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Chronischer Husten: «Häufiges ist häufig, Seltenes ist selten»
Leading Opinions
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02.03.2017
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<p class="article-intro">Chronischer Husten plagt Patienten und Mitmenschen und schränkt die Lebensqualität ein. Es ist einer der häufigsten Gründe, warum Patienten einen Arzt aufsuchen. An einem Workshop erklärte Prof. Dr. med. Jörg Leuppi, Chefarzt am Kantonsspital Baselland in Liestal, wie man chronischen Husten am besten abklärt und behandelt.</p>
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<p class="article-content"><p>Jeder Internist kennt das: Der Patient klagt, der Husten wolle einfach nicht verschwinden, das gehe jetzt schon seit Wochen so. Er könne nicht mehr schlafen, das Husten plage ihn und seine Mitmenschen und er wolle eigentlich nur, dass der Husten endlich aufhöre. Husten ist einer der häufigsten Gründe, warum Patienten zum Arzt gehen – schon seit Jahrzehnten. In einer US-amerikanischen Erhebung von 1992 war der Grund für die ambulante Konsultation in 13 476 von 417 496 Fällen, also 3,2 % , Husten<sup>1</sup> – vor Hals-, Bauchoder Rückenschmerzen. Von chronischem Husten sind vor allem Raucher geplagt: 9,2 % leiden darunter, bei den Nichtrauchern sind es nur 3,3 % .<sup>2</sup><br /> «Chronischer Husten beeinträchtigt die Lebensqualität enorm», sagte Leuppi. «Die Leute stehen im Tram auf, weil es ihnen peinlich ist zu husten, gehen nicht mehr ins Kino oder ins Theater und ziehen sich von ihren Mitmenschen zurück.» Abgesehen davon kann Husten zu diversen Komplikationen führen: Rippenfrakturen, Urin- oder Stuhlinkontinenz, gastroösophagealer Reflux, Gefässrupturen oder ein interstitielles Emphysem sind nur einige von vielen.</p> <h2>Das Wichtigste ist die Anamnese</h2> <p>Bei der Suche nach der Ursache gilt der alte Spruch: «Häufiges ist häufig, Seltenes ist selten» (Abb. 1). Bei Rauchern steckt hinter chronischem Husten oft eine chronische Bronchitis beziehungsweise eine COPD, bei Nichtrauchern ein «Upper-airway cough»-Syndrom, Asthma oder ein gastroösophagealer Reflux. «Bei Rauchern denke ich natürlich auch als Erstes an eine chronische Bronchitis oder COPD», sagte Leuppi. «Aber man muss immer schauen, ob das die Ursache für den Husten ist oder ob der Patient noch etwas anderes hat.» Anhand von zwei einprägsamen Algorithmen – jeweils für Raucher und für Nichtraucher – erklärte Leuppi das Vorgehen bei der Abklärung (Abb. 2 und 3). «Das Wichtigste ist eine ausführliche Anamnese, damit kommt man der Ursache oft schon sehr nahe.»<br /> Seine 65-jährige Patientin hatte seit 15 Jahren einen Reizhusten, seit neun Jahren fühlte sie sich zunehmend gestört davon. An einen Auslöser, etwa einen Infekt der oberen Atemwege, konnte sich die Frau nicht erinnern. Seit Jahren treten bei ihr aber immer wieder Infekte der oberen Luftwege auf, allein in den vergangenen vier Monaten hatte der niedergelassene Kollege zweimal eine Sinusitis diagnostiziert. Die Frau raucht nicht und sie leidet weder unter Dyspnoe noch unter Reflux. Der Kollege hatte eine chronische Pansinusitis diagnostiziert, zwei Wochen mit Augmentin (Amoxicillin und Clavulansäure) behandelt und der Frau einen Kortisol- Nasenspray verordnet. «Hätte die Frau Fieber gehabt, hätte man überlegen können, ein Antibiotikum zu geben», sagte Leuppi. «Aber in diesem chronischen Zustand hätte sie das nicht gebraucht.» Die Frau leidet unter einem «Upper-airway cough»-Syndrom (UACS). «Dieses Syndrom umfasst eine Vielzahl von Erkrankungen der oberen Atemwege», erklärte Leuppi. «Die Symptome und der klinische Befund sind aber unspezifisch.» Zum UACS gehören chronische Sinusitiden und eine postinfektiöse, allergische oder nicht allergische Rhinitis.