<p class="article-intro">Am 12. April 2019 fand in Graz ein Treffen des Arbeitskreises Pulmonale Zirkulation der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie statt. Im Rahmen dieses Treffens wurden die neu publizierten Ergebnisse des 6. Welt-Symposiums für pulmonale Hypertonie (6<sup>th</sup> WSPH, Nizza, 2018) und ihre Relevanz für die tägliche Praxis gründlich diskutiert. Wir möchten hier die aus unserer Sicht wichtigsten 10 Ergebnisse dieses Weltsymposiums zusammenfassen.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>1. „Proceedings“ sind keine Leitlinien</strong><br /> Die Ergebnisse der 6. PH-Weltkonferenz wurden im Dezember 2018 als „Proceedings“ im European Respiratory Journal publiziert. Es ist wichtig, zu betonen, dass diese Ergebnisse zwar viele klare Aussagen enthalten, aber noch nicht die neuen Leitlinien sind. Es ist geplant, dass die entsprechenden ERS/ESC-Leitlinien im Jahr 2020 veröffentlicht werden. Derzeit sind daher noch immer die ERS/ESC-Leitlinien aus dem Jahr 2015 zur Diagnose und Therapie der PH gültig.<sup>1</sup></p> <p><strong>2. Klassifikation der PH: Die Struktur wird beibehalten</strong><br /> In den aktuellen WSPH Proceedings bleibt die Struktur der klinischen Klassifikation aus den Leitlinien von 2015 erhalten.<sup>2</sup> Es gibt weiterhin fünf klinische Gruppen der PH:</p> <ul> <li>die pulmonalarterielle Hypertonie (PAH),</li> <li>die PH bei Linksherzerkrankungen,</li> <li>die PH bei Lungenerkrankungen oder Hypoxie,</li> <li>die PH bei Lungenarterienobstruktionen (z. B. chronische thromboembolische PH) und</li> <li>die PH mit unklaren oder multifaktoriellen Mechanismen.</li> </ul> <p>Die aktuellen Änderungen betreffen die Subgruppen: Patienten mit PAH, die bei der pharmakologischen Austestung die sogenannten Responder-Kriterien erfüllen und längerfristig mit hoch dosierten Kalziumkanalantagonisten behandelt werden, sollen zukünftig in eine eigene Subgruppe innerhalb der PAH klassifiziert werden. Diese Änderung betont die Wichtigkeit der pharmakologischen Testung während der diagnostischen Rechtsherzkatheter-Untersuchung und die Identifizierung der Responder. Diese Patienten können bekanntlich sehr erfolgreich mit hoch dosierten Kalziumantagonisten behandelt werden und haben unter dieser Therapie eine besonders gute Prognose.</p> <p><strong>3. Neue Definition der PH: Die mPAPGrenze wird auf 20 mmHg gesenkt</strong><br /> Bei der 6. WSPH sollte in der Geschichte der WSPH bereits zum zweiten Mal in den letzten 10 Jahren die Definition der PH geändert werden. Bis 2008 wurde eine PH durch die Erhöhung des pulmonalen Mitteldrucks (mPAP) entweder in Ruhe über 25 mmHg oder bei Belastung über 30 mmHg definiert. Bei der 4. WSPH wurde dann der Belastungsteil der hämodynamischen Definition verlassen und festgelegt, dass eine PH nur dann besteht, wenn der mPAP in Ruhe ≥ 25 mmHg liegt. Gleichzeitig wurde anerkannt, dass die obere Grenze des normalen mPAP in Ruhe bei 20 mmHg liegt. Bei der 5. WSPH, 2013, blieb diese Definition unverändert. Bei der 6. WSPH wurde nun aber die mPAP-Grenze für die Diagnose einer PH auf 20 mmHg gesenkt und mit der oberen Grenze des normalen mPAP gleichgesetzt.<sup>2</sup> Erstmals erhielt in der Definition neben dem pulmonalen Druck auch der pulmonale Gefäßwiderstand (PVR) eine wichtige Rolle: Eine „präkapilläre PH“ wird durch eine Erhöhung des mPAP über 20 mmHg und des PVR ≥ 3 Wood-Einheiten bei gleichzeitig normalem pulmonalarteriellem Verschlussdruck (PAWP ≤ 15 mmHg) definiert. Die gleichen Parameter (mPAP, PAWP und PVR) grenzen die präkapilläre von der „isolierten postkapillären PH“ (ipcPH) und der „kombinierten prä- und postkapillären PH“ (cpcPH) ab (Tab. 1). An dieser Stelle ist es wichtig, zu erwähnen, dass die Änderung der hämodynamischen Definition nicht bedeutet, dass Patienten mit einem mPAP unter 25 mmHg nun mit PAH-Medikamenten behandelt werden sollen. Alle erfolgreichen Zulassungsstudien für PAHMedikamente haben lediglich Patienten mit einer präkapillären PH mit einem mPAP über 25 mmHg eingeschlossen. Es besteht daher großer Bedarf, klinische Studien für Patienten mit einer milden präkapillären PH (mPAP zwischen 20 und 25 mmHg) zu initiieren und in kontrollierter Weise Erfahrungen damit zu sammeln, bevor eine Therapie empfohlen werden kann.