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Pilzinfektionen von Haut und Nägeln korrekt diagnostizieren
Jatros
30
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15.03.2018
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<p class="article-intro">Tinea pedis und Tinea unguium gelten als Volkskrankheiten und sind klinisch relativ einfach zu diagnostizieren. Schwieriger ist das bei Dermatophytosen an anderen Körperstellen. Goldstandard bei der Diagnose sind nach wie vor Direktpräparat und Kultur. Dr. Martin Köberle, Biochemiker und Leiter des Labors Dermatoinfektiologie an der Technischen Universität München, gibt hilfreiche Tipps, um die Diagnostik zu erleichtern.</p>
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<p class="article-content"><p>Mykosen der Haut werden am häufigsten durch Dermatophyten ausgelöst, seltener durch Hefen oder Schimmelpilze. Der Begriff „Dermatophytose“ – zusammengesetzt aus den griechischen Wörtern für Haut (τὸ δέρμα) und Pflanze (φυτόν) – ist ebenso wie die englische Bezeichnung ringworm oder die lateinische Bezeichnung Tinea für Holzwurm oder Motte eine falsche Bezeichnung, denn Pilze sind weder Pflanzen noch Tiere. Der Begriff Tinea soll ursprünglich für Dermatophyteninfektionen am Kopf verwendet worden sein, weil die Kopfhaut wie von Motten zerfressen aussieht. Pilze sind aerobe Organismen, die auf organischem Material in Kolonien wachsen – in diesem Falle auf dem Keratin von Haut, Haaren und Nägeln. Mit keratolytischen Enzymen wie Hydrolase und Keratinase lösen sie das Keratin enzymatisch auf und können so Haut, Haare und Nägel befallen.<br /> Es gibt schätzungsweise mehr als 100 000 verschiedene Pilzarten, von denen jedoch nur rund 300 pathogen sind. 90 % aller Mykosen werden durch weniger als 12 Pilz-Spezies verursacht. Für Dermatomykosen sind die Gattungen Trichophyton, Mikrosporon und Epidermophyton verantwortlich und je nach Übertragungsweg unterscheidet man antropophile, zoophile und geophile Dermatophyten. Den Übertragungsweg zu kennen ist auch diagnostisch hilfreich: So sind bei Kindern zoophile Erreger am häufigsten, weshalb man in der Anamnese nach entsprechenden Kontakten fragen sollte – zum Beispiel ob das Kind eine Katze hat, Meerschweinchen oder andere Nagetiere. Die antropophilen Pilze als Erreger der Tinea pedis und der Onychomykose werden dagegen durch Familienmitglieder im eigenen Badezimmer übertragen oder in Gemeinschaftseinrichtungen wie Sportstätten, Hotels oder Moscheen. Dermatomykosen durch geophile Dermatophyten kommen selten vor, zum Beispiel in Form einer Tinea manus durch eine Infektion mit Microsporum gypseum bei der Gartenarbeit.<br /> „Hautmykosen sind ein weit verbreitetes Problem“, sagt Dr. Martin Köberle, Leiter des Labors Dermatoinfektiologie an der Dermatologie am Biederstein des Klinikums rechts der Isar (Technische Universität München). Die Sporen der Pilze seien ubiquitär verbreitet und deshalb könne man sich jederzeit anstecken. „Seit einigen Jahren bringen Patienten außerdem vermehrt Dermatophyten mit, die bei uns kaum vorkommen, wie Trichophyton violaceum oder Microsporum audouinii“, so Köberle.