Veränderungen oder einen GRACE-Score (Score für die Mortalität von ACS-Patient:innen innerhalb der ersten 6 Monate nach Aufnahme) >140, sollen eine routinemäßige invasive Angiografie innerhalb von 24 Stunden nach Vorstellung erhalten (IIa-A).
STEMI
Bei der Arbeitsdiagnose STEMI gibt es keine wesentlichen Neuerungen im diagnostischen Pfad. Es wird weiterhin empfohlen, Patient:innen mit Verdacht auf STEMI einer sofortigen Reperfusionsstrategie zuzuführen (I-A). Zusätzlich soll Fibrinolyse wie bisher zum Einsatz kommen, wenn innerhalb von 120 Minuten keine PCI erfolgen kann (I-A). Die neuen Guidelines empfehlen die komplette Revaskularisierung während der primären PCI bzw. innerhalb von 45 Tagen nach ACS (I-A). Die ebenfalls am ESC-Kongress erstmals präsentierte MULTISTARS-AMI-Studie zeigte eine Überlegenheit der sofortigen kompletten Revaskularisierung bei hämodynamisch stabilen Patient:innen mit STEMI gegenüber einer staged PCI.2
Sekundärprävention
Die Sekundärprävention ist integraler Bestandteil der ACS-Behandlung, bestehend aus kardialer Rehabilitation, Lebensstilmanagement und pharmakologischer Therapie. Die lipidsenkende Therapie mit einem Hochdosisstatin (I-A) und einer Intensivierung mit Ezetimib (IIb-B) während der primären Hospitalisierung wird empfohlen. Zusätzlich kann niedrig dosiertes Colchicin (0,5mg 1x/Tag) in Betracht gezogen werden, wenn Risikofaktoren trotz optimaler Therapie nicht ausreichend kontrolliert sind (IIb-A). Die Verwendung von Polypillen könnte eine vielversprechende Lösung sein, um die Einhaltung der Therapie für Betroffene zu erleichtern (IIa-B).
Patient:innenorientierte individualisierte Versorgung
Die neuen Leitlinien heben die patient:innenorientierte Versorgung hervor, wobei individuelle Präferenzen, Bedürfnisse und Überzeugungen von Patient:innen bewertet und berücksichtigt werden müssen. ACS-Patient:innen sollen, sofern es ihr Zustand erlaubt, in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden und über Risiken und mögliche Alternativen umfassend aufgeklärt werden.
Spezieller Fokus in den Guidelines
Ein besonderer Fokus wird in den ACS-Guidelines 2023 auf die klinische Präsentation, die antithrombotische Therapie, die Bildgebung und die Behandlung von hämodynamisch instabilen Patient:innen gelegt.
1. Schwerpunkt – klinisches Erscheinungsbild
Das breite Spektrum des ACS umfasst Entitäten mit überlappender zugrunde liegender Pathophysiologie und ähnlicher Erscheinungsform. Die sofortige Anamneseerhebung und ein ausführliches Patient:innengespräch sind von entscheidender Bedeutung für die frühzeitige Diagnosestellung. Die neuen Leitlinien unterstreichen die möglichen Beschwerdeformen im ACS:
Bei etwa 80% aller Männer und Frauen treten als primäres Symptom akute Beschwerden in der Brust auf, die sich als Schmerzen, Druckgefühl, Engegefühl oder Brennen etablieren können. Andere Symptome, wie etwa epigastrische Beschwerden, übermäßiges Schwitzen oder Schmerzen in Schulter oder Arm, kommen sowohl bei Frauen als auch bei Männern im ACS zusätzlich vor.
Insbesondere bei Frauen werden häufig auch Schwindel, Synkope, Übelkeit, Erbrechen, Schmerzen in Hals, Kiefer oder Schulterblättern, Palpitationen, Müdigkeit oder Dyspnoe als Beschwerden genannt. Die Beschreibung dieser Symptome als „atypisch“ soll vermieden werden. Die Leitlinie hebt hervor, dass das Bewusstsein für die möglichen Beschwerden, die mit einem ACS einhergehen können, in der Allgemeinbevölkerung gestärkt werden müssen.