<br /> Mit der neuen Definition ergeben sich Herausforderungen in der Vermittlung der hämodynamischen Ergebnisse an die Patienten. Bei Vorliegen einer milden mPAPErhöhung kann es vorkommen, dass die Definition einer präkapillären PH erfüllt ist, aber dennoch eine PAH-Therapie nicht empfohlen werden kann. Bei diesen Patienten ist die Abklärung der Ursache der milden mPAP-Erhöhung von großer Bedeutung. Das kann eine pulmonal vaskuläre Ursache sein, viel häufiger liegt aber eine kardiale oder pulmonale Erkrankung im Hintergrund vor. Alle diese Erkrankungen brauchen einen unterschiedlichen Therapiezugang.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Pneumo_1903_Weblinks_jatros_pneumo_1903_s14_tab1.jpg" alt="" width="550" height="233" /></p> <p><strong>4. Belastungs-PH: (noch?) nicht in die PH-Definition wiederaufgenommen</strong><br /> Eine Belastungs-PH ist derzeit noch nicht in die Definition der PH wiederaufgenommen worden. In einer vor Kurzem veröffentlichten Stellungnahme der European Respiratory Society wurde eine Definition für abnormale pulmonale Hämodynamik bei Belastung vorgeschlagen (mPAP > 30 mmHg und pulmonaler Gefäßwiderstand > 3 Wood-Einheiten bei maximaler Belastung).<sup>3</sup> Es muss aber noch bestätigt werden, dass eine solche Hämodynamik tatsächlich mit einer schlechten Prognose assoziiert ist. Zusätzlich muss erst untersucht werden, ob und wie Patienten mit einer pathologischen Belastungshämodynamik behandelt werden sollen und wer von ihnen von einer PAH-Therapie profitiert. Das sind die wichtigsten Fragen, die vor der Wiedereinleitung einer Definition für Belastungs-PH beantwortet werden müssen.</p> <p><strong>5. Diagnose der pulmonalen Hypertonie: Rechtsherzkatheter bleibt Goldstandard</strong><br /> Im Wesentlichen wurde der diagnostische Algorithmus bei der PH in der aktuellen Weltkonferenz bestätigt. Die wichtigste diagnostische Untersuchung bleibt nach wie vor die Rechtsherzkatheter-Untersuchung, welche essenziell für die genaue Messung des pulmonalen Druckes und Widerstandes ist. Die wichtigste nicht invasive Untersuchung bleibt die Echokardiografie.<sup>4</sup></p> <p>Zwei organisatorische Details wurden in der aktuellen Empfehlung betont: die Rolle des Expertenzentrums und die des multidisziplinären PH-Teams. Expertenzentren sind Einheiten mit großer Erfahrung in der Diagnose und Behandlung der PH. Es wird empfohlen, dass die diagnostische Rechtsherzkatheter-Untersuchung und die Einleitung der gezielten PAH-Therapie bei allen Patienten in Expertenzentren erfolgen. Patienten mit einer schweren PAH (besonders diejenigen, welche eine Prostanoidtherapie benötigen) sowie Patienten mit schwerer PH und relevanten Begleiterkrankungen (z. B. Herz- oder Lungenkrankheiten) sollen auch stets im Expertenzentrum kontrolliert werden. Abhängig vom Krankheitsbild erfolgt das alle 3 bis 12 Monate. Die zwischenzeitlichen Kontrollen können von nicht spezialisierten klinischen Abteilungen bzw. von niedergelassenen Kollegen übernommen werden. Es gehört zu den Aufgaben dieser Kontrollen, eine eventuelle klinische Verschlechterung rechtzeitig zu erkennen und dies mit dem Expertenzentrum zu kommunizieren. Nicht spezialisierte Kollegen spielen auch eine sehr wichtige Rolle beim ersten Verdacht auf eine PH sowie in der Vorselektion von Patienten hinsichtlich relevanter Linksherz- oder Lungenerkrankungen, speziell bei milder pulmonaler Druckerhöhung. Daher ist die gute Zusammenarbeit zwischen diesen klinischen Abteilungen bzw. niedergelassenen Kollegen und den Expertenzentren von zentraler Bedeutung für eine effiziente Diagnostik und Behandlung von PH-Patienten.