Patientenspezifische Implantate und Instrumente: Entwicklungen der letzten 25 Jahre

<p class="article-intro">Durch den Fortschritt technologischer Fertigungsverfahren bekommen patientenspezifische Implantate und Instrumente einen höheren Stellenwert in der Tumororthopädie sowie auch in der Revisionsendoprothetik.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Individuelle Implantate im Bereich der H&uuml;fte wurden erstmals im gr&ouml;&szlig;eren Umfang zur Rekonstruktion von gro&szlig;en Knochendefekten im Becken nach erfolgter Tumorresektion angewendet. Den ausgezeichneten Fr&uuml;hergebnissen standen im Langzeitverlauf hohe Infektionsraten entgegen, die eine sukzessive Reduktion der Verwendung von gro&szlig;en individuellen Beckenimplantaten bewirkten, sodass die Indikation in heutiger Zeit nur bei guten Weichteilverh&auml;ltnissen und idealerweise bei Fehlen einer lokalen Strahlentherapie oder immunsupprimierenden Chemotherapie gegeben ist. <br />Ebenso kamen patientenspezifische Resektionslehren &ndash; lange Zeit, bevor sie in der Knieendoprothetik eingef&uuml;hrt wurden &ndash; in der Tumorchirurgie zur Anwendung, da sie nicht nur eine sichere Entfernung des Tumors, sondern auch exakte Schnittfl&auml;chen f&uuml;r die Anpassung der Spezialprothese gew&auml;hrleisteten. Die Verankerung dieser Prothesen erfolgte zementfrei, sowohl im Os ilium als auch im Os ischium und Os pubis, wobei sich durch Verlaufsbeobachtung und Analyse gezeigt hat, dass die Verankerung im Ilium und Ischium am stabilsten m&ouml;glich ist, w&auml;hrend im Os pubis in fast allen F&auml;llen Lockerungen der Verankerung auftraten. Die Erkenntnis, dass f&uuml;r eine dauerhafte Kraft&uuml;bertragung die Verankerung im Os ischium ausreichend ist, hat zu einer gro&szlig;z&uuml;gigen Anwendung der Sockelpfannen gef&uuml;hrt, die jedoch per se im Langzeitverlauf ebenso keine zufriedenstellenden Ergebnisse erbracht hat. So zeigte sich besonders in der Revisionschirurgie, dass sich bei Vorliegen einer Beckendiskontinuit&auml;t die &Uuml;berlebensraten der Pfannenverankerung signifikant verringerten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1804_Weblinks_s27.jpg" alt="" width="1417" height="1244" /><br />Neue technologische Verfahren wie das 3D-Printing haben sowohl die Planung als auch die Fertigung individueller Prothesenkomponenten im H&uuml;ftbereich revolutioniert und die Anwendungsfrequenz deutlich erh&ouml;ht. W&auml;hrend fr&uuml;her die Planung anhand eines mittels verschiedener Verfahren erstellten Beckenmodells erforderlich war, wird heutzutage die Planung am Computerbildschirm durchgef&uuml;hrt und online mit dem Techniker diskutiert. F&uuml;r die Planung der Verankerung im Knochen kann auch auf Knochendichte-Daten zur&uuml;ckgegriffen werden und somit k&ouml;nnen stabile Verh&auml;ltnisse von der Planung weg garantiert werden. Dies gilt auch f&uuml;r die Verankerung der Schrauben, die in Knochensubstanz mit hoher Dichte positioniert werden k&ouml;nnen, wodurch ein Informationsgewinn gew&auml;hrleistet ist, der in der intraoperativen Situation auch bei ausreichender Erfahrung nicht vorhanden w&auml;re. Ein weiterer Vorteil ist die exakte Planung sowohl des Rotationszentrums der H&uuml;fte als auch der Position der Pfanneneingangsebene, um Luxationssicherheit zu gew&auml;hrleisten. <br />Im Folgenden sollen die h&auml;ufigsten Anwendungen von individuellen Implantaten und patientenspezifischen Instrumenten im H&uuml;ftbereich besprochen werden.</p> <h2>Rekonstruktion von Knochendefekten im Acetabulum</h2> <p>Die Hauptindikation f&uuml;r individuelle Implantate stellen acetabul&auml;re Defekte vom Paprosky-Typ 3A+B und Beckendiskontinuit&auml;t dar. Das betrifft etwa 1&ndash;5 % aller Patienten, die einer H&uuml;ftrevision unterzogen werden. Alternativ k&ouml;nnen bei dieser Indikationsstellung auch St&uuml;tzschalen mit oder ohne Verwendung von Me&shy;tallaugmenten oder in einfachen F&auml;llen auch die Distraktion des Acetabulums zur Anwendung kommen, w&auml;hrend gro&szlig;e strukturelle Allografts komplett in den Hintergrund getreten sind. Auch hat sich, wie bereits erw&auml;hnt, die Verwendung von Sockelpfannen in der Revisionschirurgie