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Pulmonale Hypertonie bei Lungenerkrankungen: vom Schweregrad zur individuellen Therapie?
Jatros
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Michael Halank
Kommissar. Bereichsleiter Pneumologie<br>Medizinische Klinik und Poliklinik I<br>Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden<br>E-Mail: michael.halank@uniklinikum-dresden.de
Autor:
Dr. Kristin Tausche
Ärztin für Innere Medizin
30
Min. Lesezeit
12.07.2018
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<p class="article-intro">Pulmonale Hypertonie bei Lungenerkrankungen: vom Schweregrad zur individuellen Therapie? Lungenhochdruck stellt eine bedeutende Sekundärkomplikation bei Patienten mit pneumologischen Vorerkrankungen dar. Im Folgenden wird der aktuelle Stand des Wissens zu Klassifikation und Epidemiologie der pulmonalen Hypertonie ebenso zusammengefasst wie das diagnostische Vorgehen und bestehende Therapieoptionen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>An P(A)H denken, wenn Dyspnoe nicht durch Lungenerkrankung erklärbar</li> <li>Differenzierung zwischen Gruppe-3-PH und Gruppe-1-PH (PAH) mit zusätzlicher pulmonaler Komorbidität nicht immer trivial</li> <li>Differenzialdiagnose von schwerer Gruppe-3-PH versus Gruppe-1-PH (PAH) und evtl. Therapieeinleitung mit PAH-Medikamenten möglichst in PH-Zentren und möglichst im Rahmen von Therapiestudien</li> </ul> </div> <h2>Klassifikation, Definition und Epidemiologie</h2> <p>Die pulmonale Hypertonie (PH) ist ein hämodynamischer Zustand, der eine Druckerhöhung im Lungenkreislauf unter Ruhebedingungen widerspiegelt. In Ruhe beträgt der normale mittlere pulmonalarterielle Druck (PAPm) 14,0±3,3mmHg. 20mmHg wird als oberer Normwert angesehen.<sup>1, 2</sup> Nach der aktuell gültigen Definition ist die PH gekennzeichnet durch einen mittels eines Rechtsherzkatheters gemessenen PAPm von ≥25mmHg, sodass ein „Graubereich“ für PAPm-Werte >20mmHg und <25mmHg besteht.<sup>2</sup> Bei der 6. Weltkonferenz für PH, die Ende Februar/Anfang März 2018 in Nizza stattfand, wurde eine neue Definition zur hämodynamischen Charakterisierung der PH vorgeschlagen und diskutiert. Nach dieser wäre die PH durch einen PAPm von ≥20mmHg und durch einen pulmonalvaskulären Widerstand (PVR) von ≥3 Wood-Einheiten gekennzeichnet.<br />Laut epidemiologischen Daten wird angenommen, dass in der europäischen Normalbevölkerung bei über 65-Jährigen in bis zu 10 % eine PH vorliegt. Die häufigsten Ursachen hierfür sind Linksherz- und Lungenerkrankungen.<sup>3</sup> Die klinische Klassifikation der PH unterscheidet, wie der Abbildung 1 zu entnehmen ist, 5 Hauptgruppen: pulmonalarterielle Hypertonie (PAH; Gruppe 1), PH bei Linksherzerkrankungen (PH-LHD; Gruppe 2), PH bei chronischen Lungenerkrankungen (PH-CLD; Gruppe 3), chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH; Gruppe 4) und PH aufgrund unklarer und/oder multifaktorieller Mechanismen (Gruppe 5).<sup>2, 4</sup><br />Die zugrunde liegenden Modell-Erkrankungen der PH-Gruppe 3 sind die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), die idiopathische pulmonale Fibrose (IPF) und das mit einer basalen Lungenfibrose kombinierte apikale Lungenemphysem (CPFE). Auch die PH bei alveo­lärer Hypoventilation, schlafbezogenen Atemstörungen, chronischer Exposition gegenüber höhenbedingter Hypoxie und pulmonalen Entwicklungsstörungen werden zur PH-Gruppe 3 gezählt.<sup>1–5</sup> Aktuell wird diskutiert, ob auch die Sarkoidose und die Lymphangioleiomyomatose-assozierte PH künftig zur PH-Gruppe 3 gezählt werden sollen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1803_Weblinks__s17_1.jpg" alt="" width="2150" height="1311" /></p> <p><br />Die genaue Prävalenz der PH-Gruppe 3 ist unklar. Laut Literatur findet sich häufig eine PH bei fortgeschrittenen Lungenerkrankungen. Für das CPFE wird die Häufigkeit mit bis zu 50–90 % angegeben.<sup>5</sup> Die PH bei Lungenerkrankungen ist in den meisten Fällen milde ausgeprägt, aber mit einer Einschränkung der Prognose behaftet. Bei der COPD werden neben einem pulmonalvaskulären Remodelling, einer Gefäßrarefizierung und einer linksventrikulären diastolischen Dysfunktion im Rahmen einer endothelialen Funktionsstörung die hypoxisch-pulmonale Vasokonstriktion und ein Emphysem-bedingtes „air trapping“ im Rahmen einer epithelialen Dysfunktion als Auslöser der PH diskutiert. Genetische Varianten auf den Chromosomen 14 und 15 werden ebenfalls mit der Entstehung einer PH bei COPD in Verbindung gebracht.