Akute und chronische Wunden
Autorin:
Dr. med. Kerstin Ott
Fachärztin für Chirurgie FMH
Medicinum Zug
Chamerstrasse 54, 6300 Zug
E-Mail: kerstin.ott@medicinum.ch
Allgemeinmediziner werden in allen medizinischen Fachgebieten gefordert, und die Behandlung von Wunden stellt eine Schnittstelle von Chirurgie und Innerer Medizin dar, insbesondere wenn es zur Chronifizierung der Wunde kommt. Eine Herausforderung für den Arzt und die Ärztin ist das Management innerhalb des Praxisbetriebes, und zwar im Hinblick auf zeitliche und materielle Ressourcen, Personal, technisches Know-how und adäquate Vergütung.
Keypoints
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Frühzeitige Diagnostik bei Chronifizierung einer Wunde ist die Basis einer erfolgreichen Behandlung. Die hausärztliche Praxis ist für das gezielte Vorgehen dazu ideal.
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Ein essenzieller Bestandteil in der Wundbehandlung ist die Kombination aus Débridement und Antiseptik in stetiger Wiederholung.
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Ohne flankierende Massnahmen wie die Therapie der zugrunde liegenden Problematik, Ernährung und Schmerzbehandlung ist die Lokalbehandlung kaum erfolgreich.
Hausärzte sind die erste Anlaufstelle bei allen Erkrankungen inklusive der Akutversorgung von Verletzungen. Der grösste Teil aller Fälle wird in der Hausarztpraxis gemanagt. Während die Versorgung akuter Wunden chirurgische Basiskenntnisse voraussetzt, benötigt die Behandlung von chronischen Wunden Kenntnisse aus vielen Fachgebieten. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung sind in der Allgemeinarztpraxis besonders gut. In den schwierigeren und komplexen Fällen stellt die frühzeitige und zielorientiert eingesetzte Diagnostik einen ausschlaggebenden Faktor für die Behandlungsdauer und den Behandlungserfolg dar. Keiner kennt seinen Patienten so gut wie der Hausarzt oder die Hausärztin.
Herausforderung der Wundversorgung bei frischen Verletzungen oder akuten Wunden
Abb. 1: Scharfrandige Schnittwunde am kleinen Finger
Abb. 2: Schema der Schnitterweiterung auf der Streckseite (Bunell-Linien)
Abb. 3: Schema der Schnitterweiterung palmarseits (Bunell-Linien)
Eine einfach scharfrandige Schnittverletzung kann mit ein paar Stichen versorgt werden (Abb.1). Ausgefranste Wundränder werden dabei geglättet. Schwierig wird die Übersicht allenfalls bei Schnittverletzungen der Hand, die den Blick auf Sehnen oder Sehnenscheide nicht ohne Weiteres zulassen. Daher soll man sich nicht scheuen, den Schnitt zu erweitern. Während streckseitig eine einfache Schnittverlängerung durchgeführt werden kann, muss palmarseits die jeweilige Beugefalte umschnitten werden (Abb. 2 und 3). Eine vorhergehende Funktionsprüfung gibt Hinweise, ob allenfalls eine (Teil-)Verletzung der Sehne vorliegen kann. Eine Blutsperre am Finger kann man einfach mit einem abgeschnittenen Finger eines sterilen Handschuhes bewerkstelligen.
Grossflächige kontaminierte Verletzungen und auch Bissverletzungen werden debridiert, lavagiert und ohne Verschluss der Wunde behandelt, ebenso erfolgt auch bei einem Abszessdébridement eine offene Wundbehandlung. Letzteres kann mittels täglichen Ausduschens der Wunde erfolgen. Schweizer Trinkwasser hat eine hohe Qualität und kann in diesen Fällen verwendet werden. Bei Katzenbissverletzung empfiehlt es sich, bereits am Anfang der Behandlung eine antibiotische Therapie zu initiieren. Zudem sollte der Tetanusimpfstatus gecheckt werden. Nach der vollständigen Grundimmunisierung hält der Schutz 20 Jahre an.
Herausforderung bei der Versorgung chronischer Wunden
Patienteneigene und externe Faktoren können die Wundheilung stören. Von einer chronischen Wunde spricht man, wenn innerhalb von drei Monaten keine Wundheilung erfolgt. Typische Ursachen sind Diabetes, Durchblutungsstörungen arterieller und venöser Genese, Autoimmunerkrankungen sowie Malignome. Weitere Störfaktoren sind eine schlechte Ernährungssituation unabhängig vom Körpergewicht. Zudem wird eine Wunde durch extrinsische Faktoren unterhalten. Dabei spielt die Besiedelung mit Bakterien eine besondere Rolle. Das Keimspektrum besteht zunächst aus überwiegend aeroben Bakterien. Je länger die Wunde besteht, umso mehr setzen sich Anaerobier durch («bacterial shift»). Die Bakterien bilden sich zu Konsortien zusammen und schützen sich gegenüber der Umwelt durch eine Polysaccharid-Proteinschicht, den Biofilm, den man auch an allen Grenzflächen zwischen feucht und trocken z.B. im Haushalt beobachten kann. Körpereigene Phagozyten rutschen am Biofilm ab und exprimieren dabei Entzündungsmediatoren. Eine gesteigerte Zytokin- und Proteasenkonzentration sowie bakterielle Enzyme auf der Wunde führen zu einer Schädigung des eigentlich gesunden Wundrandes, wodurch es zur Vergrösserung der Wunde kommt. Daher sind Débridement und Antiseptik essenzielle Bestandteile der Behandlung.
