Leitliniengesteuerte orthopädische Schmerztherapie chronischer wirbelsäulenassoziierter Schmerzsyndrome

<p class="article-intro">Mit einer Prävalenz von 60 bis 85 % stellen wirbelsäulenassoziierte Schmerzsyndrome ein ernst zu nehmendes gesellschaftliches und ökonomisches Gesundheitsproblem aus dem orthopädischen Formenkreis dar. Abgesehen von der äußerst komplexen medizinischen Problematik entstehen durch Patienten mit chronischen und vor allem unspezifischen Rückenschmerzen enorme direkte und insbesondere indirekte Kosten. Ein leitlinienbasiertes Patientenmanagement im interdisziplinären Kontext zu dieser Problematik befindet sich daher in Ausarbeitung. Es beinhaltet stadiengerechte evidenzbasierte diagnostische und therapeutische Schritte zur Behandlung des akuten Kreuzschmerzes bis hin zum subakuten/prächronischen und chronisch unspezifischen Kreuzschmerz und geht auf die spezifische und auch auf die legistische Situation des Gesundheitssystems in Österreich ein.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Daten und Fakten</h2> <p>Chronischer Schmerz betrifft etwa 20 % der &Ouml;sterreicher, das sind etwa 1,7 Millionen Menschen. 66 % leiden an wirbels&auml;ulenassoziierten Schmerzen, 51,6 % an Gelenksschmerzen, 32,2 % an Nackenschmerzen und 31,4 % an regelm&auml;&szlig;igen Kopfschmerzen. Der h&ouml;chste Anteil an chronischen Schmerzpatienten findet sich in der Altersgruppe zwischen 40 und 59 Jahren. R&uuml;ckenschmerzen und damit assoziierte Depressionen sind in Europa zwei der f&uuml;nf h&auml;ufigsten Ursachen f&uuml;r eine Invalidit&auml;t. Patienten mit chronischen Schmerzen haben ein siebenfach erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r Arbeitslosigkeit, ein Drittel der Patienten ist &uuml;berhaupt berufsunf&auml;hig. Es ist hinl&auml;nglich bekannt, dass die Wahrscheinlichkeit f&uuml;r ein R&uuml;ckkehren an den Arbeitsplatz mit zunehmender Berufsausfallsdauer fast exponentiell sinkt: Nach 6 Monaten Krankenstand sind nur noch 50 % berufst&auml;tig, nach einem Jahr nur mehr 20 % und nach zwei Jahren kehrt kein Patient mehr in den Beruf zur&uuml;ck.</p> <p>Der chronische R&uuml;ckenschmerz ist das zweith&auml;ufigste Symptom, aufgrund dessen Arztpraxen aufgesucht werden. Die Patienten gelten als &bdquo;kompliziert&ldquo;, da mit der chronischen Erkrankung besonders h&auml;ufig Komorbidit&auml;ten wie Bluthochdruck, Stoffwechselprobleme und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbunden sind. 21 % der Patienten leiden an manifesten Depressionen und haben durch einen Arbeitsplatzverlust oder famili&auml;re Probleme auch offensichtliche soziale Probleme. Chronische R&uuml;ckenschmerzpatienten haben somit nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein psychologisches und ein soziales Problem. Die moderne Schmerzmedizin orientiert sich daher am biopsychosozialen Modell der Schmerzchronifizierung und arbeitet dementsprechend ursachenorientiert, bedarfsadaptiert, zielgerichtet und personalisiert.</p> <p>90 % aller akut auftretenden R&uuml;ckenschmerzen verschwinden durch Anwendung einer &bdquo;Laientherapie&ldquo; (W&auml;rme, NSAR, Schonung etc.) von selbst, also ohne &auml;rztliches Zutun. Etwa 10 % der Personen dieses Kollektivs suchen jedoch einen Arzt auf. Davon sind wiederum 60 % nach einer Woche beschwerdefrei, bei nur 30 % h&auml;lt der R&uuml;ckenschmerz bis zu 6 Wochen an. Nur 10 % dieser Patienten leiden l&auml;nger als 6 Wochen und nur 5 % davon werden zu chronischen Schmerzpatienten. Diese 5 % bilden sozusagen die Spitze eines Eisberges und verursachen etwa 85&ndash;90 % (!) aller Kosten (Abb. 1).