Osteoporose bei pneumologischen Erkrankungen
Autor:
OA Priv.-Doz. Dr. Christian Muschitz
II. Medizinische Abteilung Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Wien
Generalsekretär Österreichische Gesellschaft für Knochen und Mineralstoffwechsel
E-Mail: christian.muschitz@bhs.at
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Chronische pneumologische Erkrankungen können sich nach einiger Zeit auf den gesamten Organismus auswirken. Dabei kann sowohl die Grunderkrankung selbst als auch deren Therapie Auslöser der Veränderungen sein. Bei Asthma und COPD ist diesbezüglich vor allem an die Osteoporose zu denken. Um sie effektiv zu behandeln, stehen unterschiedliche Wirkstoffgruppen zur Verfügung.
Keypoints
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Pneumologische Grunderkrankungen führen zu einer Veränderung der trabekulären und kortikalen Mikroarchitektur des Knochens.
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Ein T-Score <–2,5 stellt den Schwellenwert zur Diagnose einer Osteoporose dar, überwiegend tritt die Mehrzahl aller osteoporotischen Frakturen bei einem T-Score von >–2,5 auf.
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Sämtliche in Österreich zur Behandlung der Osteoporose zugelassenen antiresorptiv oder anabol wirksamen Medikamente sind auch bei pneumologischen Patienten mit einem erhöhten Knochenbruchrisiko indiziert.
Asthma und COPD sind die häufigsten obstruktiven Atemwegserkrankungen. Die chronische Inflammation bedingt eine Induktion von proinflammatorischen Zytokinkaskaden. Neben der systemischen Inflammation tragen Hypoxämie, Hyperkapnie, eine katabole Stoffwechsellage, eine Dysfunktion der Gonaden oder der Schilddrüse, eine muskuloskelettale Dysfunktion und Inaktivität sowie Vitamin-D-Mangelzu einem erhöhten Knochenbruchrisiko bei (Abb.1).
Abb. 1: Pathophysiologie der Osteoporose bei COPD (modifiziert nach Muschitz C et al. 2021)1
Iatrogene Ursachen der Osteoporose sind den zum Teil langjährigen Anwendungen von inhalativen oder systemischen Glukokortikoiden (GC) geschuldet. Die inhalative GC-Applikation bei Asthma ist oft schon im Kindes- und Jugendalter indiziert, aber auch interstitielle Lungenerkrankungen, wie die kryptogene organisierende Pneumonie (COP), die Sarkoidose oder rheumatische Erkrankungen mit Lungenbeteiligung werden mit inhalativen oder oralen GC behandelt. Bei Patienten mit zystischer Fibrose kommt es durch die Malabsorption im Rahmen einer Pankreasinsuffizienz, durch Hypogonadismus und chronische Inflammation mit erhöhter Knochenresorption zur Abnahme der Knochenstruktur. Nach Lungentransplantation ist die Immunsuppression mit GC ein Risikofaktor (Abb. 2).
Abb. 2: Auswirkungen von Glukokortikoiden (GC) auf den Knochen (modifiziert nach Muschitz C et al. 2021)1
Die pneumologischen Grunderkrankungen führen zu einer Veränderung der trabekulären und kortikalen Mikroarchitektur des Knochens und zu einer Verminderung von osteologischen Formations- und Resorptionsmarkern. Hyperkapnie, Azidose und Vitamin-D-Mangel können diesen Prozess beschleunigen und somit das individuelle Risiko für osteoporotische Fragilitätsfrakturen erhöhen.
Zur Diagnose einerOsteoporose liegt der Schwellenwert bei der Knochendichtemessung bei einem T-Score von <–2,5. Die überwiegende Mehrzahl aller osteoporotischen Frakturen tritt jedoch bereits bei einem T-Score von >–2,5 auf. Eine niedrig-traumatische Fraktur in der Anamnese indiziert eine osteologische Therapie (Abb. 3)
Abb. 3: Behandlungsalgorithmus gemäß Fracture Risk Assessment (FRAX) bei chronischer pneumologischer Erkrankung und Osteoporose (modifiziert nach Muschitz C et al. 2021)1
Neben der Optimierung des Vitamin-D-Spiegels sind sämtliche in Österreich zur Behandlung der Osteoporose zugelassenen antiresorptiv oder anabol wirksamen Medikamente auch bei pneumologischen Patienten mit einem erhöhten Knochenbruchrisiko entsprechend den nationalen Erstattungskriterien indiziert.
Bisphosphonate
Bisphosphonate (Alendronat, Risedronat, Ibandronat, Zoledronat) sind potente Inhibitoren der Knochenresorption. Sie werden an metabolisch aktiven Umbaueinheiten im Knochen abgelagert und bewirken eine Apoptose von Osteoklasten. Die Resorptionsaktivität wird im Gesamtskelett deutlich gedämpft und das Frakturrisiko reduziert.
