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Spherox: die arthroskopische Knorpelzelltransplantation

<p class="article-intro">Durch die Verkapselung von Knorpelzellen in eine autologe extrazelluläre Matrix (Sphäroidtechnologie) wird eine arthroskopische Anwendbarkeit der Knorpelzelltransplantation ermöglicht. Rezente Studien und eigene erste Erfahrungen zeigen vielversprechende klinische Ergebnisse.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Gelenkknorpeldefekte sind ein weit verbreitetes medizinisch-therapeutisches Problem. Sch&auml;tzungen gehen davon aus, dass in Europa j&auml;hrlich bis zu 1,5 Millionen Menschen von Gelenkknorpeldefekten betroffen sind. In einer retrospektiven Studie mit 25 000 Kniearthroskopien wurden bei 60 % der Patienten chondrale L&auml;sionen festgestellt. Am h&auml;ufigsten befanden sich diese retropatellar (36 %) und am medialen Femurkondyl (34 %). In 58 % der F&auml;lle handelte es sich um traumatische Verletzungen, von denen ca. die H&auml;lfte mit der Aus&uuml;bung von Sport zu tun hatte. Von den erhobenen Sportarten waren Fu&szlig;ball und Schifahren jene, die mit dem gr&ouml;&szlig;ten Risiko f&uuml;r einen Knorpelschaden einhergingen. Lokalisierte Knorpeldefekte vom Grad III oder IV bei Patienten unter 40 Jahren, die f&uuml;r ein knorplchirurgisches Verfahren infrage k&auml;men, wurden in 7 % aller F&auml;lle gefunden.<sup>1</sup></p> <h2>Operative Therapiem&ouml;glichkeiten</h2> <p>Als chirurgische Methoden zur Behandlung von lokalisierten Knorpelsch&auml;den stehen uns knochenmarkstimulierende Techniken (Mikrofrakturierung bzw. Nanofrakturierung, autologe matrixinduzierte Chondrogenese), die autologe osteochondrale Transplantation und die autologe Chondrozytentransplantation (ACT) zur Verf&uuml;gung. Bei gro&szlig;en Knorpeldefekten (&gt; 2cm<sup>2</sup>) bei aktiven, jungen Patienten (&lt; 50 Jahren) hat sich inzwischen die autologe Chodrozytentransplantation als Goldstandard etabliert.</p> <h2>Generationen der Knorpelzelltransplantation</h2> <p>Seit ihrer Einf&uuml;hrung hat sich die ACT &uuml;ber mehrere Generationen weiterentwickelt. W&auml;hrend in der ersten Generation ein autologer Periostlappen verwendet wurde, um den Defekt zu decken, und die Zellsuspension anschlie&szlig;end in den Defekt unter den Periostlappen appliziert wurde, kam in der zweiten Generation anstatt des Periostlappens eine Membran (z. B. aus Kollagen) zum Einsatz. Dies reduzierte die Invasivit&auml;t der Methode, da keine Gewinnung eines Periostlappens mehr notwendig war. In weiterer Folge wurden die Zellen bereits vor der Transplantation auf ein Tr&auml;germaterial (z. B. Kollagenmembran, Kollagengel oder Hyalurons&auml;urevlies) aufgebracht. Das vereinfachte vor allem die chirurgische Handhabung w&auml;hrend der Operation und f&uuml;hrte zu dem Namen Matrix- assoziierte autologe Chondrozytentransplantation (MACT).</p> <h2>Zugangswege</h2> <p>F&uuml;r die Transplantation wird gew&ouml;hnlich ein offener Zugang zum Gelenk (Mini- Arthrotomie) verwendet. Es gibt zwar Ans&auml;tze, die Transplantation auch arthroskopisch durchzuf&uuml;hren, jedoch ist das Einbringen des Transplantates technisch sehr anspruchsvoll und es leidet die Zellviabilit&auml;t der eingebrachten Chondrozyten. So wurde in einer Studie von Biant et al. festgestellt, dass die Zellviabilit&auml;t in arthroskopisch eingebrachten Transplantaten 16-fach niedriger war als in offen implantierten.