
Hochauflösender funktioneller Ultraschall bei Sportverletzungen
Leading Opinions
Autor:
KD Dr. med. Giorgio Tamborrini
Ultraschallzentrum Rheumatologie Basel und Konsiliararzt Universitätsspital Basel<br> E-Mail: gt@uzrbasel.ch
Autor:
PD Dr. med. Dr. phil. André Leumann
OrthoPraxis Leumann, Basel
30
Min. Lesezeit
07.03.2019
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<p class="article-intro">In den letzten Jahren haben sich für den Bewegungsapparat optimierte moderne High-End-Geräte mit hochauflösenden Sonden technisch rasant entwickelt.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Aktuelle Geräte haben eine zehnmal höhere Bildauflösung als eine Standard- MRT-Untersuchung und erlauben wie bei CT- oder MRT-Untersuchungen z. B. Tomografien mit Koronarschnitten (Schnittdicke 0,1 mm) und 3D-Rekonstruktionen zur besseren räumlichen Darstellung. Dadurch können wir heute in der Medizin des Bewegungsapparates Gelenke oder Weichteile statisch-anatomisch, dynamisch- funktionell und insbesondere im klinischen Kontext präziser untersuchen. Die neueren Entwicklungen der Sonografie mit immer höherer Auflösung haben zur Entwicklung des Begriffes «Sonohistologie » geführt. Fundierte Kenntnisse der Sonoanatomie sind unabdingbare Voraussetzungen, um Pathologien zu erkennen. In diesem frei zugänglichen Artikel finden Sie detaillierte sonomorphologische Beschreibungen verschiedener Gewebestrukturen: https://issuu.com/efsumb/docs/ecbse-ch14-msk.</p> <p>Im Ultraschall gut abgrenzbare Strukturen sind: Sehnen, Bänder, Muskeln, Nerven, Bursen, synoviales Gewebe, Knochen und Knorpel. Zudem führen ultraschallgesteuerte Interventionen zu höheren und erfolgreicheren diagnostischen Punktionen (auch sehr kleiner Strukturen) und zu wirkungsvolleren gezielten therapeutischen Injektionen.<br /> Der moderne hochauflösende und dynamische muskuloskelettale Ultraschall (hrMSUS) findet seinen Einsatzort in verschiedenen Fachdisziplinen, wie u. a. in der Rheumatologie, Orthopädie, Sportmedizin oder in der Traumatologie. Eine Auswahl sonografisch detektierbarer Pathologien in der Sportmedizin:</p> <ul> <li><strong>Sehnen, Syndesmosen und Bänder:</strong> partielle, komplette Rupturen, sekundäre Verkalkungen, sekundäre Ossifikationen, Rupturen mit knöchernem Ausriss; mechanische oder inflammatorische Tenosynovitiden; Retinaculumläsionen mit Sehneninstabilitäten; Ringbandläsionen an der Hand, Stener-Läsionen am Daumen</li> <li><strong>Muskeln:</strong> partielle, komplette Rupturen, Morell-Lavallé-Läsionen; apophyseale Läsionen, Läsionen in den myotendinösen Übergängen; Faszienläsionen mit Hämatomen; sekundäre Muskelhernien; Myonekrosen, sekundäre Infekte; Kompartmentsyndrome; posttraumatische Narben, ektope Ossifikationen</li> <li><strong>Nerven:</strong> Läsionen; sekundäre Neurome; primäre Neurome</li> <li><strong>Bursen:</strong> Bursitiden (entzündlich, posttraumatisch, hämorrhagisch)</li> <li><strong>Synoviales Gewebe:</strong> inflammatorische oder mechanisch induzierte Synovitis</li> <li><strong>Knochen, Knorpel:</strong> Fissur, Fraktur, Avulsionsfraktur, Periostläsionen; Läsionen des hyalinen Knorpels, des Faserknorpels oder von sesamoidalem Knorpel; osteochondrale Läsionen</li> </ul> <p>Wir verweisen auf folgende Atlanten und Publikationen, wo Richtlinien und Sonopathologien nachgeschlagen werden können: http://www.irheuma.com/rheumatology-a-z/m/msus-musculoskeletal-ultrasound.</p> <p>Im Folgenden werden sonomorphologische Befunde je nach Fragestellung und Pathologie erläutert (Differenzierung von nicht traumatologischen und traumatologischen Läsionen, mod. nach: Muskuloskelettaler Ultraschall. In: Atlas der Sonoanatomie und Sonopathologie des Bewegungsapparates, 4. Ausgabe; irheuma, Basel 2018, ISBN 978-3-7431-6381-2).</p> <p>Hämatom</p> <ul> <li>Echounregelmässige (hypo- bis hyperechogene), komprimierbare Struktur mit Zeichen von Gewebsschädigung?