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DGP 2018

Pulmonale Hypertonie bei Lungenerkrankungen: vom Schweregrad zur individuellen Therapie?

<p class="article-intro">Pulmonale Hypertonie bei Lungenerkrankungen: vom Schweregrad zur individuellen Therapie? Lungenhochdruck stellt eine bedeutende Sekundärkomplikation bei Patienten mit pneumologischen Vorerkrankungen dar. Im Folgenden wird der aktuelle Stand des Wissens zu Klassifikation und Epidemiologie der pulmonalen Hypertonie ebenso zusammengefasst wie das diagnostische Vorgehen und bestehende Therapieoptionen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>An P(A)H denken, wenn Dyspnoe nicht durch Lungenerkrankung erkl&auml;rbar</li> <li>Differenzierung zwischen Gruppe-3-PH und Gruppe-1-PH (PAH) mit zus&auml;tzlicher pulmonaler Komorbidit&auml;t nicht immer trivial</li> <li>Differenzialdiagnose von schwerer Gruppe-3-PH versus Gruppe-1-PH (PAH) und evtl. Therapieeinleitung mit PAH-Medikamenten m&ouml;glichst in PH-Zentren und m&ouml;glichst im Rahmen von Therapiestudien</li> </ul> </div> <h2>Klassifikation, Definition und Epidemiologie</h2> <p>Die pulmonale Hypertonie (PH) ist ein h&auml;modynamischer Zustand, der eine Druckerh&ouml;hung im Lungenkreislauf unter Ruhebedingungen widerspiegelt. In Ruhe betr&auml;gt der normale mittlere pulmonalarterielle Druck (PAPm) 14,0&plusmn;3,3mmHg. 20mmHg wird als oberer Normwert angesehen.<sup>1, 2</sup> Nach der aktuell g&uuml;ltigen Definition ist die PH gekennzeichnet durch einen mittels eines Rechtsherzkatheters gemessenen PAPm von &ge;25mmHg, sodass ein &bdquo;Graubereich&ldquo; f&uuml;r PAPm-Werte &gt;20mmHg und &lt;25mmHg besteht.<sup>2</sup> Bei der 6. Weltkonferenz f&uuml;r PH, die Ende Februar/Anfang M&auml;rz 2018 in Nizza stattfand, wurde eine neue Definition zur h&auml;modynamischen Charakterisierung der PH vorgeschlagen und diskutiert. Nach dieser w&auml;re die PH durch einen PAPm von &ge;20mmHg und durch einen pulmonalvaskul&auml;ren Widerstand (PVR) von &ge;3 Wood-Einheiten gekennzeichnet.<br />Laut epidemiologischen Daten wird angenommen, dass in der europ&auml;ischen Normalbev&ouml;lkerung bei &uuml;ber 65-J&auml;hrigen in bis zu 10 % eine PH vorliegt. Die h&auml;ufigsten Ursachen hierf&uuml;r sind Linksherz- und Lungenerkrankungen.<sup>3</sup> Die klinische Klassifikation der PH unterscheidet, wie der Abbildung 1 zu entnehmen ist, 5 Hauptgruppen: pulmonalarterielle Hypertonie (PAH; Gruppe 1), PH bei Linksherzerkrankungen (PH-LHD; Gruppe 2), PH bei chronischen Lungenerkrankungen (PH-CLD; Gruppe 3), chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH; Gruppe 4) und PH aufgrund unklarer und/oder multifaktorieller Mechanismen (Gruppe 5).<sup>2, 4</sup><br />Die zugrunde liegenden Modell-Erkrankungen der PH-Gruppe 3 sind die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), die idiopathische pulmonale Fibrose (IPF) und das mit einer basalen Lungenfibrose kombinierte apikale Lungenemphysem (CPFE). Auch die PH bei alveo&shy;l&auml;rer Hypoventilation, schlafbezogenen Atemst&ouml;rungen, chronischer Exposition gegen&uuml;ber h&ouml;henbedingter Hypoxie und pulmonalen Entwicklungsst&ouml;rungen werden zur PH-Gruppe 3 gez&auml;hlt.