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Digitaler Medienkonsum bei Kindern

Je früher und länger Kinder digitale Medien konsumieren, desto ausgeprägter sind die schädlichen Folgen, die sich vor allem als Entwicklungsauffälligkeiten bemerkbar machen. Daher sollten Eltern frühzeitig für das Thema sensibilisiert und beraten werden.

Der digitale Medienkonsum im Säuglings- und Kleinkindesalter hat mittlerweile alarmierende Ausmaße angenommen, woraus breite Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten resultieren.

Ausmaß des Medienkonsums

Aus Studien der letzten zehn Jahre ergeben sich folgende Erkenntnisse für Österreich und Europa: 60% der 1- bis 2-Jährigen verbringen regelmäßig Zeit vor Bildschirmen, laut Elternangabe ein bis zwei Stunden pro Tag. 40% der 2- bis 3-Jährigen können ein Handyspiel selbstständig bedienen, 50% finden den Weg zu „YouTube“ alleine. 44% der 5- bis 6-Jährigen können einen Touchscreen perfekt bedienen, aber nicht selbstständig mit Besteck essen, keine Schuhe binden, sich nicht selbstständig an- und ausziehen.

Bei Kindern von 3 bis 6 Jahren sollte der Medienkonsum auf maximal 30 Minuten pro Tag begrenzt werden

In Südkorea zeigt sich zum Zeitpunkt der Stellung bei 97% eine (zu korrigierende) Myopie. Dies steht u.a. mit der erhöhten Bildschirmnutzung im Zusammenhang.1

Durch exzessive digitale Mediennutzung zeigen sich insbesondere in frühen (kritischen) Entwicklungsphasen strukturelle und funktionelle Veränderungen des Gehirns. Dazu zählen u.a. nachweisbare Veränderungen im Volumen der grauen und weißen Substanz im limbischen System und der Hirnrinde, Veränderungen im präfrontalen Kortex und ein veränderter Neurotransmitter-Stoffwechsel, wie z.B. von Melatonin, Serotonin, GABA, die zur Manifestierung von neurobiologischen Entwicklungsauffälligkeiten, Adipositas und Schlafstörungen beitragen.2,3

Sprachentwicklung und Verhaltensstörungen

Je früher und länger digitale Medien konsumiert werden, desto ausgeprägter sind die schädlichen Konsequenzen. Auswirkungen zeigen sich im Verlauf teilweise bis in das Erwachsenenalter, trotz signifikanter Reduktion der Bildschirmzeit.4

In unserer Entwicklungsneurologischen Ambulanz mit Schwerpunkt auf Sprachentwicklung und Verhaltensstörungen (v.a. Autismusspektrum-Störung) sehen wir häufig (Klein-)Kinder mit erhöhtem digitalem Medienkonsum, die teilweise globale Entwicklungsauffälligkeiten aufweisen. Besonders betroffen sind dabei die sprachlich-kommunikative Entwicklung, das Sozial- und Spielverhalten, aber auch der körperlich-motorische Bereich (Abb. 1).

Abb. 1: Medienkonsum und Entwicklung

Kinder mit exzessivem Medienkonsum haben weniger Möglichkeit, basiskommunikative und sprachliche Fertigkeiten zu entwickeln, und haben in weiterer Folge Schwierigkeiten und weniger Interesse, in Interaktion zu treten. Diese Kinder wirken häufig sozial depriviert und weisen teilweise Symptomüberlappungen mit Kindern im Autismusspektrum auf.5,6

Empfehlungen und Leitlinien

Tab. 1: Internationale Empfehlungen zur Medienzeit

Die Empfehlungen zur Medienzeit in der Kindheit, angelehnt an den Empfehlungen der WHO zum digitalen Medienkonsum, sind eindeutig, im Familienalltag jedoch nicht so einfach umzusetzen (Tab. 1). Auch in der neuen S2-Leitlinie der AWMF zum dysregulierten Medienkonsum4 werden strenge Regeln und fixe Bildschirmzeiten entsprechend dem Lebens- bzw. Entwicklungsalter der Kinder gefordert. Oft fehlt es Eltern an Bewusstsein für negative Folgen von digitalem Medienkonsum im Säuglings- und Kleinkindesalter und an Kompetenzen, den eigenen Medienkonsum zu regulieren.8 Erfreulicherweise liegt nun die AWMF- Elternleitlinie zur Mediennutzung vor.9 Für das gesamte Kinder- und Jugendalter wurden die Empfehlungen und Tipps zur Umsetzung in den Familien erarbeitet und ansprechend gestaltet. Die Medienleitlinie für Eltern ist online hier abrufbar. 9