nur in einfachen F&auml;llen bew&auml;hrt, in denen aber auch mit anderen Verfahren wie Metallaugmenten in Kombination mit sph&auml;rischen oder St&uuml;tzschalen gleich gute oder bessere Ergebnisse zu erzielen sind. <br />F&uuml;r die Planung ist &ndash; abgesehen von der korrekten Rekonstruktion des H&uuml;ftzentrums und der Pfanneneingangsebene &ndash; darauf zu achten, dass &uuml;berstehende, teils reaktiv entstandene Knochenvorspr&uuml;nge am Modell abgetragen werden, um eine einfache Einbringung des Implantates zu einem sp&auml;teren Zeitpunkt zu gew&auml;hrleisten. Die Durchf&uuml;hrung der Implantation wird auch zuvor am 3D-Modell geprobt und die einzelnen Schritte der Abtragung respektive der Stabilisierung werden markiert. Da die Hauptverankerung im mittleren Teil des Os ilium und gro&szlig;fl&auml;chig am Os ischium durchgef&uuml;hrt wird, ist ein hinterer Zugang bei diesen Eingriffen obligat anzuwenden. Aufgrund der ausgiebigen und exakten pr&auml;operativen Planung bedarf es intraoperativ nur geringer Adaptionen des Knochens, die vorzugsweise mit einer Hochgeschwindigkeitsfr&auml;se durchgef&uuml;hrt werden, um das Implantat in die gew&uuml;nschte Position zu bringen und stabil zu verankern. Durch die Verwendung eines tripolaren oder &bdquo;Dual mobility&ldquo;-Pfannensystems kann die Luxationsrate, die zu den h&auml;ufigsten Komplikationen geh&ouml;rt, deutlich minimiert werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1804_Weblinks_s27_2.jpg" alt="" width="1417" height="1260" /><br />Die in der Literatur berichteten Ergebnisse basieren in der Regel auf Fallzahlen zwischen 19 und 78 Patienten mit einer Nachuntersuchungszeit zwischen 24 und 215 Monaten. Die Infektionsraten werden zwischen 0 % und 8 % und die Luxationsraten zwischen 0 % und 30 % angegeben. In einer rezent publizierten Multicenterstudie wurden 95 Rekonstruktionen bei 94 Patienten &uuml;ber einen durchschnittlichen Zeitraum von 3,5 Jahren nachuntersucht und es wurde eine Zunahme des Harris-Hip-Scores von 46 auf 75 Punkte festgestellt, bei akzeptablen Komplikationsraten: Dislokation 6 % , Infektion 6 % , aseptische Lockerung 1 % .</p> <h2>Patientenspezifische Instrumente an der H&uuml;fte</h2> <p>Patientenspezifische Instrumente (PSI) haben ihre Popularit&auml;t in erster Linie in der Knietotalendoprothetik erlangt. Dennoch stehen &auml;hnliche Systeme auch f&uuml;r die H&uuml;ftendoprothetik zur Verf&uuml;gung. Auf Basis von radiologischen Daten des Patienten (R&ouml;ntgen und/oder CT) werden anhand einer Planungssoftware Schablonen im 3D-Druck angefertigt, die sowohl die Resektion als auch die Implantation der definitiven Prothese erleichtern sollen. Bei acetabul&auml;ren PSI-Systemen unterscheidet man zwischen &bdquo;Constrained&ldquo;- und &bdquo;Non-constrained&ldquo;-Modellen. Bei den &bdquo;Constrained&ldquo;-Varianten wird die Triangulation w&auml;hrend des Fr&auml;s- und Positionierungsvorgangs auf die vorgegebenen Parameter durch die Schablone eingeschr&auml;nkt. Die &bdquo;Non-constrained&ldquo;-Optionen geben durch visuelle Vorgaben (Bohrdraht bzw. Laserpointer) die optimale Positionierung des Implantates an (z.B. OPS, Corin, Cirencester, England). <br />Femorale PSI-Optionen stehen ebenso zur Verf&uuml;gung, werden jedoch deutlich seltener verwendet. Sie sollen dabei helfen, die optimale Schaftgr&ouml;&szlig;e, -position, -version, Offset und Beinl&auml;nge zu erreichen. In den meisten F&auml;llen wird eine Schablone mittels Bohrdraht im Bereich des Femurkopfes fixiert und danach die Resektion anhand der Schnittlehre durchgef&uuml;hrt. <br />Die Literatur hinsichtlich PSI in der H&uuml;ftendoprothetik ist rar und bezieht sich im Gro&szlig;teil haupts&auml;chlich auf acetabul&auml;re PSI-Varianten. Die vorhandene Literatur umfasst jedoch meist nur kleine Fallzahlen bzw. lediglich Untersuchungen am Modell. Dennoch konnte gezeigt werden, dass durchaus Vorteile bez&uuml;glich der Pfannenpositionierung gegen&uuml;ber den Standardmethoden bestehen. Langzeituntersuchungen sowie Studien mit gr&ouml;&szlig;eren Fallzahlen stehen jedoch aus. Schwer vorauszusagen ist, ob mit zunehmendem Wissen hinsichtlich spinopelviner Parameter (z.B. &bdquo;pelvic tilt&ldquo;) und deren Einfluss auf die Komponentenpositionierung das Potenzial f&uuml;r PSI in der H&uuml;ftendoprothetik eventuell noch nicht ersch&ouml;pft ist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1804_Weblinks_s27_3.jpg" alt="" width="1417" height="1225" /></p> <h2>Individuelle Implantate am Femur</h2> <p>Auch wenn der Gro&szlig;teil an HTEP-Implantationen mit einem Standardimplantat zu bew&auml;ltigen ist, kann bei komplexen Ausgangssituationen ein &bdquo;Custom-made&ldquo;-Implantat des proximalen Femurs eine m&ouml;gliche Alternative darstellen. Der Einsatz von individuell gefertigten Sch&auml;ften kann erwogen werden, wenn die Anatomie des proximalen Femurs schwer deformiert bzw. die Biomechanik im H&uuml;ftgelenk schwer rekonstruierbar erscheint. Grundvoraussetzung f&uuml;r die Herstellung von &bdquo;Custom-made&ldquo;-Femurimplantaten sind &ndash; analog zu den Acetabulum-/Beckenprothesen &ndash; die CT-Bilder des wiederherzustellenden H&uuml;ftgelenkes. Danach stehen dem Anwender zwei Verfahrensoptionen zur Verf&uuml;gung. Einerseits kann anhand der Schichtbilder ein wirklich ma&szlig;geschneidertes (&bdquo;custom-made&ldquo;) Implantat gefertigt werden. Bisher erfolgte dies gr&ouml;&szlig;tenteils durch sogenannte CAD/CAM(&bdquo;computer-aided design&ldquo;/&bdquo;computer-aided manufacturing&ldquo;)-Methoden, wobei jedes Implantat mit computergesteuerten Fr&auml;sen aus Titanlegierungen erzeugt wurde. Durch die stetige Weiterentwicklung von 3D-Druck-Verfahren ist es mittlerweile deutlich ressourcenschonender, ein Musterbauteil zu fertigen (&bdquo;rapid prototyping&ldquo;), anhand dessen die definitive Prothese schlussendlich gefertigt werden kann. <br />Alternativ zu den &bdquo;Custom-made&ldquo;-Verfahren k&ouml;nnen die radiologischen Informationen in eine Datenbank &uuml;bermittelt und die radiologische Anatomie des Patienten kann mit einer Vielzahl aus CT-Bildern anderer Patienten abgeglichen werden. Dadurch kann wiederum aus einer Auswahl an Prothesenmodellen (abh&auml;ngig von Anbieter und Patientenvorgaben) das sogenannte Best-Fit-Implantat gew&auml;hlt werden. Vorteil dieser Methode ist der deutlich reduzierte Kosten- und Zeitaufwand, jedoch bietet, im Vergleich mit den &bdquo;Custom-made&ldquo;-Implantaten, dieses Verfahren nicht die M&ouml;glichkeit der exakten Anpassung an die anatomischen und biomechanischen Gegebenheiten. <br />Das Indikationsspektrum zur Verwendung von &bdquo;Custom-made&ldquo;-Implantaten des proximalen Femurs ist definitiv schm&auml;ler als bei ma&szlig;gefertigten acetabul&auml;ren bzw. Beckenprothesen. Aus der Literatur ist zu entnehmen, dass solche patientenspezifischen Sch&auml;fte bei Patienten mit Degeneration aufgrund von kongenitalen H&uuml;ftgelenkserkrankungen (z.B. fortgeschrittene H&uuml;ftdysplasie bzw. -luxation, Morbus Perthes etc.), Knochendystrophien (Morbus Paget, Osteopetrose etc.) oder proximalen Femurdeformit&auml;ten durch multiple Vor&shy;operationen oder Trauma Verwendung finden. Herausforderungen, die dabei bew&auml;ltigt werden m&uuml;ssen, sind eine erh&ouml;hte femorale Anteversion, die Verengung des intramedull&auml;ren femoralen Kanals, massiv erh&ouml;hte/verminderte Offsets und ausgepr&auml;gte Beinl&auml;ngendifferenzen.<br />Einerseits wegen der selten zu stellenden Indikation, andererseits aber auch aufgrund der Tatsache, dass ebenso mit herk&ouml;mmlichen Implantaten die Anatomie bzw. Biomechanik beim Gro&szlig;teil dieser Patienten rekonstruierbar ist, finden sich wenige Studien mit meist geringen Fallzahlen in der rezenten Literatur. Zus&auml;tzlich sind Vergleichsstudien mit herk&ouml;mmlichen Sch&auml;ften bei &auml;hnlichem Patientenkollektiv nicht verf&uuml;gbar. Dementsprechend sind Aussagen &uuml;ber Zuverl&auml;ssigkeit, Langlebigkeit und Vorteile gegen&uuml;ber den Standardimplantaten nur schwer zu treffen. Zudem ist, aufgrund der mittlerweile bestehenden Vielzahl an verschiedenen &bdquo;Off-the-shelf&ldquo;-Varianten, die Notwendigkeit von &bdquo;custom-made&ldquo; proximalen Femurimplantaten zu hinterfragen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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