Alterslimit für Lungentransplantationen
Autorin:
Mag. Andrea Fallent
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In einer Pro-Contra-Session debattierten zwei namhafte Experten zum Thema Alterslimit bei Lungentransplantationen. Für Univ.-Prof. Dr. Konrad Hötzenecker, Wien, ist die Zeit der Altersgrenzen vorbei. Für seinen „Kontrahenten“ Prof. Dr. Are Martin Holm, Oslo, bleibt das Alter ein wichtiges Knock-out-Kriterium.
Die Lungentransplantation (LuTX) ist eine etablierte Option bei chronischen Lungenerkrankungen, wenn alle anderen therapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Die häufigsten Indikationen stellen weiterhin das Lungenemphysem, die idiopathische Lungenfibrose sowie die zystische Fibrose dar. Ob ein Patient für diesen komplexen und aufwendigen chirurgischen Eingriff geeignet ist, wird im jeweiligen Transplantationszentrum beurteilt. Wichtige Vorgaben dafür sind in internationalen wie auch nationalen Leitlinien festgelegt, um schon im Vorfeld ein entsprechendes Screening durchführen zu können und unnötige Untersuchungen zu ersparen.
Gegen ein Alterslimit: Die Auswahl nach Alter ist Diskriminierung
In der Pro-Contra-Debatte setzte sich Univ.-Prof. Dr. Konrad Hötzenecker, Leiter des Wiener Lungentransplantationsprogramms am AKH Wien, für eine Aufhebung der Altersgrenze ein, die generell bei 65 Jahren liegt. „Prinzipiell gilt, dass die Kandidaten für eine Lungentransplantation in einem guten muskulären und in einem stabilen klinischen Zustand sein sollen“, erklärte Hötzenecker zu Beginn. Bei diesen „Standard-Empfängern“ beträgt die Sterblichkeit nach 90 Tagen unter 2 %, die Überlebenswahrscheinlichkeit nach einem Jahr liegt bei rund 90 %, der Aufenthalt in der Intensivstation dauert maximal 5 Tage, der gesamte Spitalaufenthalt nicht länger als drei Wochen. Praxisrelevante Auswahlkriterien für die Durchführung einer LuTX werden u. a. in dem Konsensusstatement der International Society for Heart and Lung Transplantation (ISHLT) aus dem Jahr 2021 zusammengefasst.1
„Ich denke, wir sind alle einer Meinung, dass es eindeutige Kontraindikationen geben muss“, führte Hötzenecker aus. Dazu zählen metastasierende Tumoren, akute kardiovaskuläre Ereignisse und septisches Multiorganversagen. Zu den bedeutenden Risikofaktoren wird in dem ISHLT-Konsensusstatement allerdings nach wie vor ein Alter über 65 Jahre gezählt. Hötzenecker hielt dagegen: „Entscheidend für den Erfolg von Lungentransplantationen ist aber die Kunst der Evaluierung und Ausbalancierung von Risikofaktoren.“ Ein Zugang, der sich in Nordamerika laut dem Experten bereits durchgesetzt hat: Daten aus dieser Region zeigen eine Zunahme der Eingriffe bei Patienten über 70, konkret beträgt der Anteil mittlerweile rund 14 %.2 „83 % der Transplantationszentren dort haben Patienten in diesem Alter auf der Warteliste.“ Das zeige eindeutig, dass diese Praxis keine Ausnahme mehr darstelle, so Hötzenecker. Auch die Ergebnisse seien erfreulich: Die Mortalität der 70+-Empfänger (9,1 %) liegt in diesen nordamerikanischen Zentren sogar unter derjenigen der Altersgruppe 60–69 (10,1 %). Naturgemäß rangiert die Lebenserwartung der älteren Patienten unter derjenigen von 20-Jährigen, aber die enorme Verbesserung der Lebensqualität nach einer Lungentransplantation spricht laut Hötzenecker eine eindeutige Sprache. Zudem sollte man nicht vergessen, dass das chronologische Alter nicht immer dem biologischen entspricht, argumentierte der Wiener Spezialist: „In Wirklichkeit ist das biologische Alter relevant.“ In diesem Zusammenhang wäre es wünschenswert, weitere Kriterien zur Einschätzung zu entwickeln. LTx-spezifische Maßstäbe würden sich besser dafür eignen als generelle „clinical frailty scales“, wie eine rezente Publikation zeigt.3
Aktuelle Daten der drei namhaften Transplantationszentren Leuven, Hannover und Toronto zeigen zudem, dass Lungen von Organspendern über 70 Jahre mit keinerlei Nachteilen für die Empfänger verbunden sind. Am Wiener Zentrum für Lungentransplantationen am AKH waren 2022 23 % der Spender über 65 Jahre alt, 15 % über 70 Jahre alt. „Das bedeutet, dass die ältere Generation einen wesentlichen Beitrag leistet. Und es ist daher nicht einzusehen, sie auf der anderen Seite von dieser lebensrettenden Maßnahme auszuschließen“, so Hötzeneckers abschließendes Argument gegen die „Altersdiskriminierung“ bei Lungentransplantationen.
