Diagnostik und Therapie der Varikose
Bericht:
Reno Barth
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Zur Behandlung von Krampfadern stehen konservative, endovenöse und chirurgische Verfahren zur Verfügung. Mehrere Leitlinien weisen den Weg durch die verschiedenen diagnostischen und therapeutischen Methoden, wie beim Kongress der European Academy of Dermatology and Venereology (EADV) 2023 besprochen wurde.
Für die Diagnostik und Therapie der Krampfadernerkrankung sind aktuell in Europa zwei Leitlinien relevant: zum einen die deutsche S2k-Leitlinie1 und zum anderen die Guideline der European Society for Vascular Surgery (ESVS)2 , so Priv.-Doz. Dr. Felizitas Pannier, Bonn, Erstautorin der deutschen Leitlinie. Diese Leitlinien halten fest, dass in der Diagnostik einer signifikanten Varikose von Anfang an ein Plan erstellt werden soll, an dem sich das weitere Vorgehen orientiert. Dies setzt voraus, dass die Erkrankung von entsprechend erfahrenem ärztlichem Personal behandelt wird. Zur Vereinheitlichung der Nomenklatur sollen die CEAP-Klassifikation(Tab. 1) und validierte Scores verwendet werden.1Die klinische CEAP-Klassifikation (C) von chronischen Venenerkrankungen ist keine Schweregradeinteilung. Jede C-Klasse kann ohne oder mit subjektiven Symptomen wie z.B. Schmerzen, Schweregefühl, Spannungsgefühl oder Schwellungsgefühl auftreten. Bei symptomatischen Patienten wird ein s ergänzt (z.B. C2s=symptomatische Varikose). Die chronische venöse Insuffizienz (CVI) wird als C-KlasseC3 bis C6 definiert.1
Tab. 1: Klinische Klassifikation von chronischen Venenerkrankungen (modifiziert nach Pannier F et al. 2019)1
CT oder MRT bei Verdacht auf Verschluss tiefer Venen
Hinsichtlich der Untersuchungsmethoden besteht – nach klinischer Untersuchung – eine klare Empfehlung für die Duplex-Sonografie sowohl zur Diagnose als auch zur Nachbeobachtung nach Eingriffen. Pannier unterstrich, dass die Untersuchung im Stehen durchgeführt werden soll.
Die ESVS empfiehlt dazu explizit, dass bei Verdacht auf einen suprainguinalen Venenverschluss zusätzlich zu einer vollen Duplexuntersuchung der Beine auch die Venen in Abdomen und Becken geschallt werden sollen. Die Duplex-Sonografie soll ebenso als begleitendes Diagnoseverfahren während der Durchführung der endovenösen Varizentherapie eingesetzt werden.
Die Duplex-Sonografie weist dann den weiteren diagnostischen und therapeutischen Weg. Liegt eine superfiziale chronische Venenerkrankung vor, so besteht eine Indikation für eine superfiziale Intervention. Bei Verdacht auf eine suprainguinale Pathologie sind weiterführende Untersuchungen mittels CT oder MRT und unter Umständen ein intravaskulärer Ultraschall (IVUS) indiziert, um eine allfällige Obstruktion tiefer Venen zu diagnostizieren.
Laut ESVS-Guideline sollen auch retikuläre Varizen und Teleangiektasien mittels Ultraschall abgeklärt werden, bevor eine Therapie begonnen wird. Die deutsche Leitlinie enthält keine derartige Empfehlung.