<br /> Wir wissen, dass eine kontinuierliche F&uuml;hrung von gef&auml;hrdeten Kollektiven in standardisierten Programmen eine Schmerzchronifizierung verhindern kann. Auch ist unbestritten, dass Programme der Prim&auml;rpr&auml;vention (d.h. das Setzen einer Intervention, noch bevor es zu einer Erkrankung kommt) Wirksamkeit zeigen und die Entstehung von Erkrankungen verhindern k&ouml;nnen.<br /> In &Ouml;sterreich gibt es derzeit jedoch noch kein Pr&auml;ventionsgesetz, welches kassenfinanzierte prim&auml;rpr&auml;ventive Programme erm&ouml;glichen w&uuml;rde.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s51_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1280" /></p> <h2>Der akute R&uuml;ckenschmerz</h2> <p>Die effektivste Strategie zur Vermeidung von chronischen Schmerzen ist die suffiziente Bek&auml;mpfung akuter Schmerzen. Erster Ansprechpartner im Gesundheitssystem ist der Hausarzt, in Zukunft das PHC. Hier sollten Strukturschw&auml;chen erkannt werden, die zum Akutereignis gef&uuml;hrt haben, und eine kausale Schmerztherapie entsprechend der Aktualit&auml;tsdiagnose sollte eingeleitet werden. Die Basis der Diagnostik bildet hier, neben einer exakten Anamnese, eine differenzierte klinische Untersuchung entsprechend den manualmedizinischen Standards. Dazu geh&ouml;ren auch die Exploration der angrenzenden Gelenke und Pathologien au&szlig;erhalb der Wirbels&auml;ule (z.B. Abdomen, Becken) und die Detektion von &bdquo;yellow flags&ldquo; und &bdquo;red flags&ldquo; (Tab. 1 und 2).</p> <p>Die gestellte Diagnose ist in den meisten F&auml;llen nur eine Beschreibung des Schmerzes (Lumbago, Lumboischialgie etc.) und somit unspezifisch, sie dient aber als Arbeitsdiagnose. Der diagnostische Einsatz beschr&auml;nkt sich daher ausschlie&szlig;lich auf ein Symptom, welches von einer pr&auml;zisen Strukturanalyse abgeleitet worden ist. Spricht der Patient gut auf die eingeleitete Therapie an, sind weiterf&uuml;hrende spezifische Abkl&auml;rungen (R&ouml;ntgen, Labor, CT, MRT etc.) vorerst nicht notwendig, Kontrolluntersuchungen sind hier ausreichend und Ma&szlig;nahmen zur sekund&auml;ren Pr&auml;vention im Sinne einer gezielten Aktivierung sollten eingeleitet werden.</p> <p>Neben einer medikament&ouml;sen Schmerztherapie ist in der Akutphase vor allem die Aufkl&auml;rung &uuml;ber den in der Regel gutartigen selbstlimitierenden Verlauf und &uuml;ber die fehlenden Hinweise auf gef&auml;hrliche Erkrankungen die wichtigste Ma&szlig;nahme. K&ouml;rperliche Aktivit&auml;ten und Alltagst&auml;tigkeiten sollten weitergef&uuml;hrt bzw. wiederaufgenommen werden, eine Bettruhe ist in der Regel kontraindiziert. Erst bei Fortbestehen der Beschwerden &uuml;ber 4&ndash;6 Wochen bzw. bei fehlender Besserungstendenz nach Einleiten einer &auml;rztlich medizinischen Therapie nach etwa einer Woche ist die Indikation zu einer weiterf&uuml;hrenden Diagnostik gegeben, um nach spezifischen Ursachen zu suchen. Hier ist auf eine klare Zuweisungsdiagnose, z.B. f&uuml;r den Radiologen, zu achten, um auch eine gezielte R&uuml;ckantwort zu erhalten.