Insbesondere wird betont, Bewusstsein dafür schaffen zu müssen, dass bei anhaltenden Brustschmerzen über 15 Minuten bzw. wiederkehrenden Schmerzen innerhalb einer Stunde ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden soll. Dafür können kontinuierliche Aufklärungs- und Interessenvertretungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden.
2. Schwerpunkt – antithrombotische Therapie
Für alle Patient:innen mit ACS wird zum Zeitpunkt der Diagnose eine parenterale Antikoagulation empfohlen (I-A). Routinemäßig wird bei Patient:innen während der PCI intravenös ein gewichtsadaptierter Bolus (70–100 IU/kg) unfraktioniertes Heparin (UFH) verabreicht (I-C). Bei STEMI kann alternativ auch Enoxaparin (IIa-A) oder Bivalirudin (IIa-A) in Betracht gezogen werden. Fondaparinux wird bei Patient:innen mit STEMI, die sich einer PCI unterziehen, nicht empfohlen (III-B). Für ACS-Patient:innen ohne ST-Streckenhebungen (NSTE-ACS) ohne frühzeitige Angiografie innerhalb von 24 Stunden empfehlen die Guidelines die Verwendung von Fondaparinux (I-B). Enoxaparin soll bei Patient:innen, bei denen eine Angiografie innerhalb von 24 Stunden zu erwarten ist, als Alternative zu UFH angedacht werden (IIa-B).
Zurückhaltung bei Vorbehandlung mit P2Y12-Inhibitoren
Eine wesentliche Neuerung der 2023 Leitlinien besteht in der zurückhaltenden Anwendung der präklinischen Vorbehandlung von ACS-Patient:innen mit P2Y12-Inhibitoren. Obwohl ein potenzieller Nutzen vermutet wurde, gibt es keine großen randomisierten Studien, die eine routinemäßige Vorbehandlungsstrategie unterstützen. Die ATLANTIC-Studie als einzige randomisierte Studie auf diesem Gebiet zeigte keinen Unterschied in der Sicherheit und Wirksamkeit der P2Y12-Inhibitor-Vorbehandlung von STEMI-Patient:innen zu unterschiedlichen Zeitpunkten vor der Angiografie.3 In der ACCOAST-Studie konnte bei NSTEMI-Patient:innen ein erhöhtes Blutungsrisiko bei Vorbehandlung mit Prasugrel festgestellt werden.4 Demnach kann eine Vorbehandlung bei STEMI-Patient:innen, die sich einer primären PCI unterziehen (IIb-B), und bei NSTE-ACS-Patient:innen, bei denen eine frühe invasive Strategie innerhalb 24 Stunden nicht zu erwarten ist (IIb-C), angedacht werden. Bei NSTE-ACS und unbekannter Koronaranatomie wird eine routinemäßige P2Y12-Inhibitor-Vorbehandlung nicht empfohlen (III-A). Bei allen ACS-Patient:innen, die sich einer PCI unterziehen und keine Vorbehandlung mit einem P2Y12-Inhibitor erhalten haben, wird zum Zeitpunkt der PCI eine Sättigungsdosis empfohlen (I-B).
Standardtherapie: DAPT für 12 Monate
Als Standardtherapie nach ACS soll weiterhin eine 12-monatige duale Thrombozytenaggregationshemmung („dual antiplatelet therapy“; DAPT) etabliert werden (I-A). Die DAPT umfasst Acetylsalicylsäure (ASS) und einen potenten P2Y12-Inhibitor, wobei Prasugrel gegenüber Ticagrelor bevorzugt werden soll, sofern beide vorhanden und indiziert sind. Wenn potente P2Y12-Inhibitoren nicht verfügbar oder kontraindiziert sind, kann Clopidogrel als Alternative herangezogen werden (I-C). ASS soll nach der 12-monatigen DAPT als Monotherapie dauerhaft etabliert werden (I-A). Je nach individuellem Risiko für Blutungen oder Ischämie können alternative Schemata etabliert werden.
