<p class="article-intro">Die schwersten Manifestationen einer Pulmonalembolie bedürfen in der Initialphase einer besonders intensiven Therapie, um die Rechtsherzbelastung rasch zu reduzieren und die hohe Mortalität dieser Erkrankung zu senken. Für die Patienten in der Hochrisikogruppe wird in den aktuellen Leitlinien primär eine systemische Lysetherapie empfohlen. Da das optimale Management der Pulmonalembolie bei intermediär-hohem Risiko derzeit noch unklar ist, muss in diesen Fällen die Entscheidung für eine allfällige systemische oder kathetergesteuerte Lysetherapie abhängig vom Blutungsrisiko individuell getroffen werden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei einer Pulmonalembolie mit Schock oder Hypotonie (Hochrisikogruppe) sollte unmittelbar eine Reperfusion, in den meisten Fällen mittels systemischer Lysetherapie, durchgeführt werden.</li> <li>Für Patienten mit intermediär-hohem Risiko stehen heute dosisreduzierte systemische und kathetergesteuerte Lysetherapien zur Verfügung, deren zu erwartender Benefit sorgfältig gegen das Blutungsrisiko abgewogen werden muss.</li> <li>Nach den vorliegenden Daten scheint der Effekt einer Lysetherapie primär in der – im Vergleich zur Standardtherapie – deutlich schnelleren Reduktion der Rechtsherzbelastung zu liegen und die Langzeitprognose der Erkrankung nicht zu verändern.</li> </ul> Laut einer für 6 europäische Staaten durchgeführten Hochrechnung und rezenten Autopsiedaten ist in Österreich pro Jahr mit rund 5000 Todesfällen wegen einer Pulmonalembolie zu rechnen, womit diese Erkrankung auf der Liste der kardiovaskulären Todesursachen den dritten Platz hinter Herzinfarkt und Schlaganfall einnimmt.<sup>1, 2</sup> Allerdings differiert der Schweregrad und damit das Mortalitätsrisiko der Erkrankung beträchtlich und reicht von asymptomatischen, peripheren Embolien bis zu massiven zentralen Pulmonalembolien mit akutem Rechtsherzversagen. Diesem Umstand tragen die zuletzt im Jahre 2014 aktualisierten Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) Rechnung und teilen die Pulmonalembolie in vier Kategorien mit unterschiedlichem Risiko und daraus abgeleitetem Management ein (Tab. 1).<sup>3</sup></div> <div> </div> <div><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1802_Weblinks_s34_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="735" /></div> <div> <h2>Klassifizierung der Pulmonalembolie nach Schweregraden</h2> Etwa 5 % der Pulmonalembolien gehen mit Schock oder Hypotonie einher und werden zur Hochrisikogruppe mit einer 30-Tages-Mortalität von >15 % gezählt. Umgekehrt findet man etwa 35 % der Patienten in der Gruppe mit niedrigstem Risiko mit einem sehr niedrigen Mortalitätsrisiko (<1 % ). Dazwischen liegen etwa 60 % der Patienten mit intermediärem Risiko, welches insbesondere in der Gruppe mit intermediär-hohem Risiko nicht unbeträchtlich ist (bis zu 15 % Mortalität innerhalb von 30 Tagen). Zur Unterscheidung zwischen niedrigem und intermediärem Risiko werden der Pulmonary Embolism Severity Index (PESI) oder der simplified PESI (sPESI) Score, welche beide das Mortalitätsrisiko innerhalb von 30 Tagen widerspiegeln, empfohlen (Tab. 2). Ein PESI der Klassen I bis II beziehungsweise ein sPESI von 0 spricht dabei für ein niedriges Mortalitätsrisiko. Patienten mit einem PESI der Klasse ≥III oder einem sPESI ≥1 gehören zur intermediären Risikokategorie und werden anhand der bildgebenden Zeichen einer Rechtsherzbelastung und der kardialen Biomarker (insbesondere Troponin) weiter stratifiziert. In der Echokardiografie und in der Computertomografie kann eine Rechtsherzbelastung auf einfache Weise durch den Quotienten aus dem Durchmesser des rechten geteilt durch den linken Ventrikel (RV/ LV-Ratio) bestimmt werden (Abb. 1). Fallen sowohl in der Bildgebung (RV/LV-Ratio >0,9) als auch im Labor Zeichen der Rechtsherzbelastung auf, liegt ein intermediär- hohes Risiko, in allen anderen Fällen ein intermediär-niedriges Risiko vor.</div> <div> </div> <div><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1802_Weblinks_s34_abb1.jpg" alt="" width="1418" height="852" /></div> <div> <h2><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1802_Weblinks_s34_tab2.jpg" alt="" width="1419" height="1199" /></h2> <h2>Lysetherapie der Pulmonalembolie</h2> Bei Patienten in der Hochrisikogruppe, welche klinisch durch Schock oder Hypotonie gekennzeichnet ist, wird eine möglichst rasche Reperfusion der Lungenstrombahn empfohlen. Dazu wird üblicherweise eine systemische Lysetherapie durchgeführt, mögliche Alternativen sind eine kathetergestützte Fragmentierung oder eine chirurgische Embolektomie. Vor der Durchführung einer Thrombolyse müssen Kontraindikationen, wie ein hämorrhagischer Schlaganfall, eine zerebrale Neoplasie, ein Schädeltrauma oder eine aktive gastrointestinale Blutungsquelle, ausgeschlossen werden. Zugelassene Medikamente sind Urokinase, 1–3 Mio. E über 2 Stunden, oder rekombinanter Plasminogen- Aktivator (rtPA), 100mg über 2 Stunden.