
Vulvovaginale Atrophie
Autorin:
Dr. Jael Bosman
Wahlärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe
Mistelbach
E-Mail: ordination@jaelbosman.at
Web: www.jaelbosman.at
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Juckreiz im weiblichen Genitalbereich ist ein häufiges und oft stark beeinträchtigendes Symptom unterschiedlichster Ursachen. Diese dreiteilige Serie stellt drei Erkrankungen mit genitalem Juckreiz als Leitsymptom vor: Lichen sclerosus (Teil 1) , die bakterielle Vaginose (Teil 2) und die vaginale Atrophie in den Wechseljahren (Teil 3).
Anders als die typischen Wechselbeschwerden wie Hitzewallungen und nächtliche Schweißausbrüche, die mit der Zeit meist von selbst verschwinden, nehmen Atrophie-bedingte Symptome der Vagina oft progressiv zu und benötigen häufig eine Behandlung.
Erste Anzeichen einer vulvovaginalen Atrophie können bereits in der Perimenopause auftreten. Bei einigen Frauen zeigen sich die Folgen der Trockenheit direkt im vollen Ausmaß, bei anderen nehmen die Beschwerden schleichend zu.
Betroffene Frauen beschreiben ein unangenehmes „Reibegefühl“ – der Vaginalbereich fühlt sich oft wund an oder juckt und brennt ohne einen ersichtlichen Grund. Geschlechtsverkehr wird sehr schmerzhaft oder gar unmöglich wegen mangelnder Befeuchtung, dem folgt eine Minderung der Libido.
Definition
Die durch den Östrogenmangel und die Abnahme anderer Sexualhormone bedingten Symptome des weiblichen Urogenitaltrakts nennt man „genitourinary syndrome of menopause“ (GSM) oder auch „urogenitales Menopausensyndrom“. Die Veränderungen betreffen die großen und kleinen Schamlippen, den Scheideneingang, die Klitoris, das Vestibulum, die Vagina, die Harnröhre und die Blase.
GSM wurde als Symptomkomplex erst im Jahr 2014 von der nordamerikanischen Menopause-Gesellschaft („North American Menopause Society“, NAMS) und der „International Society forthe Study of Women’s Sexual Health“ (ISSWSH) geprägt. Die vulvovaginale Atrophie (VVA) ist nur ein Teil der östrogenmangelbedingten Symptome.1
Epidemiologie
Bis zu 85% aller Frauen über 40 berichten über Scheidentrockenheit und Juckreiz, bis zu 60% über Dyspareunie2,3 – die Prävalenz steigt mit fortschreitendem Alter. Nicht weniger als 52% der Frauen mit symptomatischem GSM geben eine reduzierte Lebensqualität an.4 Darüber hinaus haben Frauen mit symptomatischem GSM ein signifikant erhöhtes Risiko für Depression und Angststörung.5
Die VVA hat also einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Wohlbefinden und die Lebensqualität in einer Lebensphase mit veränderter Wahrnehmung des Körperbildes und des Selbstwertgefühls.
Folgen des Östrogenmangels
Vor der Menopause ist die Scheide durch eine verdickte Oberfläche mit einer ihr typischen Fältelung, einer gesteigerten Durchblutung und Befeuchtung gekennzeichnet.
Nach der Menopause kommt es zu einer Involution der Scheide (einem Gewebsschwund) mit einer verbleibenden dünnen, blässlichen und oft entzündlich veränderten Scheidenwand (Abb. 1). Die Scheide wird kürzer, enger und weniger elastisch. Die Durchblutung und somit auch die Befeuchtung nehmen ab. Es bilden sich zwar mehr Kapillaren, die aber so zart sind, dass sie häufig Petechien und Blutungen verursachen.
Patientinnen stellen sich nicht selten akut und verängstigt in der Praxis mit einem ungewohnt verstärkten (manchmal orange/gelblich/grünlich gefärbten) Ausfluss vor, in der Annahme, eine Infektion zu haben. Aber der vermehrte Ausfluss ist oft nur Ausdruck einer Dekompensation und eine Folge dieses chronisch-entzündlichen Zustandes.
Anamnese
Eine ausführliche Anamnese ist auch hier von großer Bedeutung.