<br /> Die chronische Rhinitis wird eine Woche mit abschwellenden Nasentropfen behandelt und danach für mindestens zwei Monate mit inhalativen nasalen Steroiden. «Man muss die Steroide lange genug anwenden », sagte Leuppi. «Manche Patienten sprechen schnell darauf an, manche erst nach einiger Zeit. Das muss man den Betroffenen erklären – mitunter ist es schwierig, die Patienten bei Laune zu halten. » Patienten mit allergischer Rhinitis verschreibt man statt abschwellender Nasentropfen ein Antihistaminikum. Bei Sinusitis mit Fieber und wenn der Patient richtig krank ist, kommen Antibiotika zum Einsatz. Wenn der Patient kein Fieber hat, rät Leuppi ebenfalls zu abschwellenden Nasentropfen für eine Woche und danach zu Steroiden sowie regelmässigen Spülungen der Nase mit NaCl. Manchmal würden Steroide bei nasaler Applikation Nasenbluten verursachen, und eine gefürchtete Komplikation sei ein Nasenscheidendurchbruch. «Das kommt aber sehr selten vor.»</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1701_Weblinks_s16_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="626" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1701_Weblinks_s16_abb2.jpg" alt="" width="1418" height="1078" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Innere_1701_Weblinks_s16_abb3.jpg" alt="" width="1418" height="1149" /></p> <h2>Symptome bei Reflux oft nicht so eindeutig</h2> <p>Acht Wochen später hustete die 65-jährige Frau immer noch. Gelegentlich spüre sie doch etwas saures Aufstossen, findet Leuppi durch hartnäckiges Fragen heraus. «Das weist auf einen gastroösophagealen Reflux hin. Man muss aber danach fragen, weil die Symptome oft nicht so deutlich sind.» Oft haben Patienten mit chronischem Husten mehr als ein Problem, etwa gleichzeitig Asthma, einen Reflux und eben ein «Upper-airway cough»- beziehungsweise ein «Postnasal drip»-Syndrom (PNS). Bei Verdacht auf einen Reflux beginnt Leuppi eine probatorische Therapie mit einem Protonenpumpenhemmer. Ist dies nicht erfolgreich – wobei man lange genug behandeln muss –, ordnet Leuppi eine Endoskopie oder eine pHMetrie an.<br /> Bei seiner Patientin fand der Gastroenterologe eine axiale Hiatushernie mit einer Refluxösophagitis. Zusätzlich zu den nasalen Steroiden verschrieb er ihr Omeprazol. Doch die Frau hustete immer noch. «Dann muss man auch an einen psychogenen Husten denken», sagte Leuppi. «Das Krankheitsbild ist aber schlecht definiert, es gibt dazu wenige Daten und die Diagnose ist eine Ausschlussdiagnose.» In der Literatur seien vor allem Fälle bei Kindern und Jugendlichen beschrieben, seltener bei Erwachsenen. Helfen können autogenes Training, Atemübungen, Ablenken oder eine Psychotherapie. Bei seiner Patientin hielt der Pneumologe einen psychogenen Husten für unwahrscheinlich. Als nächsten diagnostischen Schritt ordnete er eine Spirometrie an. «Mit der Bronchoskopie würde ich in einem solchen Fall zuwarten, bis die Ergebnisse der Lungenfunktionsprüfung vorliegen.» Bei der Beurteilung der Lungenfunktion spielt der Tiffeneau-Wert eine wichtige Rolle, der Quotient aus FEV<sub>1</sub> und Vitalkapazität. Beträgt er weniger als 70 % , liegt eine Obstruktion vor und man muss weiter in Richtung Asthma suchen. Bei Asthma ist Husten das häufigste Symptom, das oft mit anderen Beschwerden kombiniert auftritt. «Eine normale Spirometrie schliesst die Diagnose Asthma nicht aus», sagte Leuppi. «Ist die Lungenfunktion normal, bietet sich ein Provokationstest an, zum Beispiel mit Metacholin.» Zeigt diese eine deutliche bronchiale Hyperreaktivität, ist die Diagnose Asthma ziemlich gesichert. Ein negativer Provokationstest schliesst die Diagnose hingegen weitgehend aus. «Man sollte nicht ex juvantibus Asthma diagnostizieren », warnte Leuppi. «In der Gesellschaft ist Asthma nach wie vor mit einem Stigma behaftet. Wir wollen Patienten ja nicht unnötig verunsichern, wenn sich nachher herausstellt, dass es doch kein Asthma ist.»