</p> <p>Bereits in dieser Phase sollten Hilfsmittel zur Erkennung von Chronifizierungstendenzen in die klinische Exploration mit einbezogen werden. Die Anwendung des STarT-G-Fragebogens (&bdquo;subgroups for targeted treatment&ldquo; &ndash; German version) zeigt in rezenten Studien vielversprechende Ergebnisse hinsichtlich positiver klinischer und &ouml;konomischer Effekte f&uuml;r Haus&auml;rzte und Orthop&auml;den im klinischen Alltag. Dieser Fragebogen ber&uuml;cksichtigt auch psychosoziale Aspekte und erm&ouml;glicht so eine stadiengerechte Therapiezuweisung. Bei Bestehen von &bdquo;yellow flags&ldquo; oder anderen Chronifizierungstendenzen ist nach Abheilung des Akutschmerzes die Einleitung sekund&auml;rer Pr&auml;ventivma&szlig;nahmen allerdings zwingend notwendig.<br /> Im derzeitigen Setting sind wir jedoch im allt&auml;glichen Praxisalltag mit strukturellen Problemen hinsichtlich zeitgerechter Diagnose- und Therapiem&ouml;glichkeiten eingeschr&auml;nkt, was oft mit verl&auml;ngerten Krankenst&auml;nden einhergeht und die Gefahr des Abgleitens in den pr&auml;chronischen bzw. chronischen Schmerz bedeuten kann. Es wird auch eine gro&szlig;e Herausforderung darstellen, die in Zukunft geplanten Fach&auml;rztezentren, deren Struktur &uuml;brigens noch in keinster Weise definiert ist, f&uuml;r derartige Aufgaben strukturell und personell auszurichten. Auch in der prim&auml;ren und sekund&auml;ren Pr&auml;vention bestehen erhebliche Strukturm&auml;ngel in &Ouml;sterreich.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s52_tab1.jpg" alt="" width="686" height="1033" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s52_tab2.jpg" alt="" width="686" height="1416" /></p> <h2>Der subakute bzw. pr&auml;chronische R&uuml;ckenschmerz</h2> <p>Sp&auml;testens im subakut-pr&auml;chronischen Stadium sollte ein wesentlicher Bestandteil des Behandlungskonzeptes auf die Verhinderung einer Schmerzchronifizierung fokussieren. Hier kann bereits der Einsatz multimodaler Konzepte notwendig werden, die derzeit aber im regul&auml;ren ambulanten Struktursetting nur unzureichend angeboten werden k&ouml;nnen. Es kommt zu einer engen Vernetzung zweier orthop&auml;discher Handlungsebenen, n&auml;mlich der konservativen und der chirurgischen Ebene. Um hier eine hohe Treffsicherheit bez&uuml;glich der Entscheidungsfindung hinsichtlich eines konservativen oder operativen Vorgehens zu erreichen, ist vor allem bei Detektion von &bdquo;yellow flags&ldquo; oftmals ein interdisziplin&auml;res Setting notwendig. Weiterf&uuml;hrend ist eine differenzierende klinische, bildgebende und interventionelle Diagnostik zur Reduktion des Kollektivs &bdquo;unspezifischer Kreuzschmerz&ldquo; notwendig, auch um nicht notwendige operative Eingriffe bei relativen OP-Indikationen zu verhindern und somit die Zahl der &bdquo;Failed back surgery&ldquo;- Syndrome zu reduzieren, denn diese entstehen vornehmlich bei Patienten mit einer nicht klar zuordenbaren Schmerzursache und somit fehlerhaften Operationsindikation.