Oft korreliert die subjektive Intensität der tatsächlichen Beschwerden nicht mit dem klinisch erhobenen Befund („weil ja eine gynäkologische Untersuchung nie angenehm“ sei und nun mal eben wehtue). Die Gesprächseröffnung sollte also idealerweise vor der Untersuchung beginnen. Fragen zu vaginalen Infektionen, Verletzungen, rezidivierenden Harnwegsinfekten, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und zu bisherigen Versuchen, Linderung zu erreichen, sollten gestellt werden.6
Die meisten Frauen reagieren erleichtert auf eine proaktive Herangehensweise, denn es besteht immer noch eine große Hemmschwelle, so persönliche Angelegenheiten von sich aus anzusprechen.
Diagnostik
Folgende klinische Zeichen treten typischerweise bei einer VVA auf:
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Gewebeverlust oder Fusion der Labia minora
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Fissuren, Petechien
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Retraktion des Introitus
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Verlust des Hymenalsaums
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blasse oder gerötete vulvovaginale Haut
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Verlust der Rugae
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reduzierte Sekretion/Befeuchtung
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reduzierte Elastizität
Der inspektorische Befund kann durch zytologische Befunde gestützt werden. So zeigen sich eine geringe Reifung des vaginalen Epithels sowie atrophische Abstriche mit oder ohne Entzündung. Auch der vaginale pH-Wert ist oft mit Werten von >5,0 pathologisch erhöht.7
Das gesunde Scheidenmilieu mit seinem sauren pH-Wert von 3,5 bis 4,5 schützt normalerweise vor Infektionen durch Pilze, Bakterien, Viren oder andere Mikroorganismen. In den Wechseljahren steigt der pH-Wert bis in den neutralen Bereich von 5 bis 7. Der natürliche Barriereschutz schwindet somit, Laktobazillen werden verdrängt und die gesamte Urogenitalregion wird angreifbarer für Erreger.
Deswegen gilt es auch, mögliche aufsitzende Infektionen und Differenzialdiagnosen im Blick zu behalten, wie z.B. eine Kolpitis, bakterielle Vaginosis, Lichen sclerosus,Lichen planus, genitale Ulzera, genitale Blutungen infolge eines Traumas, Malignoms oder einer Infektion (um nur einige wenige zu nennen).
Therapie8
First-Line-Therapie
Hormonfreie Vaginalpräparate sind Therapie der ersten Wahl (Level A).8 Es werden Gleitmittel, Befeuchtungsgele und-cremes unterschieden. Gleitmittel sind nur während des Geschlechtsverkehrs wirksam, wohingegen Feuchthaltegele und -cremes einen bis zu 24 Stunden anhaltenden feuchtigkeitsspendenden Effekt haben und eine Linderung der Symptome verschaffen.
Second-Line-Therapie
Vaginale Hormonpräparate mit niedrig dosiertem Östrogen werden dann empfohlen, wenn die VVA-Symptome stark ausgeprägt sind oder unter einer vaginalen hormonfreien Therapie persistieren (Level A).8 Bei der topischen Anwendung sind Estriol-haltige Präparate solchen mit Estradiol vorzuziehen. Die Östrogenwirkung ist bei der topischen Anwendung weniger von der Dosis als von der Dauer der Behandlung abhängig und die Behandlung kann so lange wie erforderlich fortgeführt werden.
Empfehlung Östrogenisierung
Initial wird eine tägliche Applikation für 7–14 Tage empfohlen und in weiterer Folge dann eine Reduktion auf die niedrigstmögliche individuelle Erhaltungsdosis; anfängliche Kontrollen im Abstand von 3 Monaten haben sich hier bewährt. Die Tagesdosierungen der erhältlichen topischen Estriol-haltigen Präparate variieren zwischen 0,02 und 0,5mg. Endometriumprotektion mittels Gestagengabe ist nicht vorgesehen und auch zusätzliche Endometriumskontrollen mittels transvaginaler Sonografie sind nicht empfohlen (Tab. 1); davon ausgenommen sind Frauen mit einem erhöhten Risiko für ein Endometriumkarzinom (z.B. wegen Diabetes, Adipositas; Level C).8
Tab. 1: Empfehlungen zum Management der Endometriumsüberwachung bei einer vaginalen Östrogentherapie (modifiziert nach S3-Leitlinie)8
Unter mögliche (wenn auch seltene) Nebenwirkungen einer vaginalen Östrogentherapie fallen verstärkter vaginaler Fluor, Candida-Kolpitiden, vaginale Schmierblutungen/Blutungen und Mastodynie.
