Fokale Therapie beim Prostatakarzinom
Autoren:
Dr. Nicolai Hübner
Dr. Pawel Rajwa
Dr. Stephan Korn
Univ.-Prof. Dr. Shahrokh F. Shariat
Universitätsklinik für Urologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail: nicolai.huebner@meduniwien.ac.at
Das Prostatakarzinom (PCA) ist nicht nur einer der häufigsten Tumoren bei Männern, sondern auch eine sehr heterogene Erkrankung. Der Großteil der Tumoren ist wenig aggressiv und kann mittels radikaler lokaler Therapie (Operation oder Bestrahlung) erfolgreich kurativ behandelt werden. Es gibt hoch aggressive Varianten, die häufig zu einer Metastasierung führen, aber auch komplett indolente Tumoren, die keinerlei aktive Therapie benötigen.
Keypoints
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Mit modernen Diagnosemethoden kann die Gefährlichkeit eines Prostatakarzinoms deutlich besser abgeschätzt werden als früher.
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Bei einigen Patienten mit weniger gefährlichen Tumoren ist es möglich, diese mittels fokaler Therapie zu behandeln.
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Fokale Therapien, die beim Prostatakarzinom eingesetzt werden können, sind: High-Intensity Focused Ultrasound (HIFU), die Kryotherapie sowie die Elektroporation.
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Eine fokale Therapie hat gegenüber einer radikalen Therapie den Vorteil geringerer Nebenwirkungen.
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Leider fehlen noch Langzeitdaten, daher ist es wichtig, Patienten, für die diese Therapie möglich ist, sehr gut zu selektionieren.
Hintergrund
Lange Zeit waren die diagnostischen Möglichkeiten sehr begrenzt, was bei vielen Patienten zu einer Übertherapie, im Sinne einer nicht notwendigen radikalen Therapie, geführt hat. Durch die optimierten diagnostischen Möglichkeiten der letzten Jahre, insbesondere der massiv verbesserten Bildgebung mit multiparametrischem MRT (mpMRT)1,2 und der molekularen Bildgebung mit Prostata-spezifisches-Membran-Antigen(PSMA)-Positronen-Emissions-Tomografie (PET)3, haben sich das Verständnis der Tumorbiologie und die Risikostratifizierung deutlich gebessert.4 Wie bei anderen Tumoren (z.B. Brust) ist eine fokale Therapie des Prostatakarzinoms eine logische Konsequenz der besseren Diagnostik, da sie es uns ermöglicht, jene Patienten zu identifizieren, die von einer Therapie profitieren, jedoch keine radikale Therapie des gesamten Organs benötigen.
Prinzipiell sind, nach derzeitigem Wissensstand, jene Patienten geeignet für eine fokale Therapie, die einen klar im MRT sichtbaren Tumor aufweisen, der sich auf eine Seite der Prostata beschränkt, einen Gleason Score von 3+3, 3+4 oder in manchen Fällen 4+3 sowie ein PSA von maximal 15ng/ml.5 Außerdem sollte die Tumorlokalisation ausreichend weit vom Schließmuskel entfernt sein, um eine Inkontinenz nach der Therapie zu vermeiden.
Aufgrund der weniger robusten Datenlage im Vergleich mit den etablierten radikalen Therapien sollten die Patienten über den derzeit noch experimentellen Status der fokalen Therapie aufgeklärt und im Idealfall im Rahmen einer klinischen Studie behandelt werden. Zusätzlich sollte eine genaue Nachsorge durchgeführt werden, die einer aktiven Überwachung ähnelt, mit regulären PSA-Kontrollen, MRT und Biopsien.
Formen der fokalen Therapie
Es stehen verschiedene Möglichkeiten und Energieformen zur fokalen Therapie beim PCA zur Verfügung.6 Mit fokussiertem Ultraschall (High-Intensity Focused Ultrasound; HIFU) kann fokal Hitze erzeugt werden, die zum Untergang der Zellen führt. Die HIFU kann transrektal oder auch transurethral angewendet werden. Bei der Kryotherapie wird über eine Nadel ein Eisball erzeugt, der die Tumorzellen durch Kälte zerstört.
Für beide Optionen bestehen bereits Daten mit vergleichsweise langem Follow-up. Die funktionellen Ergebnisse sind im Falle der HIFU sehr gut, und beide haben ähnliche akzeptable onkologische Ergebnisse.7,8 Vergleichende Studien mit der radikalen Therapie fehlen aber nach wie vor.
Eine der neueren, aber sehr vielversprechenden Methoden ist die Elektroporation. Hier werden ebenfalls über transperineal eingebrachte Nadeln Stromflüsse erzeugt, die zu Löchern in der Zellmembran und folglich zum Zelltod führen.9 Die vorhandenen Daten zeigen auch hier sehr gute funktionelle Ergebnisse, mit onkologischen Ergebnissen ähnlich denen anderer Methoden für fokale Therapie.10,11
High-Intensity Focused Ultrasound
Die ersten Studien zur Behandlung des Prostatakarzinoms mittels Ultraschallwellen wurden bereits 1995 publiziert.12 Damals wurden Patienten mittels HIFU behandelt und anschließend prostatektomiert, um die Veränderung im Gewebe zu beurteilen. Der initiale Gedanke bestand darin, eine minimal invasive Alternative zur Operation zu finden, mit der aber auch die komplette Drüse behandelt werden kann. Unterstützt wurde der Einsatz der fokalen Therapie durch die verbesserten bildgebenden Möglichkeiten. Randomisierte prospektive Studien existieren nicht. Es existieren jedoch hochwertige retrospektive Analysen.
Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2018 untersuchte 366 Patienten aus 7 Studien mit einem medianen Follow-up von 2,2 Jahren. Sie fanden bei 77% der Patienten eine negative Biopsie nach der Therapie und bei 92% der Patienten war im Follow-up keine radikale Therapie notwendig gewesen (Operation, Bestrahlung oder Hormontherapie). 96% der Patienten waren nach 12 Monaten kontinent (0 Pads) und 74% potent.13
Die größte multizentrische Studie von Guillaumier et al. untersuchte 625 Patienten, die zwischen 2006 und 2015 in England eine fokale Therapie mittels HIFU erhielten, mit einem medianen Follow-up von 56 Monaten. Der primäre Endpunkt waren Therapieversagen (Failure-free Survival; FFS) definiert als Überleben ohne radikale oder systemische Therapie sowie das Vorhandensein von Metastasen. Das FFS nach 5 Jahren war 88% (95% Konfidenzintervall 85–91%). 98% der Patienten erreichten eine Pad-freie Kontinenz.7
Gravierende Nebenwirkungen wie eine rektale Fistel, die nach HIFU der kompletten Prostata früher möglich waren, sind durch die lediglich fokale Anwendung der Energie nahezu verschwunden.14 Die HIFU hat sich als effektive Methode zur fokalen Therapie beim klinisch signifikanten, nicht metastasierten PCA bewährt und zeigt eine niedrige Rate an Nebenwirkungen. Langzeitdaten sind allerdings noch ausständig und notwendig, bevor die Therapie außerhalb von Studien empfohlen werden kann.
Schlussfolgerung
Die Risikostratifizierung hat sich beim PCA durch moderne Diagnostik deutlich verbessert. Bei Patienten am unteren Rand des Risikospektrums ist es jedoch schwierig, Konsequenzen daraus zu ziehen, da wenig Möglichkeiten abseits der aktiven Überwachung oder radikalen Therapie bestehen. Die fokale Therapie gibt hier einigen Patienten die Möglichkeit, den Tumor definitiv zu therapieren, ohne die volle Bandbreite von Nebenwirkungen der radikalen Therapie auf sich nehmen zu müssen. Die fehlenden Langzeitdaten bleiben jedoch ein Problem, weshalb die Patienten sehr gut selektioniert werden müssen. In der Zukunft besteht jedoch die Möglichkeit, dass durch immer weiter optimierte Diagnostik zunehmend mehr Patienten fokal therapiert werden können.
Literatur:
1 Ahmed HU et al.: Diagnostic accuracy of multi-parametric MRI and TRUS biopsy in prostate cancer (PROMIS): a paired validating confirmatory study. Lancet 2017; 389(10071): 815-22 2 Kasivisvanathan V et al.: MRI-targeted or standard biopsy for prostate-cancer diagnosis. N Engl J Med 2018; 378(19): 1767-77 3 Grubmüller B et al.: PSMA ligand PET/MRI for primary prostate cancer: staging performance and clinical impact. Clin Cancer Res 2018; 24(24): 6300-7 4 Mottet N et nal.: EAU-EANM-ESTRO-ESUR-SIOG Guidelines on Prostate Cancer-2020 Update. Part 1: Screening, Diagnosis, and Local Treatment with Curative Intent. Eur Urol 2021; 79(2): 243-62 5 Van den Bos W et al.: Focal therapy in prostate cancer: international multidisciplinary consensus on trial design. Eur Urol 2014; 65(6): 1078-83 6 Lodeizen O et al.: Ablation energies for focal treatment of prostate cancer. World J Urol 2018; 37(3): 409-18 7 Guillaumier S et al.: A multicentre study of 5-year outcomes following focal therapy in treating clinically significant nonmetastatic prostate cancer. Eur Urol 2018; 74(4): 422-9 8 Ward JF, Jones JS: Focal cryotherapy for localized prostate cancer: a report from the national Cryo On-Line Database (COLD) Registry. BJU Int 2012; 109(11): 1648-54 9 Onik G et al.: Irreversible electroporation: implications for prostate ablation. Technol Cancer Res Treat 2007; 6(4): 295-300 10 Van den Bos W, Scheltema MJ: Focal irreversible electroporation as primary treatment for localized prostate cancer. BJU Int 2018; 121(5): 716-24 11 Scheltema MJ et al.: Pair-matched patient-reported quality of life and early oncological control following focal irreversible electroporation versus robot-assisted radical prostatectomy. World J Urol 2018; 36(9): 1383-9 12 Madersbacher S et al.: Effect of high-intensity focused ultrasound on human prostate cancer in vivo. Cancer Res 1995; 55(15) 3346-51 13 Albisinni S et al.: Focal treatment for unilateral prostate cancer using HIFU: a comprehensive study of pooled data. J Endourol 2018; 32(9): 797-804 14 Ahmed HU et al.: Focal therapy for localized prostate cancer: a phase I/II trial. J Urol 2011; 185 (4): 1246-54
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