© Getty Images/iStockphoto

Dermatomykosen

Pilzinfektionen von Haut und Nägeln korrekt diagnostizieren

<p class="article-intro">Tinea pedis und Tinea unguium gelten als Volkskrankheiten und sind klinisch relativ einfach zu diagnostizieren. Schwieriger ist das bei Dermatophytosen an anderen Körperstellen. Goldstandard bei der Diagnose sind nach wie vor Direktpräparat und Kultur. Dr. Martin Köberle, Biochemiker und Leiter des Labors Dermatoinfektiologie an der Technischen Universität München, gibt hilfreiche Tipps, um die Diagnostik zu erleichtern.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Mykosen der Haut werden am h&auml;ufigsten durch Dermatophyten ausgel&ouml;st, seltener durch Hefen oder Schimmelpilze. Der Begriff &bdquo;Dermatophytose&ldquo; &ndash; zusammengesetzt aus den griechischen W&ouml;rtern f&uuml;r Haut (&tau;ὸ &delta;έ&rho;&mu;&alpha;) und Pflanze (&phi;&upsilon;&tau;ό&nu;) &ndash; ist ebenso wie die englische Bezeichnung ringworm oder die lateinische Bezeichnung Tinea f&uuml;r Holzwurm oder Motte eine falsche Bezeichnung, denn Pilze sind weder Pflanzen noch Tiere. Der Begriff Tinea soll urspr&uuml;nglich f&uuml;r Dermatophyteninfektionen am Kopf verwendet worden sein, weil die Kopfhaut wie von Motten zerfressen aussieht. Pilze sind aerobe Organismen, die auf organischem Material in Kolonien wachsen &ndash; in diesem Falle auf dem Keratin von Haut, Haaren und N&auml;geln. Mit keratolytischen Enzymen wie Hydrolase und Keratinase l&ouml;sen sie das Keratin enzymatisch auf und k&ouml;nnen so Haut, Haare und N&auml;gel befallen.<br /> Es gibt sch&auml;tzungsweise mehr als 100 000 verschiedene Pilzarten, von denen jedoch nur rund 300 pathogen sind. 90 % aller Mykosen werden durch weniger als 12 Pilz-Spezies verursacht. F&uuml;r Dermatomykosen sind die Gattungen Trichophyton, Mikrosporon und Epidermophyton verantwortlich und je nach &Uuml;bertragungsweg unterscheidet man antropophile, zoophile und geophile Dermatophyten. Den &Uuml;bertragungsweg zu kennen ist auch diagnostisch hilfreich: So sind bei Kindern zoophile Erreger am h&auml;ufigsten, weshalb man in der Anamnese nach entsprechenden Kontakten fragen sollte &ndash; zum Beispiel ob das Kind eine Katze hat, Meerschweinchen oder andere Nagetiere. Die antropophilen Pilze als Erreger der Tinea pedis und der Onychomykose werden dagegen durch Familienmitglieder im eigenen Badezimmer &uuml;bertragen oder in Gemeinschaftseinrichtungen wie Sportst&auml;tten, Hotels oder Moscheen. Dermatomykosen durch geophile Dermatophyten kommen selten vor, zum Beispiel in Form einer Tinea manus durch eine Infektion mit Microsporum gypseum bei der Gartenarbeit.<br /> &bdquo;Hautmykosen sind ein weit verbreitetes Problem&ldquo;, sagt Dr. Martin K&ouml;berle, Leiter des Labors Dermatoinfektiologie an der Dermatologie am Biederstein des Klinikums rechts der Isar (Technische Universit&auml;t M&uuml;nchen). Die Sporen der Pilze seien ubiquit&auml;r verbreitet und deshalb k&ouml;nne man sich jederzeit anstecken. &bdquo;Seit einigen Jahren bringen Patienten au&szlig;erdem vermehrt Dermatophyten mit, die bei uns kaum vorkommen, wie Trichophyton violaceum oder Microsporum audouinii&ldquo;, so K&ouml;berle.