Vergleiche zwischen alternativen Behandlungsstrategien zur Reduzierung des Blutungs- oder Ischämierisikos gestalten sich für das ACS-Kollektiv jedoch herausfordernd, da es nur begrenzt Daten aus großen Studien gibt.
Die Leitlinien empfehlen, bei eventfreien Patient:innen nach 3–6 Monaten eine Monotherapie mit einem Thrombozytenaggregationshemmer, vorzugsweise einem P2Y12-Inhibitor, in Betracht zu ziehen (IIa-A). Für Patient:innen mit hohem Blutungsrisiko kann auch bereits nach einem Monat DAPT eine Monotherapie mit einem P2Y12-Inhibitor oder ASS, basierend auf den STOPDAPT-3-Daten, angedacht werden (IIb-B).5 Bei älteren ACS-Patient:innen entscheidet der jeweilige Allgemeinzustand über das Vorgehen. Insbesondere bei hohem Blutungsrisiko kann hier basierend auf der POPular-AGE-Studie Clopidogrel als P2Y12-Inhibitor verwendet werden (IIb-B).6 Für ACS-Patient:innen mit zusätzlicher Indikation einer antikoagulatorischen Therapie wird eine Tripeltherapie mit ASS, Clopidogrel und einem direkten oralen Antikoagulans (DOAK) empfohlen, die für eine Woche (I-A) bzw. bei hohem Ischämierisiko für bis zu einem Monat (IIa-C) etabliert werden soll. Danach wird auf eine duale antithrombotische Therapie mit einem DOAK und vorzugsweise Clopidogrel für bis zu 12 Monate umgestellt (I-A).
3. Schwerpunkt – Bildgebung
Die primäre Methode zur Beurteilung der Koronararterien bei Patient:innen mit ACS ist weiterhin die invasive Koronarangiografie. Diese ermöglicht es, zugrunde liegende Koronarveränderungen zu diagnostizieren und die erforderlichen therapeutischen Maßnahmen unverzüglich zu ergreifen. Eine initiale notfallmäßige transthorakale Echokardiografie (TTE) wird bei Patient:innen mit Verdacht auf ACS und kardiogenem Schock empfohlen (I-C), welche bei diagnostischer Unsicherheit jedoch nicht zu einer Verzögerung des Transfers ins Herzkatheterlabor führen soll (IIa-C). Die routinemäßige Koronar-Computertomografie-Angiografie („coronary computed tomography angiography“; CCTA) bei Verdacht auf ACS mit inkonklusivem EKG und hs-cTn wurde in den neuen Leitlinien herabgestuft, kann aber weiterhin in Betracht gezogen werden (IIa-A). Bei Patient:innen mit Verdacht auf einen akuten Koronarverschluss, bei denen eine Notfall-Angiografie Vorrang hat, ist die CCTA nicht sinnvoll (III-B).
Intravaskuläre Bildgebung soll zur Unterstützung und Optimierung der PCI bei ACS-Patient:innen überlegt werden (IIa-A). Eine Metaanalyse der verfügbaren kleinen randomisierten Studien auf diesem Gebiet zeigt die Überlegenheit der PCI mit intravaskulärem Ultraschall (IVUS) in der Verringerung von MACE.7 Insbesondere die optische Kohärenztomografie („optical coherence tomography“; OCT) kann bei Patient:innen mit unklarer und/oder fehlender schuldiger Läsion zur Planung der weiteren Vorgehensweise herangezogen werden (IIb-C).
