Prävention von Nierensteinen mit Thiaziden: top oder Flop?
Bericht:
Regina Scharf, MPH
Redaktorin
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Trotz unklarer Datenlage werden Thiazide und Thiazid-ähnliche Diuretika seit Jahrzehnten zur Prävention von idiopathischen Nierensteinen eingesetzt. Die NOSTONE-Studie, eine vom Nationalfonds unterstützte Studie, an der sich alle grösseren nephrologischen Kliniken in der Schweiz beteiligten, stellt dieses Vorgehen nun infrage.
Nierensteine sind ein häufiges Gesundheitsproblem. Die Lebenszeitprävalenz für Nierensteine bei Männern und Frauen in den USA beträgt 20% resp. 10%.
«In der Schweiz ist der Anteil wahrscheinlich etwas geringer», sagte Prof. Dr. med. Daniel Fuster vom Universitätsspital Bern am FOMF WebUp Nephrologie. Neben der weltweiten Zunahme bei der Prävalenz und Inzidenz ist vor allem auch die hohe Rekurrenz, die abhängig vom Nierensteintyp bei 30–80% liegt, problematisch. Diese führe zu einer signifikanten Morbidität und zu hohen Gesundheitskosten.
Bisherige Studienlage
Nierensteine setzen sich zumeist aus Kalziumoxalat, Kalziumphosphat oder einem Gemisch beider Komponenten zusammen. Die Hauptursache ist eine primäre idiopathische Hyperkalziurie. Zur Prävention von Nierensteinen werden diätetische Massnahmen und Kalziumzitrat und seit mehr als 50 Jahren auch Thiazide und Thiazid-ähnliche Diuretika eingesetzt. Wie effektiv diese in der Prävention von Nierensteinen sind, ist allerdings noch immer unklar.
Im Zeitraum zwischen 1980 und 2006 wurden die Ergebnisse mehrerer randomisierter kontrollierter Studien (RCT) publiziert, die die Wirkung von Hydrochlorothiazid, Chlortalidon oder Indapamid zur Prävention von Nierensteinen untersuchten. Aufgrund von methodologischen Mängeln, wie zu geringen Patientenzahlen, unklarem Baseline-Status, fehlender Verblindung oder ITT-Analyse und nicht erfassten unerwünschten Wirkungen etc., waren die Ergebnisse wenig aussagekräftig.1 «Dazu kam der Einsatz von bildgebenden Verfahren wie der Abdomen-Leeraufnahme, die eine niedrige Sensitivität und Spezifität aufwiesen und mit denen vermutlich einige Steine verpasst wurden», sagte Fuster.
NOSTONE-Studie
Die in der NOSTONE-Studie untersuchte Frage lautete daher: Wie effektiv sind Thiazide zur Prävention von Nierensteinen und wie hoch ist die optimale Dosierung?
Die mit Unterstützung des Nationalfonds durchgeführte Investigatoren-initiierte multizentrische, prospektive randomisierte, doppelblinde Parallelgruppenstudie schloss 416 Patienten im Alter von mind. 18 Jahren mit rezidivierenden Nierensteinen ein.2 Die Teilnehmer wurden zu gleichen Teilen randomisiert und mit einer Dosis von 1x täglich 12,5mg, 25mg resp. 50mg Hydrochlorothiazid (HCT) oder Placebo behandelt. Der zusammengesetzte primäre Endpunkt war die Inzidenz rezidivierender (symptomatischer oder radiologischer) Nierensteine unter den verschiedenen HCT-Dosierungen. Wichtigste sekundäre Endpunkte waren die symptomatische oder radiologische Rekurrenz. Die radiologische Inzidenz war definiert als Auftreten neuer Nierensteine in der Bildgebung oder als Volumenzunahme präexistierender Steine. Neben einer CT-Aufnahme zum Beginn und am Ende der Untersuchung wurden 3 Monate nach Studienbeginn und anschliessend in jährlichen Abständen klinische Follow-up-Visiten durchgeführt. Dazwischen wurden die Studienteilnehmer regelmässig telefonisch kontaktiert.
Die mediane Follow-up-Dauer betrug 2,9 Jahre. Die Ergebnisse zeigten keinen Zusammenhang zwischen der HCT-Dosis und dem Auftreten des primären Endpunkts. Das galt auch für die alleinige symptomatische Rekurrenz. «Lediglich im Hinblick auf die radiologische Rekurrenz gab es ein leicht positives Signal», so Fuster. Hier zeigte sich, dass in den Gruppen, die mit 25mg oder 50mg HCT behandelt worden waren, die Häufigkeit des Neuauftretens von Steinen und die Volumenzunahme geringer waren (Abb. 1). Betrachtete man dagegen nur die Inzidenz neuer Steine, so gab es keinen Unterschied zwischen den verglichenen Dosierungen.
Abb. 1: Sekundärer Endpunkt radiologische Rekurrenz von Nierensteinen (modifiziert nach Fuster DG et al. 2023)2
HCT ist das am häufigsten zur Behandlung bei arterieller Hypertonie eingesetzte Thiazid. Das Nebenwirkungsprofil ist bekannt, «allerdings weniger im Zusammenhang mit der Behandlung von Nierensteinleiden», sagte der Spezialist. In der NOSTONE-Studie zeigte sich im Vergleich zu Placebo eine Zunahme neu aufgetretener Fälle von Diabetes mellitus, dosisabhängigen Hypokaliämien und Gichtanfällen. Die Kalziumausscheidung im Urin war im Vergleich zu Placebo in allen drei HCT-Gruppen signifikant erniedrigt. Die «urine relative supersaturation ratio» für Kalziumoxalat und Kalziumphosphat unterschied sich nicht relevant zwischen den HCT-Gruppen und Placebo.
