Lichen sclerosus
Autor:
Dr. Jael Bosman
Wahlärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe
Mistelbach
E-Mail: ordination@jaelbosman.at
Web: www.jaelbosman.at
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Juckreiz im weiblichen Genitalbereich ist ein häufiges und oft stark beeinträchtigendes Symptom unterschiedlichster Ursachen. Diese dreiteilige Serie stellt drei Erkrankungen mit genitalem Juckreiz als Leitsymptom vor: Lichen sclerosus (Teil 1), die bakterielle Vaginose (Teil 2) und die vaginale Atrophie (Teil 3).
Die meisten Frauen verspüren irgendwann in ihrem Leben genitalen Juckreiz, fühlen sich dadurch jedoch nicht belästigt. Tritt der Juckreiz wiederkehrend auf oder wird er durch bestimmte wiederkehrende Reize ausgelöst, so bekommt das Symptom Juckreiz einen Krankheitswert.
Neben dem genitalen Juckreiz können auch diverse Begleitsymptome auftreten. Patientinnen berichten über vermehrten Ausfluss, Rötung, Schwellung, Brennen, Schmerzen, Beschwerden beim Geschlechtsverkehr und über einen quälenden Kratzzwang. Meist wird eine „Pilzinfektion“ als Ursache angenommen, aber es gilt, genauer hinzuschauen und diverse Differenzialdiagnosen im Hinterkopf zu behalten.
Eine wichtige Erkrankung ist der Lichen sclerosus – sie betrifft vorwiegend erwachsene Frauen, seltener auch Männer oder Kinder. In Teil 2 und Teil 3 werden zwei weitere Erkrankungen vorgestellt – die bakterielle Vaginose und die vaginale Atrophie.
Alle drei Erkrankungen eint eine zum Verwechseln ähnliche Symptomatik und mitunter treten sie zumindest temporär sogar gemeinsam auf.
Lichen sclerosus (LS): eine Herausforderung für alle Beteiligten
Der Lichen sclerosus (LS) ist eine häufig „unterdiagnostizierte“ Hauterkrankung im Anogenitalbereich. Es handelt sich hierbei um eine für die betroffene Patientin sehr belastende Erkrankung.
Ätiologie und Auslöser
LS ist eine chronische unheilbare inflammatorische Erkrankung der Haut, die in Schüben auftritt. Es wurden Autoantikörper gegen das extrazelluläre Matrixprotein und das BP(Baculoprotein)180-Antigen gefunden und LS kann somit als humorale Autoimmunerkrankung klassifiziert werden.1 Eine genetische Disposition wird angenommen, denn in etwa 10% der Fälle sind auch Familienmitglieder betroffen.2
Schubfördernd können Druck auf die Haut, zu starke Reibung, Urinrückstände, Hitzestau/Nässe, psychischer Stress, Traumata, Operationen im Intimbereich und Verletzungen/Einrisse sein. Hormoneller Einfluss, insbesondere ein Östrogenmangel, kann ebenfalls eine Rolle spielen – so sieht man ein gehäuftes Auftreten bei peri- und postmenopausalen Patientinnen –, oft gepaart mit einer beginnenden vaginalen Atrophie.
Symptome und klinische Zeichen
Meist stellen sich die Patientinnen mit persistierendem Juckreiz, brennenden Schmerzen im Anogenitalbereich, Dyspareunie, Dysurie, genitalen oder analen Blutungen in der gynäkologischen Praxis vor.3 Sie berichten oft von vorangegangenen frustranen Therapieversuchen mit diversen Salben und Zäpfchen über einen langen Zeitraum. Manchmal ist der LS jedoch auch ein Zufallsbefund bei einer komplett asymptomatischen Patientin.3
Klinisch typisch für den genitalen LS der Frau sind porzellan-weißlich-atrophe Maculae oder flache Plaques, die die Vulva und den Anus ringförmig umgeben (Abb. 1).
Abb. 1: Porzellan-weißlich-atrophe Maculae oder flache Plaques, welche die Vulva und den Anus ringförmig umgeben, sind typisch für den genitalen Lichen sclerosus der Frau
Im weiteren Krankheitsverlauf können Narben, Depigmentierungen und Fissuren auftreten. In extremen Fällen können sogar die typischen Strukturen des weiblichen Genitals nicht mehr erkennbar sein.