<sup>6</sup> Das Vorliegen einer schweren PH ist selbst bei fortgeschrittenen Lungenerkrankungen selten, falls keine anderen PH-Ursachen wie z.B. chronische Lungenarterienembolien vorliegen. Die Angaben zur Häufigkeit schwanken zwischen 1–4 % bei Patienten, die für eine Lungenvolumenreduktion oder Lungentransplantation evaluiert werden. Auf den Kölner PH-Konsensuskonferenzen 2010 und 2016 wurde die folgende hämodynamische Definition zur Beschreibung einer schweren PH bei Lungenerkrankungen vorgeschlagen:<sup>5</sup></p> <ul> <li>PAPm >35mmHg</li> <li>PAPm ≥25mmHg bei erniedrigtem Herzindex (<2l/min/m<sup>2</sup>)</li> <li>PVR >6 Wood-Einheiten</li> </ul> <p>Hierbei müssen mindestens 2 der aufgeführten Kriterien erfüllt und zusätzliche PH-Ursachen ausgeschlossen sein.</p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Klinisch steht bei der PH, unabhängig von deren Ätiologie, die progrediente (Belastungs-)Dyspnoe im Vordergrund. Nicht selten wird über Luftnot beim Bücken (Bendopnoe), z.B. beim Schnürsenkelbinden, geklagt. Häufig klagen die Patienten auch über eine verminderte Leistungsfähigkeit, verbunden mit Abgeschlagenheit und Müdigkeit. Bei der Auskultation können evtl. eine akzentuierte Pulmonaliskomponente des 2. Herztons und ein systolisches Herzgeräusch im Bereich des 4. Interkostalraums rechtsparakardial (Trikuspidalklappeninsuffizienz) und visuell gestaute Halsvenen hinweisend für einen Lungenhochdruck sein. Laborchemisch können erhöhte natriuretische Peptide wie z.B. das „brain natriuretic peptide“ (BNP) oder das N-terminale proBNP (NT-proBNP) als Marker der Herzinsuffizienz Hinweise auf eine PH geben.<sup>2, 5</sup><br />Bei Verdacht auf eine PH sollten als Basisuntersuchungen neben einer Echokardiografie und einem Elektrokardiogramm eine Bodyplethysmografie, eine alveolokapilläre Diffusionsmessung, eine Blutgasanalyse und ein Thorax-Röntgen durchgeführt werden. Eine Hypokapnie und eine meist nur milde bis moderate Atemwegs­obstruktion sind typische Befunde für eine schwere PH bei Patienten mit Lungenerkrankungen.<sup>5</sup><br />Die Echokardiografie ist die wichtigste nicht invasive Untersuchungsmethode zur Abschätzung des Schweregrades der PH und zum Erkennen bzw. Ausschluss von linkskardialen Erkrankungen und kardialer Shuntvitien als (Mit-)Ursachen der PH.<br />Wenn die Lungenerkrankung per se den Schweregrad der PH nicht ausreichend erklärt, sollten nach Ausschluss von Linksherzerkrankungen chronische Lungenarterienembolien als PH-Ursache mittels einer Ventilations-/Perfusionsszintigrafie (V/P-Szintigrafie) ausgeschlossen werden. Da Patienten mit chronischen Lungenarterienembolien als führender PH-Ursache auch bei gleichzeitigen Lungenerkrankungen potenziell chirurgisch geheilt werden können, sollten diese Patienten einem ausgewiesenen CTEPH- oder PH-Zentrum vorgestellt werden.<sup>5</sup><br />Die Unterscheidung zwischen einer schweren PH infolge einer Lungenerkrankung (PH-Gruppe 3) und einer PAH (PH-Gruppe 1) mit zusätzlich bestehender Lungenkrankheit als Komorbidität kann im Einzelfall schwierig sein. Lungenfunktionsparameter wie die forcierte Einsekundenkapazität (FEV1: größer oder kleiner 60 % der Norm), die forcierte Vitalkapazität (FVC: größer oder kleiner als 70 % der Norm), der Schweregrad der Lungengewebeveränderungen im Dünnschnitt-CT und kardiopulmonale Parameter im Rahmen von Belastungsuntersuchungen sind wegweisend zur Unterscheidung zwischen einer zirkulatorischen (PH-Gruppe 1 und 4) und ventilatorischen (PH-Gruppe 3) Limitation der Belastbarkeit. Hierbei kommt der Spiroergometrie eine wertvolle Rolle zu. Die Interpretation der gewonnenen Daten erfordert allerdings Erfahrung in der Anwendung der Methode. Zum Nachweis/Ausschluss bzw. zur Schweregradbestimmung der PH ist letztendlich eine Rechtsherzkatheter-Untersuchung ggf. auch unter Belastung unumgänglich. Diese wird allerdings nur empfohlen, wenn sich aus der Untersuchung auch therapeutische Konsequenzen ergeben. Lungentransplantations-Listung, Klärung alternativer Diagnosen wie zum Beispiel PAH und Teilnahme an klinischen Studien sind Indikationen für eine Rechtsherzkatheter-Untersuchung.