Workshops für Eltern

Essenziell erscheint uns, Eltern frühzeitig für das Thema digitaler Medienkonsum zu sensibilisieren und zu beraten. Wir bieten in regelmäßigen Abständen interaktive einstündige Workshops für werdende Eltern und Eltern von Säuglingen und Kleinkindern bei uns im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Linz an: zum einem im Rahmen der Geburtsvorbereitungskurse, zum anderen über unsere Fortbildungsakademie (Elternakademie). Diese sind freiwillig und kostenlos.

Inhalt des Workshops:

  • Konsum von Bildschirmmedien bis zum 3. Lebensjahr (so wenig wie möglich)

  • Begleitung des digitalen Medienkonsums

  • Nützen der Familienzeit zum Spielen und Explorieren der Umwelt

Neben Bewusstseinsbildung über Risiken von frühkindlichem digitalem Medienkonsum und kompetentem Umgang mit digitalen Medien empfehlen wir, den Schwerpunkt auf die Vermittlung von Beschäftigungsalternativen und entwicklungsgerechten Spielinhalten zu legen.Einschränkend muss bemerkt werden, dass mit Beratungsangeboten und analogen Papierformaten immer nur ein sehr kleiner Teil der Familien erreicht werden kann. Ziel sollte also sein, möglichst viele Menschen über die Problematik des frühen digitalen Medienkonsums zu informieren. Ideen hierzu gibt es einige:

  • großflächige Plakate im öffentlichen Raum

  • Werbebanner an öffentlichen Verkehrsmitteln und

  • kurze Videoclips auf Social-Media-Plattformen und auf öffentlichen Videoscreens, möglichst sprachfrei und einprägend. Erste Prototypen davon finden sich auf dem YouTube-Kanal der Barmherzigen Brüder Linz.

Leider fehlt es bislang an finanzieller Unterstützung, um diese Projekte auszuweiten und professionell umzusetzen.

  1. Hopf S, Schuster A: Epidemiologie der Myopie: Prävalenz, Risikofaktoren und Auswirkungen der Myopie. Klin Monbl Augenheilkd 2024; 241(10): 1119-25

  2. Verma A et al.: Interconnections of screen time with neuroinflammation. Mol Cell Biochem 2024; 1-16

  3. Zhao Y et al.: Screen time, sleep, brain structural neurobiology, and sequential associations with child and adolescent psychopathology: Insights from the ABCD study. J Behav Addict 2024; 13(2): 542-53

  4. Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. DGKJ: SK2-Leitlinie zur Prävention dysregulierten Bildschirmmediengebrauchs in der Kindheit und Jugend. 2022. AWMF Register Nr. 27-75

  5. Qu G et al.: Association between screen time and developmental and behavioral problems among children in the United States: evidence from 2018 to 2020 NSCH. J Psych Res 2023; 161: 140-9

  6. Heffler KF, Oestreicher LM: Causation model of autism: Audiovisual brain specialization in infancy competes with social brain networks. Medical Hypotheses 2016; 91: 114-22

  7. Lewis MH et al.: Animal models of restricted repetitive behavior in autism. Behav Brain Res 2007; 176(1): 66-74

  8. Krafft H et al.: Media awareness and screen time reduction in children, youth or families: A systematic literature review. Child Psych Hum Dev 2023; 54(3): 815-25

  9. AWMF online: Medienleitlinie für Eltern 07/2023. Die wichtigsten Empfehlungen für den Umgang mit Smartphone, Computer, Spielkonsole und TV in der Familie. https://register.awmf.org/assets/guidelines/027_D_Ges_fuer_Kinderheilkunde_und_Jugendmedizin/027-075eltern_S2k_Praevention-dysregulierten-Bildschirmmediengebrauchs-Kinder-Jugendliche_2023-09.pdf ; zuletzt aufgerufen am 8. 1. 2025

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