</p> <h2>Mokassins und &bdquo;two-feet-one-hand&ldquo;</h2> <p>Die h&auml;ufigste Hautmykose, die Tinea pedis, beginnt als Tinea interdigitalis meist im Zehenzwischenraum mit hyperkeratotischen, entweder trockenen, schuppenden oder eher feuchten, mazerierten, erosiven L&auml;sionen. Das Stratum corneum der Epidermis wird zerst&ouml;rt, es kommt zu Mazeration, Erosion und Rhagaden. Es juckt zun&auml;chst m&auml;&szlig;ig, sp&auml;ter kann es wegen der Rhagaden brennen und schmerzen. Beim hyperkeratotischen Typ breitet sich die Infektion plantar, medial und lateral auf Fu&szlig;kanten und Fu&szlig;r&uuml;cken aus, was auch als &bdquo;Mokassin-Form&ldquo; oder Tinea lamellosa sicca bezeichnet wird. Als dritten Typ bezeichnet man die entz&uuml;ndliche vesikulobull&ouml;se oder dishydrotische Tinea pedis, entweder plantar im Fu&szlig;gew&ouml;lbe oder medial an der Fu&szlig;kante, klassischerweise mit oberfl&auml;chlichen, juckenden Bl&auml;schen auf entz&uuml;ndlich ger&ouml;tetem Grund. Wegen dieser unterschiedlichen Klinik muss man differenzialdiagnostisch an hyperkeratotische Ekzeme oder Psoriasis denken. Andersherum sollte man bei Verdacht auf diese Diagnosen an H&auml;nden oder F&uuml;&szlig;en an eine Dermatophytose denken und die entsprechende Diagnostik einleiten. Neben Schuhen gibt es f&uuml;r Tinea pedis noch eine Reihe anderer pr&auml;disponierender Faktoren (Tab. 1). Besonders bei &auml;lteren Patienten mit Tinea pedis kann es als Folge einer Autoinokulation und mangelnder Hygiene zu einer Tinea inguinalis und/oder Tinea glutealis kommen. Eine Pilzerkrankung im Genitalbereich kann aber auch sexuell &uuml;bertragen werden. Eine Dermatophytose an den H&auml;nden (Tinea manus, Abb. 1) tritt selten auf. Beobachtet wird dies bei ebenfalls ungen&uuml;gender Hygiene im Rahmen eines &bdquo;Two-feet-onehand&ldquo;- Syndroms: Die Betroffenen schneiden und feilen ihre Fu&szlig;n&auml;gel und &uuml;bertragen die Pilze auf die H&auml;nde. Meist ist die linke Hand h&auml;ufiger betroffen, weil sie eher mit den mykotisch infizierten Zehen in Kontakt kommt, w&auml;hrend die rechte Hand schneidet und feilt. Auch wenn an der einen Hand keine sichtbaren Zeichen einer Tinea manus zu erkennen sind, kann diese subklinisch befallen sein. Differenzialdiagnostisch m&uuml;ssen dyshidrosiforme Hand- und Fu&szlig;ekzeme sowie ein kumulativ- subtoxisches oder allergisches Kontaktekzem ausgeschlossen werden, ebenso eine Psoriasis palmoplantaris.<br /> Verdickte, br&uuml;chige N&auml;gel mit gelbbraunen, streifigen Verf&auml;rbungen und Onycholyse sind verd&auml;chtig in Hinsicht auf eine Onychomykose. Bei proximalem subungualem Befall sollte gezielt nach einer HIV-Infektion gesucht werden, denn daran erkranken h&auml;ufiger immunsupprimierte Patienten. Nur aufgrund der Klinik l&auml;sst sich eine Tinea unguium nicht diagnostizieren, denn viele andere Erkrankungen k&ouml;nnen &auml;hnlich aussehen: zum Beispiel Nagelpsoriasis, Lichen ruber unguium, bakterielle Infektionen mit Pseudonomaden, traumatische Nageldystrophien und subunguale Tumoren.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1801_Weblinks_s22_tab1_korr.jpg" alt="" width="686" height="969" />&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1801_Weblinks_s22_abb1.jpg" alt="" width="783" height="867" /></p> <h2>Oft &uuml;bersehen: Tinea incognita</h2> <p>Dermatophytosen der Haut, zum Beispiel des Rumpfes (Tinea corporis), zeichnen sich typischerweise durch ein randbetontes, schuppendes Erythem mit zentraler Abblassung und zentrifugaler Ausbreitung aus. Sind die Effloreszenzen asymmetrisch verteilt und zeigen sich Satellitenherde, kann dies auf eine infekti&ouml;se Genese hinweisen. Differenzialdiagnostisch kommen Dermatosen infrage, die Rundherde bilden, wie Psoriasis vulgaris, ein nummul&auml;res Ekzem, Impetigo contagiosa, Pityriasis rosea, Erythema chronicum migrans oder Erythema anulare centrifugum. Verursacht wird eine Tinea corporis wie die Tinea pedis in den meisten F&auml;llen