RNA-basierte Therapeutika bei kardiovaskulären Erkrankungen
Autor:innen:
Dr. Elke Boxhammer
Prof. Dr. Uta C. Hoppe
Prof. Dr. Michael Lichtenauer
Innere Medizin II, Kardiologie und internistische Intensivmedizin
Universitätsklinikum Salzburg
E-Mail: e.boxhammer@salk.at
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RNA-basierte Therapeutika eröffnen revolutionäre Möglichkeiten zur Behandlung von kardiovaskulären Erkrankungen. Durch gezielte Modulation der Genexpression und spezifische Eingriffe in pathophysiologische Prozesse bieten diese Ansätze ein enormes Potenzial, die Therapie und Prognose für Patienten entscheidend zu verbessern.
Keypoints
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RNA-basierteTherapeutika bieten innovative Behandlungsansätze für kardiovaskuläre Erkrankungen.
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Die molekularen Mechanismen umfassen mRNA, RNAi und Aptamere, die gezielte Gen- und Proteinregulation ermöglichen.
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Verabreichungsmethoden variieren je nach spezifischem Medikament und Anwendungsbereich, wobei LNP eine zentrale Rolle spielen.
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Zahlreiche RNA-basierte Medikamente befinden sich in der Entwicklung oder sind bereits zugelassen, was das enorme therapeutische Potenzial dieser Ansätze unterstreicht.
Molekulare Mechanismen
Die Wirkung RNA-basierter Therapeutika ist auf verschiedene molekulare Mechanismen zurückzuführen (Abb .1).1–4 Im Folgenden wird auf einige davon näher eingegangen.
Abb. 1: Übersicht über die molekularen Mechanismen der RNA-basierten Therapeutika
Messenger-RNA(mRNA)-Therapie
Die mRNA-Therapie verwendet synthetische mRNA, um spezifische Proteine zu codieren. Diese mRNA wird in Lipidnanopartikeln (LNP) verpackt, die ihre Stabilität erhöhen und die Aufnahme in die Zellen durch Endozytose ermöglichen. Nach der Freisetzung im Zytoplasma erfolgt die Translation durch Ribosomen, wodurch das therapeutische Protein produziert wird. Ein bekanntes Beispiel ist die mRNA-basierte Impfung, die das Immunsystem zur Erkennung und Bekämpfung von Pathogenen stimuliert.
RNA-Interferenztherapie (RNAi)
RNAi ist ein natürlicher Prozess der Genregulation, bei dem kurze RNA-Moleküle die Expression spezifischer Gene beeinflussen:
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Antisense-Oligonukleotide (ASO) werden von exogen eingebracht,binden komplementär an die mRNA und induzieren deren Abbau durch RNAseH.
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MicroRNA (miRNA)wird endogen produziert und reguliert die Genexpression durch Integration in den „RNA-induced silencing complex“ (RISC-Komplex), der die Translation der Ziel-mRNA hemmt. Auf die miRNA wird mitexogen eingebrachten sogenanntenAgomiren und Antagomiren Einfluss genommen, die die Aktivität bestimmtermiRNA-Moleküle verstärken bzw. hemmen.
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Smallinterfering RNA (siRNA)– im therapeutischen Sinne von exogen eingebracht –wird in den RISC-Komplex eingebaut, der die Ziel-mRNA spezifisch bindet und ebenso deren Translation blockiert.
RNA-Aptamer-Therapie
RNA-Aptamere sind einzelsträngige RNA-Moleküle, die durch ihre spezifische dreidimensionale Struktur hochaffin an Zielmoleküle binden. Diese Bindung kann die Funktion der Zielmoleküle modulieren, indem sie deren Aktivität hemmt oder stimuliert. Dies stellt in gewissem Maße eine Vorstufe zur Antikörpertherapie dar.
Verabreichungsart und Anwendung
Die Verabreichung von RNA-basierten Therapeutika erfolgt hauptsächlich über subkutane (s.c.) oder intravenöse (i.v.) Injektionen. Die Verabreichungsart wird durch die pharmakokinetischen Eigenschaften der jeweiligen RNA-Therapeutika sowie die Anforderungen der spezifischen Indikation bestimmt. LNP und GalNac-Linker haben sich als effektive Trägerstrukturen etabliert, um die Stabilität und Bioverfügbarkeit der RNA-Moleküle zu erhöhen.5,6
RNA-basierte Therapeutika finden bereits in verschiedenen medizinischen Fachgebieten Anwendung. In der Onkologie wird ihr Potenzial zur Modulation von Tumorsuppressorgenen und Onkogenen erforscht.1,7 Bei genetischen Erkrankungen bieten sie neue Möglichkeiten zur Korrektur von Gendefekten. Besonders hervorzuheben ist jedoch der Bereich der Herz-Kreislauf-Erkrankungen, in dem bedeutende Fortschritte erzielt wurden.4
Mehrere RNA-basierte Medikamente sind derzeit in verschiedenen Stadien der klinischen Entwicklung oder bereits zugelassen. Tabelle1 bietet einen Überblick über einige dieser Medikamente bei kardiovaskulären Erkrankungen, auf die im Folgenden einzeln eingegangen wird.
