Bempedoinsäure im klinischen Alltag
Autorin:
MUDr. Lýdia Macková
Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie, Abteilung für Innere Medizin I
Kardinal Schwarzenberg Klinikum,
Schwarzach im Pongau
E-Mail: lydia.mackova@ks-klinikum.at
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Mit Bempedoinsäure haben wir eine zusätzliche orale Option für die Patienten, die mit Statinen alleine oder in der Kombination mit Ezetimib ihr individuelles Therapieziel nicht erreichen, und eine orale Alternative bei Statinunverträglichkeit. Die Erfahrungen aus der Lipidambulanz zeigen, dass man bei einzelnen Patienten sogar eine deutlich potentere Wirkung erreichen kann, als man von den Studiendaten her erwarten würde – und das bei gutem Verträglichkeitsprofil.
Keypoints
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Bempedoinsäure ist eine Alternative bei Statinunverträglichkeit und eine zusätzliche Therapieoption, wenn unter Statin alleine oder in Kombination mit Ezetimib das individuelle Therapieziel nicht erreicht wird.
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Laut aktuellen Studien kann man bei Patienten unter maximal tolerierter Statintherapie mit Bempedoinsäure eine zusätzliche LDL-Senkung von bis zu 18% erwarten.
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Bei Patienten mit Statinunverträglichkeit oder unter niedriger Statindosis konnte in der CLEAR-Studie eine LDL-Senkung von bis zu 28% erreicht werden.
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Gemäß klinischen Erfahrungen kann man bei einigen Patientengruppen sogar eine deutlich potentere Wirkung erzielen.
Die effektive Senkung des LDL-Cholesterins spielt eine zentrale Rolle bei der Prävention ischämischer Ereignisse. Aktuelle Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) und der European Atherosclerosis Society (EAS) empfehlen bei Patienten mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko ein LDL-Ziel unter 55mg/dl bei gleichzeitiger Senkung des LDL-Cholesterins um mehr als 50% im Vergleich zum Ausgangswert.1
Zur Gruppe mit sehr hohem kardiovaskulärem Risiko gehören Patienten mit bereits bestehender atherosklerotischer Erkrankung wie koronarer Herzkrankheit (KHK), peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK) und zerebraler arterieller Verschlusskrankheit (ZAVK). Auch Patienten mit Diabetes mellitus Typ2 (T2D) und Endorganschaden, Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz (GFR von <30ml/min) und Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie und mindestens einem weiteren kardiovaskulären Risikofaktor gehören in die Höchstrisikogruppe.1
Die SANTORINI-Studie, eine prospektive Observationsstudie, wurde zwischen März 2020 und Februar 2021 mit der Nachbeobachtungsphase bis Mai 2022 durchgeführt und die Effektivität der aktuellen lipidsenkenden Therapie bei 9602 Patienten mit hohem und sehr hohem kardiovaskulärem Risiko in 14 europäischen Ländern untersucht. Die Ausgangsdaten der Studie zeigen, dass nur 20,1% der Patienten die in den Leitlinien vorgegebenen LDL-Cholesterinziele erreichten.2
Bempedoinsäure
Die Bempedoinsäure ist ein Prodrug, das durch das ACSVL1-Enzym („very long chain Acyl-CoA synthetase1“) aktiviert wird. Dieses Enzym wird hauptsächlich in der Leber exprimiert, wodurch die Bempedoinsäure fast ausschließlich in diesem Organ, nicht aber in den Muskelzellen aktiviert wird. Dadurch wird das Risiko für Muskelbeschwerden durch Bempedoinsäure nicht erhöht. Die aktiven Metaboliten der Bempedoinsäure hemmen das Enzym Adenosintriphosphat-Citrat-Lyase (ACL), was zur Reduktion der Cholesterinbiosynthese führt. Die Reduktion des intrazellulären Cholesteringehalts bewirkt eine vermehrte Expression der hepatischen LDL-Rezeptoren an der Zelloberfläche mit erhöhter Aufnahme des LDL-Cholesterins aus dem Blut.3