</p> <h2>Mokassins und „two-feet-one-hand“</h2> <p>Die häufigste Hautmykose, die Tinea pedis, beginnt als Tinea interdigitalis meist im Zehenzwischenraum mit hyperkeratotischen, entweder trockenen, schuppenden oder eher feuchten, mazerierten, erosiven Läsionen. Das Stratum corneum der Epidermis wird zerstört, es kommt zu Mazeration, Erosion und Rhagaden. Es juckt zunächst mäßig, später kann es wegen der Rhagaden brennen und schmerzen. Beim hyperkeratotischen Typ breitet sich die Infektion plantar, medial und lateral auf Fußkanten und Fußrücken aus, was auch als „Mokassin-Form“ oder Tinea lamellosa sicca bezeichnet wird. Als dritten Typ bezeichnet man die entzündliche vesikulobullöse oder dishydrotische Tinea pedis, entweder plantar im Fußgewölbe oder medial an der Fußkante, klassischerweise mit oberflächlichen, juckenden Bläschen auf entzündlich gerötetem Grund. Wegen dieser unterschiedlichen Klinik muss man differenzialdiagnostisch an hyperkeratotische Ekzeme oder Psoriasis denken. Andersherum sollte man bei Verdacht auf diese Diagnosen an Händen oder Füßen an eine Dermatophytose denken und die entsprechende Diagnostik einleiten. Neben Schuhen gibt es für Tinea pedis noch eine Reihe anderer prädisponierender Faktoren (Tab. 1). Besonders bei älteren Patienten mit Tinea pedis kann es als Folge einer Autoinokulation und mangelnder Hygiene zu einer Tinea inguinalis und/oder Tinea glutealis kommen. Eine Pilzerkrankung im Genitalbereich kann aber auch sexuell übertragen werden. Eine Dermatophytose an den Händen (Tinea manus, Abb. 1) tritt selten auf. Beobachtet wird dies bei ebenfalls ungenügender Hygiene im Rahmen eines „Two-feet-onehand“- Syndroms: Die Betroffenen schneiden und feilen ihre Fußnägel und übertragen die Pilze auf die Hände. Meist ist die linke Hand häufiger betroffen, weil sie eher mit den mykotisch infizierten Zehen in Kontakt kommt, während die rechte Hand schneidet und feilt. Auch wenn an der einen Hand keine sichtbaren Zeichen einer Tinea manus zu erkennen sind, kann diese subklinisch befallen sein. Differenzialdiagnostisch müssen dyshidrosiforme Hand- und Fußekzeme sowie ein kumulativ- subtoxisches oder allergisches Kontaktekzem ausgeschlossen werden, ebenso eine Psoriasis palmoplantaris.<br /> Verdickte, brüchige Nägel mit gelbbraunen, streifigen Verfärbungen und Onycholyse sind verdächtig in Hinsicht auf eine Onychomykose. Bei proximalem subungualem Befall sollte gezielt nach einer HIV-Infektion gesucht werden, denn daran erkranken häufiger immunsupprimierte Patienten. Nur aufgrund der Klinik lässt sich eine Tinea unguium nicht diagnostizieren, denn viele andere Erkrankungen können ähnlich aussehen: zum Beispiel Nagelpsoriasis, Lichen ruber unguium, bakterielle Infektionen mit Pseudonomaden, traumatische Nageldystrophien und subunguale Tumoren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1801_Weblinks_s22_tab1_korr.jpg" alt="" width="686" height="969" /> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1801_Weblinks_s22_abb1.jpg" alt="" width="783" height="867" /></p> <h2>Oft übersehen: Tinea incognita</h2> <p>Dermatophytosen der Haut, zum Beispiel des Rumpfes (Tinea corporis), zeichnen sich typischerweise durch ein randbetontes, schuppendes Erythem mit zentraler Abblassung und zentrifugaler Ausbreitung aus. Sind die Effloreszenzen asymmetrisch verteilt und zeigen sich Satellitenherde, kann dies auf eine infektiöse Genese hinweisen. Differenzialdiagnostisch kommen Dermatosen infrage, die Rundherde bilden, wie Psoriasis vulgaris, ein nummuläres Ekzem, Impetigo contagiosa, Pityriasis rosea, Erythema chronicum migrans oder Erythema anulare centrifugum. Verursacht wird eine Tinea corporis