</li> <li>Unterschiedliche Binnenechos (z. B. fadenförmig/ Sediment usw.)?</li> <li>flüssig oder solid?</li> </ul> <p>Gelenkserguss</p> <ul> <li>Echoarmer, komprimierbarer Gelenksinhalt?</li> <li>Binnenechos (Sedimente, Septen, Luft-/ Gaseinschlüsse, Fremdkörper, freie Gelenkkörper, Knorpel-Knochen-Fragment)?</li> <li>Synovitis?</li> </ul> <p>Bursitis/Hämatobursa</p> <ul> <li>Echoarme, von einer Wand umgebene, komprimierbare, meist ovaläre Struktur mit oder ohne Synovitis?</li> </ul> <p>Fremdkörper</p> <ul> <li>Echoreicher Reflex mit Kometenschweifartefakt?</li> <li>Schallauslösung?</li> <li>An- oder hypoechogener Saum?</li> <li>Abszedierung?</li> </ul> <p>Fraktur</p> <ul> <li>Unterbrochene, hyperechogene Knochenlinie mit Motilität der Fragmente?</li> <li>Reverberationsecho (Kaminphänomen) im Bruchspalt?</li> <li>Echoarmer Saum über Bruchspalt?</li> </ul> <p>Muskelkontusion/Einblutung</p> <ul> <li>Fokale Muskelschwellung mit Irregularitäten?</li> <li>Aufgehobene Muskelarchitektur?</li> <li>An-, hypo- oder hyperechogene Zonen</li> <li>Muskelriss (siehe unten)</li> </ul> <p>Muskelzerrung/-riss</p> <ul> <li>In der Regel am Muskel-Sehnen-Übergang, seltener an der Faszie, Aponeurose und im Muskelbauch. Grad 0: klinische Zerrung ohne sonografisches Korrelat? Grad I: schlecht definierbarer hypo- oder hyperechogener intramuskulärer Bereich oder angeschwollene Aponeurose? Grad II/III: partielle oder komplette Muskeldiskontinuität (kranialer und kaudaler Muskelstumpf)?</li> <li>Hämatom (an- bis hyperechogen)?</li> </ul> <p>Partielle Sehnenläsion</p> <ul> <li>Fokaler Befund mit irregulärer Echotextur (nicht durchgehend)?</li> <li>Hypoechogene, intratendinöse Spalten?</li> <li>Muskelbewegungen bei passiver Extension/ Flexion?</li> <li>Aktive Muskelbewegung möglich?</li> </ul> <p> </p> <p>Totale Sehnenruptur</p> <ul> <li>Komplette, d. h. durchgehende Unterbrechung der Sehnentextur</li> <li>An-, hypo-, hyperechogene Zwischenräume?</li> <li>Retraktion der Sehne?</li> <li>Fehlende Muskelbewegung bei passiver Extension/Flexion?</li> <li>Keine aktive Muskelbewegung möglich?</li> </ul> <p>Ligamentäre Zerrung/Teilruptur</p> <ul> <li>Verdicktes Ligament</li> <li>Hypo- bis hyperechogene Zonen?</li> <li>Teilkontinuitätsunterbrechung?</li> <li>Anliegendes Hämatom?</li> </ul> <p>Ligamentäre Totalruptur</p> <ul> <li>Verdicktes Ligament</li> <li>Hypo-, hyperechogene Zonen?</li> <li>Totale Kontinuitätsunterbrechung mit beweglichen Bandenden?</li> <li>Hypo- bis hyperechogenes Hämatom zwischen den beiden Bandenden?</li> </ul> <p>An zwei Fallbeispielen werden im Folgenden technische Möglichkeiten exemplarisch illustriert.</p> <h2>Fall 1</h2> <p>Die 35-jährige amerikanische Patientin stellt sich zu einer Zweitmeinung vor. In letzter Zeit habe sie intensiv trainiert und während des Trainings sei sie vielen schnellen Richtungswechseln und Start-Stopp-Bewegungen ausgesetzt gewesen. Im Rahmen des Power-Yogas habe sie häufig und stark den Schneidersitz durchgeführt und sei regelmässig in die tiefe Hocke gegangen. Nun kommt es immer wieder zu einem subjektiven Instabilitätsgefühl mit Schmerzen in den Bereichen des medialen Gelenkspaltes am Knie ohne Blockade oder Schnappphänomenen, allerdings mit Verstärkung der Schmerzen bei Belastung. Es besteht das Gefühl einer lokalen Schwellungsneigung. Die klinischen Meniskustests waren positiv, lokal bestand eine druckdolente Verhärtung. Die sonografische Untersuchung zeigte einen Meniskusriss und ein sekundäres (klinisch tastbares) parameniskales multizystisches Ganglion (Abb. 1), das punktiert wird (Abb. 2). Die Befunde wurden in der MRT bestätigt.