<br /> Für die Diagnostik, die richtige klinische Klassifizierung und die Therapieplanung für PH-Patienten ist ein multidisziplinäres Team erforderlich. Die klinischen Befunde müssen aus pneumologischer, kardiologischer, chirurgischer und radiologischer Sicht beurteilt werden und eventuell müssen Kollegen von weiteren Disziplinen (z. B. Rheumatologie, Hämatologie, Hepatologie, Angiologie, Gynäkologie, Augenklinik etc.) einbezogen werden.</p> <p><strong>6. Enge Einbeziehung von Patienten in die klinischen Entscheidungen wird befürwortet</strong><br /> Ein wesentlicher Teil der 6. WSPH widmete sich der Optimierung des Managements der PH aus der Sicht der Patienten.<sup>5</sup> Dabei spielen neben der medikamentösen Therapie auch die psychologisch-spirituelle Unterstützung, die soziale Begleitung, die Unterstützung durch Patientenorganisationen sowie die Rehabilitation eine wichtige Rolle. Das sogenannte „shared decision making“ wird in der Kommunikation und Entscheidung für die therapeutischen Maßnahmen favorisiert. Danach soll der Arzt den Patienten so weit informieren und beraten, dass beide gemeinsam die erforderlichen Entscheidungen treffen können. Das kann auch einen bewussten Therapierückzug bedeuten. In dem Dokument wird ausdrücklich erwähnt, dass, ähnlich wie bei fortgeschrittenen Krebskrankheiten, in aussichtlosen klinischen Situationen die „best supportive care“ eine adäquate Therapieentscheidung sein kann.</p> <p><strong>7. Therapie der PAH: Rolle der Risikoeinschätzung</strong><br /> Für die Entscheidung über die adäquate Therapie der PAH erhält die Einschätzung des Risikos, im nächsten Jahr an der PH zu sterben, eine zentrale Rolle.<sup>6</sup> Anhand von klinischer Symptomatik, Echokardiografie, Labor- und Belastungsparametern können Patienten einer Gruppe mit niedrigem, mittlerem bzw. hohem Risiko zugeteilt werden. Die aktuellen Analysen von Registerdaten aus Schweden, Frankreich und Deutschland zeigen, dass vor allem die WHO(NYHA)- Klasse, das „N-terminal pro-brain natriuretic peptide“ (NTpro-BNP) sowie der 6-Minuten- Gehtest (6MWT) eine wichtige Rolle für die Einschätzung dieses Risiko spielen. Prinzipiell wird für Patienten mit hohem klinischem Risiko eine 3-fach-Kombinationstherapie mit Prostanoiden empfohlen. Bei Patienten mit niedrigem oder mittlerem Risiko wird die initiale oder frühe orale Kombinationstherapie befürwortet. Eine Monotherapie wird für Patienten mit milder Erkrankung sowie für ältere Patienten mit relevanten Risikofaktoren für Linksherzinsuffizienz reserviert. Patienten, die sich trotz maximaler medikamentöser Therapie nicht ausreichend verbessern, sollen rechtzeitig für eine Lungentransplantation vorbereitet werden, sofern die sonstigen Bedingungen dafür erfüllt sind.</p> <p><strong>8. Chronische thromboembolische PH – chronische thromboembolische Erkrankung – ein Kontinuum</strong><br /> Bei der Behandlung der chronischen thromboembolischen PH (CTEPH) ist weiterhin die lebenslange Antikoagulation eine obligatorische Maßnahme. Die meisten und besten Erfahrungen liegen für die Vitamin-K-Antagonisten vor. DOAK werden nicht empfohlen. Die finale Entscheidung über die therapeutischen Maßnahmen (Operation mit pulmonaler Endarterektomie, medikamentöse Therapie, Ballon- Pulmonalangioplastie) soll in einem Expertenzentrum nach multidisziplinärer Konsultation erfolgen. Bei operablen Patienten ist weiterhin die pulmonale Endarterektomie die Therapie der Wahl. In Österreich wird diese Operation auf der Thoraxchirurgie der Medizinischen Universität Wien im AKH Wien durchgeführt. Bei nicht operablen Patienten oder bei Patienten mit persistierender oder wiederkehrender PH nach Durchführung der pulmonalen Endarterektomie wird eine gezielte medikamentöse Therapie mit oder ohne Ballon- Pulmonalangioplastie empfohlen.