<sup>1&ndash;5</sup> Aktuell wird diskutiert, ob auch die Sarkoidose und die Lymphangioleiomyomatose-assozierte PH k&uuml;nftig zur PH-Gruppe 3 gez&auml;hlt werden sollen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1803_Weblinks__s17_1.jpg" alt="" width="2150" height="1311" /></p> <p><br />Die genaue Pr&auml;valenz der PH-Gruppe 3 ist unklar. Laut Literatur findet sich h&auml;ufig eine PH bei fortgeschrittenen Lungenerkrankungen. F&uuml;r das CPFE wird die H&auml;ufigkeit mit bis zu 50&ndash;90 % angegeben.<sup>5</sup> Die PH bei Lungenerkrankungen ist in den meisten F&auml;llen milde ausgepr&auml;gt, aber mit einer Einschr&auml;nkung der Prognose behaftet. Bei der COPD werden neben einem pulmonalvaskul&auml;ren Remodelling, einer Gef&auml;&szlig;rarefizierung und einer linksventrikul&auml;ren diastolischen Dysfunktion im Rahmen einer endothelialen Funktionsst&ouml;rung die hypoxisch-pulmonale Vasokonstriktion und ein Emphysem-bedingtes &bdquo;air trapping&ldquo; im Rahmen einer epithelialen Dysfunktion als Ausl&ouml;ser der PH diskutiert. Genetische Varianten auf den Chromosomen 14 und 15 werden ebenfalls mit der Entstehung einer PH bei COPD in Verbindung gebracht.<sup>6</sup> Das Vorliegen einer schweren PH ist selbst bei fortgeschrittenen Lungenerkrankungen selten, falls keine anderen PH-Ursachen wie z.B. chronische Lungenarterienembolien vorliegen. Die Angaben zur H&auml;ufigkeit schwanken zwischen 1&ndash;4 % bei Patienten, die f&uuml;r eine Lungenvolumenreduktion oder Lungentransplantation evaluiert werden. Auf den K&ouml;lner PH-Konsensuskonferenzen 2010 und 2016 wurde die folgende h&auml;modynamische Definition zur Beschreibung einer schweren PH bei Lungenerkrankungen vorgeschlagen:<sup>5</sup></p> <ul> <li>PAPm &gt;35mmHg</li> <li>PAPm &ge;25mmHg bei erniedrigtem Herzindex (&lt;2l/min/m<sup>2</sup>)</li> <li>PVR &gt;6 Wood-Einheiten</li> </ul> <p>Hierbei m&uuml;ssen mindestens 2 der aufgef&uuml;hrten Kriterien erf&uuml;llt und zus&auml;tzliche PH-Ursachen ausgeschlossen sein.</p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Klinisch steht bei der PH, unabh&auml;ngig von deren &Auml;tiologie, die progrediente (Belastungs-)Dyspnoe im Vordergrund. Nicht selten wird &uuml;ber Luftnot beim B&uuml;cken (Bendopnoe), z.B. beim Schn&uuml;rsenkelbinden, geklagt. H&auml;ufig klagen die Patienten auch &uuml;ber eine verminderte Leistungsf&auml;higkeit, verbunden mit Abgeschlagenheit und M&uuml;digkeit. Bei der Auskultation k&ouml;nnen evtl. eine akzentuierte Pulmonaliskomponente des 2. Herztons und ein systolisches Herzger&auml;usch im Bereich des 4. Interkostalraums rechtsparakardial (Trikuspidalklappeninsuffizienz) und visuell gestaute Halsvenen hinweisend f&uuml;r einen Lungenhochdruck sein. Laborchemisch k&ouml;nnen erh&ouml;hte natriuretische Peptide wie z.B. das &bdquo;brain natriuretic peptide&ldquo; (BNP) oder das N-terminale proBNP (NT-proBNP) als Marker der Herzinsuffizienz Hinweise auf eine PH geben.<sup>2, 5</sup><br />Bei Verdacht auf eine PH sollten als Basisuntersuchungen neben einer Echokardiografie und einem Elektrokardiogramm eine Bodyplethysmografie, eine alveolokapill&auml;re Diffusionsmessung, eine Blutgasanalyse und ein Thorax-R&ouml;ntgen durchgef&uuml;hrt werden. Eine Hypokapnie und eine meist nur milde bis moderate Atemwegs&shy;obstruktion sind typische Befunde f&uuml;r eine schwere PH bei Patienten mit Lungenerkrankungen.