Die Effektivität der Bempedoinsäure zur Reduktion des kardiovaskulären Risikos bei Hochrisikopatienten und bei Statinunverträglichkeit wurde in der CLEAR-Outcomes-Studie („Cholesterol Lowering via Bempedoic Acid [ECT1002], an ACL-Inhibiting Regimen“) untersucht. Die ersten Ergebnisse der Studie wurden im März 2023 auf der Jahrestagung der amerikanischen Kardiologengesellschaft (American College of Cardiology) präsentiert. Es wurden insgesamt 13970 Hochrisikopatienten mit Statinunverträglichkeit und LDL-Werten über 100mg/dl eingeschlossen, die entweder Bempedoinsäure oder Placebo erhielten. Die Behandlung mit Bempedoinsäure führte zu einer Reduktion des relativen Risikos im 4-Punkte-MACE (kardiovaskulärer Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskuläre Revaskularisation) von 13%. Nach einer Therapiedauer von 6 Monaten zeigte sich unter Bempedoinsäure-Monotherapie eine LDL-C-Senkung von 21,1% und in der Kombination mit einem hochpotenten Statin eine zusätzliche LDL-C-Senkung von etwa 18%.4
Die Erfahrungen aus der Lipidambulanz zeigen, dass man bei einzelnen Patienten sogar eine deutlich potentere Wirkung bei gutem Verträglichkeitsprofil erreichen kann. Es folgt nun die Vorstellung von zwei Fallbeispielen aus der Hochrisikoambulanz.
Fallbeispiel 1
Im ersten Fall handelt es sich um eine 73-jährige Patientin, die im August 2022 zur geplanten Herzkatheteruntersuchung bei rezidivierender Angina pectoris stationär aufgenommen wurde. An Vorerkrankungen waren eine arterielle Hypertonie und ein Aneurysma der Aorta thoracica vorbekannt. Die Herzkatheteruntersuchung konnte eine koronare Eingefäßerkrankung mit einer intermediären Stenose der proximalen und mittleren LAD(„left anterior descending“)-Arterie nachweisen. Somit wurde die Entscheidung für ein konservatives Vorgehen für die Reduktion der kardiovaskulären Risikofaktoren getroffen (Tab. 1).
Tab. 1: Fallbeispiel 1 – Ausgangswerte und Folgebefunde von 08/2023 und 09/2023
Vormedikation
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Atorvastatin 20mg 0-0-1
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T-ASS 100mg 0-1-0
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Bisoprolol 2,5mg 1-0-0
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Euthyrox 125μg 1-0-0
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Valsartan/HCT 160/12,5mg ½-0-0
Bei neu dokumentierter koronarer Herzerkrankung fällt die Patientin in die Gruppe mit einem sehr hohen kardiovaskulären Risiko und einem LDL-C-Ziel unter 55mg/dl mit einer zusätzlichen Senkung um mehr als 50% im Vergleich zum Ausgangswert. Bei aktuellem LDL-C-Wert von 65mg/dl unter 20mg Atorvastatin wurde die Dosis auf 40mg 1xtgl. erhöht.
Verlauf
Unter Atorvastatin 40mg konnte eine LDL-C-Senkung auf 44mg/dl bei einem Gesamtcholesterin von 102mg/dl erreicht werden. Jedoch entwickelte die Patientin starke Muskelbeschwerden mit Schulter- und Hüftschmerzen beidseits und wurde – im niedergelassenen Bereich – auf Ezetimib/Atorvastatin 10/20mg 1xtgl. und in weiterer Folge auf Rosuvastatin 20mg 1xtgl. umgestellt. Beides brachte keine Besserung der Symptomatik.
Eine Wiedervorstellung erfolgte am 23.8.2023 in unserer Hochrisikoambulanz.