wie die Tinea pedis in den meisten Fällen durch Trichophyton rubrum und seltener durch die ebenfalls anthropophile Art Trichophyton interdigitale, bei Kindern und Jugendlichen allerdings am häufigsten durch zoophile Dermatophyten (Tab. 2). Infektionsquelle sind Haustiere wie Meerschweinchen, Hamster, Mäuse, Kaninchen oder Frettchen. Vor allem bei älteren Patienten mit Tinea unguium und Tinea pedis kann sich sekundär eine Tinea corporis am Körperstamm und manchmal im Gesicht oder am behaarten Kopf entwickeln. Sie kommt zum Beispiel am Bauch vor, an den Flanken, im Glutealbereich, in der perianalen Region, an den Leisten oder selten an den Extremitäten. Menschen mit Diabetes mellitus, einer im höheren Alter trockenen Haut oder manchmal auch Patienten mit Morbus Cushing sind prädisponiert für eine sekundäre Hautpilzerkrankung. Die randbetonten erythosquamösen Läsionen werden fälschlicherweise oft als atopisches, mikrobielles oder nummuläres Ekzem, eine Psoriasis vulgaris oder ein Kontaktekzem gedeutet und nicht als Dermatophytose. Dieser Zustand wird Tinea incognita genannt. Hellhörig sollte man werden, wenn unter einer antientzündlichen Therapie mit topischen Kortikoiden Erythem und Schuppung zurückgehen, aber sich die deutlich blassere Läsion trotzdem langsam weiter ausbreitet.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1801_Weblinks_s22_tab2.jpg" alt="" width="1419" height="1087" /></p> <h2>Reichlich Hautschuppen und Nägelspäne</h2> <p>Als Trichophyton-rubrum-Syndrom bezeichnet man eine chronische generalisierte Dermatophytose. Per definitionem sollten mindestens vier Stellen am Körper betroffen sein: Füße plantar, Hände plantar, Nägel und eine andere Lokalisation am Integument. Eine Dermatophytose im Gesicht tritt bei Erwachsenen selten auf. Die Tinea faciei (Abb. 4) äußert sich durch erythematöse, randbetonte, zentrifugal wachsende Herde mit diskreter Schuppung, oft an Wangen, Augenlidern und Brauen, manchmal submandibulär. Auch hier kommen diverse Differenzialdiagnosen infrage, unter anderem Ekzeme, periorale Dermatitis, Psoriasis, Lupus erythematodes oder Rosacea. Ausgelöst wird die Tinea faciei bei Erwachsenen in der Regel durch Trichophyton rubrum und fast immer im Rahmen einer Autoinokulation bei gleichzeitig bestehender Tinea pedis, während bei Kindern zoophile Dermatopyhten als Ursache im Vordergrund stehen (Abb. 3 und 4). Eine Pilzinfektion am Kopf (Tinea capitis, Abb. 2) ist die häufigste Dermatophyteninfektion bei Kinden und tritt meist im Alter von 5–6 Jahren auf. Isoliert werden auch hier meist zoophile Dermatophyten, die zu einem Tropismus für behaarte Körperbereiche neigen. Bei Erwachsenen ist die Diagnose ungewöhnlich, kann aber vor allem bei älteren Menschen im Rahmen einer sekundären Infektion im Sinne einer Tinea corporis oder Tinea faciei oder infolge von Autoinokulation bei Tinea pedis und Onychomykose entstehen.<br /> Bei Verdacht auf eine Dermatomykose wird Material für ein Direktpräparat und eine Kultur entnommen, entweder aus dem Randbereich der Läsion, von subungual oder bei der Leukonychia trichophytica von der Nageloberfläche. „Probenmaterial sollte man immer vom Rand der Läsion nehmen, wo noch vitale Pilzbestandteile vorhanden sind“, sagt Dr. Köberle. „Und die Probe sollte möglichst vor der antimykotischen Behandlung genommen werden, denn sonst kann es sein, dass sich nichts mehr anzüchten lässt.