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Vorhofflattern

<p class="article-intro">Mit einer Prävalenz von 0,4–1,2 % bei hospitalisierten Patienten ist das Vorhofflattern (VF) nach dem Vorhofflimmern die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung. Es wird zum Formenkreis der supraventrikulären Tachykardien gezählt<sup>1</sup> und ist Thema unserer aktuellen Serie EKG.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Beim Vorhofflattern (VF) liegt eine Makro-Reentry- Tachykardie vor. Das VF kann anfallsartig (paroxysmal), intermittierend und permanent sein.</li> <li>Betroffene beschreiben Herzklopfen bzw. -stolpern und Schwindel bis hin zu Bewusstlosigkeit und Atemnot, Leistungseinschr&auml;nkungen und Polyurie.</li> <li>Erregungen pr&auml;sentieren sich im EKG beim typischen VF als negative Flatterwellen, erkennbar in den diaphragmalen Ableitungen II, III und aVF.</li> <li>Hochfrequenzstromablation ist das Mittel der ersten Wahl bei VF bei rezidivierender Symptomatik oder relevanter H&auml;modynamik.</li> <li>Mittel der Wahl bei medikament&ouml;ser Ablation ist Ibutilid</li> </ul> </div> <h2>Pathologie</h2> <p>Pathophysiologisch liegt beim VF eine Makro-Reentry-Tachykardie mit einer Frequenz von etwa 250&ndash;350/min vor. Man unterscheidet sowohl zwischen einem anfallsartigen (paroxysmalen), intermittierenden und permanenten VF als auch &ndash; aufgrund der unterschiedlichen Entstehung &ndash; zwischen einem typischen und einem atypischen VF. Meist befindet sich der Ursprung der Pathologie im rechten Vorhof. Hier entsteht um den Trikuspidalklappenanulus eine kreisende Erregung, ein Reentry-Mechanismus.<sup>2</sup> Anatomisch befindet sich die ausl&ouml;sende Engstelle (Isthmus) zwischen der Trikuspidalklappe, der M&uuml;ndung der unteren Hohlvene und dem Koronarsinus; dies wird als typisches isthmusabh&auml;ngiges VF bezeichnet. Beim selteren isthmusunabh&auml;ngigen, atypischen VF liegt eine Makro-Reentry-Tachykardie vor, die um eine zur&uuml;ckgebliebene Narbe kreist, welche nach Operationen am Herzen oder anderen Ma&szlig;nahmen, wie etwa nach vorheriger Ablation eines Vorhofflimmerns, entstanden ist.<sup>1</sup> Ein VF wird anders als das Vorhofflimmern seltener durch vorherige kardiovaskul&auml;re Erkrankungen ausgel&ouml;st. Grunderkrankungen k&ouml;nnen Aorten- oder Mitralklappenvitien, die koronare Herzkrankheit oder Entz&uuml;ndungen sein.<sup>3</sup> Zudem ist das Risiko, ein VF im Rahmen einer chronisch- obstruktiven Lungenerkrankung oder nach einer Herzoperation zu entwickeln, erh&ouml;ht.</p> <h2>Anamnese und Diagnosestellung</h2> <p>Anamnestisch berichten Betroffene meist von Herzklopfen bzw. -stolpern und Schwindel bis hin zu Bewusstlosigkeit und Atemnot, Leistungseinschr&auml;nkungen und Polyurie. Symptome werden jedoch vorwiegend bei den paroxysmalen Formen beschrieben, variieren zudem auch je nach Frequenz und l&ouml;sen oftmals &Auml;ngste bei den Patienten aus. H&auml;ufig verl&auml;uft das VF aber asymptomatisch. In der physikalischen Untersuchung k&ouml;nnen einzelne Herzaktionen ohne einhergehenden Pulsschlag mit dem Stethoskop h&ouml;rbar sein (= Pulsdefizit).</p> <p>Gestellt wird die Diagnose mittels EKG, und zwar anhand seines typischen Erscheinungsbilds, der charakteristischen regelm&auml;&szlig;igen und gleichm&auml;&szlig;ig konfigurierten Flatterwellen (Abb. 1). Diese Flatterwellen sind ein Ausdruck von abnormer Vorhoferregung und werden wegen der entstandenen Zackenlinie bei der EKGBefundung als &bdquo;S&auml;gezahnmuster&ldquo; beschrieben. In den meisten F&auml;llen geht das VF mit einem AV-Block II einher. Dieser sogenannte partielle AV-&Uuml;berleitungsblock stellt dabei eine wichtige Schutzfunktion dar.