„Sehr sinnvoller Therapieansatz“
Unser Gesprächspartner:
Prof. Dr. Jens Thiel
Leiter der Klinischen Abteilung für Rheumatologie und Immunologie, Medizinische Universität Graz
Das Interview führte Dr. Felicitas Witte
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In einer Studie besserte der gegen den Interleukin-5-Rezeptor gerichtete Antikörper Benralizumab den klinischen Verlauf von Patienten mit eosinophiler Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) und die Patienten benötigten weniger Kortikoide.1 Gemäß ersten Ergebnissen einer weiteren Studie, die Benralizumab mit dem bereits zugelassenen Interleukin-5-Hemmer Mepolizumab „head to head“ vergleicht, zeigte Benralizumab Nichtunterlegenheit.2Wie die Ergebnisse einzuordnen sind, erklärt Prof. Jens Thiel aus Graz.
Haben Sie die Studienergebnisse zu Benralizumab überrascht?
J. Thiel: Nein. Die Daten unterstreichen die Wirksamkeit von Benralizumab bei EGPA, die zu erwarten ist. In dieser retrospektiven, multizentrischen Kohortenstudie erreichen nach drei Monaten 12,4%, nach sechs Monaten 28,7% und nach 12 Monaten 46,4% der EGPA-Patienten unter Benralizumab ein komplettes Ansprechen.1 In der Head-to-Head-Phase-III-Studie, die die Wirksamkeit von Benralizumab versus Mepolizumab bei EGPA untersucht und deren erste Ergebnisse kürzlich auf dem amerikanischen Rheumatologenkongress als Abstract veröffentlicht wurden, erreichten den primären Endpunkt – also Remission in Woche 36 und 48 – 59,2% der Benralizumab-Patienten und 56,5% der Mepolizumab-Patienten.2 Damit liegen die Remissionsraten in der Studie von Bettiol et al. etwas niedriger. Dies mag überraschend erscheinen, insbesondere, da davon auszugehen ist, dass zu Monat 12 in der retrospektiven Analyse vorwiegend Patienten verblieben sind, die auf die Therapie gut angesprochen haben. Die Patientenzahl ist in der Analyse von Bettiol et al. von 121 zum Analysezeitpunkt im Monat 3 auf 69 zum Analysezeitpunkt in Monat 12 gefallen. Die Charakteristika der retrospektiv analysierten Patienten könnten ein Grund dafür sein, da im Off-label-Bereich Benralizumab möglicherweise präferenziell bei schwer erkrankten Patienten eingesetzt wurde.
Was halten Sie von dem Ansatz, Benralizumab oder Mepolizumab gegen EGPA einzusetzen?
J. Thiel: Pathophysiologisch ist dieser Therapieansatz sehr sinnvoll. Interleukin-5 steuert Reifung, Migration und Funktion von eosinophilen Granulozyten und ist damit von zentraler Bedeutung in der Pathogenese der EGPA.
Wie beurteilen Sie Wirksamkeit und Sicherheit von Benralizumab gegenüber Mepolizumab?
J. Thiel: In der Head-to-Head-Studie waren die Nebenwirkungen für beide Substanzen relativ ähnlich.2 Möglicherweise hat Benralizumab einen etwas ausgeprägteren glukokortikoidsparenden Effekt: In der Studie konnten bei einem höheren Anteil von Patienten unter Benralizumab Glukokortikoide komplett ausgeschlichen werden konnten. Diese Beobachtung muss aber in weiteren Studien überprüft werden.
Welche Stärken sehen Sie in der Studie?
J. Thiel: Die für eine EGPA-Studie sehr hohe Patientenzahl, das multizentrische Design und natürlich die Tatsache, dass „Real world“-Daten berichtet werden.
Was sind die Schwächen der Studie?
J. Thiel: Die Limitationen ergeben sich durch den retrospektiven Charakter der Studie, die im Verlauf abnehmende Zahl an Patienten, das einarmige Studiendesign und die begleitenden immunsuppressiven Basistherapien, die in der Wirksamkeit mit einer Kombinationstherapie mit Benralizumab nicht sicher zu bewerten sind. Der steigende Anteil von Patienten, die ein komplettes Therapieansprechen erreichen, von 12,4% (Monat 3) auf 46,4% (Monat 12) sollte aufgrund des Designs der Studie mit Vorsicht interpretiert werden, da zu Monat 12 nur noch 69 Patienten für die Analyse zur Verfügung standen und wie oben erwähnt möglicherweise präferenziell Patienten in der Studie verbleiben, die gut angesprochen haben. Die genannten Kritikpunkte betreffen jedoch die meisten retrospektiven Analysen. Dennoch sind die berichteten Studienergebnisse sehr wichtig und plausibel und weisen auf die Wirksamkeit von Benralizumab bei EGPA hin, die durch ein Abfallen des Composite-Scores BVAS und eine Reduktion der notwendigen Glukokortikoide unterstrichen wird.
