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Serie Notfallmedizin

Die kardiopulmonale Reanimation

Kaum etwas in der Medizin kann so einheitlich und strukturiert nach Schema abgearbeitet werden wie die kardiopulmonale Reanimation. Neben theoretischen Grundlagen und viel Übung braucht es auch ein mentales Modell, um Notfälle dieser Art gut meistern zu können.

Leitlinien

Alle 5 Jahre erscheinen die neuen Reanimationsleitlinien auf Basis von weltweiten Studien. Die aktuellste Version wurde 2021 veröffentlicht.1

Kollaps

Im Falle eines plötzlichen Kollapses können klare Vorgehensweisen helfen, den ersten Überraschungsmoment zu überwinden:
→ Ein Notfallcheck muss durchgeführt werden!

Notfallcheck

Für den Notfallcheck muss die Person auf den Rücken gedreht und untersucht werden. Schütteln Sie die Person sanft an den Schultern und sprechen Sie sie laut an: „Ist alles in Ordnung?“ Reagiert die Person nicht, muss die Atmung überprüft werden. Dazu legen Sie eine Hand auf die Stirn, die andere Hand an das Kinn und überstrecken Sie den Kopf. Mit Ihren drei Sinnen (Sehen, Hören, Fühlen) überprüfen Sie, ob die Person normal atmet: Schauen Sie auf den Brustkorb, hören Sie die Atmung und fühlen Sie die Atemstöße an Ihrer Wange ( Lehrvideo ). Bei fehlender Reaktion und fehlender Atmung liegt ein Herzkreislaufstillstand vor und Wiederbelebungsmaßnahmen müssen unverzüglich begonnen werden.

Vorsicht: Schnappatmung!

Die Leitlinie weist darauf hin, dass in circa 50% der beobachteten Fälle eine Schnappatmung vorkommen kann. Dabei handelt es sich um eine langsame und tiefe Atmung, die als schnarchendes Geräusch wahrgenommen werden kann. Sie entspricht keinesfalls einer normalen Atmung und ist als Zeichen eines Herzkreislaufstillstands zu bewerten.
→ Schnappatmung ist einer der häufigsten Gründe, warum ein Herzkreislaufstillstand nicht erkannt wird.

Alarmieren Sie den Rettungsdienst!

Der Anruf durch eine Fachkraft kann die Zeit bis zur ersten Herzdruckmassage verkürzen. Folgende Informationen werden benötigt:

  • Wo ist der Notfallort? Übermitteln Sie Ihren aktuellen Standort (Ortschaft, Straße, Hausnummer).

  • Was ist passiert? Übermitteln Sie die Information „Herzkreislaufstillstand eines Erwachsenen/Kindes“.

  • „Ich beginne jetzt mit der Herzdruckmassage“ → Herzdruckmassage rettet nachgewiesenerweise Leben!

Lassen Sie einen Defibrillator holen!

Haben Sie einen eigenen Defibrillator mit im Gepäck, soll dieser unverzüglich eingesetzt werden. Ist kein Defibrillator vorhanden, so kann dieser durch umstehende Personen zum Notfallort gebracht werden. Wo sich der nächste Defibrillator befindet, kann über die Leitstelle erfragt werden. Auch diverse Apps bieten Karten mit Defi-Standorten in Ihrer Nähe an.
→ Eine frühzeitige Schockabgabe rettet nachgewiesenerweise Leben!

Die Herzdruckmassage

Führen Sie eine kontinuierliche und hochqualitative Herzdruckmassage durch. Ohne Herzdruckmassage sinkt die Überlebenswahrscheinlichkeit um 10% pro Minute. Wird ein Patient nach dem Kollaps 10 Minuten lang nicht reanimiert, ist die Überlebenswahrscheinlichkeit nahe null. Wird eine Herzdruckmassage durchgeführt, kann dieser Prozentsatz auf 4% reduziert werden.

Durch eine hochqualitative Herzdruckmassage erreichen wir ungefähr 20% des normalen Blutflusses. Unterbricht man sie für 5 Sekunden, so sinkt der Blutfluss auf null. Erst nach 2 Minuten Herzdruckmassage können die oben genannten 20% wieder erreicht werden.

„Hochqualitative Herzdruckmassage“ bedeutet, dass diese tief genug, schnell genug und mit vollständiger Entlastung durchgeführt werden muss. Auf die Mitte der Brust soll mit einer Tiefe von 5–6cm und einer Frequenz von 100/min gedrückt werden. Lieder wie „Stayin’ alive“ von den Bee Gees oder der Radetzky-Marsch können uns hier den Takt vorgeben. Die Entlastung nach jeder Herzdruckmassage ist von hoher Bedeutung, nur dadurch kann sich das Herz zwischenzeitlich mit Blut füllen.

Die Herzdruckmassage wird so lange durchgeführt, bis die Person Lebenszeichen zeigt, ein Rettungsteam die Wiederbelebungsmaßnahmen übernimmt oder körperliche Ressourcen erschöpft sind.

Die Beatmung

Im Falle eines Herzkreislaufstillstandes sind Sauerstoffreserven im Blut nach spätestens 2–4 Minuten erschöpft. Die aktuellen Leitlinien empfehlen Notfallzeugen die Durchführung von Mund-zu-Mund-Beatmung, wenn diese ausgebildet und dazu willens und bereit sind.