Tab. 1: Tabellarische Übersicht über die aktuell zukunftsträchtigsten RNA-basierten Therapeutika in der kardiovaskulären Medizin
Hyperlipoproteinämie
Im Bereich der Hyperlipoproteinämie (HLP) waren in den letzten Jahren die größten Durchbrüche der RNA-basierten Therapien ersichtlich. Inclisiran konnte in den ORION-Studien mit einer LDL-Cholesterinsenkung von knapp 50% aufwarten und ist inzwischen im klinischen Alltag angekommen.8,9
Für die seltene Erkrankung des familiären Chylomikronämiesyndroms und damit assoziierter extrem erhöhter Triglyzeridspiegel ist in Europa das Medikament Volanesorsen zugelassen, und die Nachfolgesubstanz Olezarsen mit deutlich geringerem Thrombozytopenierisiko dürfte wohl nicht mehr lange auf die Zulassung warten.10,11Bei den siRNA-Therapien ist die Substanz Plozasiran bereits in einer Phase-III-Studie angelangt.12
Lipoprotein-a (Lp(a)) als genetische Determinante für das kardiovaskuläre Risiko konnte sich bisher mit den medikamentös vorliegenden Möglichkeiten nur in einem sehr begrenzten Rahmen senken lassen. Mit den aktuell in PhaseIII befindlichen Medikamenten Pelacarsen, Olpasiran und Lepodisiran bieten sich jedoch vielversprechende neue Ansätze, die Lp(a)-Spiegel effektiv zu reduzieren und somit das kardiovaskuläre Risiko signifikant zu senken.13,14
Arterielle Hypertonie
Für die arterielle Hypertonie zeigen sich RNA-basierte Ansätze vielversprechend. Durch die gezielte Modulation der Genexpression, insbesondere Angiotensinogen (Evazarsen, Zilbesiran), können blutdrucksenkende Effekte erzielt werden, was die Therapiemöglichkeiten für Patienten in Zukunft im s.c. Bereich aufbauen könnte.15,16
ATTR-Amyloidose
Bei der ATTR-Amyloidose wurden siRNA-Therapien (Patisiran, Vutrisiran) und ASO-Therapeutika (Inotersen, Eplontersen) derzeit nur für neurologische Indikationen (Polyneuropathie Grad I–II) zu-gelassen. Zu Patisiran konnte man in der ersten Auswertung der nach wie vor laufenden APOLLO-B-Studie bei Patienten mit ATTR-Amyloidose und kardialer Beteiligung im Vergleich zu Placebo Vorteile in der funktionalen Kapazität, dem Gesundheitszustand und der Lebensqualität beobachten.17 Vutrisiran wies in der HELIOS-A-Studie bei Patienten mit Polyneuropathie als sekundäre Endpunkte einen potenziellen Benefit auf eine zusätzlich vorliegende kardiale Manifestation nach.18Die Ergebnisse der HELIOS-B-Studie als Pendant zur APOLLO-B-Studie werden die Auswirkungen von Vutrisiran auf die kardiale Beteiligung noch genauer beleuchten, wobei die ersten Daten bereits am ESC-Kongress 2024 in London vorgestellt wurden.
Insbesondere bei Eplontersen (derzeit generell noch keine europäische Zulassung) dürfte die kardiologische Welt gespannt auf die Ergebnisse der CARDIO-TTRansform-Studie schauen, die Mitte/Ende des Jahres 2025 erwartet werden und möglicherweise neue Perspektiven in der Behandlung der ATTR-Amyloidose eröffnen.19
Herzinsuffizienz
In der Herzinsuffizienz befinden sich die RNA-basierten Therapien noch in der Erprobungsphase (PhaseII). Hier dürften nach aktueller Studienlage insbesondere die Targets „vascular endothelial growth factor“ (VEGF) und miRNA-132 interessant sein.