<br /> Spezifische Kreuzschmerzen m&uuml;ssen diagnostisch klar von sogenannten unspezifischen Kreuzschmerzen abgegrenzt werden, da die betreffenden Behandlungen v&ouml;llig unterschiedlich sind. Als spezifisch gelten v.a. bei degenerativen Verh&auml;ltnissen vorwiegend Schmerzsyndrome, deren klinisches Bild eng mit dem morphologischen Substrat korreliert (z.B. Instabilit&auml;t, Nervenwurzelkompression etc.). Differenzialdiagnostische Verfahren dienen der Zuordnung der Schmerzentit&auml;t zu somatisch/nozizeptiv, viszeral, neuropathisch oder somatoform. In vielen F&auml;llen liegt jedoch eine komplexe &bdquo;Mixed pain&ldquo;- Symptomatik vor. Man versteht darunter das gleichzeitige Bestehen von nozizeptiven und neuropathischen Schmerzen. Heute ist die Annahme eines 80 % igen Anteils &bdquo;unspezifischer&ldquo; Kreuzschmerzen nicht mehr haltbar: Durch diagnostische und interventionelle Techniken l&auml;sst sich dieser Anteil auf 10&ndash;30 % reduzieren, Tendenz weiter fallend (Abb. 2).</p> <p>Facettengelenke, Iliosakralgelenke, diskoligament&auml;re Strukturen und die Spinalnerven sind anerkannte Nozizeptoren der Wirbels&auml;ule. Die zur Verf&uuml;gung stehenden spezifischen klinischen Tests zur Diagnostik von dort ausgehenden Schmerzen sind oft nicht eindeutig. Zudem sind hochaufl&ouml;sende bildgebende Verfahren wie CT oder MRT zwar sensitiv und spezifisch in Bezug auf anatomische Ver&auml;nderungen, aber oft nicht in Bezug auf ein urs&auml;chliches Schmerzgeschehen. F&uuml;r interventionelle Techniken, die zur Diagnostik bei Therapieresistenz ab der 6. Woche vor allem bei unklarer Schmerzursache zum Einsatz kommen k&ouml;nnen, gibt es bereits hochwertige, kontrollierte Studien mit Evidenzgrad I&ndash;II. Die positive Identifizierung von Schmerzgeneratoren und somit die Spezifizierung des wirbels&auml;ulenassoziierten Schmerzes erfolgen hier gem&auml;&szlig; den derzeitig g&uuml;ltigen Guidelines der SIS (Spine Intervention Society) 2013 ausnahmslos unter optischer F&uuml;hrungshilfe (Goldstandard: Bildwandler) und durch in diesen Techniken ausgebildete &Auml;rztinnen und &Auml;rzte. Die interventionelle Diagnostik arbeitet sich von den &auml;u&szlig;eren Strukturen (R. medialis bzw. dorsalis der Facettengelenke, Iliosakralgelenke) zu den tief liegenden Strukturen (N. spinalis, Epiduralraum, Bandscheibe) vor. Nur bei exakter leitliniengerechter Ausf&uuml;hrung und genauer postinterventioneller Dokumentation der Schmerzsituation ist eine korrekte diagnostische Aussage zu treffen.</p> <p>Neben einer relevanten diagnostischen Aussage bei Therapieresistenz und in Hinblick auf m&ouml;gliche weiterf&uuml;hrende kurative Therapien k&ouml;nnen interventionelle Techniken auch zu einer raschen und l&auml;ngerfristigen Schmerzreduktion f&uuml;hren und somit notwendige k&ouml;rperlich aktivierende Therapien erst erm&ouml;glichen. Dazu z&auml;hlen neben der Infiltration der Facettengelenke am &bdquo;medial branch&ldquo;, an den intraartikul&auml;ren ISG-Blockaden und der transforaminalen Nervenwurzelblockade auch epidurale Infiltrationen mit Glukokortikoiden, aber auch Facettengelenksdenervierungen an der HWS und LWS oder intradiskale Therapien, wie z.B. die Biacuplastie oder Laser-Diskusdekompression.