Urothelkarzinom – neue Optionen bei NMIBC und MIBC
Bericht:
Mag. Dr. Anita Schreiberhuber
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Für Patienten mit nichtmuskelinvasivem Blasenkarzinom werden zunehmend alternative Therapieoptionen verfügbar. Beim muskelinvasiven Blasenkarzinom erweisen sich Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC) als vielversprechende Entwicklung.
Keypoints
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Beim nichtmuskelinvasiven Blasenkarzinom konnte Pembrolizumab bei tolerablem Nebenwirkungsprofil gute Ergebnisse erzielen, während Atezolizumab nicht so erfolgreich war.
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Neue Applikationssysteme dürften eine verbesserte Verträglichkeit von Substanzen wie Erdafitinib und Gemcitabin bringen.
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Resultate für die Kombination Enfortumab Vedotin + Pembrolizumab sprechen für die First Line beim lokal fortgeschrittenen/metastasierten MIBC.
Nichtmuskelinvasives Blasenkarzinom
Bei Patienten mit NMIBC und intermediärem (IR) oder hohem (HR) Risiko hat die intravesikale Therapie mit Bacillus Calmette-Guérin (BCG) in den EAU-Guidelines nach einer transurethralen Blasenresektion (TURB) eine IA-Empfehlung.1 Die meisten Patienten sprechen initial auf BCG an, eine Rezidivierung ist jedoch häufig. Effektive intravesikale Therapiealternativen sind daher nötig.2 Zudem gibt es Patienten, die für eine RC, den Standard of Care (SOC) bei Unresponsiveness auf BCG, aufgrund von Komorbiditäten oder des Alters ungeeignet sind, oder solche die diese verweigern. Eine „BCG-Unresponsiveness“ trotz adäquat durchgeführter BCG-Therapie ist definiert als persistierendes oder rezidivierendes Carcinoma in situ (CIS) oder Progression zu einem Stadium Ta/T1 innerhalb von 12 Monaten, ein rezidivierendes Stadium Ta/T1 innerhalb von 6 Monaten nach Beendigung der BCG-Therapie oder ein Stadium T1a bei der ersten Evaluierung nach der BCG-Induktion.4 Der potenzielle Benefit einer RC wiederum muss im Rahmen einer gemeinsamen Entscheidungsfindung im Arzt-Patienten-Gespräch gegen die damit assoziierte Morbidität und Beeinträchtigung der Lebensqualität abgewogen werden.1
Dr. Daher Cezar Chade, Hospital Sírio-Libanês, São Paulo, Brasilien, zitierte eine von ihm und seiner Arbeitsgruppe im Jahr 2010 publizierte Untersuchung zur Assoziation zwischen Response und Prognose. Dieser zufolge korreliert das Ansprechen auf BCG signifikant mit der Progression zu einem Stadium ≥ cT1 oder der Notwendigkeit für eine RC.3
Immuntherapie (IO) bei HR NMIBC
Es konnte gezeigt werden, dass die Level der PD-L1-Expression mit dem pT-Stadium korrelierten– dies wurde im Rezidiv nach BCG-Versagen beobachtet.5 Basierend darauf, dass die PD-1-Pathway-Aktivierung eine Rolle bei der BCG-Resistenz spielt, wurde die offene, einarmige Phase-II-Studie KEYNOTE-057 mit Pembrolizumab mit 101 NMIBC-Patienten und BCG-Unresponsiveness durchgeführt, die für eine RC ungeeignet waren oder diese abgelehnt hatten. Bei 39 Patienten (41%) wurde eine komplette (CR), bei 56 (58%) eine partielle Response erzielt. Die mediane Dauer der CR belief sich auf 16,2 Monate. Schwere Nebenwirkungen (AE) wurden nur bei 13 Patienten (13%) dokumentiert. Pembrolizumab zeigte also eine vielversprechende Antitumoraktivität bei tolerablem AE-Profil.6 Dagegen fielen die Ergebnisse zu Atezolizumab nicht so erfolgreich aus – der für die Wirksamkeit präspezifizierte Schwellenwert wurde nicht erreicht und muss im Kontext mit dem nicht unbeträchtlichen AE-Risiko betrachtet werden.7
FGFR-Inhibition: Erdafitinib
Alterationen in den Genen Fibroblast Growth Factor Receptor (FGFR) 3/2 finden sich bei 60–70% der Patienten mit niedrigem Risko (LR) NMIBC und bei ≥30% der Patienten mit papillären HR NMIBC.8,9