“ Man solle versuchen, reichlich Hautschuppen und Nagelspäne zu bekommen. Abstriche seien dagegen kaum geeignet. „Denn die Pilze sitzen ja in der Haut beziehungsweise im Nagel“, so Dr. Köberle. „Außerdem erlauben diese Materialien auch schnelle Vorbefunde durch Nativpräparate oder PCRDiagnostik.“ Die Stelle für die Probenentnahme solle man vorher gut säubern und desinfizieren, um Anflugkontaminationen mit Schimmelpilzen und bakterielle Kontaminationen zu vermeiden. Das Direktpräparat wird mit einer Lauge, zum Beispiel mit Kaliumhydroxid (KOH), mazeriert, manchmal mit einem Fluoreszenzfarbstoff gefärbt und dann unter dem Mikroskop untersucht. Gesucht wird nach den schlauchartigen, fast immer septierten Hyphen. Um die Sensitivität der Diagnose zu erhöhen, und auf jeden Fall vor einer systemischen Therapie legt man eine Kultur an, wobei die Resultate in der Regel erst nach vier Wochen zu erwarten sind. Doch trotzdem bleiben einige falsch negative Resultate, weshalb bei bestehendem klinischem Verdacht eine histologische Untersuchung mit PAS-Färbung zu erwägen ist. Die ist zwar etwas teurer, aber sensitiver und schneller. Die Kultur bleibt jedoch Goldstandard, denn die Histologie sagt nichts über die Vitalität der Erreger aus und kann sie nicht spezifizieren. Die molekulare Diagnostik ist ebenfalls schnell und sensitiv, ist aber teurer als Direktpräparat und Kultur und wird daher nicht routinemäßig eingesetzt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1801_Weblinks_s22_abb2.jpg" alt="" width="783" height="867" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1801_Weblinks_s22_abb3_4.jpg" alt="" width="1417" height="764" /></p> <h2>Therapie</h2> <p>Die Behandlung richtet sich nach klinischem Bild und Erreger. Wenig ausgedehnte Tineaformen, die Tinea pedis interdigitalis und die Tinea pedis vesiculosa, können topisch mit Terbinafin oder Imidazolen behandelt werden. Eine systemische Therapie ist indiziert bei ausgedehnten Formen, bei Tinea lamellosa sicca, Formen mit Follikelbefall (zum Beispiel Tinea capitis) und bei Tinea unguium mit Matrixbefall. Auch wenn eine Lokaltherapie nicht wirkt, starke entzündliche Reaktionen auftreten oder der Patient immunsupprimiert ist, kommt eine systemische Behandlung infrage. Hier zeigt Terbinafin die höchste mykologische und klinische Heilungsrate. Spricht eine Tinea unguium nicht auf die Behandlung an, kann dies an einem lateralen Befall, einer ausgeprägten Hyperkeratose oder einem Dermatophytom liegen. Dann muss man die betroffenen Nagelanteile entfernen, entweder mittels atraumatischer Nagelteilavulsion oder durch Keratolyse mit 40 % igem Harnstoff unter Okklusion. Die Rezidivprophylaxe von Fußpilz muss auch die Desinfektion der Schuhe beinhalten, denn die Pilzelemente können hier länger als 6 Monate überleben. Der Therapieerfolg lässt sich deutlich erhöhen, wenn man einige „Stolpersteine“ beachtet (Tab. 3). Tinea-Infektionen der Haut sollten innerhalb von Wochen, solche der Nägel nach drei Monaten auf die Therapie ansprechen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1801_Weblinks_s22_tab3.jpg" alt="" width="686" height="1058" /></p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>• Borelli S, Lautenschlager S: Therapeutische Umschau 2016; 73: 457-461 • Nenoff C, Krüger P: Akt Dermatol 2012; 38: 347-359 • Nenoff C, Krüger P: Akt Dermatol 2012; 38: 432-441</p>
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