Extrakorporale Membranoxygenierung bei Covid-19-assoziiertem ARDS
Autor:
Dr. Matthias Urban, PhD
Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie
Krankenhaus Nord – Klinik Floridsdorf, Wien
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Die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) stellt bei Covid-19-assoziiertem Lungenversagen (CARDS) eine potente Behandlungsoption dar, sollte jedoch auf Behandlungszentren mit ausgewiesener Erfahrung beschränkt bleiben, da sich die Behandlung komplex gestaltet und eines interdisziplinären, speziell geschulten Teams bedarf. Im Folgenden werden relevante Aspekte und bisherige Erfahrungen zum Thema ECMO bei Covid-19 erörtert.
Keypoints
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Die vv-ECMO stellt eine sehr effiziente Behandlungsform bei Covid-19-ARDS mit beatmungsrefraktärer Hypoxämie dar, sofern eine akkurate Patientenselektion vorangegangen ist.
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Entscheidend für den Erfolg der ECMO sind neben einigen nicht beeinflussbaren Faktoren die Beatmungsdauer und -intensität vor ECMO-Implantation.
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Eine rasche Zuweisung an eine erfahrenes ECMO-Zentrum ist nachweislich mit einem besseren Patientenoutcome vergesellschaftet.
Seit Ende 2019 wird die globale Gesundheitsversorgung durch die Covid-19-Pandemie vor eine große Herausforderung gestellt. Die unkontrollierte Ausbreitung von SARS-CoV-2 führte trotz weitreichender medizinischer, sozialer und politischer Maßnahmen das Gesundheitssystem vielerorts an die Auslastungsgrenzen. Zwar findet sich, gemessen an der Gesamtzahl der Erkrankten, mit circa 5% nur ein moderater Anteil der Covid-Erkrankten mit Indikation zur stationären Behandlung,1jedoch stellt besonders die Kapazität an Intensivstationsbetten hierbei wiederholt ein Nadelöhr der Patientenversorgung dar. Gerade seitens rezenter Virusmutationen zeigt sich eine rasche Progredienz der durch Covid-19 evozierten Oxygenierungsstörung, die binnen Stunden von subjektivem Wohlbefinden zu invasiver Beatmungspflichtigkeit führen kann. Die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) als Ultima Ratio in der Behandlung des Covid-19-assoziierten akuten Lungenversagens (ARDS) ist als Ressource begrenzt und spielte somit vor allem am Zenith der stattgehabten Erkrankungswellen eine entscheidende Rolle in der flächendeckenden Versorgung schwerstkranker Patienten mit Covid-19.
Epidemiologie
Mit Ende 2019 wurde das neuartige SARS-CoV-2-Virus erstmalig identifiziert und seither zeigt das entsprechende Erkrankungsbild, Covid-19, eine rasche Ausbreitung in pandemischem Ausmaß. Durch gesundheitspolitische Maßnahmen, Virusmutationen, rasche Ausweitung und Anpassung der aktuellen Therapiestandards und nicht zuletzt aufgrund einer wirksamen und mittlerweile großflächig verfügbaren Schutzimpfung findet sich über die vergangenen zwei Jahre eine hohe Dynamik in puncto Ausbreitung und Prognose dieser Erkrankung. Jedoch zeigen circa 5% der Covid-19-Patienten einen schweren Verlauf mit dem Bedarf zur Spitals- oder intensivmedizinischen Behandlung.1,2
Vorrangig im Verlauf einer Covid-19-Erkrankung zeigt sich eine etwaige Oxygenierungsstörung, welche, je nach Schweregrad, unterschiedlicher Formen der Atemhilfe, von Sauerstoffinsufflation über nasale „High-flowoxygen“-Therapie zu nichtinvasiver und invasiver Beatmung, bedarf.1 Nach Ausschöpfen des intensivmedizinischen Standardarmamentariums bietet die extrakorporale Membranoxygenierung eine sogenannte „rescuetherapy“, also eine Ultima Ratio im Behandlungspfad, deren Anwendung rückblickend betrachtet wiederholt durch das Auftreten globaler Gesundheitskrisen befeuert wurde.