Aktuelle Medikation
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T-ASS 100mg 0-1-0
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Bisoprolol 2,5mg 1-0-0
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Euthyrox 125 μg 1-0-0
Valsartan/HCT 160/12,5mg ½-0-0
Therapievorschlag
Beginn mit Kombinationspräparat Bempedoinsäure/Ezetimib 180/10mg 1xtgl. (Nustendi®)
Unter der Therapie mit Bempedoinsäure hatte die Patientin beim Kontrolltermin am 27.9.2023 keine Muskelbeschwerden mehr. Am Anfang der Therapie klagte sie über vermehrten Hustenreiz, der sich nach einer Woche besserte,zum Zeitpunkt der Kontrolle war kein Husten mehr vorhanden. Im Labor zeigte sich eine deutliche Senkung des LDL-Cholesterins von 98mg/dl auf 53mg/dl (Abb. 1).
Fallbeispiel 2
Beim zweiten Fall handelt es sich um eine 76-jährige Patientin. Auch diese Patientin wurde primär zur geplanten Herzkatheteruntersuchung bei rezidivierender Angina pectoris sowie Belastungsdyspnoe aufgenommen. In der Koronarangiografie zeigte sich eine diffuse Koronarsklerose ohne relevante Stenosen der Herzkranzgefäße. An Vorerkrankungen sind eine Herzinsuffizienz mit geringgradig reduzierter Ejektionsfraktion (EF) und diastolischer Störung Grad III, ein Vorhofflimmern und eine arterielle Hypertonie vorbekannt. Im Labor wurde ein LDL-Wert von 147mg/dl dokumentiert und es erfolgte eine Einstellung auf Ezetimib/Rosuvastatin.
Entlassungsmedikation
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Bisoprolol 5mg ½-0-1
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Euthyrox 50μg 1-0-0
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Apixaban 5mg 1-0-1
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Dapagliflozin 10mg 1-0-0
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Ezetimib/Rosuvastatin 10/20mg 0-0-1
Verlauf
Bei Rosuvastatin-Unverträglichkeit mit starken Muskelschmerzen wurde die Patientin im niedergelassenen Bereich auf Atorvastatin 40mg umgestellt. Auch unter dieser Therapie waren starke Hüft-und Schulterschmerzen fortbestehend. Die Dosisreduktion auf 20mg brachte keine Besserung der Symptomatik.
Eine Vorstellung in unserer Hochrisikoambulanz erfolgte am 2.8.2023.
Aktuelle Medikation
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Bisoprolol 5mg ½-0-1
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Euthyrox 50mcg 1-0-0
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Apixaban 5mg 1-0-1
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Dapagliflozin 10mg 1-0-0
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Atorvastatin 20mg 0-0-1 (abgesetzt)
Therapievorschlag
Beginn mit Kombinationspräparat Bempedoinsäure/Ezetimib 180/10mg 1xtgl. (Nustendi®)
Im September 2023 erfolgte eine Laborkontrolle beim Hausarzt, wobei sich eine eindrucksvolle Senkung des LDL-Cholesterins von 138mg/dl auf 65mg/dl zeigte (Tab. 2). Die Patientin ist beschwerdefrei. Aufgrund des Alters und hämodynamisch nicht signifikanter KHK war dieser Wert zufriedenstellend.
Tab. 2: Fallbeispiel 2 – Ausgangswerte der Laborbefunde von 2/2023, 7/2023 und 9/2023
Literatur:
1 Mach F et al.: 2019 ESC/EAS Guidelines for the management of dyslipidaemias: lipid modificationto reduce cardiovascular risk. Eur Heart J 2020; 41(1): 111-88 2 Ray KK et al.: Treatment gaps in the implementation of LDL cholesterol control among high- and very high-risk patients in Europe between 2020 and 2021: the multinational observational SANTORINI study. Lancent Reg Health Eur 2023; 29: 100624 3 Catapano AL et al.: Pharmacological effects of bempedoic acid: clinical implications. Präsentiert am ESC-Kongress 2023 4 Nissen SE et al.: Bempedoic acid and cardiovascular outcomes in statin-intolerant patients. N Engl J Med 2023; 388(15): 1353-64
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