Validität und Reliabilität der deutschen Version des AO-Spine-PROST-Fragebogens
Autor:innen:
Dr.med. Sonja Häckel
PD Dr.med. Moritz C. Deml
Universitätsklinik für Orthopädische Chirurgie und TraumatologieInselspital Bern
E-Mail: sonja.haeckel@insel.ch
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Der AO Spine «Patient Reported Outcome Spine Trauma» (PROST) ist der erste Fragebogen speziell für die Beurteilung der Lebensqualität von Patienten nach Wirbelsäulentrauma und ermöglicht einen globalen Vergleich verschiedener Behandlungsmethoden bei Patienten nach Wirbelsäulenverletzungen. Ziele unserer Studie waren die Übersetzung des AO Spine PROST ins Deutsche, seine kulturübergreifende Anpassung und die Prüfung seiner psychometrischen Eigenschaften bei deutschsprachigen Schweizer Wirbelsäulenpatienten.
Keypoints
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Erster deutschsprachiger Fragebogen zur Erfassung der Lebensqualität von Patienten nach Wirbelsäulenverletzung
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Originalfragebogen entwickelt 2017 vom AO Spine Knowledge Forum Trauma (validiert auf Niederländisch)
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Enthält 19 Fragen zu verschiedenen Aspekten des täglichen Lebens (z.B. Haushalt, soziale Aktivitäten, Reisen)
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Vergleich des Status JETZT mit dem Status VOR dem Trauma mittels numerischer Bewertungsskala 0–100:100 Punkte = gleiche Funktion wie vor dem Trauma
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Die deutsche Version des AO-Spine-PROST-Fragebogens zeigte sehr gute Validitäts- und Reliabilitätsergebnisse.
Wie ist der AO-Spine-PROST-Fragebogen entstanden?
Die Bewertung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (HRQoL) nach Wirbelsäulentrauma gewinnt zunehmend an Bedeutung. Insbesondere traumatische Verletzungen der thorakolumbalen Wirbelsäule, häufig durch Hochgeschwindigkeitsunfälle verursacht, können erhebliche Beeinträchtigungen und Behinderungen zur Folge haben, was ein globales Gesundheitsproblem darstellt. Die gezielte Erfassung der HRQoL ist entscheidend, um unterschiedliche Behandlungsstrategien in dieser spezifischen Patientengruppe zu vergleichen.
Bis zur Einführung des AO-Spine-PROST-Fragebogens wurden unspezifische Instrumente wie EQ-5D, ODI und SF-36 zur Erfassung des allgemeinen Gesundheitszustands verwendet. Diese sind jedoch nicht optimal für die Beurteilung von Lebensqualität und Funktionseinschränkungen nach Wirbelsäulentraumata, da sie für die Beurteilung von degenerativen Erkrankungen der Wirbelsäule konzipiert wurden. Der PROST-Fragebogen wurde 2017 vom AO Spine Knowledge Forum Trauma entwickelt,1 auf Niederländisch validiert und ist mittlerweile in 8 Sprachen übersetzt.2
Der PROST besteht aus 19 spezifischen Items, die sich auf die verschiedenen Aspekte des täglichen Lebens konzentrieren. Wichtig ist hierbei, dass die Patienten bei jeder Frage den jetzigen Zustand mit dem Zustand vor dem Unfall vergleichen sollen. Der PROST-Score pro Frage liegt zwischen 0 und 100, wobei 0 den schlechtesten und 100 den besten Funktionsstatus repräsentiert. Zur einfacheren Beantwortung der Fragen wird die Skala durch «Smileys» unterstützt (Abb. 1). Die Summe aller Punkte, geteilt durch die Anzahl der beantworteten Fragen, ergibt den Gesamt-Score, der somit ebenfalls zwischen 0 und 100 liegt.
Abb. 1: Erste Seite des Fragebogens
Übersetzung und Validierung des Fragebogens
Der Validierungsprozess zur Übersetzung eines Fragebogens ist ein systematischer Prozess, um sicherzustellen, dass die übersetzte Version kulturell äquivalent, linguistisch korrekt und inhaltlich valide ist.3 Dieser Prozess gliederte sich in folgende Stufen:
Vorwärtsübersetzung: Die Erstübersetzung des Fragebogens aus dem Original (Niederländisch) in die Zielsprache (Deutsch) erfolgte durch zwei unabhängige, zweisprachige Übersetzer mit Deutsch als Muttersprache.
Synthese: Anschliessend wurden durch eine Expertengruppe Unstimmigkeiten der beiden Übersetzungen gelöst und eine konsolidierte Version entstand.
Rückübersetzung: Die konsolidierte Version wurde von zwei Übersetzern mit Niederländisch als Muttersprache zurück in die Originalsprache übersetzt.
Expertenausschuss: Der Expertenausschuss (bestehend aus allen Übersetzern, Sprach- und Gesundheitsexperten sowie Methodikern) überprüfte alle Übersetzungen und stellte sicher, dass kulturelle Nuancen und spezifische Bedeutungen erhalten blieben.