Professionellen Ersthelfern wie Rettungsdienst oder Ordinationsteams wird die Beatmung mittels Beutel-Maske empfohlen.
→ Unser Tipp: Ungeübten Anwendern kann der Doppel-C-Griff weiterhelfen!
→ Führen Sie abwechselnd 30 Herzdruckmassagen und 2 Beatmungen durch!

Die Defibrillation

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Abb. 1: Defibrillatoren sind in Österreich flächendeckend im öffentlichen Raum zu finden

Halbautomatische Geräte sind oft öffentlich zugänglich und für die Anwendung durch Laien konzipiert. Aber auch für den Einsatz durch professionelle Ersthelfer sind sie bestens geeignet. Sobald ein AED (automatisierter externer Defibrillator) am Notfallort eintrifft, muss dieser benutzt werden. Ist der Defibrillator einmal eingeschaltet, so leitet er den Anwender durch das weitere Vorgehen.

Die Leitlinien 2021 betonen die Wichtigkeit der Position der Elektroden: Eine Elektrode soll am Brustkorb rechts unter der Klavikel geklebt werden, die andere links in der medioaxillären Linie. Die Positionierung soll unter kontinuierlicher Herzdruckmassage erfolgen.

Mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,98% erkennen AED einen schockbaren Rhythmus. Wird die Schockabgabe empfohlen, so ist ein Schock abzugeben. Beachten Sie dabei, dass niemand den Patienten berührt. Nach der Schockabgabe muss die Herzdruckmassage unverzüglich weitergeführt werden.

Im schockbaren Rhythmus ist eine Medikamentengabe erst nach dem 3. abgegebenen Schock vorgesehen. Bis dahin ist ein reibungsloser Ablauf der Reanimationsmaßnahmen (Herzdruckmassage, Defibrillation, Beatmung) von wesentlicher Bedeutung.

Sobald der Defibrillator angebracht ist, wird automatisch die erste Rhythmusanalyse durchgeführt. Ab diesem Zeitpunkt meldet sich der AED alle 2 Minuten zur erneuten Durchführung einer Analyse.

Wird kein Schock empfohlen, so muss unverzüglich die Herzdruckmassage fortgeführt werden. In diesem Fall ist die Medikamentengabe so bald wie möglich indiziert.

Medikamente in der Reanimation

Im schockbaren Rhythmus ist das initiale „Medikament“ der Schock selbst. Nach dem dritten erfolgten Schock wird die Gabe von 1mg Adrenalin und 300mg Amiodaron empfohlen. Nach dem 5. Schock wird die erneute Gabe von 1mg Adrenalin und 150mg Amiodaron empfohlen. Ab dann soll die Adrenalingabe alle 3–5 Minuten wiederholt werden.

In den aktuellen Leitlinien wurde dem Amiodaron das Lidocain gleichgestellt.1 Zusätzlich zu 1mg Adrenalin können anstatt des Amiodarons nach dem 3. Schock 100mg Lidocain verabreicht werden, nach dem 5. Schock 50mg Lidocain.

Im nicht schockbaren Rhythmus soll so bald wie möglich 1mg Adrenalin verabreicht werden. Anschließend ist die Adrenalingabe alle 3–5 Minuten empfohlen.

Prognose: Überlebt unser Patient?

Folgende Faktoren erhöhen die Erfolgswahrscheinlichkeit der Reanimationsmaßnahmen:

  • Beobachteter Herzkreislaufstillstand

  • Sofortiger Beginn von Laienreanimation

  • Schockbarer Erstrhythmus

  • Frühzeitiger Einsatz eines Defibrillators mit frühzeitiger Schockabgabe

  • Anfahrtszeit des Rettungsteams <10Minuten

  • Vorliegen einer Schnappatmung

Wann werden Reanimationsmaßnahmen von einem professionellen Rettungsteam beendet?

Liegt für 20 Minuten eine Asystolie vor, bei der keine reversiblen Ursachen gefunden werden können, so soll an das Beenden von Reanimationsmaßnahmen gedacht werden.

Untersuchungen haben gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit des Überlebens parallel zur Reanimationszeit sinkt. So stehen die Chancen auf ein gutes neurologisches Outcome nach ca. 35 Minuten Reanimation bei <1%.

Ausnahmen bestätigen die Regel

Spezielle reversible Ursachen, wie zum Beispiel eine Hypothermie, ermöglichen das Überleben nach langer Reanimation. So sind Berichte über Überleben mit gutem neurologischem Ergebnis sogar nach 6 Stunden Reanimation bekannt.

Übung und Training

Auch wenn Reanimationsmaßnahmen bestens standardisiert sind, so steht dennoch Training an oberster Stelle. Wussten Sie, dass unsere Fertigkeiten nach circa 6 Monaten ohne Übung nachlassen? Auch das ERC (European Resuscitation Council) empfiehlt daher eine Auffrischung alle 6 Monate.

Hier kommen Sie direkt zum Schulungsvideo zur kardiopulmonalen Reanimation.
Mehr Informationen, Möglichkeiten zur Weiterbildung bzw. Auffrischung sowie Kurstermine finden Sie auf der Fortbildungsplattform Notfallmedizin unter www.fobino.at .

1 German Resuscitation Council. Deutscher Rat für Wiederbelebung: Reanimation 2021. https://cprguidelines.eu/assets/posters/Leitlinienkompakt_08.11.2021.pdf ; zuletzt aufgerufen am 15. 5. 2023

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