<sup>3</sup> Derzeit noch unklar ist die optimale Behandlung von Patienten mit dem zweithöchsten Risiko (intermediär-hohes Risiko). Neben Antikoagulation und Monitoring ist hier, insbesondere bei hämodynamischer Verschlechterung, eine systemische oder kathetergesteuerte Thrombolyse zu diskutieren. In der bei Weitem größten Studie (PEITHO-Studie) zu diesem Thema wurden mehr als 1000 Patienten mit einer Pulmonalembolie mit intermediär- hohem Risiko eingeschlossen und randomisiert einer Lysetherapie (Tenecteplase) plus Heparin versus Placebo plus Heparin zugeteilt.<sup>4</sup> Unter Tenecteplase wurde eine signifikante Reduktion des primären Endpunktes (Tod oder Kreislaufkollaps in den ersten 7 Tagen) beobachtet, welche allerdings durch eine deutlich höhere Blutungsrate (2 % hämorrhagische Schlaganfälle versus 0,2 % in der Placebogruppe) erkauft wurde. Um die Rate an schweren Blutungskomplikationen zu reduzieren, wurden verschiedene Strategien vorgeschlagen und in kleineren Studien getestet. Eine dosisreduzierte systemische Thrombolyse (50 mg rtPA) zeigte in zwei Studien eine vergleichbare Wirksamkeit mit weniger Blutungskomplikationen.<sup>5, 6</sup> In der ULTIMA-Studie wurde eine Ultraschall- assistierte kathetergesteuerte Lysetherapie mit einer noch deutlich geringeren Dosis (10–20mg rtPA) plus Heparin gegen Heparin allein bei 59 Patienten getestet. Dabei wurde unter der lokalen Lysetherapie eine signifikante Abnahme der Rechtsherzbelastung nach 24 Stunden ohne schwere Blutungskomplikationen beobachtet.<sup>7</sup> Die Wirksamkeit dieser Therapie wurde in der Folge in einer amerikanischen Kohortenstudie an 119 Patienten mit intermediär-hohem und 31 Patienten mit hohem Risiko bestätigt. Allerdings zeigte diese SEATTLE-II-Studie, dass auch die kathetergesteuerte Thrombolyse in Einzelfällen mit schweren Blutungen einhergehen kann.<sup>8</sup> Eine an unserer Abteilung durchgeführte Fallserie zeigte ebenfalls eine rasche Verbesserung der rechtsventrikulären Dysfunktion durch die Ultraschall- assistierte kathetergesteuerte Lysetherapie bei Patienten mit intermediärhohem Risiko (Abb. 2).<sup>9</sup> Obwohl eine entsprechende Zulassung dafür nicht vorliegt, scheint eine rasche Umstellung auf Rivaroxaban nach einer dosisreduzierten oder kathetergesteuerten Lysetherapie möglich zu sein.<sup>9, 10</sup> Vor Kurzem wurden die Langzeitergebnisse der PEITHO-Studie publiziert. Dabei konnte bei Pulmonalembolien mit intermediär-hohem Risiko kein signifikanter Effekt der systemischen Lysetherapie auf die Langzeitprognose dieser Patienten beobachtet werden.<sup>11</sup> Im Gegensatz zur Gruppe mit hohem und intermediär-hohem Risiko besteht bei Patienten mit intermediär- niedrigem und niedrigem Risiko neben der üblichen Antikoagulationstherapie keine Indikation für eine Lysetherapie.</div> <div> </div> <div><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1802_Weblinks_s34_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="771" /></div> <div> <h2>Fazit</h2> Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine systemische Lysetherapie bei Patienten mit einer Pulmonalembolie in der Hochrisikogruppe bei Fehlen von Kontraindikationen unverzüglich durchgeführt werden sollte. Für Patienten mit dem zweithöchsten (intermediär-hohen) Risiko kann eine Lysetherapie nach der derzeitigen Datenlage nicht allgemein empfohlen werden. Insbesondere im Falle einer klinischen Verschlechterung gibt es für diese Patientengruppe heute vielversprechende Therapieansätze (systemische Thrombolyse in reduzierter Dosis, kathetergesteuerte Thrombolyse), die allerdings noch weiter evaluiert werden müssen.</div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Cohen AT et al.: Thromb Haemost 2007; 98: 756-64 <strong>2</strong> Konschake M, Brenner E: Ann Anat 2014; 196: 387-93 <strong>3</strong> Konstantinides SV et al.: Eur Heart J 2014; 35: 3033-69 <strong>4</strong> Meyer G et al.: N Engl J Med 2014; 370(15): 1402-11 <strong>5</strong> Wang C et al.: Chest 2010; 137: 254-62 <strong>6</strong> Sharifi M et al.: Am J Cardiol 2013; 111: 273-7 <strong>7</strong> Kucher N et al.: Circulation 2014; 129: 479-86 <strong>8</strong> Piazza G et al.: JACC Cardiovasc Interv 2015; 8: 1382-92 <strong>9</strong> Schreinlechner M et al.: Intervent Cardiol 2016; 8: 725-30 <strong>10</strong> Sharifi M et al.: Clin Cardiol 2014; 37: 78-82 <strong>11</strong> Konstantinides SV et al.: J Am Coll Cardiol 2017; 69: 1536-44</p>
</div>
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