<sup>4</sup> Er verhindert die &Uuml;berleitung von der im Vorhof vorliegenden schnellen Frequenz auf die Kammer und somit die Ausbildung prognostisch und symptomatisch maligner ventrikul&auml;rer Herzrhythmusst&ouml;rungen, wie etwa Kammerflattern.<sup>2</sup> Der AV-Knoten bremst die Frequenz und nur jede zweite oder dritte Vorhoferregung wird durchgelassen. Somit entsteht eine gewisse Regelm&auml;&szlig;igkeit und man spricht je nach Verh&auml;ltnis beispielsweise von einer 2:1- oder 3:1-&Uuml;berleitung. Auch bei einer wechselnden &Uuml;berleitungsfrequenz ist eine gewisse Grundrhythmik erkennbar und daher ist die Frequenz im Vergleich zum Vorhofflimmern nicht absolut arrhythmisch. Der folgende Kammerkomplex pr&auml;sentiert sich im EKG aufgrund der weiteren normalen Erregungsleitung in seiner gewohnt schmalen Form.<sup>4</sup><br /> Eine Differenzierung zwischen typisch und atypisch ist aufgrund der unterschiedlichen Herkunft mittels EKG m&ouml;glich. Durch die Ausbreitung von kaudal nach kranial pr&auml;sentieren sich die Erregungen beim typischen VF als negative Flatterwellen, vorwiegend erkennbar in den diaphragmalen Ableitungen II, III und aVF. Beim selteneren atypischen VF, ausgel&ouml;st durch hochfrequente ektope Erregungsausbildungen im Vorhof, zeigt sich das &bdquo;S&auml;gezahnmuster&ldquo; durch die kranio-kaudale Ausbreitung der Erregung in den Ableitungen II, III, aVF positiv.<sup>4</sup></p> <p>Ist eine EKG-Beurteilung nicht eindeutig m&ouml;glich (2:1-&Uuml;berleitung), kann durch eine vor&uuml;bergehende Blockierung des AVKnotens, durch eine Karotismassage, ein Vasalva-Man&ouml;ver oder medikament&ouml;s mit Adenosin (i.v.) ein VF demaskiert werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1702_Weblinks_ka1702-seite64_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="954" /></p> <h2>Therapie</h2> <p>Im Fokus der Therapie des VF sollten trotz seines oft asymptomatischen Verlaufs wie beim Vorhofflimmern die Rhythmus- und Frequenzkontrolle sowie die Reduktion des Risikos f&uuml;r die Entwicklung einer Thromboembolie stehen. In den letzten Jahren hat sich die Hochfrequenzstromablation mittels Katheter als Mittel der ersten Wahl bei VF mit rezidivierender Symptomatik oder relevanter H&auml;modynamik etabliert.<sup>5, 6</sup> Mittels Ablation ist es m&ouml;glich, sowohl die Entstehung eines Kammerflatterns als auch den &Uuml;bergang in ein Vorhofflimmern mit h&ouml;heren Frequenzen zu unterbinden. Beim typischen VF wird das pathologische Gewebe ver&ouml;det. Mit dieser Behandlungsform konnten wie beim Vorhofflimmern hohe Erfolgsraten (&gt;90 % ) verzeichnet werden.<sup>1, 2</sup> Die Rezidivrate wird mit 10&ndash;15 % angegeben. Schwieriger erweist sich die Ablationsbehandlung eines atypischen VF, bei dem zuerst der Ursprung der kreisenden Erregung durch ein &bdquo;dreidimensionales Mapping&ldquo; lokalisiert werden muss.<sup>1</sup></p> <p>Bei Akutf&auml;llen erfolgt eine Konversion in den Sinusrhythmus mithilfe einer medikament&ouml;sen oder elektrischen Kardioversion. Die hohe Konversionsrate bei der elektrischen Kardioversion ist unumstritten, die Meinungen zu der von den Guidelines empfohlenen Joules-Angabe f&uuml;r die Schockabgabe differenzieren jedoch. Reisinger et al raten je nach Art und Dauer der atrialen Tachykardie und auch zwischen mono- und biphasischer Defibrillation zu unterscheiden und empfehlen bei einer transthorakalen elektrischen Defibrillation eines VF eine initiale biphasische Schockabgabe mit 50J, bei Vorhofflimmern, je nach Dauer der Rhythmusst&ouml;rung, 100&ndash;150J.