<sup>2</sup></p> <h2>Sph&auml;roidtechnologie</h2> <p>Um die genannten Einschr&auml;nkungen zu &uuml;berwinden, wurde eine Sph&auml;roidtechnologie entwickelt, bei der die autologen Zellen in ihrer eigenen extrazellul&auml;ren Matrix verkapselt sind und selbsthaftende Sph&auml;roide bilden. Diese lassen sich aufgrund ihrer selbsthaftenden Eigenschaft sehr gut arthroskopisch einbringen, selbst retropatellar (Abb. 1). Der sonstige Ablauf entspricht weitgehend der herk&ouml;mmlichen MACT.<br /> Bei einem ersten arthroskopischen Eingriff werden zun&auml;chst zwei osteochondrale Zylinder von der lateralen Seite der Notch entnommen und f&uuml;r die In-vitro- Kultivierung zur Herstellerfirma (Cod.on) eingeschickt. Nach Vermehrung der Zellen findet nach ca. 5&ndash;6 Wochen die Reimplantation der Zellen statt.<br /> Der zweite Eingriff wird ebenso arthroskopisch durchgef&uuml;hrt. Nach gr&uuml;ndlichem D&eacute;bridement des Knorpeldefektes wird das arthroskopische Sp&uuml;lwasser abgelassen und der Defekt trocken gelegt (Abb. 2). &Uuml;ber eine Kan&uuml;le werden dann die Sph&auml;roide auf den Defektgrund eingebracht. Dort k&ouml;nnen sie in den ersten Minuten noch mit dem Tasth&auml;kchen gleichm&auml;&szlig;ig &uuml;ber den Defekt verteilt werden. Aufgrund der Oberfl&auml;chenspannung der Transportfl&uuml;ssigkeit lassen sich die Sph&auml;roide auch sehr gut retropatellar implantieren. Pro cm<sup>2</sup> sollten zwischen 10 und 70 Sph&auml;roide appliziert werden. Nach 20 Minuten adh&auml;rieren die Sph&auml;roide bereits so gut am Defektgrund, dass sie nicht mehr von Sp&uuml;lwasser abgel&ouml;st werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2001_Weblinks_s22_abb1.jpg" alt="" width="750" height="246" /></p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2001_Weblinks_s22_abb2.jpg" alt="" width="500" height="513" /></p> <h2>Zulassungsstudien</h2> <p>Spherox besitzt eine EU-Zulassung f&uuml;r Gelenkknorpeldefekte (Grad III und IV) bis zu 10 cm<sup>2</sup> am Femurkondyl und an der Patella und ist seit Anfang 2019 in &Ouml;sterreich verf&uuml;gbar. Die Wirksamkeit und Sicherheit von Spherox wurden in zwei gro&szlig; angelegten Phase-II- und -III-Multicenterstudien nachgewiesen. In der randomisierten Phase-III-Studie wurden insgesamt 102 Patienten eingeschlossen und die klinischen Ergebnisse (KOOS-Score) der mit Spherox transplantierten Patienten wurden mit einer Mikrofrakturierungsgruppe verglichen. Nach 36 Monaten zeigte sich ein signifikant besseres Ergebnis f&uuml;r Spherox in den Sub scores &bdquo;Alltagsaktivit&auml;ten&ldquo; sowie &bdquo;Sport und Freizeit&ldquo; im Vergleich zur Mikrofrakturierung. In den anderen Subscores (Schmerzen, Symptome und Lebensqualit&auml;t) wiesen die Patienten mit Spherox ebenfalls durchgehend bessere Werte auf, jedoch ohne dass dies statistische Signifikanz erreichte. Hinsichtlich der Inzidenz unerw&uuml;nschter Ereignisse gab es keinen wesentlichen Unterschied zwischen den zwei Behandlungsgruppen.</p> <h2>Aktuelle Publikationen</h2> <p>In der Literatur findet man einige aktuell publizierte Studien zu klinischen Ergebnissen von Spherox. In einer Studie von Siebold et al. wurde bei Patienten mit arthroskopischer Spherox-Implantation bei einer Second-Look-Untersuchung nach durchschnittlich 3 Jahren in 91,3 % der F&auml;lle eine normale oder fast normale makroskopische Knorpelregeneration festgestellt. 