durch Trichophyton rubrum und seltener durch die ebenfalls anthropophile Art Trichophyton interdigitale, bei Kindern und Jugendlichen allerdings am h&auml;ufigsten durch zoophile Dermatophyten (Tab. 2). Infektionsquelle sind Haustiere wie Meerschweinchen, Hamster, M&auml;use, Kaninchen oder Frettchen. Vor allem bei &auml;lteren Patienten mit Tinea unguium und Tinea pedis kann sich sekund&auml;r eine Tinea corporis am K&ouml;rperstamm und manchmal im Gesicht oder am behaarten Kopf entwickeln. Sie kommt zum Beispiel am Bauch vor, an den Flanken, im Glutealbereich, in der perianalen Region, an den Leisten oder selten an den Extremit&auml;ten. Menschen mit Diabetes mellitus, einer im h&ouml;heren Alter trockenen Haut oder manchmal auch Patienten mit Morbus Cushing sind pr&auml;disponiert f&uuml;r eine sekund&auml;re Hautpilzerkrankung. Die randbetonten erythosquam&ouml;sen L&auml;sionen werden f&auml;lschlicherweise oft als atopisches, mikrobielles oder nummul&auml;res Ekzem, eine Psoriasis vulgaris oder ein Kontaktekzem gedeutet und nicht als Dermatophytose. Dieser Zustand wird Tinea incognita genannt. Hellh&ouml;rig sollte man werden, wenn unter einer antientz&uuml;ndlichen Therapie mit topischen Kortikoiden Erythem und Schuppung zur&uuml;ckgehen, aber sich die deutlich blassere L&auml;sion trotzdem langsam weiter ausbreitet.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1801_Weblinks_s22_tab2.jpg" alt="" width="1419" height="1087" /></p> <h2>Reichlich Hautschuppen und N&auml;gelsp&auml;ne</h2> <p>Als Trichophyton-rubrum-Syndrom bezeichnet man eine chronische generalisierte Dermatophytose. Per definitionem sollten mindestens vier Stellen am K&ouml;rper betroffen sein: F&uuml;&szlig;e plantar, H&auml;nde plantar, N&auml;gel und eine andere Lokalisation am Integument. Eine Dermatophytose im Gesicht tritt bei Erwachsenen selten auf. Die Tinea faciei (Abb. 4) &auml;u&szlig;ert sich durch erythemat&ouml;se, randbetonte, zentrifugal wachsende Herde mit diskreter Schuppung, oft an Wangen, Augenlidern und Brauen, manchmal submandibul&auml;r. Auch hier kommen diverse Differenzialdiagnosen infrage, unter anderem Ekzeme, periorale Dermatitis, Psoriasis, Lupus erythematodes oder Rosacea. Ausgel&ouml;st wird die Tinea faciei bei Erwachsenen in der Regel durch Trichophyton rubrum und fast immer im Rahmen einer Autoinokulation bei gleichzeitig bestehender Tinea pedis, w&auml;hrend bei Kindern zoophile Dermatopyhten als Ursache im Vordergrund stehen (Abb. 3 und 4). Eine Pilzinfektion am Kopf (Tinea capitis, Abb. 2) ist die h&auml;ufigste Dermatophyteninfektion bei Kinden und tritt meist im Alter von 5&ndash;6 Jahren auf. Isoliert werden auch hier meist zoophile Dermatophyten, die zu einem Tropismus f&uuml;r behaarte K&ouml;rperbereiche neigen. Bei Erwachsenen ist die Diagnose ungew&ouml;hnlich, kann aber vor allem bei &auml;lteren Menschen im Rahmen einer sekund&auml;ren Infektion im Sinne einer Tinea corporis oder Tinea faciei oder infolge von Autoinokulation bei Tinea pedis und Onychomykose entstehen.<br /> Bei Verdacht auf eine Dermatomykose wird Material f&uuml;r ein Direktpr&auml;parat und eine Kultur entnommen, entweder aus dem Randbereich der L&auml;sion, von subungual oder bei der Leukonychia trichophytica von der Nageloberfl&auml;che. &bdquo;Probenmaterial sollte man immer vom Rand der L&auml;sion nehmen, wo noch vitale Pilzbestandteile vorhanden sind&ldquo;, sagt Dr. K&ouml;berle. &bdquo;Und die Probe sollte m&ouml;glichst vor der antimykotischen Behandlung genommen werden, denn sonst kann es sein, dass sich nichts mehr anz&uuml;chten l&auml;sst.