Eine direkte intrakardiale Injektion einer mRNA mit dem Target VEGF (Studie EPICCUREin PhaseII)hat bei Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie im Rahmen einer aortokoronaren Bypassoperation die Tendenz zur Verbesserung der Linksventrikelfunktion, des NT-pro-BNP-Levels sowie der Lebensqualität gezeigt.20
Aus mehreren In-vivo- und In-vitro-Studien wurde in den letzten Jahren bekannt, dass miRNA-132 eine relevante Rolle in kardialen Remodelling-Prozessen spielen dürfte.21 Der Einsatz eines Antagomirs zur Verminderung der miRNA-132-Konzentration wird derzeit in der HF-REVERT-Studie (PhaseII) getestet.21
Literatur:
1 Zhu Y et al.: RNA-based therapeutics: an overview and prospectus. Cell Death Dis 2022; 13(7): 644 2 Boada C et al.: RNA therapeutics for cardiovascular disease. Curr Opin Cardiol 2021; 36(3): 256-63 3 Chia SPS et al.: Current RNA strategies in treating cardiovascular diseases. Mol Ther 2024; 32(3): 580-608 4 Laina A et al.: RNA therapeutics in cardiovascular precision medicine. Front Physiol 2018; 9: 953 5 Paunovska K et al.: Drug delivery systems for RNA therapeutics. Nat Rev Genet 2022; 23(5): 265-80 6 Springer AD, Dowdy SF: GalNAc-siRNA Conjugates: Leading the Way for Delivery of RNAi Therapeutics. Nucleic acid therapeutics 2018, 28(3), 109–18 7 Kim YK: RNA therapy: rich history, various applications and unlimited future prospects. Exp Mol Med 2022; 54(4): 455-65 8 Ray KK et al.: Two phase 3 trials of Inclisiran in patients with elevated LDL Cholesterol. N Engl J Med 2020; 382(16): 1507-19 9 Ray KK et al.: Long-term efficacy and safety of inclisiran in patients with high cardiovascular risk and elevated LDL-Cholesterol (ORION-3): results from the 4-year open-label extension of the ORION-1 trial. Lancet Diabetes Endocrinol 2023; 11(2): 109-19 10 Tsimikas S et al.: Lipoprotein(a) reduction in persons with cardiovascular disease. N Engl J Med 2020; 382(3): 244-55 11 Bergmark BA et al.: Olezarsen for hypertriglyceridemia in patients at high cardiovascular risk. N Engl J Med 2024; 390(19): 1770-80 12 Ballantyne CM et al.: Plozasiran, an RNA interference agent targeting APOC3, for mixed hyperlipidemia. N Engl J Med 2024. doi:10.1056/NEJMoa2404143 13 Thau H et al.: Targeting Lipoprotein(a): can RNA therapeutics provide the next step in the prevention of cardiovascular disease? Cardiol Ther 2024; 13(1): 39-67 14 Nissen SE et al.: Lepodisiran an extended-duration short interfering RNA targeting Lipoprotein(a): a randomized dose-ascending clinical trial. JAMA 2023; 330(21): 2075-83 15 Morgan ES et al.: Antisense inhibition of Angiotensinogen with IONIS-AGT-LRx: results of phase 1 and phase 2 studies. JACC Basic Transl Sci 2021; 6(6): 485-96 16 Bakris GL et al.: RNA interference with Zilebesiran for mild to moderate hypertension: the KARDIA-1 randomized clinical trial. JAMA 2024; 331(9): 740-9 17 Maurer MS et al.: Patisiran treatment in patients with Transthyretin cardiac amyloidosis. N Engl J Med 2023; 389(17): 1553-65 18 Garcia-Pavia P et al.: Impact of Vutrisiran on exploratory cardiac parameters in hereditary Transthyretin-mediated amyloidosis with polyneuropathy. Eur J Heart Fail 2024; 26(2): 397-410 19 Masri A et al.: Effect of Eplontersen on cardiac structure and function in patients with hereditary Transthyretin amyloidosis. J Card Fail 2023: S1071-9164(23)00894-1 20 Anttila V et al.: Direct intramyocardial injection of VEGF mRNA in patients undergoing coronary artery bypass grafting. Mol Ther 2023; 31(3): 866-74 21 Foinquinos A et al.: Preclinical development of a miR-132 inhibitor for heart failure treatment. Nat Commun 2020; 11(1): 633 22 Bauersachs J et al.: Efficacy and safety of CDR132L in patients with reduced left ventricular ejection fraction after myocardial infarction: rationale and design of the HF-REVERT trial. Eur J Heart Fail 2024; 26(3): 674-82
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