4. Schwerpunkt – hämodynamische Instabilität und Reanimation
Die neuen Leitlinien betonen eine Herabstufung der mechanischen Kreislaufunterstützung bei kardiogenem Schock als Komplikation des ACS. Laut Guidelines kann eine kurzfristige mechanische Kreislaufunterstützung bei ACS-Patient:innen im hämodynamisch instabilen Zustand in Betracht gezogen werden (IIb-C). Die ECLS-SHOCK-Studie, die ebenfalls am ESC Kongress 2023 erstmals präsentiert wurde, konnte keinen Vorteil der routinemäßigen Anwendung von extrakorporaler Kreislaufunterstützung für den hämodynamischen Support zeigen.8 Die Guidelines empfehlen eine kontinuierliche Überwachung der Kerntemperatur sowohl nach außerklinischem als auch nach stationärem Herzstillstand bei Patient:innen, die nach Wiedererlangen des Spontankreislaufs nicht ansprechbar sind. Dabei soll auf die aktive Vermeidung von Fieber, definiert als Temperatur über 37,7°C, geachtet werden (I-B).
Für ACS-Patient:innen im kardiogenen Schock und nach wiederbelebtem Herzstillstand mit ST-Streckenhebungen im EKG ist weiterhin eine sofortige Koronarangiografie mit primärer PCI des Infarktgefäßes empfohlen (I-B). Eine staged PCI soll bei Mehrgefäßerkrankung in Betracht gezogen werden (IIa-C). Die Behandlung von Patient:innen mit wiederbelebtem Herzstillstand ohne Nachweis einer ST-Streckenhebung soll je nach hämodynamischem und neurologischem Status neuerdings individuell gestaltet werden. Eine routinemäßige Angiografie wird nicht mehr empfohlen (III-A), basierend auf den Daten der randomisierten Studien COACT und TOMAHAWK, die keine Überlegenheit der sofortigen gegenüber einer verzögerten invasiven Strategie zeigen konnten.9,10
Fazit
Die 2023 ACS-Guidelines reflektieren den aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand und bieten eine wesentliche Grundlage zur Sicherstellung der bestmöglichen Versorgung unserer Patient:innen mit ACS. Nach wie vor sind Frauen und ältere Patient:innen in großen randomisiert-kontrollierten Studien unterrepräsentiert, weshalb hier in Zukunft noch mehr Erkenntnisse über deren bestmögliche Versorgung erforderlich sind.
Literatur:
1 Byrne RA et al.: 2023 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes. Eur Heart J 2023; 44(38): 3720-826 2 Rossello X, Vranckx P: MULTi-vessel Immediate vs. STAged RevaScularization in Acute Myocardial Infarction: the MULTISTARS AMI trial. Eur Heart J Acute Cardiovasc Care 2023; 12(9): 629-30 3 Montalescot G et al.: Prehospital ticagrelor in ST-segment elevation myocardial infarction. N Engl J Med 2014; 371(11): 1016-27 4 Montalescot G et al.: Pretreatment with prasugrel in non-ST-segment elevation acute coronary syndromes. N Engl J Med 2013; 369(11): 999-1010 5 Kumbhani DJ et al.: Short and optimal duration of dual antiplatelet therapy after everolimus-eluting cobalt-chromium stent-3- STOPDAPT-3. ESC Congress, Amsterdam 2023; Hotline 3, 26 August 6 Gimbel M et al.: Clopidogrel versus ticagrelor or prasugrel in patients aged 70 years or older with non-ST-elevation acute coronary syndrome (POPular AGE): the randomised, open-label, non-inferiority trial. Lancet 2020; 395(10233): 1374-81 7 Darmoch F et al.: Intravascular ultrasound imaging-guided versus coronary angiography-guided percutaneous coronary intervention: A systematic review and meta-analysis. J Am Heart Assoc 2020; 9(5): e013678 8 Thiele H et al.: Extracorporeal life support in infarct-related cardiogenic shock. N Engl J Med 2023; 389(14): 1286-97 9 Desch S et al.: Angiography after out-of-hospital cardiac arrest without ST-segment elevation. N Engl J Med 2021; 385(27): 2544-53 10 Lemkes et al.: Coronary angiography after cardiac arrest without ST-segment elevation. N Engl J Med 2019; 380(15): 1397-1407
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