Herausforderung Wundbehandlung
Das mechanische Débridement steht dabei an oberster Stelle. Am besten eigenen sich dafür sterile Einweg-Ringcuretten (Abb. 4). Eine Lokalanästhesie sollte mittels Infiltration oder bei grosser Fläche z.B. mit Xylocaingel erfolgen. Es ist wichtig, dabei an die Abdeckung mit einer Folie zu denken, da das Gel sonst nicht wirkt. EMLA® hat eine relativ lange Einwirkzeit, was eine Herausforderung im Hinblick auf die räumlichen Ressourcen sein kann.
Abb. 4: Techniken des Débridements
Nach dem Entfernen von Nekrosen und Fibrinbelägen kommt die Phase der Antiseptik. Diesbezüglich gab es in der kürzeren Vergangenheit einen Paradigmenwechsel. Lange dachte man Polyvidonjod werde bei hoher Eiweisslast (z.B. Blut) schnell inaktiviert. Neuere Daten belegen nun auch in dieser Situation eine gute Wirksamkeit. Es herrschte auch immer die Meinung vor, Polyhexanid werde nicht resorbiert, hypochloride Lösungen seien nicht zelltoxisch und würden alle den Biofilm aufbrechen. In Studien wird man nun vom Gegenteil überrascht. Trotz allem kommt der Anwendung dieser Substanzen eine grosse Bedeutung zu. Durch die Kombination von wiederholtem Débridement mit Antiseptik kann die pathogene Besiedelung allmählich beherrscht werden.
Herausforderung Verband
In puncto Verbände gibt es ein grosses Angebot auf dem Markt. Moderne Wundauflagen sind alle hydroaktiv, verfügen über eine vertikale Absorption und binden die biologische Last, also das Gemisch aus abgestorbenem Gewebe und Keimen (Bakterien, Viren, Pilze) der Wunde in den Verbänden. Die verschiedenen Produkte unterscheiden sich etwas im Handling und in der Aufnahmekapazität. Heute gibt es viele anwenderfreundliche Kombinationsverbände, also Polyurethanschaumstoffe, Alginate oder Hydroxyzellulosefasern fix kombiniert mit einem Absorptionsverband und Klebeumrandung, meist auf Silikonbasis. Die Silikonhaftränder halten in der Regel gut, wenn die Haut trocken ist und nicht stark schwitzt. Sie sind sehr gut geeignet bei Heftplasterallergie, aber auch in der Langzeitanwendung, da die Polyacrylate in den Klebern von Heftplastern eine Pseudoallergie auslösen können.
Herausforderung Patient
Die Wundbehandlung ist immer eine ganzheitliche Behandlung. Es gilt vor allem der Grunderkrankung Beachtung zu schenken. Dazu gehört beispielsweise die Kompression bei venöser Stauung. Dies ist jedoch leichter gesagt als getan, weil die Kompression von den Patienten nicht selbst gemanagt werden kann oder weil sie den Sinn der Massnahme nicht einsehen. Anziehhilfen und verschiedene Kompressionssysteme können hier hilfreich sein. Arterielle Verschlüsse müssen zunächst rekanalisiert werden.
Der Schmerzbehandlung muss ebenfalls ein besonderes Augenmerk geschenkt werden, zumal dies die Patienten in der Sprechstunde manchmal nicht selbst thematisieren. Viele Patienten brauchen eine Physiotherapie, allenfalls Schuhversorgung, Diätberatung usw. Kurzum, die Behandlung chronischer Wunden erfordert ein komplexes Zusammenspiel von hausärztlicher Praxis, Spitex, Orthopädietechniker, Therapeuten und nicht zuletzt der Familie.
Literatur:
1 Hülsbömer LF et al.: Quantitative und qualitative Evaluation der anti-Biofilm-Wirksamkeit moderner antimikrobieller und antiseptischer Substanzen in einem neuen bakteriellen in-vitro-Biofilm Modell (hpBIOM). Vortrag am Nürnberger Wundkongress 20192 Ledwoch K et al.: Beware biofilm! Dry bio-films containing bacterial pathogens on multiple healthcare surfaces; a multi-centre study. J Hosp Infect 2018; 100: e47-56 3 Ott K et al.: Wundhandbuch. 3. Auflage. Wohlhusen/Sursee: Luzerner Kantonsspital, 2011 4 Streit M et al.: Definition von Wunden: akute und chronische Wunden. Zeitschrift für Wundheilung 2008; (3): 159-66
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