<br /> Mit einer sorgfältigen Anamnese kann man Hinweise darauf bekommen, ob die Diagnose Asthma wahrscheinlich ist: wenn beispielsweise die Beschwerden in der Nacht oder in den frühen Morgenstunden besonders schlimm sind, wenn der Patient über Keuchen, Dyspnoe, ein Engegefühl in der Brust klagt oder wenn er pfeifend atmet. Bei Asthma ändern sich die Symptome und deren Intensität typischerweise im Laufe der Zeit. Bestimmte Faktoren wie etwa körperliche Anstrengung, Virusinfektionen, Wetterwechsel, Lachen, Allergenexposition und Reizstoffe wie Rauch, Abgase oder intensive Gerüche lösen die Asthmaanfälle aus. Gemäss GINA- Leitlinien wird Asthma stufenweise therapiert, je nachdem wie gut es kontrolliert ist.<sup>3</sup></p> <h2>Alle infrage kommenden Diagnosen abarbeiten</h2> <p>Bei seiner 65-jährigen Patientin war die Lungenfunktion normal und der Provokationstest mit Methacholin negativ. «Asthma als Ursache für den Husten kam also nicht infrage», so Leuppi. «In solchen Fällen muss man Schritt für Schritt alle infrage kommenden Ursachen abarbeiten.» Also zum Beispiel Husten induziert durch Medikamente wie ACE-Hemmer, Bronchiektasien, Bronchialkarzinom, Linksherzinsuffizienz oder den psychogenen Husten.<br /> Da auch die hochauflösende Computertomografie bei dieser Patientin keine Erklärung für den Husten, wie etwa ein Bronchialkarzinom oder Ektasien, ergab, entnahm Leuppi Biopsien aus der Bronchialschleimhaut. Dies brachte endlich die Diagnose: Die Frau hatte eine eosinophile Bronchitis. Dies ist eine Entzündung der Atemwege ohne Atemwegsobstruktion oder bronchiale Hyperreaktivität, bei der sich im Sputum – nicht im Nasensekret – Eosinophile nachweisen lassen. «Die eosinophile Bronchitis bessert sich meist mit Steroiden, in der Regel reichen inhalative Steroide.» Die Frau war froh, endlich eine Erklärung für ihren Husten gefunden zu haben, auch wenn dieser sich mit der Medikation nur leicht besserte.<br /> «Bei der Abklärung von Husten muss man sich Zeit nehmen», so Leuppi, «und man muss dem Patienten erklären, dass es manchmal etwas dauert, bis die Therapie wirkt.» Geduld brauche man aber auch als Arzt: So berichtete Leuppi von einer Patientin, die seit drei Jahren hustet. Sie hat eine leichte COPD und einen ausgeprägten Reflux, was den Husten erklärt. Leuppi verschrieb Protonenpumpenhemmer und inhalative Steroide. «Wenn sie beschäftigt und abgelenkt ist, wirken die Medikamente und sie hustet nicht», erzählte er. «Aber wenn sie Angst hat zu husten und extrem darauf achtet, etwa im Theater, hustet sie los, sobald der Vorhang fällt. Bei dieser Patientin dürfte es sich um psychogenen Husten handeln. «Husten kann manchmal auch für mich als Arzt frustrierend sein», sagte Leuppi, «denn es gibt Patienten, die ihren Husten nie loswerden. Zum Glück sind es nur ganz wenige.»</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Frühjahrstagung der SGAIM 2016
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Schappert SM: National ambulatory medical care survey: 1989 summary. Vital Health Stat 13 1992; (110): 1-80 <strong>2</strong> Zemp E et al: Long-term ambient air pollution and respiratory symptoms in adults (SAPALDIA study). The SAPALDIA Team. Am J Respir Crit Care Med 1999; 159: 1257-66 <strong>3</strong> www.ginasthma.org</p>
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