<sup>5</sup><br />Die Echokardiografie ist die wichtigste nicht invasive Untersuchungsmethode zur Absch&auml;tzung des Schweregrades der PH und zum Erkennen bzw. Ausschluss von linkskardialen Erkrankungen und kardialer Shuntvitien als (Mit-)Ursachen der PH.<br />Wenn die Lungenerkrankung per se den Schweregrad der PH nicht ausreichend erkl&auml;rt, sollten nach Ausschluss von Linksherzerkrankungen chronische Lungenarterienembolien als PH-Ursache mittels einer Ventilations-/Perfusionsszintigrafie (V/P-Szintigrafie) ausgeschlossen werden. Da Patienten mit chronischen Lungenarterienembolien als f&uuml;hrender PH-Ursache auch bei gleichzeitigen Lungenerkrankungen potenziell chirurgisch geheilt werden k&ouml;nnen, sollten diese Patienten einem ausgewiesenen CTEPH- oder PH-Zentrum vorgestellt werden.<sup>5</sup><br />Die Unterscheidung zwischen einer schweren PH infolge einer Lungenerkrankung (PH-Gruppe 3) und einer PAH (PH-Gruppe 1) mit zus&auml;tzlich bestehender Lungenkrankheit als Komorbidit&auml;t kann im Einzelfall schwierig sein. Lungenfunktionsparameter wie die forcierte Einsekundenkapazit&auml;t (FEV1: gr&ouml;&szlig;er oder kleiner 60 % der Norm), die forcierte Vitalkapazit&auml;t (FVC: gr&ouml;&szlig;er oder kleiner als 70 % der Norm), der Schweregrad der Lungengewebever&auml;nderungen im D&uuml;nnschnitt-CT und kardiopulmonale Parameter im Rahmen von Belastungsuntersuchungen sind wegweisend zur Unterscheidung zwischen einer zirkulatorischen (PH-Gruppe 1 und 4) und ventilatorischen (PH-Gruppe 3) Limitation der Belastbarkeit. Hierbei kommt der Spiroergometrie eine wertvolle Rolle zu. Die Interpretation der gewonnenen Daten erfordert allerdings Erfahrung in der Anwendung der Methode. Zum Nachweis/Ausschluss bzw. zur Schweregradbestimmung der PH ist letztendlich eine Rechtsherzkatheter-Untersuchung ggf. auch unter Belastung unumg&auml;nglich. Diese wird allerdings nur empfohlen, wenn sich aus der Untersuchung auch therapeutische Konsequenzen ergeben. Lungentransplantations-Listung, Kl&auml;rung alternativer Diagnosen wie zum Beispiel PAH und Teilnahme an klinischen Studien sind Indikationen f&uuml;r eine Rechtsherzkatheter-Untersuchung.<sup>5</sup><br />Die Rechtsherzkatheter-Untersuchungen sollten nach der europ&auml;ischen Leitlinie m&ouml;glichst in PH-Zentren durchgef&uuml;hrt werden. Unabdingbar sind hierbei die Erfassung des rechtsatrialen, des rechtsventrikul&auml;ren, des pulmonalarteriellen und des pulmonalarteriellen Verschluss(PAW)-Druckes nach ad&auml;quater Nullpunkt-Bestimmung (midthorakal) sowie die Berechnung des PVR und des Herzzeitvolumens. Weiterhin sollte immer auch die Sauerstoffs&auml;ttigung systemisch arteriell, pulmonalarteriell und im Bereich der V. cava superior bestimmt werden. Bei Verdacht auf ein Shuntvitium sind zus&auml;tzliche Messungen notwendig. Bei deutlichen Schwankungen der Messkurven, typischerweise zu beobachten bei schweren Lungenerkrankungen, wird vorgeschlagen, den Mittelwert zwischen In- und Exspiration &uuml;ber mehrere Atemz&uuml;ge ohne Anwendung von Atemman&ouml;vern zu mitteln.<sup>5</sup></p> <h2>Therapie</h2> <p>Tabelle 1 sind neben der Schweregradeinteilung der PH bei Lungenerkrankungen die Empfehlungen zur Therapie gem&auml;&szlig; der K&ouml;lner Konsensuskonferenz zu entnehmen.