<sup>7</sup> Andere Studien ergaben beim Vergleich von 50J vs. 100J ein besseres Outcome mit einer initial intensiveren Schockabgabe.<sup>8</sup> Wurden 100J verwendet, konnte ein signifikant besseres Ergebnis erzielt werden (85 % vs. 70 % ; p=0,001).<sup>9</sup> Hierbei wird eine Konversion &uuml;ber einen Rechtsherzkatheter, der meist &uuml;ber die rechte Leiste zum Herzen vorgeschoben wird, erzielt. Die interne Kardioversion hat trotz der Invasivit&auml;t den Vorteil, dass eine geringere Energie ben&ouml;tigt wird (bis zu &lt;30J). Beide Formen der Kardioversion werden beim sedierten Patienten angewandt.</p> <p>Wird ein medikament&ouml;ser Konversionsversuch angestrebt, unterscheidet sich dieser beim VF von dem bei Vorhofflimmern. W&auml;hrend Vorhofflimmern bevorzugt durch Natriumkanalblocker wie Flecainid oder Propafenon (Klasse-I-C-Antiarrhythmika) behandelt werden, haben Studien bei VF eine wesentlich bessere Wirksamkeit von Klasse-III-Antiarrhythmika, die den Kaliumkanal blockieren, zeigen k&ouml;nnen.<sup>10</sup> Mittel der Wahl bei medikament&ouml;ser Ablation ist das Klasse-IIIAntiarrhythmikum Ibutilid, das eine signifikant bessere Wirksamkeit bei VF als bei Vorhofflimmern aufweist.<sup>11</sup></p> <p>In jedem Fall sollte, wie beim Vorhofflimmern, eine Thromboembolieprophylaxe mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) oder neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK) durchgef&uuml;hrt werden. Empfohlen wird eine antikoagulatorische Therapie bei einem VF mit einer Dauer der Paroxysmen von mehr als 48 Stunden.<sup>6, 12</sup></p> <p>Als Ultima Ratio gilt die Herzschrittmacherimplantation mit meist begleitender AV-Knoten-Ablation.<sup>2</sup></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Erdmann E: Klinische Kardiologie: Krankheiten des Herzens, des Kreislaufs und der herznahen Gef&auml;&szlig;e. Berlin Heidelberg: Springer, 2011 <strong>2</strong> Scharf C: Vorhofflimmern und Vorhofflattern. Praxis 2005; 94(45): 1753-9 <strong>3</strong> Neuzner J, Pitschner HF: Vorhofflimmern, Vorhofflattern: Aktuelle Diagnostik und Therapie. Heidelberg: Steinkopff, 2013 <strong>4</strong> Schuster HP, Trappe H J: EKG-Kurs f&uuml;r Isabel. Thieme, 2005. <strong>5</strong> Kobza R et al: Kathetertechnische Behandlung von Vorhofflattern und Vorhofflimmern. Therapeutische Umschau 2004; 61(4): 234-8 <strong>6</strong> Kobza R: Aktuelle Therapie des Vorhofflatterns. Therapeutische Umschau 2014; 71(2): 93-7 <strong>7</strong> Reisinger J et al: Optimization of initial energy for cardioversion of atrial tachyarrhythmias with biphasic shocks. Am J Emerg Med 2010; 28(2): 159-65 <strong>8</strong> Gallagher M et al: Initial energy setting, outcome and efficiency in direct current cardioversion of atrial fibrillation and flutter. J Am Coll Cardiol 2001; 38(5): 1498-504 <strong>9</strong> Pinski SL et al: A comparison of 50-J versus 100-J shocks for direct-current cardioversion of atrial flutter. Am Heart J 1999; 137(3): 439-42 <strong>10</strong> Crijns HJ et al: Atrial flutter can be terminated by a class III antiarrhythmic drug but not by a class IC drug. Eur Heart J 1994; 15(10): 1403-8 <strong>11</strong> Stambler BS et al: Efficacy and safety of repeated intravenous doses of ibutilide for rapid conversion of atrial flutter or fibrillation. Ibutilide Repeat Dose Study Investigators. Circulation 1996; 94(7): 1613-21 <strong>12</strong> Mjakinkova LO et al: Antithrombotic therapy in patients with atrial flutter before planned cardioversion. Wiadomosci lekarskie. 2016; 69(6): 742-6</p> </div> </p>
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