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Was hilft gegen Angst? Bewährte und neue Therapieansätze

<p class="article-intro">Angststörungen stellen die häufigste psychische Störung dar, sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern. Etwa 18 % der Bevölkerung sind von einer Panikstörung, Phobie oder einer generalisierten Angststörung betroffen. Insbesondere die soziale Phobie werde in ihrer Häufigkeit unterschätzt, erklärt Prim. Prof. Dr. Josef Marksteiner, Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie A, LKH Hall.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Klinische Charakteristika</h2> <p>Generell wird unterschieden zwischen ungerichteter und gerichteter Angst (Furcht). Ungerichtete Angst kann anfallsartig (Panikst&ouml;rung) auftreten oder dauernd (generalisierte Angstst&ouml;rung) bestehen. Die gerichtete Angst wiederum kann sich gegen&uuml;ber Umgebungsfaktoren (z.B. Agoraphobie), Menschen (Sozialphobie) oder spezifischen Objekten (z.B. Spinnen) zeigen. Neben den Angstgef&uuml;hlen sind &ndash; je nach St&ouml;rung &ndash; Panikattacken, antizipatorische Sorgen (&bdquo;Gr&uuml;beln&ldquo;) und autonomes Arousal kennzeichnend. &bdquo;Die verschiedenen Angstst&ouml;rungen haben unterschiedliche klinische Kennzeichen, typisch f&uuml;r alle ist jedoch das Vermeidungsverhalten&ldquo;, erkl&auml;rt Marksteiner. Bei Kindern kann zum Beispiel Schulverweigerung ein Hinweis sein. Auch die Prognose ist unterschiedlich. Die beste Prognose hat die Panikst&ouml;rung, die schlechteste die Sozialphobie &ndash; hier erreichen nur 40 % der Betroffenen nach 12 Jahren einen &bdquo;Recovery&ldquo;-Status, definiert als eine zumindest 8 Wochen andauernde Phase mit h&ouml;chstens Restsymptomen.<br /> Angstst&ouml;rungen, insbesondere Phobien, beginnen oft schon in einem sehr fr&uuml;hen Lebensalter. Die Beschwerden &auml;u&szlig;ern sich jedoch in verschiedenen Lebensphasen unterschiedlich. Bei Kindern und Adoleszenten stehen Irritabilit&auml;t, k&ouml;rperliche Symptome und Schlafst&ouml;rungen im Vordergrund. Im Erwachsenenalter k&ouml;nnen Ersch&ouml;pfungsgef&uuml;hle und Fatigue dazukommen. Bei &auml;lteren Menschen zeigen sich oft auch Konzentrations- und Ged&auml;chtnisst&ouml;rungen.<br /> Komorbidit&auml;ten wie Depression, Dysthymie, Suchterkrankungen und Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rungen sind h&auml;ufig. Angstst&ouml;rungen k&ouml;nnen das Berufsleben stark beeintr&auml;chtigen und bedeuten oft auch f&uuml;r Angeh&ouml;rige eine starke Belastung. Das erh&ouml;hte Suizidrisiko d&uuml;rfe ebenfalls nicht untersch&auml;tzt werden, wie Marksteiner betont. Nicht zuletzt deshalb sei es wichtig, Angstst&ouml;rungen zu erkennen und zu behandeln.</p> <h2>Auf jeden Fall Psychotherapie</h2> <p>&bdquo;Angstst&ouml;rungen sind chronische Erkrankungen. Therapiestrategien sollten deshalb l&auml;ngerfristig angelegt werden&ldquo;, sagt Marksteiner. Etablierte Therapieformen sind kognitive Verhaltenstherapie, Psychoedukation und psychodynamische Ans&auml;tze. Bew&auml;hrt haben sich auch Achtsamkeitstraining und MBSR (&bdquo;mindfulness- based stress reduction&ldquo;). Als medikament&ouml;se Therapien der ersten Wahl werden von den Guidelines SSRI, SSNRI, Kalziumkanalmodulatoren (Pregabalin) und atypische Antipsychotika (Quetiapin) empfohlen. Trizyklische und andere Antidepressiva, Azapirone und Antihistaminika k&ouml;nnen als zweite oder dritte Wahl eingesetzt werden. &bdquo;Obwohl Benzodiazepine nicht als First-Line-Therapie empfohlen sind, werden sie dennoch sehr h&auml;ufig bei Angstst&ouml;rungen eingesetzt und zeigen kurzfristig auch gute Wirkung&ldquo;, berichtet Marksteiner. Sie sollten jedoch vorsichtig, in der niedrigstm&ouml;glichen effektiven Dosis und nur f&uuml;r kurze Zeit, verschrieben werden.<br /> Die Zukunft bringt vielleicht schon bald weitere Therapieoptionen: Die Neuropeptide S und Y als Neuromodulatoren sind laut Marksteiner &bdquo;hei&szlig;e Kandidaten&ldquo; f&uuml;r die Therapie von Angstst&ouml;rungen. Sie haben sich in Zellkulturen und Tierversuchen bereits als effektiv an Angstrezeptoren erwiesen. Sie entfalten ihre Wirksamkeit jedoch langsam und sind daher als Akuttherapie eher nicht geeignet.<br /> Weitere Hoffnungen ruhen auf Cannabis. Dessen Wirkung gegen Angst ist noch umstritten, weil ja Angstst&ouml;rungen gerade bei Cannabiskonsumenten h&auml;ufiger auftreten. Allerdings ist hierbei die Frage von Ursache und Wirkung ungekl&auml;rt: Es w&auml;re auch denkbar, dass Personen mit Angstst&ouml;rung eine Affinit&auml;t zum Cannabiskonsum entwickeln. &bdquo;Aus meiner Sicht ist die Diskussion um Cannabis noch nicht entschieden&ldquo;, so Marksteiner. &bdquo;M&ouml;glicherweise ist der Dosiseffekt entscheidend, vielleicht liegt die L&ouml;sung auch in einer Kombination verschiedener Cannabinoide.&ldquo;<br /> Jede medikament&ouml;se Therapie sollte jedenfalls unbedingt von einer psychotherapeutischen Behandlung begleitet werden, betont Marksteiner. Psychotherapie ist bei Angstst&ouml;rung sehr effektiv und kann sogar darstellbare strukturelle Hirnver&auml;nderungen bewirken: Eine MRI-Studie konnte dies z.B. f&uuml;r kognitive Verhaltenstherapie bei sozialer Angstst&ouml;rung nachweisen (Steiger VR et al.: Mol Psychiatry 2017; 22(8): 1164-71).</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Interdisziplinäres Herbstsymposium für Psychopharmakologie, 7. Oktober 2017, Wien </p>
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