Kritische Punkte
Die NOSTONE-Studie wurde 2023 publiziert. In der Zwischenzeit wurde verschiedentlich Kritik an der Durchführung und Interpretation der Ergebnisse laut. Prof. Fuster nahm zu den einzelnen Punkten Stellung:
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Zu kurze Studiendauer Die mediane Follow-up-Zeit der NOSTONE-Studie betrug 2,9 Jahre – zu kurz, so die Kritik. Die drei wichtigsten Studien mit Thiazid- oder Thiazid-ähnlichen Diuretika zur Behandlung von Nierensteinen mit einer Beobachtungsdauer von über 1,5 Jahren waren positiv.3–5 Die Studienlänge erklärt demzufolge nicht die Unterschiede zu den früheren Studien.
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Zu kurze Halbwertszeit (HWZ)Die HWZ von HCT ist kurz – kein Wunder, wenn das Medikament nicht wirke. «Von der Behandlung unserer hypertensiven Patienten wissen wir, dass HCT gut wirkt.» Zudem zeigen Untersuchungen, dass die pharmakodynamische Wirkung von HCT viel länger anhält als die pharmakokinetische Wirkung. Bei wiederholter Anwendung von HCT beträgt die HWZ 8 bis 15 Stunden, bei der Langzeittherapie steigt die HWZ auf 16 bis 24 Stunden.7 Auch in früheren (positiven) Studien wurde HCT einmal täglich eingesetzt, daher erklären auch die Dosierung und die Art der Medikation nicht die Unterschiede zu früheren Studien.
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Zu hohe KochsalzzufuhrDie Kochsalzzufuhr bei den Studienteilnehmern sei deutlich zu hoch gewesen, lautete ein weiterer Kritikpunkt. Dieser bezieht sich auf die empfohlene Kochsalzzufuhr in den Guidelines von weniger als 6g in 24 Stunden, entsprechend einer Natriumausscheidung von 100mmol im 24-Stunden-Urin. «Bei den Studienteilnehmern handelte es sich um Patienten mit multiplen Steinepisoden, die seit Jahren in Behandlung und mit den diätetischen Empfehlungen bestens vertraut sind», sagte Fuster. Das zeige sich auch daran, dass das Natrium im Verlauf der Studie kaum noch abgenommen habe. Seine persönliche Erfahrung sei, dass es über einen kurzen Zeitraum nicht allzu schwer ist, die Kochsalzzufuhr deutlich zu reduzieren, über einen langen Zeitraum dagegen schon. Zudem war die Kochsalzzufuhr in früheren Studien ähnlich – daher können auch diätetische Faktoren nicht die Unterschiede zu früheren Studien erklären.
Eine mögliche Erklärung für den Unterschied zu den früheren positiven Studien liegt im Studiendesign. NOSTONE war eine State-of-the-Art-Doppelblindstudie mit Placebokontrolle – frühere Studien hatten grosse methodologische Mängel. Auch die Bildgebung mit CT in NOSTONE versus Abdomen-Leeraufnahmen in früheren Studien oder die Tatsache, dass die alten Studien noch mit einer Diät mit geringer Kalziumzufuhr durchgeführt wurden, sind mögliche Erklärungen. Die kalziumarme Diät ist jedoch aus heutiger Sicht obsolet, da das Risiko für Rezidive damit steigt.
Fazit
Der Einsatz von HCT mit dem alleinigen Ziel, das Auftreten von Nierensteinen zu verhindern, ist ineffektiv. Die Langzeittherapie mit HCT ist zudem mit diversen Nebenwirkungen verbunden. Bei Patienten mit einer sehr aktiven Steinbildung, für die es keine anderen Therapiemöglichkeiten gibt, kann weiterhin eine versuchsweise Behandlung mit lang wirksamen Thiaziden wie Indapamid oder Chlortalidon eingesetzt werden. Für die Wirksamkeit dieser Therapie gibt es allerdings keine Daten. Die möglichen Benefits und Risiken müssen mit jedem Patienten individuell besprochen werden.
Quelle:
FOMF WebUp «Update Nephrologie», 30. November 2023
Literatur:
1 Fink HA: Medical management to prevent recurrent nephrolithiasis in adults: a systematic review for an American College of Physicians Clinical Guideline. Ann Inter Med 2013; 158: 535-43 2 Fuster DG et al.: Hydrochlorothiazide and prevention of kidney-stone recurrence. New Engl J Med 2023; 388: 871-91 3 Borghi L et al.: Randomized prospective study of a nonthiazide diuretic, indapamide, in preventing calcium stone recurrences. J Cardiovasc Pharmacol 1993; 22: S78-86 4 Ettinger B et al.: Chlorthalidone reduces calcium oxalate calculous recurrence but magnesium hydroxide does not. J Urol 1988; 139: 679-84 5 Laerum E, Larson S.: Thiazide prophylaxis of urolithiasis. A double-blind study in general practice. Acta Med Scand 1984; 215: 383-9 6 Borghi L et al.: Comparison of two diets for the prevention of recurrent stones in idiopathic hypercalciuria. New Engl J Med 2002; 346: 77-84 7 Carter BL et al.: Hydrochlorothiazide versus chlorthalidone: evidence supporting their interchangeability. Hypertension 2004; 43: 4-9r
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