Für ein Alterslimit: Warum Alter ein wichtiger Faktor bleiben muss
Prof. Dr. Are Martin Holm, Universitätsklinik Oslo, zitierte ebenfalls das Konsensusstatement der ISHLT1 aus 2021: „Die Kriterien darin für eine Lungentransplantation enthalten auch den Satz, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit für ein 5-Jahres-Überleben vorliegen sollte.“ Das bedeute, Empfänger sollten nach Möglichkeit wenige bzw. keine Risikofaktoren aufweisen, um dieses Kriterium für eine LuTX zu erfüllen. Alles dreht sich laut Holm letztendlich um die „Gretchenfrage“: Wer soll dann die Lunge bekommen? „Wir alle wissen, dass der Bedarf viel höher ist als die tatsächliche Zahl an Spenderlungen“, so Holm. „Sollen wir die dringenden Fälle vorziehen? Oder diejenigen mit der besten Prognose? Welche Prinzipien sollen wir anwenden, um eine Entscheidung treffen zu können?“ Neben den medizinischen Kriterien gäbe es auch noch ethische wie Gerechtigkeit und Gleichheit. „Wenn man sich die Überlebensstatistik nach Altersklassen ansieht, erhält man eine klare Antwort darauf“, so Holm. „Das Alter ist relevant.“
Natürlich wäre es wünschenswert, Maßstäbe für das biologische Alter anwenden zu können, „aber wir haben sie noch nicht. Also wer soll die Lunge nun erhalten?“ Mit statistisch 11 Lungentransplantationen pro Million Einwohnern führten die Zentren in Österreich 2019 eine vergleichsweise hohe Zahl an LTx durch: „Dennoch musste auch hier eine sinnvolle Auswahl getroffen werden. Acht Personen auf der Warteliste sind währenddessen gestorben.“
Der ethische Aspekt dürfe nicht einfach ignoriert werden, so Holm: „Wer hat am meisten zu verlieren?“ In Hinblick auf die realistisch verbleibende Lebenszeit ist die Antwort laut dem Experten eindeutig: „Wenn man jemandem noch zehn weitere Jahre zu leben verschaffen kann, wem würde man sie geben? Einer Person über 70, auch wenn sie noch extrem fit ist, oder einem jungen Menschen? Was wäre fair?“ Und genau dieser Aspekt findet daher laut Holm im zitierten Konsensusstatement1 auch Berücksichtigung: Jedes Individuum sollte demnach eine gleiche Chance auf ein ausgefülltes Leben haben. Daher seien Präferenzen für jüngere Kandidaten gerechtfertigt: „Natürlich gibt es auch andere Kriterien, um die verbleibende Lebenszeit zu evaluieren. Aber das Alter ist als einziges Kriterium mit Sicherheit festgelegt. Daher bleibt das Alter ohne Zweifel ein wichtiger Faktor bei der Auswahl der geeigneten Kandidaten für eine Lungentransplantation.“
Literatur:
1 Leard LE et al.: Consensus document for the selection of lung transplant candidates: An update from the International Society for Heart and Lung Transplantation. J Heart Lung Transplant 2021; 40(1): 1349-79 2 Zhou AL et al.: Outcomes of lung transplant candidates aged ≥ 70 years during the lung Allocation Score era. Ann Thorac Surg 2023; S0003-4975(23): 00572-6 3 Singer JP et al.: Development of the Lung Transplant Frailty Scale (LT-FS) . J Heart Lung Transplant 2023; 42(7): 892-904
Quelle:
Pro-Con debate “Age limit for lung transplant in 2023: is there a barrier?“, ERS 2023 am 11. September 2023
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