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s54_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="2046" /></p> <h2>Der chronische Schmerz</h2> <p>Je h&ouml;her der Chronifizierungsgrad steigt, desto geringer sind die Therapieerfolge und desto ausgepr&auml;gter sind die k&ouml;rperlichen Einschr&auml;nkungen der Patienten. Ein konservatives multimodales Therapiekonzept in Sinne von &bdquo;Functional restoration&ldquo;- Programmen (FRP) inklusive psychologischer Interventionen mit verhaltenstherapeutischen Ans&auml;tzen ist die derzeit wissenschaftlich fundierteste und modernste Therapieform zur Behandlung von chronischen und vor allem unspezifischen wirbels&auml;ulenassoziierten Schmerzsyndromen. Es sieht den Schmerz als biopsychosoziales Problem und setzt an all diesen Dimensionen an. Unimodale konservative oder chirurgische Therapien sind in dieser Krankheitsphase in der Regel wirkungslos und somit kontraindiziert. Zugelassene therapeutische Interventionen mit guter Evidenz sind Bewegungstherapie, medizinische Trainingstherapie, R&uuml;ckenschule, Ergotherapie mit Funktions- und Arbeitsplatztraining sowie Arbeitsplatzadaptierung und Heilmassage. Auch die Elektro-, Thermo-, Hydro- und Ultraschalltherapie gelten in Kombination mit den aktiven Therapien als wirksam, nicht jedoch als Einzeltherapie. &Uuml;ber die Auswahl, Intensit&auml;t und Therapieabfolge entscheidet der behandelnde Arzt in regelm&auml;&szlig;iger Absprache mit einem interdisziplin&auml;ren Therapeutenteam (Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Sportwissenschaftler, klinische Psychologen, Sozialdienst etc.), er orientiert sich dabei an der individuellen klinischen Situation und dem Ansprechen von einzelnen Interventionen. Therapeutische Ziele sollten aber auch mit dem Patienten besprochen werden. Dies sind in der Regel die Schmerzreduktion (nicht unbedingt die Schmerzfreiheit!) und das Erlernen des Umgehens mit dem Schmerz im Sinne einer Schmerzkontrolle, die Verbesserung der Aktivit&auml;t hinsichtlich Alltagsfunktionen, die Steigerung der Lebensqualit&auml;t und sozialen Teilhabe sowie eine berufliche Reintegration.</p> <p>Aufgrund der bei diesem Patientenkollektiv lange vorausgehenden Schmerzperioden kommt der qualifizierten diagnostischen Evaluation eine besondere Bedeutung zu. Diese beinhaltet umfassende klinische Untersuchungen und notwendige aktuelle bildgebende Verfahren, die dann im Rahmen einer multimodalen Diagnostik den chronischen Schmerzpatienten in den jeweiligen Behandlungsschenkel routen. Neben der Abkl&auml;rung einer unmittelbar oder auch mittelbar durchzuf&uuml;hrenden chirurgischen Intervention bis zur durchgehend konservativen multimodalen Behandlung sollte das gesamte Angebotsspektrum zur Verf&uuml;gung stehen. Diese multimodale diagnostische Entscheidung sollte zumindest unter Mitwirkung der obersten medizinischen Hierarchie stattfinden.</p> <p>Derartige multimodale Behandlungsm&ouml;glichkeiten sind in der derzeitigen Struktur in &Ouml;sterreich nur eingeschr&auml;nkt m&ouml;glich, denn multimodale Therapiestandards, wie z.B. ein FRP, erfordern nach internationalen Standards mehr als 100 Therapiestunden! Am ehesten l&auml;sst das Leistungsprofil der orthop&auml;dischen Rehabilitation ein solches Programm zu. Dieses erm&ouml;glicht sowohl in der vorgegebenen personell-fachlichen Struktur als auch in der Ausstattungsstruktur die Durchf&uuml;hrung dieser entsprechenden multimodalen Programme, allerdings bei Weitem nicht im notwendigen Ausma&szlig; der geforderten therapeutischen Intensit&auml;t. Es bestehen zudem kaum M&ouml;glichkeiten einer Vernetzung mit der multimodalen Diagnostik, weder ambulant noch station&auml;r. Auch gibt es kaum station&auml;re &bdquo;konservativ-orthop&auml;dische Betten&ldquo;. Die danach notwendigen weiterf&uuml;hrenden Terti&auml;rpr&auml;ventionsprogramme sind nur im Ansatz gegeben, es fehlen zudem die notwendigen hohen Anreize zur kontinuierlichen Durchf&uuml;hrung derselbigen.