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ERS 2019

Höhere Kindersterblichkeit durch Umweltverschmutzung

<p class="article-intro">Die European Respiratory Society (ERS) wird im Rahmen ihres diesjährigen Kongresses umweltmedizinischen Themen breiten Raum geben. Das beinhaltet auch beunruhigende neue Erkenntnisse. So zeigt eine große epidemiologische Studie eine Assoziation von Luftverschmutzung und erhöhter Kindersterblichkeit.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Eine aktuelle Arbeit liefert konkrete Ergebnisse zur Gef&auml;hrlichkeit einzelner Luftschadstoffe. Untersucht wurden Feinstaub PM<sub>10</sub>, Stickoxid (NO<sub>2</sub>) und Schwefeldioxid (SO<sub>2</sub>).<sup>1</sup> Alleine oder in Kombination sind diese drei Schadstoffe bei Kindern im ersten Lebensjahr mit einer Erh&ouml;hung der Mortalit&auml;t um 20 bis 50 % in den am st&auml;rksten belasteten Regionen im Vergleich zu den am wenigsten belasteten assoziiert. Dabei zeigte die Studie eine dosisabh&auml;ngige Assoziation zwischen den genannten Schadstoffen und sowohl neonatalen als auch postneonatalen Todesf&auml;llen. F&uuml;r die praktischen Konsequenzen sei bedeutsam, dass die genannten Schadstoffe aus unterschiedlichen Quellen stammen, so Dr. Sarah Kotecha von der Cardiff University School of Medicine. W&auml;hrend NO<sub>2</sub> und PM<sub>10</sub> beim Autoverkehr entstehen, ist SO<sub>2</sub> vor allem ein Abfallprodukt aus der Industrie, beispielsweise aus der Verbrennung von Heiz&ouml;l schwer oder aus der Metallherstellung.</p> <p>Die Studie wurde auf Basis von Daten zu 7 984 366 Lebendgeburten durchgef&uuml;hrt, die vom UK&lsquo;s Office for National Statistics in den Jahren 2001 bis 2012 gesammelt wurden. Weiters wurde das Land in einen Raster von 35 000 Arealen mit jeweils 1500 Einwohnern oder 560 Haushalten aufgeteilt. F&uuml;r diese Areale wurden vom UK&rsquo;s Department for Environment, Food and Rural Affairs Daten zur Schadstoffbelastung erhoben und mit den Todesf&auml;llen in den Arealen in Verbindung gesetzt.</p> <p>Die Auswertung ergab in den am st&auml;rksten verschmutzen Arealen eine erh&ouml;hte Gesamtmortalit&auml;t von Kindern im ersten Lebensjahr zwischen 20 und 40 % , wobei die postneonatale Sterblichkeit um 30 bis 50 % erh&ouml;ht war. Die Korrektur der Daten im Hinblick auf bekannte Confounder reduzierte die Risikoerh&ouml;hung erheblich, sie blieb allerdings immer noch signifikant. Und zwar stieg die Mortalit&auml;t von Kindern im ersten Lebensjahr um 7 % f&uuml;r NO<sub>2</sub>, um 4 % f&uuml;r PM<sub>10</sub> und um 19 % f&uuml;r SO<sub>2</sub>. Die neonatale Mortalit&auml;t stiegt durch SO<sub>2</sub> um 21 % , w&auml;hrend NO<sub>2</sub> und PM<sub>10</sub> keinen signifikanten Effekt hatten. Postneonatale Todesf&auml;lle stiegen durch NO<sub>2</sub>, PM<sub>10</sub> und SO<sub>2</sub> jeweils um 11 % , 12 % und 15 % . Als Ursache f&uuml;r die deutliche Erh&ouml;hung der Zahl neonataler Todesf&auml;lle durch SO<sub>2</sub> vermuten die Studienautoren einen Transfer des Schadstoffs durch die Plazenta.</p> <h2><strong>Schlechtere Lungenfunktion durch Exposition in utero</strong></h2> <p>In diese Richtung weisen auch neue Daten aus der britischen Avon Longitudinal Study of Parents and Children (ALSPAC), die zeigen, dass Schadstoffexposition ab dem ersten Trimester der Schwangerschaft mit reduzierter Lungenfunktion des Kindes im sp&auml;teren Leben assoziiert ist.<sup>2</sup> Im Rahmen dieser Studie wird bei Kindern im Alter von 8 und 15 Jahren eine Lungenfunktionsuntersuchung (forciertes exspiratorisches Einsekundenvolumen, FEV<sub>1</sub>, und forcierte Vitalkapazit&auml;t, FVC) durchgef&uuml;hrt. F&uuml;r die aktuelle Studie wurden die Werte im Alter von acht Jahren mit der Feinstaubbelastung (PM<sub>10</sub>) verglichen, denen die M&uuml;tter der Kinder w&auml;hrend der Schwangerschaft ausgesetzt waren. Dabei ergab sich mit jedem Mikrogramm pro Kubikmeter (mg/m<sup>3</sup>) eine signifikante Reduktion der Lungenfunktion um 0,8 % , was einer durchschnittlichen Abnahme von FEV<sub>1</sub> und FVC um 14 bzw. 16 Milliliter im Alter von acht Jahren entspricht. Die Feinstaubbelastung der M&uuml;tter in der Studie schwankte zwischen 0 und 8 mg/m<sup>3</sup> w&auml;hrend der gemessenen Periode. Die Assoziation war bei Buben deutlicher als bei M&auml;dchen, niedriger Bildungsstand der M&uuml;tter und Rauchen w&auml;hrend der Schwangerschaft erh&ouml;hten das Risiko.</p> <p>Die mechanistischen Zusammenh&auml;nge sind bislang noch unklar. Diskutiert wird eine Sch&auml;digung der fetalen Lunge durch oxidativen Stress ebenso wie epigenetische Ver&auml;nderungen. Allerdings enth&auml;lt die Studie auch eine gute Nachricht. Bei Jugendlichen im Alter von 15 Jahren wurde die Assoziation nicht mehr gefunden. Die Autoren halten es f&uuml;r wahrscheinlich, dass die Lunge durch das starke Wachstum in der Pubert&auml;t den in utero entstandenen Nachteil ausgleichen kann.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: European Respiratory Society (ERS) International Congress, 28. September bis 2. Oktober 2019, Madrid </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <ol> <li>Kotecha S et al.: Effects of air pollution on all cause neonatal and post-neonatal mortality: population based study. Presented at ERS 2019, Poster PA297</li> <li>Hansell A et al.: Prenatal, early-life and childhood exposure to air pollution and lung function in the UK Avon Longitudinal Study of Parents and Children (ALSPAC) cohort. Presented at ERS 2019, Abstract OA482</li> </ol> </div> </p>
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