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Individualisierte Kniechirurgie: Teilgelenkersatz oder Totalendoprothese?

<p class="article-intro">Kniegelenksarthrosen treten in zunehmend jüngerem Alter auf, viele Betroffene wollen aber bis ins hohe Alter vielseitig aktiv bleiben und Sport treiben. In Anbetracht der stetig steigenden Operationszahlen und der großen Erwartungen unserer Patienten ist es sinnvoll, Alternativen zur totalen Knieendoprothese (Knie-TEP) in unsere Behandlungsstrategien aufzunehmen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Obwohl die Knie-TEP insgesamt eine sehr erfolgversprechende Therapie&shy;option der hochgradigen Pangonarthrose darstellt, sind ca. 10&ndash;15 % der Patienten nach Operation nicht uneingeschr&auml;nkt zufrieden. Teilgelenkerhaltende Operationen, vor allem Schlittenprothesen, bieten die M&ouml;glichkeit, ausschlie&szlig;lich den besch&auml;digten Anteil des Gelenkes (medial, lateral oder patellofemoral) zu ersetzen (Abb. 1 und 2). Eindeutiger Vorteil von medialen oder lateralen Schlittenprothesen ist folglich der Erhalt von funktionell intakten anatomischen Strukturen, allen voran der Kreuzb&auml;nder und des patellofemoralen Gleitlagers, das nicht selten nach Knie-TEP Probleme verursacht (Abb. 3). Zudem erreichen Patienten nach dem vergleichsweise kleineren und risiko&auml;rmeren Eingriff schneller ihre Alltagsf&auml;higkeiten und sind auch mit einer deutlich gr&ouml;&szlig;eren Wahrscheinlichkeit wieder in der Lage, Sport auszu&uuml;ben. Verschiedene Studien haben best&auml;tigt, dass zum Teil mehr als 90 % der Patienten nach Schlittenprothese zu ihren gewohnten Sport- und Freizeitaktivit&auml;ten zur&uuml;ckkehren k&ouml;nnen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_DAM_Allgemeinm_1703_Weblinks_s24.jpg" alt="" width="1419" height="1061" /></p> <h2>Indikationen f&uuml;r eine Knie-TEP</h2> <p>Um Vor- und Nachteile des am h&auml;ufigsten verwendeten Teilgelenkersatzes (mediale Schlittenprothese) aufzuzeigen, untersuchten Liddle et al mehr als 100 000 Patienten, die bei medialer Gonarthrose entweder eine Knie-TEP oder eine Schlittenprothese erhalten hatten. Nach 8 Jahren betrug die Haltbarkeit f&uuml;r die Knie-TEP im Mittel 93 % und f&uuml;r die medialen Schlittenprothesen 87 % . &Auml;hnliche Implantat&uuml;berlebensraten f&uuml;r Schlittenprothesen von ca. 80&ndash;93 % nach 10&ndash;20 Jahren sind bereits ver&ouml;ffentlicht worden. Somit haben sich die Standzeiten der Schlittenprothesen an jene der Totalendoprothesen angen&auml;hert. F&uuml;r die Schlittenprothese spricht laut Fachliteratur die signifikant geringere Wahrscheinlichkeit f&uuml;r Infekte, Insulte, Myokardinfarkte und Thromboembolien. Weiters ist der station&auml;re Aufenthalt nach Schlittenprothese verk&uuml;rzt und die Bluttransfusionswahrscheinlichkeit vermindert. &Auml;hnlich positive Ergebnisse f&uuml;r Schlittenprothesen hinsichtlich Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t konnten bereits zuvor ver&ouml;ffentlicht werden. Ein anderes Argument f&uuml;r die Implantation einer Schlittenpro&shy;these ist die einfachere operative Revisionsm&ouml;glichkeit. Mehrere Arbeitsgruppen konnten nachweisen, dass der Wechsel von einer Schlittenprothese auf eine Knie-TEP einfacher und eher machbar ist als eine Wechseloperation bei Knie-TEP.</p> <h2>Wann ist eine Knie-TEP kontraindiziert?</h2> <p>Ein Teilgelenkersatz am Kniegelenk kann trotz der angef&uuml;hrten Vorteile nicht bei allen Patienten zum Einsatz kommen. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass sich die rigiden Ausschlusskriterien, prim&auml;r ver&ouml;ffentlicht von Kozinn und Scott (1989), inzwischen gewandelt haben. Damals galten &ndash; und dies sei anekdotisch erw&auml;hnt &ndash; unter anderem ein Gewicht von mehr als 82kg, ein Patientenalter von unter 60 Jahren sowie ein sportlicher Aktivit&auml;tsanspruch als absolute Kontraindikationen. Bis heute sind fixierte O-Bein-Fehlstellungen von &uuml;ber 10&ndash;15 Grad, ein Streckdefizit von mehr als 10 Grad und eine Beugung von weniger als 90 Grad absolute Kontraindikationen f&uuml;r eine Schlittenimplantation. Die &uuml;bersichtlich beschriebenen und noch immer geltenden Voraussetzungen f&uuml;r die Implantation einer Schlittenprothese stammen aus dem Jahr 2006 (Goodfellow et al): das Vorliegen einer anteromedialen endgradigen Arthrose, ein klinisch stabiles Kniegelenk mit funktionell intaktem vorderem und hinterem Kreuzband und weitgehend intaktem Knorpel im lateralen Kompartiment. In der letzten Dekade konnte aufgezeigt werden, dass das Vorhandensein einer Retropatellararthrose auf das klinische Ergebnis nach Schlittenprothese keinen negativen Einfluss haben muss. Bei schmerzhaftem Patellofemoralgelenk sollte eine isolierte Schlittenprothese jedoch nicht zum Einsatz kommen.</p> <h2>Ursachen f&uuml;r schlechte Resultate</h2> <p>Schlechte Ergebnisse des Teilgelenkersatzes am Kniegelenk sind zumeist Implantationsfehlern oder Fehlindikationen geschuldet. Es konnte eindeutig nachgewiesen werden, dass eine zu geringe Implantationsanzahl von Schlittenprothesen pro Chirurg und Jahr zu signifikant schlechteren Ergebnissen und insbesondere zu einer signifikant verminderten Implantathaltbarkeit f&uuml;hrt. Im Detail konnte anhand einer Untersuchung von mehr als 23 000 medialen Schlittenprothesen nachgewiesen werden, dass Spezialisten mit einer Fallzahl von 13 und mehr Implantationen pro Jahr signifikant bessere Ergebnisse erreichten.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die Schlittenprothese bietet bei korrekter Indikationsstellung und Implantation folgende Vorteile gegen&uuml;ber der Knie-TEP: eine signifikant geringere peri- und postoperative Mortalit&auml;t, eine k&uuml;rzere station&auml;re Aufenthaltsdauer, eine signifikant geringere Wahrscheinlichkeit einer Bluttransfusion, eine einfachere Revisionsm&ouml;glichkeit, eine schnellere Rehabilitation und eine h&ouml;here Wahrscheinlichkeit, das fr&uuml;here sportliche Niveau wiederzuerlangen. Hauptgrund f&uuml;r das teils sehr gute Aktivit&auml;tslevel nach Schlittenprothese d&uuml;rften der Erhalt funktionell intakter anatomischer Strukturen und eine dadurch verbesserte Propriozeption im Vergleich zur Knie-TEP sein. Nachteil der Schlittenprothese ist die nach heutigem Wissensstand etwas k&uuml;rzere Standzeit. Unter Ber&uuml;cksichtigung der aktuellen Fachliteratur stellt besonders die mediale Schlittenprothese eine sichere und verl&auml;ssliche Alternative zur Knie-TEP dar. In ausgew&auml;hlten F&auml;llen kann der Ersatz des Patellofemoralgelenkes, eventuell sogar in Verbindung mit einer Schlittenprothese, eine erfolgreiche Behandlungsoption erschlie&szlig;en. Im Vordergrund der modernen Kniechirurgie steht somit ein individualisiertes Behandlungskonzept.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; Liddle et al: The Lancet 2014; 384: 1437-45 &bull; Walker T et al: Z Orthop Unfall 2015; 153: 516-25 &bull; Murray et al: Knee 2013; 20: 461-5 &bull; Parratte S et al: CORR 2012; 470: 61-8 &bull; Baker P et al: JBJS Am 2013; 95: 702-9</p> </div> </p>
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