<sup>5</sup><br />Prim&auml;r steht die optimale Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund, zum Beispiel Nikotinabstinenz und antiobstruktive Inhalationstherapie bei COPD und eine antiproliferative Therapie bei IPF, wenngleich deren Einfluss auf den Verlauf einer PH nicht gut untersucht ist. Bei Patienten mit einer PH aufgrund einer alveol&auml;ren Hypoventilation, z.B. im Rahmen einer Obesitas-Hypoventilation, ist die nicht invasive Beatmung die Therapie der Wahl, die mit einer deutlichen h&auml;modynamischen und klinischen Verbesserung verbunden ist. Als Ultima Ratio bleibt bei ausgew&auml;hlten Patienten die Lungentransplantation.<sup>2, 5</sup><br />Bei Hypoxie wird der Einsatz einer Sauerstofftherapie, entsprechend den separaten Indikationen, empfohlen. Diese hat einen positiven Einfluss hinsichtlich einer Progressverz&ouml;gerung der PH, f&uuml;hrt aber in der Regel nicht zu einem relevanten R&uuml;ckgang der Rechtsherzbelastung. Diuretika und eine Trinkmengenbeschr&auml;nkung zur Therapie eventueller Bein&ouml;deme sollten wie weitere allgemeinsupportive PH-Therapien bei Bedarf eingesetzt werden.<sup>2, 5</sup><br />PAH-Medikamente werden f&uuml;r Patienten mit einer PH aufgrund einer Lungenerkrankung grunds&auml;tzlich nicht empfohlen. Patienten mit einer schweren P(A)H und einer simultan vorliegenden &ndash; typischerweise eher milden bis moderaten &ndash; Lungenerkrankung sind von der vorgenannten Therapieempfehlung ausgenommen. Das gilt explizit f&uuml;r Patienten, bei denen der Schweregrad der P(A)H beziehungsweise der Rechtsherzbelastung nicht durch die Lungenerkrankung erkl&auml;rt werden kann.<sup>2, 5</sup> F&uuml;r die COPD-assoziierte schwere PH gibt es eine prospektive, randomisierte und placebokontrollierte Pilotstudie mit Sildenafil<sup>7</sup> und eine weitere gegen &bdquo;best support of care&ldquo; randomisierte Studie mit Bosentan,<sup>8</sup> die u.a. eine signifikante Verbesserung der Belastbarkeit belegen. F&uuml;r die IPF-assoziierte schwere PH fehlen allerdings bisher prospektiv randomisierte Studien, die auf einen Nutzen f&uuml;r PAH-Medikamente hinweisen. Es liegen im Gegenteil randomisierte Studien vor, die darauf hinweisen, dass bestimmte Endothelinrezeptor-Antagonisten und der l&ouml;sliche Guanylatcyclase-Stimulator sich negativ auf eine mit idiopathischer Lungenfibrose assoziierte PH auswirken.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1803_Weblinks__s17_2.jpg" alt="" width="2151" height="1130" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Kovacs G et al.: Klassifikation der pulmonalen Hypertonie und initiale Diagnostik. Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: S10-S18 <strong>2</strong> Gali&egrave; N et al.: Eur Heart J 2016; 37: 67-119 <strong>3</strong> Hoeper M et al.: Lancet Respir Med 2016; 4: 306-22 <strong>4</strong> Halank M et al.: Klinikarzt 2017; 46: 366-73 <strong>5</strong> Olschewski H et al.: Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: S57-S61 <strong>6</strong> Kovacs G et al.: Am J Respir Crit Care Med 2018 [in press] <strong>7</strong> Vitulo P et al.: J Heart Lung Transplant 2017; 36: 166-74 <strong>8</strong> Valerio G et al.: Ther Adv Respir Dis 2009; 3: 15-21</p> </div> </p>
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