Oral werden Bisphosphonate nur in geringem Ausmaß (maximal 3%) resorbiert; die Einnahme erfolgt stets nüchtern in ausreichendem Abstand zur Nahrungsaufnahmemit ausreichend Wasser und in aufrechter Körperhaltung, um Irritationen der Ösophagusschleimhaut zu vermeiden.
Bisphosphonate haben eine lange Verweildauer im Knochen. Residuale Wirkungen auf den Knochenstoffwechsel lassen sich auch nach Beendigung der Bisphosphonattherapie nachweisen. Das Auftreten von atypischen Femurfrakturen ist sehr selten, scheint aber unter einer Langzeitgabe mit Bisphosphonaten zuzunehmen. Kiefernekrosen sind bei dieser für Osteoporose zugelassenen Therapie eine mutmaßlich seltene Nebenwirkung. Eine Kontrolle des Zahnstatus ist allerdings vor Therapiebeginn empfehlenswert.
Denosumab
Denosumab ist ein monoklonaler Antikörper gegen RANKL, der die Reifung und Aktivierung der Osteoklasten hemmt. Es wird alle sechs Monate subkutan verabreicht und nicht renal eliminiert.
Bei der Behandlung der postmenopausalen Osteoporose ist der Aufschub von vertebralen und nichtvertebralen Frakturen inklusive proximaler Femurfrakturen um bis zu 10 Jahre in Studien nachgewiesen. Die Wirkung ist unabhängig von einer eventuellen Vorbehandlung mit Bisphosphonaten. Die Behandlungsdauer ist unklar. Nach Absetzen von Denosumab scheint es, im Gegensatz zu den Bisphosphonaten, zu einem raschen Anstieg des Knochenumbaus und in weiterer Folge zu einer Abnahme der Knochenmineraldichte (KMD) sowie einem Anstieg des Risikos für vertebrale Frakturen zu kommen. Kiefernekrosen und atypische Femurfrakturen sind bei dieser für Osteoporose zugelassenen Therapie eine mutmaßlich sehr seltene Nebenwirkung.
Raloxifen
Raloxifen ist ein selektiver Östrogenrezeptormodulator(SERM), der die Knochenresorption hemmt und das Frakturrisiko für vertebrale Frakturen reduziert (nicht für nichtvertebrale Frakturen und proximale Femurfrakturen). Raloxifen ist zugelassen für die Prävention und für die Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen.
Ein bedeutender zusätzlicher Effekt ist die Reduktion des relativen Risikos für ein invasivesÖstrogenrezeptor-positives Mammakarzinom um 79%. Eine unerwünschte Nebenwirkung stellt die Erhöhung des thromboembolischen Risikos dar.
Teriparatid
Teriparatid, ein aminoterminales Fragment des Parathormons, wird einmal täglich subkutan über 24 Monate angewandt. Der osteoanabole Effekt beruht auf einer Beschleunigung der Reifung und Stimulierung von Osteoblasten. Die Therapie ist zur Behandlung der schweren postmenopausalen sowie der männlichen und Glukokortikoid-induzierten Osteoporose zugelassen. Diese therapeutische Möglichkeit kann Patienten derzeit nur einmalig in 24 Monaten verabreicht werden.
Im Anschluss an die anabole Reaktion des Knochens kommt es nach Beendigung der Teriparatidtherapie wiederum zu einem gesteigerten Knochenabbau, weshalb eine sofortige Anschlussbehandlung mit einem Antiresorptivum (Bisphosphonat, Denosumab, SERM) unbedingt notwendig ist.
Neue/zukünftige Osteoporosemedikamente
Romosozumab, ein Anti-Sclerostin-Antikörper, verbessert die BMD („bone mineral density“) und die Mikroarchitektur auf kortikaler und trabekulärer Ebene. Studiendaten bei postmenopausalen Frauen mit einem erhöhten Knochenbruchrisiko zeigen eine außergewöhnlich starke Zunahme der BMD bei monatlicher Applikation. Diese Therapie ist kontraindiziert bei kardiovaskulären und zerebrovaskulären Ereignissen in der Anamnese. Zusammengefasst könnte dieser Antikörper zukünftig eine neue Behandlungsoption auch bei pneumologischen Erkrankungen in der entsprechenden Indikation darstellen.
Literatur:
1 Muschitz C et al.: Osteoporosis in pneumological diseases: Joint guideline of the Austrian Society for Bone and Mineral Research (ÖGKM) and the Austrian Society for Pneumology (ÖGP). Wien Klin Wochenschr 2021; 133(4): 155-73 (restliche Literatur beim Verfasser)
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