</p> <p>An diesem Beispiel werden die koronare Technik mit 0,1mm-Schnittführung und die 3D-Technik der hochauflösenden Sonografie dargestellt. Beim Nachweis von Ganglien u. a. am Knie, an der Schulter oder z. B. in der Hüfte sollten immer Läsionen des faserknorpeligen Labrums/Meniskus gesucht bzw. ausgeschlossen werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1901_Weblinks_lo_ortho_1901_s7_abb1.jpg" alt="" width="550" height="336" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1901_Weblinks_lo_ortho_1901_s7_abb2.jpg" alt="" width="550" height="312" /></p> <h2>Fall 2</h2> <p>Der französische Rugbyspieler erlitt bei unklarem Unfallhergang eine Schulterkontusion mit Sturz während eines Spieles. Eine extern durchgeführte MRT-Untersuchung zeigte keine klare Läsion der Rotatorenmanschette. Bei persistierenden anteromedialen, belastungsabhängigen und in Ruhe vorliegenden Schmerzen erfolgt eine dynamische Schulteruntersuchung. Die Sonografie zeigt einen intakten Oberrand der Subscapularissehne (SSC), keine Läsion des medialen Pulley (u. a. Superior-glenohumeral- Ligament, SGHL) und eine intakte lange Bizepssehne (LBT) (Abb. 3 links). Der Processus coracoideus war unauffällig. Als pathologische Befunde wurden eine Bursitis subdeltoidea und ein Kortikalisunterbruch am Tuberculum minus erhoben. Hierbei wird die Diagnose einer Tuberculum-minus-Fraktur gestellt und in der CT-Untersuchung bestätigt (Abb. 3 rechts).</p> <p>Die hochauflösende Sonografie ist ein ausgezeichnetes Instrument in der Frakturdiagnostik in technisch zugänglichen Regionen. Bei anterioren Schulterschmerzen kann mit hrMSUS die Intervallzone der Rotatorenmanschette statisch und dynamisch exakt untersucht werden (Abb. 4).</p> <p>In der Intervallzone können mit hoher Sensitivität und Spezifität u. a. folgende Läsionen dargestellt werden: Pathologien der langen Bizepssehne im intraartikulären Bereich, Pulley-Läsion, intervallnahe Läsionen der Rotatorenmanschette, Knorpel-/Knochenläsionen intraartikulär, Kapsulitis mit Verdickung und Inflammation des korakohumeralen Ligamentes. Die detaillierte Sonoanatomie der Intervallzone mit exemplarischen Pathologien finden Sie hier: <a href="https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5568533/">https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5568533/</a>.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1901_Weblinks_lo_ortho_1901_s8_abb3.jpg" alt="" width="550" height="243" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Ortho_1901_Weblinks_lo_ortho_1901_s8_abb4.jpg" alt="" width="550" height="324" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Ein besonderer Vorteil des modernen hochauflösenden dynamischen muskuloskelettalen Ultraschalls (hrMSUS) ist die kombinierte Anwendung einer klinischen fachärztlichen Beurteilung und die additive Möglichkeit einer sofortigen Intervention, wie z. B. mittels diagnostischer Punktion oder therapeutischer Infiltration.<br /> Der Einsatz des hrMSUS bedingt eine fundierte Ausbildung, detaillierte Kenntnisse der Anatomie, der Sonoanatomie, der disziplinübergreifenden Sonopathologie und eine ständige Weiter- und Fortbildung, damit dieses unbestritten untersucherabhängige Werkzeug in hoher Qualität den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten gerecht wird. Bezüglich Qualitätssicherung im hrMSUS wird auf folgende Publikation verwiesen: Qualitätssicherung im diagnostischen und interventionellen rheumatologischen Ultraschall. Praxis 2017 (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/28055325).</p> </div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>•Tamborrini G et al.: Imaging of the Shoulder. iRheuma, Basel 2018; ISBN 978-3-7347-8173-5 • Tamborrini G et al.: Musculoskeletal Ultrasound - Sonoanatomy Guidelines. iRheuma, Basel 2018, ISBN 978-3-7460-6295-2</p> <p><br /><span style="text-decoration: underline;"><strong>Weitere Literatur:</strong></span><br /> beim korrespondierenden Verfasser</p>
</div>
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