In Kohorte 1 der Phase-III-Studie THOR-2 wurde der FGFR-Inhibitor Erdafitinib an Patienten mit papillären FGFR+ HR NMIBC (n=72) untersucht, für die eine RC nicht infrage kam. Sie wurden im Verhältnis 2:1 zu Erdafitinib bzw. intravesikaler Chemotherapie (CTx), Mitomycin C oder Gemcitabin nach Wahl des Prüfarztes randomisiert. Primärer Endpunkt war das rezidivfreie Überleben (RFS). Nach einem medianen Follow-up (mFU) von 13,4 Monaten war das mRFS unter Erdafitinib noch nicht erreicht. Im CTx-Arm war es 11,6 Monate (p=0,0008), was einer Risikoreduktion für eine Rezidivierung von 72% gleichkommt (HR: 0,28). Der Benefit unter Erdafitinib war in allen Subgruppen – BCG Responder vs. Nichtresponder bzw. Tumorstadium Ta vs. T1 – konsistent. Nachteil – das AE-Profil von Erdafitinib ist beträchtlich: 100% der Patienten hatten AE, davon wurden 38,8 vs. 17,4% als Grad 3/4 eingestuft. Eine schwerwiegende Erdafitinib-assoziierte Retinopathie wurde bei 19 Patienten beobachtet; diese klang bei 11 wieder ab. Die initiale Dosis von 8mg Erdafitinib/Tag musste aufgrund von Intolerabilität auf 6mg reduziert werden. Um die Toxizitäten zu limitieren, sind neue lokale Applikationsmechanismen erforderlich.10
Intravesikaler Applikationsmodus
Aktuell wird TAR-210, ein Applikationssystem, bei dem Erdafitinib kontinuierlich über einen Harnkatheter für 3 Monate intravesikal instilliert wird, im Rahmen einer offenen Phase-I-Studie untersucht. Erste Interimsergebnisse zeigen vielversprechende klinische Aktivität bei guter Tolerabilität.11 Ermutigend sind auch die Ergebnisse aus Kohorte 2 der Phase-IIb-Studie SunRISe, in der das TAR-200-System eine wiederholte intravesikale Applikation von Gemcitabin bei HR-NMIBC-Patienten ohne Response auf BCG untersucht wird: Eine CR wurde gemäß Beurteilung durch ein verblindetes, unabhängiges, zentrales Reviewkomitee bei 76,7% und gemäß Beurteilung durch die Prüfärzte bei 80,0% der Patienten erzielt. Bislang musste bei keinem der Patienten mit einer CR eine RC durchgeführt werden.12
Muskelinvasives Blasenkarzinom
Für die Therapie des lokal fortgeschrittenen/metastasierten MIBC (la/mMIBC) sind bereits mehrere Checkpointinhibitoren zugelassen. Avelumab ist die einzige Substanz, die für Patienten nach dem Erzielen einer ≥ Stable Disease unter 4–6 Zyklen einer platinbasierten CTx als Erstlinien(1L)-Erhaltungstherapie als SOC empfohlen wird.13 „Dafür kommen allerdings nur ca. 50% der platintherapierten MIBC-Patienten infrage“, merkte Prof. Dr. Thomas Powles, Barts Cancer Centre, an, „mit den ADC wurde jedoch ein neues Kapitel in der Therapie aufgeschlagen.“
Als erste Substanz dieser Klasse wurde in Europa im April 2022 Enfortumab Vedotin (EV) für la/mMIBC-Patienten zugelassen, die zuvor eine platinhaltige CTx und einen PD-1- oder PD-L1-Inhibitor erhalten haben.14,15 In der offenen Phase-III-Zulassungsstudie EV-301 wurde die signifikante Überlegenheit von EV im Gesamtüberleben (OS; primärer Endpunkt) vs. eine CTx nach Wahl des Prüfarztes nachgewiesen. Das mediane OS war 12,88 vs. 8,97 Monate (HR: 0,70; p=0,001). Die Inzidenz von therapieassoziierten AE und von AE ≥Grad 3 war zwischen den Gruppen vergleichbar.16 EV wurde in verschiedenen Kombinationen untersucht. Z.B. wurde in der offenen Studie EV-302/KEYNOTE-A39 an zuvor unbehandelten la/mMIBC-Patienten gezeigt, dass der Zusatz von Pembrolizumab zu EV vs. eine CTx mit einer Verdoppelung des progressionsfreien Überlebens einhergeht. Dieses betrug 12,5 vs. 6,3 Monate (HR: 0,45; p<0,00001). Auch das OS war nach einem mFU von 17,2 Monaten beinahe doppelt so lang wie unter der CTx (31,5 vs. 16,1 Monate; HR: 0,47; p<0,00001), und dies unabhängig vom PD-L1-Expressionsstatus (Abb. 1). AE unter der Kombination waren im Allgemeinen managebar.17 „Diese Ergebnisse sprechen für EV + Pembrolizumab als potenziellen neuen SOC in der First Line bei la/mMIBC“, so Powles.