<sup>5</sup><br />Die Rechtsherzkatheter-Untersuchungen sollten nach der europäischen Leitlinie möglichst in PH-Zentren durchgeführt werden. Unabdingbar sind hierbei die Erfassung des rechtsatrialen, des rechtsventrikulären, des pulmonalarteriellen und des pulmonalarteriellen Verschluss(PAW)-Druckes nach adäquater Nullpunkt-Bestimmung (midthorakal) sowie die Berechnung des PVR und des Herzzeitvolumens. Weiterhin sollte immer auch die Sauerstoffsättigung systemisch arteriell, pulmonalarteriell und im Bereich der V. cava superior bestimmt werden. Bei Verdacht auf ein Shuntvitium sind zusätzliche Messungen notwendig. Bei deutlichen Schwankungen der Messkurven, typischerweise zu beobachten bei schweren Lungenerkrankungen, wird vorgeschlagen, den Mittelwert zwischen In- und Exspiration über mehrere Atemzüge ohne Anwendung von Atemmanövern zu mitteln.<sup>5</sup></p> <h2>Therapie</h2> <p>Tabelle 1 sind neben der Schweregradeinteilung der PH bei Lungenerkrankungen die Empfehlungen zur Therapie gemäß der Kölner Konsensuskonferenz zu entnehmen.<sup>5</sup><br />Primär steht die optimale Therapie der Grunderkrankung im Vordergrund, zum Beispiel Nikotinabstinenz und antiobstruktive Inhalationstherapie bei COPD und eine antiproliferative Therapie bei IPF, wenngleich deren Einfluss auf den Verlauf einer PH nicht gut untersucht ist. Bei Patienten mit einer PH aufgrund einer alveolären Hypoventilation, z.B. im Rahmen einer Obesitas-Hypoventilation, ist die nicht invasive Beatmung die Therapie der Wahl, die mit einer deutlichen hämodynamischen und klinischen Verbesserung verbunden ist. Als Ultima Ratio bleibt bei ausgewählten Patienten die Lungentransplantation.<sup>2, 5</sup><br />Bei Hypoxie wird der Einsatz einer Sauerstofftherapie, entsprechend den separaten Indikationen, empfohlen. Diese hat einen positiven Einfluss hinsichtlich einer Progressverzögerung der PH, führt aber in der Regel nicht zu einem relevanten Rückgang der Rechtsherzbelastung. Diuretika und eine Trinkmengenbeschränkung zur Therapie eventueller Beinödeme sollten wie weitere allgemeinsupportive PH-Therapien bei Bedarf eingesetzt werden.<sup>2, 5</sup><br />PAH-Medikamente werden für Patienten mit einer PH aufgrund einer Lungenerkrankung grundsätzlich nicht empfohlen. Patienten mit einer schweren P(A)H und einer simultan vorliegenden – typischerweise eher milden bis moderaten – Lungenerkrankung sind von der vorgenannten Therapieempfehlung ausgenommen. Das gilt explizit für Patienten, bei denen der Schweregrad der P(A)H beziehungsweise der Rechtsherzbelastung nicht durch die Lungenerkrankung erklärt werden kann.<sup>2, 5</sup> Für die COPD-assoziierte schwere PH gibt es eine prospektive, randomisierte und placebokontrollierte Pilotstudie mit Sildenafil<sup>7</sup> und eine weitere gegen „best support of care“ randomisierte Studie mit Bosentan,<sup>8</sup> die u.a. eine signifikante Verbesserung der Belastbarkeit belegen. Für die IPF-assoziierte schwere PH fehlen allerdings bisher prospektiv randomisierte Studien, die auf einen Nutzen für PAH-Medikamente hinweisen. Es liegen im Gegenteil randomisierte Studien vor, die darauf hinweisen, dass bestimmte Endothelinrezeptor-Antagonisten und der lösliche Guanylatcyclase-Stimulator sich negativ auf eine mit idiopathischer Lungenfibrose assoziierte PH auswirken.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1803_Weblinks__s17_2.jpg" alt="" width="2151" height="1130" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Kovacs G et al.: Klassifikation der pulmonalen Hypertonie und initiale Diagnostik. Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: S10-S18 <strong>2</strong> Galiè N et al.: Eur Heart J 2016; 37: 67-119 <strong>3</strong> Hoeper M et al.: Lancet Respir Med 2016; 4: 306-22 <strong>4</strong> Halank M et al.: Klinikarzt 2017; 46: 366-73 <strong>5</strong> Olschewski H et al.: Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: S57-S61 <strong>6</strong> Kovacs G et al.: Am J Respir Crit Care Med 2018 [in press] <strong>7</strong> Vitulo P et al.: J Heart Lung Transplant 2017; 36: 166-74 <strong>8</strong> Valerio G et al.: Ther Adv Respir Dis 2009; 3: 15-21</p>
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