Präliminäre Testung: Der übersetzte Fragebogen wurde an einer kleinen Stichprobe von 36 Patienten getestet, um sicherzustellen, dass er in der Praxis gut funktioniert. Dadurch konnten Verständnisprobleme identifiziert werden und letzte Anpassungen wurden vorgenommen.
Finale Testung: Nach der präliminären Testung erfolgten weitere geringe Anpassungen, weil bei der ersten Testung noch Unstimmigkeiten auftraten. Im Falle der Übersetzung betraf dies zwei Fragen. Sodann erfolgt die definitive Testung des Fragebogens an 179 Patienten.
Validität und Reliabilität des AO Spine PROST
Zur Bewertung der Reliabilität und Validität des AO-Spine-PROST-Fragebogens wurden 179 Patienten aus unserem Level-1-Traumazentrum eingeschlossen. Die Einschlusskriterien umfassten die Vorgeschichte einer Wirbelsäulenverletzung innerhalb der letzten 13 Monate und ein Alter von über 18 Jahren. Ausgeschlossen wurden Patienten mit multiplen Verletzungen (Injury Severity Score >15) sowie solche mit einem hochgradigen neurologischen Defizit ASIA-A oder -B bei Entlassung.
Die Inhaltsvalidität ist wichtig, um sicherzustellen, dass der Fragebogen in der Lage ist, Veränderungen im Gesundheitszustand angemessen abzubilden. Beim Bodeneffekt («floor effect»), der darauf hinweist, wie viele Teilnehmer die niedrigstmöglichen Werte auf der Skala angegeben haben, zeigt sich, dass alle Fragebogenelemente innerhalb des empfohlenen Bereichs von weniger als 15% lagen. In Bezug auf den Deckeneffekt («ceiling effect»), der angibt, wie viele Teilnehmer die höchstmöglichen Werte erreicht haben, zeigt sich, dass sieben der Fragen sich im optimalen Bereich befanden, wobei keine der Fragen den problematischen Wert von über 70% erreichte. Dies legt nahe, dass der Fragebogen in der Lage ist, sowohl positive als auch negative Veränderungen im Gesundheitszustand genau zu erfassen.
Es ist wichtig, zu beachten, dass nicht alle Fragen obligatorisch beantwortet werden müssen. Die Kategorie «Arbeits- bzw. Studiensituation» kann übersprungen werden, sofern sie nicht relevant oder nicht anwendbar ist, zum Beispiel im Fall einer Berentung. Dies war in unserer Studie bei 30% der Teilnehmer der Fall. Die Beantwortung der Frage zur «sexuellen Funktion» hingegen ist zwingend erforderlich und kann nicht übersprungen werden. Bei 18% der Patienten in unserem Kollektiv fehlte die Beantwortung dieser Frage, sodass wir in diesem Fall den Gesamtscore trotz der fehlenden Antworten berechneten.
Die Konstruktvalidität gibt an, ob der Fragebogen erfolgreich das Konzept misst, für das er entwickelt wurde. Um eine Aussage darüber zu treffen, wurde der PROST-Fragebogen mit dem EQ-5D verglichen (da es bisher keinen wirbelsäulenspezifischen Fragebogen nach Trauma gibt, wurde der EQ-5D verwendet). Mittels Spearman-Korrelation wurden die Ergebnisse korreliert und es zeigte sich ein moderater positiver Zusammenhang (ρ=0,63).
Mittels Test-Retest-Zuverlässigkeit wurde die Stabilität der Untergruppen im Zeitverlauf (4Wochen) untersucht. Die PROST-Ergebnisse zu zwei Zeitpunkten zeigten hohe Intraklassen-Korrelationskoeffizienten mit einem Wert von 0,83. Diese Ergebnisse weisen auf eine ausgezeichnete Stabilität und Konsistenz des Fragebogens über die Zeit hinweg hin.
Mit unserer Studie konnten wir den PROST-Fragebogen für deutschsprachige Patienten mit akuten traumatischen Wirbelsäulenverletzungen validieren und somit ein aussagekräftiges Instrument für die klinische Praxis bereitstellen.
Beim vorliegenden Bericht handelt es sich um eine Kurzzusammenfassung folgender Publikation : Häckel S et al.: Reliability and validity of the German version of the AO Spine Patient Reported Outcome Spine Trauma Questionnaire. Global Spine J 2023; online ahead of print
Literatur:
1 Sadiqi S et al.: Development of the AOSpine Patient Reported Outcome Spine Trauma (AOSpine PROST): a universal disease-specific outcome instrument for individuals with traumatic spinal column injury. Eur Spine J 2017; 26(5): 1550-7 2 AO Spine: AO Spine outcome instruments. https://www.aofoundation.org/spine/clinical-library-and-tools/outcome-instruments?searchurl=%2fsearchresults ; zuletzt abgerufen am 19.12.2023 3 Beaton DE et al.: Guidelines for the process of cross-cultural adaptation of self-report measures. Spine (Phila Pa 1976) 2000; 25(24): 3186-91
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