So stieg die Inzidenz der ECMO-Anwendungen 2009 durch das H1N1-assoziierte ARDS global auf 2–6 Fälle/Mio. Einwohner.3,4 Im arabischen Raum wurde 2012 durch MERS eine ECMO-Inzidenz von 5–8% der intensivpflichtigen Patienten dokumentiert.5 Die Häufigkeit der ECMO-Anwendung bei Covid-19 schwankt entsprechend den verfügbaren Ressourcen stark,6–8 jedoch wurde diese Therapiemodalität seit ihrer erstmaligen klinischen Anwendung 1974 noch nie so intensiv in Anspruch genommen wie im Rahmen der aktuellen Covid-Pandemie. Laut der Extracorporal Life Support Organisation (ELSO) stieg die Zahl der in Verwendung befindlichen ECMO-Konsolen innerhalb der ersten Welle von 76 auf 15319 und gipfelte in insgesamt über 5000 Anwendungen innerhalb der dritten Welle.10 Dementsprechend stieg die Zahl der bei ELSO gemeldeten ECMO-Zentren von 51 auf 200 durch die aktuelle Pandemie.
Technische Grundlagen der ECMO
Unter dem Begriff „extracorporal life support“ (ECLS) werden verschiedene Behandlungsmodalitäten zur teilweisen Unterstützung oder gänzlichen Übernahme lebenswichtiger Funktionen von Herz und Lunge subsumiert.11
So fungieren beim vornehmlich ventilatorischen Versagen mit Hyperkapnie diverse Decarboxylierungssysteme als Maßnahme zur extrakorporalen Reduktion von Kohlendioxid (CO2). Diese sind zum Beispiel in der Behandlung der akuten COPD-Exazerbation in Erprobung, haben jedoch noch keinen Einzug in die klinische Routine gefunden. Gut etabliert ist die venoarterielle (va)ECMO im Rahmen eines kardialen Versagens, welche in Maximalausprägung in Form einer sogenannten eCPR durch ein mobiles ECMO-Team am Ort des Notfalls initiiert wird und somit dem Patienten einen Transport in die Klinik zur weiteren intenventionellen/intensivmedizinischen Versorgung gewährleistet. Im Rahmen aktueller ELSO-Auswertungen nimmt jedoch die va-ECMO mit unter 5% einen zahlenmäßig geringeren Stellenwert hinter der venovenösen (vv) ECMO ein,12 welche die Therapie der Wahl bei respiratorischem Versagen nach Ausschöpfung aller weiteren Behandlungsoptionen (invasive Beatmung, tiefe Sedierung, Relaxierung, Lagerungstherapie, Rekrutierungsmanöver etc.) darstellt.
Abb. 1: Schematische Darstellung von Aufbau und Komponenten der venovenösen extrakorporalen Membranoxygenierung
Bei Covid-19 mit schwerem Lungenversagen und ausgeprägter Oxygenierungsstörung kann mittels (vv-)ECMO der Gasaustausch von der Lunge via extrakorporaler Zirkulation auf eine künstliche Lunge übertragen werden, wodurch sich die Lunge des Patienten von den viralvermittelten Entzündungsprozessen erholen kann. Ein großer Vorteil der ECMO-Behandlung liegt hierbei in der deutlichen Reduktion der maschinellen Beatmung, welche ab einer gewissen Intensität per se die Lunge schädigen kann (i.e. „ventilator-induced lung injury“, VILI). Die extrakorporale Zirkulation wird über Anlage einer drainierenden Kanüle in einer großen Vene (v.a. Vena femoralis) gewährleistet, welche das Blut durch eine Pumpe in die sogenannte Membranlunge (Syn.: Oxygenator) transportiert. Die Membranlunge beinhaltet Hohlfasern, welche innenwandig mit Frischgas und außen mit Blut umspült werden. Hierbei wird über Regulation der Blutflussrate die Oxygenierung adaptiert und durch Anpassung des Gasflusses das Auswaschen von Kohlendioxid aus dem Blut reguliert. Nach Passieren der Membranlunge wird das oxygenierte und decarboxylierte Blut über eine rückführende Kanüle zumeist in die Vena jugularis interna zurückgepumpt und somit der Versorgung der Endorgane zugänglich gemacht. Eine schematische Darstellung der vv-ECMO findet sich in Abbildung 1.