&ldquo; Man solle versuchen, reichlich Hautschuppen und Nagelsp&auml;ne zu bekommen. Abstriche seien dagegen kaum geeignet. &bdquo;Denn die Pilze sitzen ja in der Haut beziehungsweise im Nagel&ldquo;, so Dr. K&ouml;berle. &bdquo;Au&szlig;erdem erlauben diese Materialien auch schnelle Vorbefunde durch Nativpr&auml;parate oder PCRDiagnostik.&ldquo; Die Stelle f&uuml;r die Probenentnahme solle man vorher gut s&auml;ubern und desinfizieren, um Anflugkontaminationen mit Schimmelpilzen und bakterielle Kontaminationen zu vermeiden. Das Direktpr&auml;parat wird mit einer Lauge, zum Beispiel mit Kaliumhydroxid (KOH), mazeriert, manchmal mit einem Fluoreszenzfarbstoff gef&auml;rbt und dann unter dem Mikroskop untersucht. Gesucht wird nach den schlauchartigen, fast immer septierten Hyphen. Um die Sensitivit&auml;t der Diagnose zu erh&ouml;hen, und auf jeden Fall vor einer systemischen Therapie legt man eine Kultur an, wobei die Resultate in der Regel erst nach vier Wochen zu erwarten sind. Doch trotzdem bleiben einige falsch negative Resultate, weshalb bei bestehendem klinischem Verdacht eine histologische Untersuchung mit PAS-F&auml;rbung zu erw&auml;gen ist. Die ist zwar etwas teurer, aber sensitiver und schneller. Die Kultur bleibt jedoch Goldstandard, denn die Histologie sagt nichts &uuml;ber die Vitalit&auml;t der Erreger aus und kann sie nicht spezifizieren. Die molekulare Diagnostik ist ebenfalls schnell und sensitiv, ist aber teurer als Direktpr&auml;parat und Kultur und wird daher nicht routinem&auml;&szlig;ig eingesetzt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1801_Weblinks_s22_abb2.jpg" alt="" width="783" height="867" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1801_Weblinks_s22_abb3_4.jpg" alt="" width="1417" height="764" /></p> <h2>Therapie</h2> <p>Die Behandlung richtet sich nach klinischem Bild und Erreger. Wenig ausgedehnte Tineaformen, die Tinea pedis interdigitalis und die Tinea pedis vesiculosa, k&ouml;nnen topisch mit Terbinafin oder Imidazolen behandelt werden. Eine systemische Therapie ist indiziert bei ausgedehnten Formen, bei Tinea lamellosa sicca, Formen mit Follikelbefall (zum Beispiel Tinea capitis) und bei Tinea unguium mit Matrixbefall. Auch wenn eine Lokaltherapie nicht wirkt, starke entz&uuml;ndliche Reaktionen auftreten oder der Patient immunsupprimiert ist, kommt eine systemische Behandlung infrage. Hier zeigt Terbinafin die h&ouml;chste mykologische und klinische Heilungsrate. Spricht eine Tinea unguium nicht auf die Behandlung an, kann dies an einem lateralen Befall, einer ausgepr&auml;gten Hyperkeratose oder einem Dermatophytom liegen. Dann muss man die betroffenen Nagelanteile entfernen, entweder mittels atraumatischer Nagelteilavulsion oder durch Keratolyse mit 40 % igem Harnstoff unter Okklusion. Die Rezidivprophylaxe von Fu&szlig;pilz muss auch die Desinfektion der Schuhe beinhalten, denn die Pilzelemente k&ouml;nnen hier l&auml;nger als 6 Monate &uuml;berleben. Der Therapieerfolg l&auml;sst sich deutlich erh&ouml;hen, wenn man einige &bdquo;Stolpersteine&ldquo; beachtet (Tab. 3). Tinea-Infektionen der Haut sollten innerhalb von Wochen, solche der N&auml;gel nach drei Monaten auf die Therapie ansprechen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Derma_1801_Weblinks_s22_tab3.jpg" alt="" width="686" height="1058" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; Borelli S, Lautenschlager S: Therapeutische Umschau 2016; 73: 457-461 &bull; Nenoff C, Kr&uuml;ger P: Akt Dermatol 2012; 38: 347-359 &bull; Nenoff C, Kr&uuml;ger P: Akt Dermatol 2012; 38: 432-441</p> </div> </p>
Back to top