Abb. 1: Gesamtüberleben in der Studie EV-302/KEYNOTE-A39 (modifiziert nach Powles T et al.: ESMO 2023)17
Auch die präliminären Ergebnisse der ersten Studie zur dualen Gabe von ADC bei MIBC DAD (duale ACD) sind vielversprechend. Unter der Kombination EV + Sacituzumab Govitecan (SG) bei Patienten, die ≥2 Vortherapien erhalten hatten, wurde eine objektive Responserate von 70% erzielt. Unter der Kombination wurden vs. die EV- bzw. SG-Monotherapie keine neuen Sicherheitssignale festgestellt. DAD ist die erste Studie bei Malignomen, in der die sichere Gabe von zwei ADC gezeigt wurde.18 Weitere Studien zur Untersuchung von EV und SG alleine oder in Kombination mit IO laufen, darunter die Phase-III-Studie VOLGA zur Untersuchung von Durvalumab + Ipilimumb + EV bei Cisplatin-ungeeigneten Patienten. Erste Ergebnisse aus der Run-in-Sicherheitsphase sprechen für eine Fortsetzung der Prüfung der Triplette.19
Quelle:
Session „Bladder Cances – Controversies and Frontiers“ am 15. Dezember im Rahmen der Veranstaltung „Visiting Professorships & 9th Michael J. Marberger Meeting“,13.–18. Dezember, Wien
Literatur:
1 Gontero P et al.: EAU-Gudelines NMIBC (TaT1 und CIS), 2023 https://d56bochluxqnz.cloudfront.net/documents/full-guideline/EAU-Guidelines-on-Non-muscle-Invasive-Bladder-Cancer-2023_2023-03-10-101110_jued.pdf (zugriff: 13. Jänner 2024) 2 Kamat AM et al.: BCG-unresponsive non-muscle-invasive bladder cancer: recommendations from the IBCG. Nat Rev Urol 2017; 14(4): 244-55 3 Chade DC et al.: Clinical outcomes of primary bladder carcinoma in situ in a contemporary series. J Urol 2010; 184(1): 74-80 4 Guidance: BCG-Unresponsive NMIBC. https://www.fda.gov/media/101468/download (Zugriff: 13. Jänner 2024) 5 Inman BA et al.: PD-L1 (B7-H1) expression by urothelial carcinoma of the bladder and BCG-induced granulomata: associations with localized stage progression. Cancer 2007; 109(8): 1499-505 6 Balar AV et al.: Pembrolizumab monotherapy for the treatment of high-risk non-muscle-invasive bladder cancer unresponsive to BCG (KEYNOTE-057): an open-label, single-arm, multicentre, phase 2 study. Lancet Oncol 2021; 22(7): 919-30 7 Black PC et al.: Phase 2 Trial of atezolizumab in bacillus Calmette-Guérin-unresponsive high-risk non-muscle-invasive bladder cancer: SWOG S1605. Eur Urol 2023; 84(6): 536-44 8 Knowles MA, Hurst CD: Molecular biology of bladder cancer: new insights into pathogenesis and clinical diversity. Nat Rev Cancer 2015; 15(1): 25-41 9 Montes-Mojarro IA et al.: Multiparametric classification of non-muscle invasive papillary urothelial neoplasms: combining morphological, phenotypical, and molecular features for improved risk stratification. Int J Mol Sci 2022; 23(15): 8133 10 Catto J et al.: Erdafitinib in BCG-treated high-risk non-muscle-invasive bladder cancer. Ann Oncol 2024; 35(1): 98-106 11 Vilaseca A et al.: ESMO 2023; Abstract #LBA104 12 Necchi A et al.: ESMO 2023; Abstract #LBA105 13 Witjes JA et al.: EAU-Guidelines on MIBC, 2023. https://d56bochluxqnz.cloudfront.net/documents/full-guideline/EAU-Guidelines-on-Muscle-Invasive-Bladder-Cancer-2023_2023-03-14-145913_jsen.pdf (Zugriff: 13. Jänner 2024) 14 https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/EPAR/padcev#ema-inpage-item-authorisation-details (Zugriff: 13. Jänner 2023) 15 Fachinformation Enfortumab Vedotin, Stand: Mai 2023 16 Powles T et al.: Enfortumab vedotin in previously treated advanced urothelial carcinoma. N Engl J Med 2021; 384(12): 1125-35 17 Powles T et al.: ESMO 2023; Abstract #LBA6 18 Mc Gregor BA et al.: ESMO 2023; Abstract #2360O 19 Powles T et al.: EMUC 2022; Poster LB166
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