Indikation/Kontraindikation
Die Indikation zur ECMO-Anlage bei Covid-19 sollte bei schwerer Oxygenierungsstörung (P/F-Ratio <150) evaluiert werden, sofern die etablierten Behandlungsstandards (protektive Beatmung mit entsprechend hohen PEEP-Niveaus, Lagerungstherapie, Rekrutierungsmanöver, tiefe Sedierung, Relaxierung etc.) ausgeschöpft sind und hierunter entweder die Oxygenierungsstörung forschreitend aggraviert (PaO2:FiO2<80mmHg für >6h oder PaO2:FiO2<50mmHg für >3h) oder sich eine ventilatorisch bedingte Azidämie (pH<7,25 bei PaCO2 ≥60mmHg für >6h) einstellt. Jedenfalls sollte die Evaluierung einer ECMO-Indikation raschestmöglich erfolgen, um etwaige Lungenschäden durch eine nichtprotektive Beatmung, sekundäre extrapulmonale Organschäden oder das Transportrisiko beim Transfer an ein ECMO-Zentrum so gering wie möglich zu halten. Des Weiteren gibt es eine Liste an absoluten und relativen Kontraindikationen gegen ECMO, die auch bereits für Patienten mit Covid-19-ARDS spezifisch definiert wurden (Tab. 1). Vor allem die relativen Kontraindikationen sind individuell zu bewerten, wobei neben Alter und Komorbiditäten spezielles Augenmerk auf die Beatmungsdauer und -intensität vor ECMO-Anlage gelegt werden sollte, da diese einerseits eine vom Behandlungsteam beeinflussbare Variable darstellt und andererseits mehrfach als unabhängiger Prädiktor für den Erfolg einer ECMO-Behandlung identifiziert werden konnte.13
Tab. 1: Absolute und relative Kontraindikationen der ECMO-Behandlung bei Patienten mit Covid-19-ARDS (modifiziert nach Wiedemann D et al. 2020)14
Monitoring und Komplikationen
Die Anwendung einer ECMO sollte laut Empfehlungen der ELSO durch ein interdisziplinäres Team erfolgen.15 Die einzelnen Protagonisten umfassen hierbei vor allem Intensivmediziner, Physiotherapeuten, Kardiotechniker, Herz-/Thoraxchirurgen sowie geschulte Pflegekräfte mit Erfahrung im Umgang mit der ECMO. Das ECMO-Team sollte regelmäßige Schulungen und Trainings bezüglich Kanülenanlage, Lagerungstherapie und Patiententransport, ECMO-Weaning, Dekanülierung und nicht zuletzt korrekter Anwendung der persönlichen Schutzausrüstung gegen Covid-19-Ansteckung erhalten.
Dem Management von Komplikationen unter laufender ECMO-Behandlung kommt ein substanzieller Stellenwert zu, da im Verlauf der Behandlung mit häufigen und teilweise sehr schwerwiegenden Komplikationen (z.B. Blutung, Thrombosierung, Hämolyse, Kanülendysfunktion, Herz-Kreislauf-Instabilität, Herzrhythmusstörungen etc.) zu rechnen ist. Dementsprechend sollte sich der Einsatz einer ECMO auf entsprechende Zentren mit ausgewiesener Erfahrung beschränken, da sich dies nachweislich positiv auf das Outcome bei Patienten mit Covid-19-ARDS auswirkt.16
Outcome
Die Mortalität von Patienten mit Covid-19-ARDS unter vv-ECMO unterliegt je nach Ort und Zeit der Datenerhebung teilweise beträchtlichen Schwankungen. So wurde seitens der ELSO in der ersten Covid-19-Welle eine 60-Tages-Mortalität von 42% beschrieben.17 Rezent publizierte Daten aus deutschen Intensivstationen berichten mittels gepoolter Auswertungen aus erster und zweiter Welle mit 74% eine ungemein höhere Mortalität.18 Ursachen für diese substanzielle Differenz liegen wohl in der breiteren Anwendung der ECMO durch unerfahrenere Institutionen sowie in höherem Patientenalter und längerer Beatmungsdauer vor ECMO-Behandlung.