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Im Wissen darum, dass chronische Schmerzsyndrome in der Behandlung au&szlig;erordentlich schwierig sind, sollte im Algorithmus zur Behandlung des Akutschmerzes fr&uuml;hestm&ouml;glich eine Abkl&auml;rung hinsichtlich einer potenziellen Chronifizierungstendenz erfolgen. Dies setzt wiederum eine rechtzeitige und standardisierte klinische Diagnostik des St&uuml;tzund Bewegungsapparates voraus. Die jeweils relevanten, klinisch notwendigen Untersuchungen und Testungen setzen sich dabei aus einer Kombination von orthop&auml;dischen und neurologischen Untersuchungsg&auml;ngen zusammen. Die entsprechende Diagnostik und Therapie hat danach zeitgerecht zu erfolgen und zielt neben einer Schmerzreduktion vor allem auf den Erhalt der Funktionen im t&auml;glichen Leben und entsprechend dem ICFModell auf die Steigerung der patienteneigenen Aktivit&auml;ten und der sozialen Teilhabe ab. Denn nur durch eine fr&uuml;he Aktivierung und Wiedereingliederung in den Alltag kann eine m&ouml;gliche Chronifizierung verhindert werden.</p> <p>In den Ausbildungsrichtlinien des neuen Faches Orthop&auml;die und Traumatologie ist eine Ausbildung im medizinischen und medizinisch-therapeutischen Bereich des St&uuml;tz- und Bewegungssystems in entsprechendem Ausma&szlig; und Inhalt, was die indikatorischen, schmerztherapeutischen, minimal invasiven bzw. interventionellen, chirurgischen und konservativ-rehabilitativen Anforderungen betrifft, festgeschrieben.<br /> Leitlinien sind letztlich Empfehlungen f&uuml;r Behandlungsalgorithmen, die differenzierende diagnostische und therapeutische Vorgaben enthalten, um ein suffizientes und phasengerechtes Patientenrouting und eine stadiengerechte Therapie zu erm&ouml;glichen. Sie gelten f&uuml;r alle medizinischen und nicht&auml;rztlich-medizinischen Berufsgruppen, die in der Behandlung von Patienten mit wirbels&auml;ulenassoziierten Schmerzen ausgebildet sind. Der gro&szlig; angelegte Einsatz von Leitlinien zur stadiengerechten Behandlung von wirbels&auml;ulenassoziierten Schmerzsyndromen soll den Behandlungserfolg verbessern und eine Chronifizierung verhindern.</p> <p>Das Modell der Zukunft sieht ein fl&auml;chendeckendes individualisiertes, multiprofessionelles Management entsprechend internationalen Standards vor, sowohl im niedergelassenen als auch im Versorgungsbereich der Krankenh&auml;user, in Kombination mit Pr&auml;ventivma&szlig;nahmen. Das Patientenrouting erfolgt nach differenzierter diagnostischer und therapeutischer Abkl&auml;rung entsprechend einem klar definierten Behandlungspfad f&uuml;r den chronischen Wirbels&auml;ulenschmerz. Dies verlangt auch eine klare Definition der jeweiligen Verantwortungs- und Aufgabenbereiche sowie interdisziplin&auml;re &auml;rztliche Kooperationen und Kommunikationsm&ouml;glichkeiten, v.a. zwischen &Auml;rzten f&uuml;r Allgemeinmedizin und &Auml;rzten verschiedener medizinischer Fachrichtungen, aber auch mit den nicht&auml;rztlichen medizinischen Berufsgruppen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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