3 Eine hohe Patientenzufriedenheit und gute klinische Ergebnisse nach 3 bzw. 5 Jahren konnten in zwei weiteren Studien nachgewiesen werden.<sup>4, 5</sup> Retropatellare Defekte stellen gew&ouml;hnlich eine besondere Herausforderung in der Behandlung von Knorpeldefekten dar und weisen klinisch meist schlechtere Ergebnisse auf als Defekte am Femurkondyl. Im Gegensatz dazu wurde bei Spherox-transplantierten Patienten eine hohe Erfolgsrate bei retropatellaren Defekten gefunden, die vergleichbar war mit Ergebnissen am Femurkondyl.<sup>5</sup><br /> Derzeit besteht die Zulassung von Spherox nur f&uuml;r Patienten ab dem 18. Lebensjahr. Klinische Daten von Jugendlichen (15&ndash;17 Jahre) zeigen jedoch vielversprechende Ergebnisse,<sup>4</sup> sodass eine Erweiterung der Indikationsstellung auf j&uuml;ngere Patienten angedacht werden kann.</p> <h2>Eigene Erfahrungen</h2> <p>Seit J&auml;nner 2019 wurden von uns im Orthop&auml;dischen Spital Speising 9 Patienten mit Spherox operiert. Bei den Nachuntersuchungen (bis 6 Monate) zeigten sich gute klinische und radiologische Ergebnisse und eine hohe Patientenzufriedenheit. Die Aufenthaltsdauer bei der Implantation verk&uuml;rzte sich auf eine Nacht im Vergleich zur herk&ouml;mmlichen MACT mit Arthrotomie (3&ndash;5 N&auml;chte). <br />Da je nach Defektlokalisation das Einbringen der Sph&auml;roide in einer &bdquo;Trocken&ldquo;- Arthroskopie knifflig sein kann, muss auch bei reichlicher Arthroskopieerfahrung mit einer Lernkurve gerechnet werden. Eine Limitierung sind auch die hohen Kosten, die durch das derzeitige LKF-Punktesystem nicht ausreichend abgedeckt werden. F&uuml;r die Behandlung von osteochondralen Defekten, bei denen eine autologe Spongiosaplastik notwendig ist und die Operation ohnehin offen durchgef&uuml;hrt werden muss, wird von uns nach wie vor die herk&ouml;mmliche MACT angewendet.</p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Bei Spherox handelt es sich um eine Methode der Knorpelzelltransplantation, die eine EU-weite Zulassung besitzt und deren Wirksamkeit durch Studien gut belegt ist. Durch die arthroskopische Anwendbarkeit bringt sie f&uuml;r die Patienten wesentliche Vorteile mit sich, insbesondere bei retropatellaren Defekten, da keine Arthrotomie mehr erforderlich ist und dadurch der Krankenhausaufenthalt bei der zweiten Operation verk&uuml;rzt und die Rehabilitation beschleunigt werden kann. Wie auch bei der herk&ouml;mmlichen MACT ist eine strenge Indikationsstellung wesentlich f&uuml;r den klinischen Erfolg. Nicht unwesentlich ist der Kostenfaktor, der f&uuml;r eine breitere Anwendung in Zukunft noch gekl&auml;rt werden muss.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Widuchowski W et al.: Knee 2007; 14(3): 177-82 <strong>2</strong> Biant LC et al.: Am J Sports Med 2017; 45(1): 77-81 <strong>3</strong> Siebold R et al.: Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2018; 26(3): 831-9 <strong>4</strong> Hoburg A et al.: Orthop J Sports Med 2019; 7(4): 2325967119841077 <strong>5</strong> Niemeyer P et al.: Arch Orthop Trauma Surg 2019 [Epub ahead of print]</p> </div> </p>
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