Zusammenfassung
Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die venovenöse ECMO bei Patienten mit Covid-19-assoziiertem Lungenversagen als Rescue-Therapie eine potente Behandlungsoption darstellt, die jedoch einer akkuraten und individuellen Patientenselektion bedarf. Bei schwerwiegender und progredienter Oxygenierungsstörung trotz Ausschöpfung vorangehender intensivmedizinscher Behandlungsoptionen sollte die Indikationsstellung möglichst rasch erfolgen, um einen unnötigen beatmungsassoziierten Lungenschaden zu vermeiden. Die Covid-ARDS-Behandlung mittels ECMO sollte auf erfahrene Zentren beschränkt bleiben, da sich dies unmittelbar auf das Patientenoutcome auswirkt. Gerade bei Covid-19 zeigen sich klinische Erfahrung und verfügbare Evidenz zur Anwendung der ECMO zwar zeitlich begrenzt, aber rasch wachsend, somit ist mit einer regelmäßigen Reevaluierung der Behandlungsempfehlungen zu rechnen.
Literatur:
1 Kluge S et al.: S2k Guideline - Recommendations for Inpatient Therapy of Patients with COVID-19. Pneumologie 2021; 75(2): 88-112 2 Koestenberger M: UPDATE SARS-CoV-2 Behandlungsempfehlungen für die Intensivmedizin. Anästh Nachr 2020; 4 3 Davies A et al.: Extracorporeal membrane oxygenation for 2009 influenza A(H1N1) acute respiratory distress syndrome. JAMA 2009; 302(17): 1888-1895 4 Sauer CM et al.: Extracorporeal membrane oxygenation use has increased by 433% in adults in the United States from 2006 to 2011. ASAIO J 2015; 61(1): 31-6 5 Arabi YM et al.: Critically ill patients with the middle east respiratory syndrome: a multicenter retrospective cohort study. Crit Care Med 2017; 45(10): 1683-95 6 Ramanathan K et al.: Planning and provision of ECMO services for severe ARDS during the COVID-19 pandemic and other outbreaks of emerging infectious diseases. Lancet Respir Med 2020; 8(5): 518-26 7 Grasselli G et al.: Network C-LI. Baseline characteristics and outcomes of 1591 patients infected with SARS-CoV-2 admitted to ICUs of the Lombardy region, Italy. JAMA 2020; 323(16): 1574-81 8 Yang X et al.: Clinical course and outcomes of critically ill patients with SARS-CoV-2 pneumonia in Wuhan, China: a single-centered, retrospective, observational study. Lancet Respir Med 2020; 8(5): 475-81 9 Lorusso R et al.: ECMO for COVID-19 patients in Europe and Israel. Intensive Care Med 2021; 47(3): 344-8 10 ELSO. EuroELSO Survey on ECMO use in adult COVID-19 patients in Europe. 2021 11 Del Sorbo L et al.: Extracorporeal life support for adults with severe acute respiratory failure. Lancet Respir Med 2014; 2(2): 154-64 12 Barbaro RP et al.: Extracorporeal membrane oxygenation support in COVID-19: an international cohort study of the Extracorporeal Life Support Organization registry. Lancet 2020; 396(10257): 1071-8 13 Shekar K et al.: Extracorporeal life support organization coronavirus disease 2019 interim guidelines: a consensus document from an international group of interdisciplinary extracorporeal membrane oxygenation providers. ASAIO J 2020; 66(7): 707-21 14 Wiedeman D et al.: [Recommendations for Extracorporeal Membrane Oxygenation (ECMO) in COVID-19 Patients]. Wien Klin Mag 2020: 1-6 15 Moll V et al.: Rapid development and implementation of an ECMO program. ASAIO J 2016; 62(3): 354-8 16 Barbaro RP et al.: Extracorporeal membrane oxygenation for COVID-19: evolving outcomes from the international Extracorporeal Life Support Organization Registry. Lancet 2021; 398(10307): 1230-8 17 Schmidt M et al.: Extracorporeal membrane oxygenation for severe acute respiratory distress syndrome associated with COVID-19: a retrospective cohort study. Lancet Respir Med 2020; 8(11): 1121-31 18 Karagiannidis C et al.: High in-hospital mortality in COVID patients receiving ECMO in Germany - a critical analysis. Am J Respir Crit Care Med 2021; doi: 10.1164/rccm.202105-1145LE
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