Behandlungsoptionen
Welche therapeutische Strategie im individuellen Fall als bestgeeignet erscheint, richtet sich nach den individuellen Befunden, aber auch nach den Präferenzen der Patienten, die ausführlich über die verschiedenen Optionen aufzuklären sind. Die therapeutischen Möglichkeiten umfassen1:
-
konservative Maßnahmen:
- Kompressionstherapie
- physikalische Maßnahmen
- medikamentöse Therapie -
operative Verfahren:
- stammvenenausschaltende Verfahren
- stammvenenerhaltende Verfahren -
endovenös-thermische Verfahren:
- endovenöse Lasertherapie
- endovenöse Radiofrequenztherapie
- endovenöse Heißdampftherapie -
endovenös-chemische Verfahren:
- Sklerosierungstherapie
- Cyanoacrylatkleber
Invasive Verfahren, Kompressionstherapie und medikamentöse Therapie sind keine konkurrierenden, sondern sich ergänzende Optionen. Dementsprechend kann eine Kombination dieser Verfahren sinnvoll sein. Die Wirksamkeit der gewählten Therapie soll mittels geeigneter Parameter (z.B. Lebensqualitätsfragebogen, Beschwerdescores) regelmäßig überprüft werden.1
Konservative Maßnahmen
An konservativen Behandlungsoptionen werden Kompressionen zur Reduktion von Symptomen empfohlen. Auch nach unterschiedlichen Interventionen (Flüssigsklerosierung, Schaumverödung der Stamm- und Seitenastvarikose, offene Operation) sollen Kompressionen zum Einsatz kommen. Daneben werden Lebensstilmodifikation (Training) und Pharmakotherapie mit venoaktiven Medikamenten angeraten.
Eine konservative Therapie mittels wirksamer Venenmedikamente sollte dann eingesetzt werden, wenn die Sanierung einer symptomatischen Varikose nicht möglich oder nicht gewünscht ist oder wenn auch nach invasiver Therapie ein symptomatisches venöses Krankheitsbild persistiert (Abb. 1). Die unterschiedlichen konservativen Wirkprinzipien ergänzen sich: Während durch den Kompressionsdruck der venöse Rückfluss von außen unterstützt wird, entfalten pflanzliche Venenmedikamente ihre Wirkung an den Gefäßwänden und verringern deren Permeabilität. Bei Kombination beider Verfahren scheinen sich diese Effekte synergistisch zu verstärken.1
Abb. 1: Welche Therapieoption oder -kombination bei der symptomatischen chronischen Venenerkrankung infrage kommt, ist in Abhängigkeit von verschiedenen Faktoren individuell zu entscheiden (modifiziert nach Stücker M et al. 2016)4
Zur oralen medikamentösen Therapie stehen folgende Substanzen mit evidenzbasierter Wirksamkeit zur Verfügung: standardisierter Extrakt aus Rotem Weinlaub, standardisierter Rosskastanienextrakt und Oxerutin. Mit der vollen Wirkung der pflanzlichen Venenmedikamente kann erst nach einer kontinuierlichen Einnahmezeit von 2 bis 4 Wochen gerechnet werden.
Zu Extrakt aus Rotem Weinlaub, Rosskastanienextrakt und Oxerutin liegen kontrollierte Studien vor, die sowohl eine Rückbildung von Ödemen als auch die Linderung subjektiver Beschwerden – Schmerzen, Schwere- und Spannungsgefühl – dokumentieren. Die klinischen Effekte beruhen darauf, dass die Inhaltsstoffe der Pharmaka antientzündlich wirken und die Permeabilität venöser Gefäße normalisieren.3
Interventionelle Therapien
Für die interventionellen Therapien wurden die Empfehlungen in der aktuellen Version der ESVS-Leitlinie weiter gefasst.2 Eine Intervention ist nun indiziert bei symptomatischen Varikosen, Ödem oder Veränderungen der Haut, Ulzera etc.
Auch für die offene Chirurgie besteht eine Empfehlung, laut deutscher Leitlinie für stammvenenausschaltende Techniken (z.B. Crossektomie, Stripping, Phlebektomie) und venenerhaltende Konzepte (u.a. CHIVA, extraluminale Valvuloplastie). Als Indikationen für eine Varizenoperation werden genannt: Stammvarikose, akzessorische Varikose, Astvarikose, Rezidivvarikose, Varizen bei venösen Angiodysplasien, oberflächliche Venenthrombose, Varizenblutung.
