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Schenkelblock und ventrikuläre Extrasystolie als Risikofaktoren für Herzinsuffizienz
Leading Opinions
Autor:
Prof. Dr. med. Gerhard Pölzl
Univ.-Klinik für Innere Medizin III<br> Kardiologie und Angiologie, Medizinische Universität Innsbruck<br> E-Mail: gerhard.poelzl@tirol-kliniken.at
30
Min. Lesezeit
11.07.2019
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<p class="article-intro">Kompletter Linksschenkelblock (KLSB) und ventrikuläre Extrasystolen (VES) können sowohl Ursache als auch Folge von Kardiomyopathie und Herzinsuffizienz sein. Ein neu aufgetretener KLSB oder > 20 000–25 000 VES pro Tag bzw. ein > 25 %iger VES-Anteil pro Tag bei strukturell unauffälligem Herzen stellt eine «red flag» dar und erfordert regelmässige Kontrolluntersuchungen. Bei KLSB und eingeschränkter Linksventrikelfunktion ist die kardiale Resynchronisationstherapie bestens etabliert. Zeichnet sich bei hohem VES-Anteil die Entwicklung einer Kardiomyopathie ab, kann eine Ablationstherapie in Erwägung gezogen werden.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Schenkelblock</h2> <p>Der Schenkelblock, und im Nachfolgenden ist in erster Linie vom kompletten Linksschenkelblock (KLSB) die Rede, kann sowohl Folge als auch Ursache einer Kardiomyopathie und damit von Herzinsuffizienz sein.<br /> Die Prävalenz des KLSB bei erhaltener linksventrikulärer Funktion beträgt etwa 0,1–0,8 %, steigt jedoch bei Patienten mit Kardiomyopathie auf ca. 25 %. Entwickelt sich ein KLSB bei zunehmender Herzinsuffizienz, ist das mit einer signifikant höheren Sterblichkeit verbunden. Mit der kardialen Resynchronisationstherapie (CRT) steht mittlerweile eine sehr effektive Therapieoption zur Verfügung.<br /> Kann aber umgekehrt ein KLSB die Entwicklung einer Kardiomyopathie und in weiterer Folge einer Herzinsuffizienz verursachen oder begünstigen? Oder anders gefragt: Ist das Auftreten eines KLSB bei strukturell unauffälligem Herzen eine «red flag», welche die Entwicklung einer zukünftigen Herzinsuffizienz ankündigt?<br /> Es besteht eine enge Verknüpfung zwischen elektrischer und mechanischer Dyssynchronie. Abbildung 1 zeigt, dass die Verlängerung von Depolarisations- und Repolarisationszeit bei KLSB eine beträchtliche Verkürzung der Diastolendauer zur Folge hat.<sup>1</sup> Die mit dem KLSB verbundene abnorme Septumbewegung führt zu einer Abnahme der Auswurffraktion. Im Verein mit der reduzierten Füllung des linken Ventrikels ergibt sich damit eine Abnahme des Schlagvolumens, was wiederum eine deletäre Aktivierung der neurohumoralen Kompensationssysteme nach sich zieht. Die damit verbundenen Umbauvorgänge am linken Ventrikel verursachen eine weitere Verzögerung der Erregungsausbreitung (= Zunahme der QRS-Breite), was einem Teufelskreis gleichkommt, der zur schrittweisen Entwicklung von Kardiomyopathie und Herzinsuffizienz führt.<br /> Dieses pathophysiologische Konzept wird durch Beobachtungen aus Kohortenstudien unterstützt, in denen das Auftreten eines KLSB bei asymptomatischen Patienten mit einem 3,7- bis 7-fach höheren Risiko für die nachfolgende Entwicklung einer Herzinsuffizienz verbunden war. In einer Analyse der Framingham-Kohorte betrug die Zeit von der ersten Beobachtung des KLSB bis zur Entwicklung von Herzinsuffizienzsymptomen im Durchschnitt 3,3 Jahre.<br /> Gleichsam als «proof of principle» für dieses Konzept sei hier eine französische Studie angeführt, in der über Patienten berichtet wird, bei denen 5 bis 22 Jahre vor Implantation eines CRT-Systems ein KLSB bei erhaltener linksventrikulärer Funktion nachgewiesen wurde und die anschliessend eine Kardiomyopathie (Ejektionsfraktion ≤ 35 %) und eine Herzinsuffizienz entwickelten. Diese Patienten erwiesen sich nach Implantation eines CRT-Systems als «super responder» mit nahezu vollständiger Normalisierung der linksventrikulären Funktion.<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1903_Weblinks_lo_innere_1903_s42_abb1_poelzl.jpg" alt="" width="465" height="571" /></p> <h2>Extrasystolie</h2> <p>Ebenso wie für den KLSB stellt sich auch bei der ventrikulären Extrasystolie (VES) die Frage nach der Henne und dem Ei. Es besteht eine Korrelation zwischen der Einschränkung der linksventrikulären Funktion und der Häufigkeit und Komplexität von VES. Letztere können sehr wesentlich auf das Schicksal des Patienten Einfluss nehmen. Bei hochgradig eingeschränkter Linksventrikelfunktion besteht daher eine Empfehlung für die primär-prophylaktische Implantation eines implantierbaren Cardioverter-Defibrillators (ICD).<br /> Können umgekehrt VES auch eine Kardiomyopathie/ Herzinsuffizienz verursachen?<br /> Untersuchungen zeigen, dass die Anzahl der VES bei strukturell unauffälligem Herzen mit einer schrittweisen Abnahme der linksventrikulären Funktion und einer Zunahme der linksventrikulären Dilatation, also einem Remodelingprozess, über die nachfolgenden 4 bis 6 Jahre korreliert ist. Bei einer Frequenz von mehr als 20 000–25 000 ventrikulären Extrasystolen pro Tag bzw. VES-Anteil von > 25 % pro Tag ist mit der Entwicklung einer Kardiomyopathie zu rechnen.<br /> Die dafür verantwortlichen Mechanismen sind noch nicht zur Gänze erforscht. Es gibt eine Reihe von postulierten Ursachen, die in Abbildung 2 zusammengefasst sind.3 Interessanterweise spielen auch Morphologie und Ursprung der VES eine Rolle:</p> <ul> <li>je breiter der VES-Komplex ist, desto höher ist die mechanische Dyssynchronie;</li> <li>ein apikaler Ursprung ist ungünstiger als Ausflusstrakt-VES (Ausnahme: arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie). Ebenso scheinen sich interpolierte VES ungünstiger auf die Ventrikelmechanik auszuwirken als VES mit post-extrasystolischer Pause.</li> </ul> <p>Auch hier gilt als «proof of principle», dass die erfolgreiche Elimination der VES mittels Ablationstherapie zu einer Verbesserung der Ventrikelfunktion führt, wie das in einzelnen Studien gezeigt werden konnte.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Innere_1903_Weblinks_lo_innere_1903_s42_abb2_poelzl.jpg" alt="" width="463" height="364" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Zannad F et al.: Left bundle branch block as a risk factor for progression to heart failure. Eur J Heart Fail 2007; 9(1): 7-14 <strong>2</strong> Vailant C et al.: Resolution of left bundle branch block-induced cardiomyopathy by cardiac resynchronization therapy. J Am Coll Cardiol 2013, 61: 1089-95 <strong>3</strong> Lee GK et al.: Premature ventricular contraction-induced cardiomyopathy: a treatable condition. Circ Arrhythm Electrophysiol 2012; 5(1): 229-36</p>
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