Diagnostik
Die Diagnosestellung erfolgt vorwiegend klinisch. Eine Biopsie wird sinnvoll,
-
wenn die klinische Diagnose unklar ist,
-
wenn die empfohlene First-Line-Therapie nach ausreichender Behandlungszeit ohne Erfolg bleibt,
-
wenn die Veränderung malignitäts- oder dysplasieverdächtig ist.3
Therapie
Die Therapie umfasst die lokale Anwendung von Clobetasol-17-Propionat (Kortikoid Klasse IV) oder Mometasonfuroat (Klasse III) und erfolgt zunächst mit einer Stoßtherapie gefolgt von einer Erhaltungstherapie (je nach Verlauf individuell, lebenslang).1,2
Stoßtherapie:1,2
-
initial 1x pro Tag abends für 3 Monate
-
jeden 2. Tag für 1 Monat
-
2x pro Woche für 1 Monat
Erhaltungstherapie:1,2
-
je nach Verlauf
-
lebenslang
-
1–2x/Woche, Pausen möglich
-
Anzustreben ist die niedrigstmögliche Dosierung.
Zusätzlich ist eine begleitende tägliche Basispflege mit Fettsalbe empfohlen.2
Die von den Patientinnen oft geäußerte Sorge, dass die empfohlene kortisonhaltige Salbe ja eine Atrophie begünstige, ist unbegründet: Eine unzulängliche Behandlung fördert eine Atrophie und damit ein rasches Voranschreiten des Lichen sclerosus.4
Die Heilung ist nicht das vorrangige Ziel der Behandlung des LS – sondern eine Verbesserung der Lebensqualität bzw. das Verschwinden der Symptome. Eine Verbesserung der Symptome gelingt oft schon nach wenigen Monaten nach Therapiestart.
Das Verschwinden der Zeichen des LS gelingt allerdings nur in 20% der Fälle und bereits bestehende Narbenbildung ist irreversibel.1
Generell kann jedoch festgestellt werden, dass der Behandlungserfolg umso besser ist, je früher der LS behandelt wird. Auch asymptomatische Patientinnen mit eindeutigen Hinweisen auf einen klinisch aktiven Lichen sclerosus sollten unbedingt therapiert werden.
Weitere Kontrollen
Zur Beurteilung des Ansprechens auf die lokale Therapie ist eine initiale Einbestellung der Patientin zunächst in kurzen Intervallen von 2 bis 3 Monaten empfehlenswert. Patientinnen nehmen dieses Angebot meist sehr gerne an und freuen sich über erste kleine Erfolge und eine sich einstellende erste Linderung. Ein gutes Hilfsmittel ist hier durchaus ein Handspiegel in der Ordination, Patientinnen lernen so ihren Körper besser kennen und können so dann auch gezielter betroffene Hautareale zu Hause beobachten und pflegen.
Bei aller Euphorie über erste Erfolge sollte man immer wieder darauf hinweisen, dass diese chronische Erkrankung eine konsequente Therapie benötigt und man mit Rückschlägen durch plötzliche Schübe rechnen sollte. Bei gutem Ansprechen auf die Therapie können dann die Kontrollintervalle ausgedehnt werden, die meisten Patienten entwickeln mit der Zeit auch ein sehr gutes eigenes Gespür für diese Erkrankung.
Die Patientin sollte zur Selbstbeobachtung aufgefordert werden und idealerweise von jeder neu aufgetretenen Veränderung oder Wahrnehmung berichten.
Literatur:
Mendling W: Lichen-Serie Teil 1: Lichen sclerosus. Frauenarzt 2023; 12: 824-9
Kirtschig G et al.: EuroGuiDerm Guideline Lichen sclerosus 2023. https://www.sggg.ch/fileadmin/user_upload/Dokumente/3_Fachinformationen/2_Guidelines/LSGuidelineUpdate2023.pdf ; zuletzt aufgerufen am 24. 7. 2024
Neis F et al.: Genitaler Lichen sclerosus et atrophicus der Frau. Akt Dermatol 2015; 41: 363-72
Lee A et al.: Long-term management of adult vulvar Lichen sclerosus: a prospective cohort study of 507 women. JAMA Dermatol 2015; 151: 1061-7
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