Die deutsche Leitlinie hält fest, dass sich mit den offenen operativen Verfahren zur Behandlung der Varikose gute postoperative Ergebnisse bei einer deutlichen Lebensqualitätsverbesserung und niedrigen Rezidivraten erzielen lassen.1 Pannier fügte allerdings hinzu, dass bei der Erstellung der Leitlinie die Rolle der offenen Chirurgie sehr kontrovers diskutiert wurde.
Endovenös-thermische Ablationsverfahren
Hinsichtlich der endovenös-thermischen Ablationsverfahren (EVTA) werden die endovenöse Laserablation und die Radiofrequenzablation als Methoden der Wahl eingestuft. Indikationen zur EVTA sind die insuffizienten Venae saphena magna und parva sowie V. saphena accessoria anterior (VSAA). Infrage kommen auch die Insuffizienz der V. saphena accessoria posterior (VSAP), insuffiziente Perforansvenen, langstreckige Varizen bei Venenmalformationen sowie die Rezidivvarikose.
Die ESVS-Guideline spricht bei der insuffizienten V. saphena magna eine klare Empfehlung für die EVTA aus, die in dieser Indikation anderen Verfahren vorzuziehen sei. Diese sollen nur eingesetzt werden, wenn eine EVTA nicht möglich ist. Auch für die V. saphena parva ist die EVTA erste Wahl. Die ESVS-Guideline gibt nun auch für die V. saphena accessoria anterior eine vorsichtige Empfehlung („should be considered“) für die EVTA.2
Endovenös-chemische Verfahren
Die Sklerosierungstherapie ist für sämtliche Formen der Varikose, also Varizen unterschiedlichster Kaliber, geeignet. Insbesondere periulzeröse Varizen, genitale Varikoseformen und Besenreiservarizen stellen eine klare Indikation zur Sklerosierungstherapie dar. Ferner können vaskuläre Malformationen und Serome nach Varizenchirurgie effektiv mittels Sklerosierung behandelt werden. Der Einsatz des Venenkleberverfahrens ist, wie die anderen kathetergestütztenVerfahren, die Behandlung der Stammveneninsuffizienz.1
Rezidivvarikosen
Im Hinblick auf Rezidivvarikosen bestehen zwischen den Leitlinien keine Unterschiede. Krampfadern, die in einem zuvor behandelten Gebiet auftreten, sollen unabhängig von der Art der vorausgegangenen Behandlung als Rezidivvarikose eingestuft werden, wobei empfohlen wird, zwischen klinisch relevanten Rezidiven sowie rein duplexsonografisch diagnostizierten Rezidiven zu unterscheiden.
Die Indikationsstellung zur Behandlung von Rezidivvarizen sollte den gleichen Prinzipien wie bei der primären Behandlung entsprechen. Sklerotherapie und Schaum-Sklerotherapie sind auch hier die Therapiemethoden der Wahl, so Pannier.
Quelle:
Session „Varicose veins“ am 14. Oktober 2023im Rahmen des EADV-Kongresses 2023 in Berlin
Literatur:
Pannier F et al.: S2k – Leitlinie Diagnostik und Therapie der Varikose. Stand: 03/2019. https://register.awmf.org/assets/guidelines/037-018l_S2k_Varikose_Diagnostik-Therapie_2019-07.pdf ; zuletzt aufgerufen am 10. 4. 2024
De Maeseneer MG et al.: European Society for Vascular Surgery (ESVS) 2022 clinical practice guidelines on the management of chronic venous disease of the lower limbs. Eur J Vasc Endovasc Surg 2022; 63(2): 184-267
Rabe E et al.: Treatment of chronic venous disease with flavonoids: recommendations for treatment and further studies. Phlebology 2013; 28(6): 308-19
Stücker M et al.: Consensus statement on the symptom-based treatment of chronic venous diseases. J Dtsch Dermatol Ges 2016; 14(6): 575-83
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