Geben Sie manchen Patienten IL-5-Antikörper? Und wenn ja, welchen?
J. Thiel: Gegen Interleukin-5 gerichtete Antikörper sind nach den aktuellen Empfehlungen zum Management der EGPA integraler Therapiebestandteil und so werden diese Antikörper von uns auch eingesetzt.3,4 Insbesondere bei eosinophilen Manifestation der EGPA sind sie ein sehr wertvoller Therapiebestandteil.
Welche IL-5-Antikörper setzen Sie ein und in welcher Dosis?
J. Thiel: Eingesetzt wird Mepolizumab. Benralizumab ist in Österreich zwar schon zugelassen, aber nicht zur Behandlung einer EGPA. Die empfohlene Dosis für Mepolizumab beträgt 300mg, subkutan verabreicht einmal alle 4 Wochen.
Wo liegen die Herausforderungen bei der Behandlung von EGPA?
J. Thiel: Bei der EGPA handelt es sich um eine Erkrankung mit einer extrem komplexen Pathogenese. Dies erschwert die Therapie und macht eine Heilung bisher unmöglich. Neben vorwiegend eosinophilen klinischen Manifestationen wie beispielsweise dem eosinophilen Asthma treten bei der EGPA auch vaskulitische Veränderungen auf. Dem muss therapeutisch Rechnung getragen werden. Während vaskulitische Manifestationen meist gut auf klassische immunsuppressive Therapien ansprechen – etwa Cyclophosphamid oder Rituximab bei schweren Verläufen –, sind diese Therapien bei den prädominant durch Eosinophile vermittelten klinischen Manifestationen oft nicht wirksam. Diese Manifestationen sprechen auf Glukokortikoide und auf Interleukin-5-blockierende Behandlungen an. Eine weitere Schwierigkeit im Langzeitmanagement der Erkrankung ist deren Tendenz, häufig zu rezidivieren. Dass eine Heilung bisher nicht möglich ist, liegt sicher zum Teil auch daran, dass genetische Risikofaktoren für die Entwicklung dieser Erkrankung prädisponieren.
Könnte man an den Genen therapeutisch intervenieren?
J. Thiel: Theoretisch schon, etwa mittels Gentherapie oder CRISPR/Cas, also Genschere. Da wir aber beim einzelnen Patienten die Rolle der genetischen Veränderungen nicht kennen, ist eine Intervention an dieser Stelle zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich.
Welche anderen neuen Medikamente halten Sie für vielversprechend und warum?
J. Thiel: Etliche weitere Medikamente sind in Entwicklung. Daten gibt es beispielsweise zu Dupilumab.5 Sie sind allerdings noch präliminär. Eine große randomisierte, kontrollierte Studie zu dieser Substanz fehlt bisher. Rituximab ist inzwischen in der klinischen Praxis zur EGPA-Therapie etabliert und scheint auch in Kombination mit Mepolizumab sicher in der Anwendung zu sein.6
Kann man auch als „normaler“ Rheumatologe eine EGPA behandeln oder sollte man die Patienten immer an ein Zentrum überweisen?
J. Thiel: EGPA-Patienten sollten meines Erachtens in einem Zentrum behandelt werden. Dort besteht die entsprechende Expertise und dort kann im Rahmen von Forschungsprojekten die Therapie der EGPA weiterentwickelt werden. Das heißt aber nicht, dass die Patienten nach erfolgreicher Therapieeinstellung nicht gemeinsam mit rheumatologischen Kolleginnen und Kollegen, die an sekundären Versorgungseinrichtungen oder in der Niederlassung tätig sind, weiter versorgt werden können.
Literatur:
1 Bettiol A et al.: Benralizumab for eosinophilic granulomatosis with polyangiitis: a retrospective, multicentre, cohort study. Lancet Rheumatol 2023; 5(12): e707-15 2 Wechsler M et al.: Efficacy and safety of benralizumab compared with mepolizumab in the treatment of eosinophilic granulomatosis with polyangiitis in patients receiving standard of care therapy: phase 3 MANDARA study. ACR 2023; Abstract L14 3 Hellmich B et al.: EULAR recommendations for the management of ANCA-associated vasculitis: 2022 update. Ann Rheum Dis 2024; 83(1): 30-47 4 Emmi G et al.: Evidence-based guideline for the diagnosis and management of eosinophilic granulomatosis with polyangiitis. Nat Rev Rheumatol 2023; 19(6): 378-93 5 Molina B et al.: Dupilumab for relapsing or refractory sinonasal and/or asthma manifestations in eosinophilic granulomatosis with polyangiitis: a European retrospective study. Ann Rheum Dis 2023; 82(12): 1587-93 6 Bettiol A et al.: Sequential rituximab and mepolizumab in eosinophilic granulomatosis with polyangiitis (EGPA): a European multicentre observational study. Ann Rheum Dis 2022; 81(12): 1769-72
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