<sup>7</sup></p> <p>Durch die Änderung der hämodynamischen Definition der PH wird bei einigen Patienten eine CTEPH diagnostiziert, bei denen bisher „nur“ eine chronische thromboembolische Erkrankung (CTED) vorlag. Der hämodynamische Übergang von der CTED in die CTEPH wird von den neuen Empfehlungen als ein Kontinuum betrachtet und therapeutische Entscheidungen sollen unter Einbeziehung der Hämodynamik und der sonstigen klinischen Parameter sowie der Wünsche des Patienten individualisiert getroffen werden.</p> <p><strong>9. PH bei Linksherzerkrankungen: hämodynamische und klinische Beurteilung erforderlich</strong><br /> Bei Patienten mit PH und Linksherzerkrankung wird in den Ergebnissen der 6.WSPH neben der pulmonalen Hämodynamik (PAWP, PVR) auch die klinische Beurteilung des Patienten betont.<sup>8</sup> Aus hämodynamischer Sicht wird zwischen isolierter postkapillärer PH (ipcPH) sowie kombinierter prä- und postkapillärer PH (cpcPH) und den präkapillären PH-Formen unterschieden (Tab. 1). Die Behandlung einer ipcPH oder cpcPH mit PAH-Medikamenten wird weiterhin nicht befürwortet. Für die cpcPH werden weitere klinische Studien durchgeführt bzw. vorbereitet, die diese Indikation prüfen sollen.</p> <p><strong>10. PH bei Lungenerkrankungen: die Suche nach dem pulmonal-vaskulären Phänotyp</strong><br /> Im Bereich der PH bei Lungenerkrankungen ist die Subgruppe von Patienten mit schwerer PH besonders wichtig. Die schwere PH wird durch einen mPAP > 35 mmHg oder > 25 mmHg bei gleichzeitig vorliegendem eingeschränktem Herzzeitvolumen („cardiac index“ < 2,0 l/min/ m<sup>2</sup>) definiert.<sup>9, 10</sup> Diese Patienten werden hinsichtlich ihrer körperlichen Leistung in erster Linie durch ihre PH limitiert und könnten von einer PAH-Therapie profitieren. Solche Patienten sollen in Expertenzentren für PH vorgestellt werden, die gleichzeitig viel Erfahrung mit schweren Lungenerkrankungen haben. Obwohl lediglich ca. 1 bis 5 % der Patienten mit einer COPD eine schwere PH aufweisen, ergibt sich durch die hohe Prävalenz der Erkrankung eine vergleichsweise hohe Zahl betroffener Patienten.<sup>2–4</sup></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>In den letzten Jahren konnten wir mithilfe der durchgeführten Studien die Diagnostik und Therapie der PH deutlich verbessern und unsere Erkenntnisse zu den pathologischen Mechanismen der Erkrankung vertiefen. Diese Erkenntnisse werden in den aktuellen Ergebnissen der 6. WSPH detailliert dargestellt. Trotz dieser positiven Entwicklung bleiben aber weiterhin ungelöste Probleme, welche weitere intensive Forschung notwendig machen. Zu den wichtigsten Aufgaben zählen die Entwicklung nicht invasiver diagnostischer Methoden, welche eine einfache, frühe Erkennung der Krankheit erlauben, sowie die Entwicklung neuer Therapien, die das Fortschreiten einer PH nicht nur aufhalten, sondern die bestehenden pathologischen Veränderungen rückgängig machen können.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Galie N et al.: Eur Respir J 2015; 46: 903-75 <strong>2</strong> Simonneau G et al.: Eur Respir J 2019; 53: pii: 1801913 <strong>3</strong> Kovacs G et al.: Eur Respir J 2017; 50: 10.1183/13993003.00578-2017 <strong>4</strong> Frost A et al.: Eur Respir J 2019; 53: pii: 1801904 <strong>5</strong> McGoon MD et al.: Eur Respir J 2019; 53: pii: 1801919 <strong>6</strong> Galie N et al.: Eur Respir J 2019; 53: pii: 1801889 <strong>7</strong> Kim NH et al.: Eur Respir J 2019; 53: pii: 1801915 <strong>8</strong> Vachiery JL et al.: Eur Respir J 2019; 53: 10.1183/13993003.01897-2018 <strong>9</strong> Nathan SD et al.: Eur Respir J 2019; 53: 10.1183/13993003.01914- 2018 <strong>10</strong> Kovacs G et al.: Am J Respir Crit Care Med 2018; 198: 1000-11</p>
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