Sollte eine Schmierblutung/Blutung auftreten, so ist diese natürlich umgehend standardmäßig abzuklären (Level A).8 Bisher gibt es keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für arterielle beziehungsweise venöse Thromboembolien oder Malignome (Mamma, Endometrium, Kolon; Level B).8
Tipps für die Praxis
Zu Beginn einer lokalen Hormontherapie kann es kurzfristig zu einem unangenehmen Brennen kommen, vor allem wenn eine atrophische Kolpitis vorliegt – es ist gut, wenn man die Patientin auf diesen unangenehmen Anfangseffekt vorbereitet. Die Anwendung einer Creme hat sich gerade zu Beginn bewährt, da sie weniger Irritationen verursacht als feste Formulierungen wie Zäpfchen oder Tabletten.
Es gilt, die Akzeptanz derverfügbaren Möglichkeiten an vaginalen Östrogenen zu eruieren, und man sollte die Patientin auch darauf vorbereiten, dass wahrscheinlich eine Langzeitbehandlung notwendig sein wird. Behandlungsabfolge und auch Kontrollintervalle können dann im weiteren Verlauf individuell gestaltet werden.
Es sollten alle Fragen im Vorfeld geklärt werden und die Patientin sollte gut instruiert die Praxis verlassen (exakte Durchführung der Applikation, Hygiene bei der Anwendung, Aufbewahrung, seltene Möglichkeit einer Östrogenexposition des Partners). Die Patientin sollte auch unbedingt darauf hingewiesen werden, dass vaginale Östrogene nicht als zusätzliches Gleitmittel beim Geschlechtsverkehr verwendet werden dürfen – sie sollte auf Alternativen hingewiesen werden.
In der Praxis hat sich eine Kombination aus nichthormonellen und hormonellen Präparaten bewährt, wodurch auch vielen Frauen die Angst vor einer „Hormonbehandlung“ genommen werden kann. Viele nutzen regelmäßig pflegende hormonfreie Befeuchtungsmittel und nehmen dann langfristig nur mehr 1–2x monatlich zusätzlich eine östrogenhaltige Creme, was ganz wunderbar funktioniert.
Es ist ein großer Fortschritt, eine der Hauptursachen von Schmerzen, Leiden und verminderter Lebensqualität vieler Frauen beseitigen zu können. Frauen sollten ermutigt werden, Hilfe zu suchen, beziehungsweise sollten wir als ärztliche Berater uns nicht scheuen, eine solche anzubieten – selbstverständlich immer unter Berücksichtigung der aktuellen Leitlinien und Empfehlungen.
Ausblick in die Zukunft
Eine Erweiterung des therapeutischen Angebots mittels Lasertherapie oder auch des Einsatzes von topischem DHEA (Dehydroepiandrosteron) haben durchaus vielversprechende Studienergebnisse erbracht.9,10 Hier gilt es, noch weitere Studienergebnisse abzuwarten.
Literatur:
Portman DJ, Gass ML: Vulvovaginal Atrophy Terminology Consensus Conference P. Genitourinary syndrome of menopause: new terminology for vulvovaginal atrophy from the International Society for the Study of Women’s Sexual Health and The North American Menopause Society. Menopause 2014; 21: 1063-8
Krychman M et al.: The Women’s EMPOWER Survey: Women’s knowledge and awareness of treatment options for vulvar and vaginal atrophy remains inadequate. J Sex Med 2017; 14: 425-33
Huang AJ et al.: Day-to-Day Impact of Vaginal Aging Questionnaire: a multidimensional measure of the impact of vaginal symptoms on functioning and well-being in postmenopausal women. Menopause 2015; 22: 144-54
Nappi RE, Kokot-Kierepa M: Women’s voices in the menopause: results from an international survey on vaginal atrophy. Maturitas 2010; 67: 233-8
Moyneur E et al.: Prevalence of depression and anxiety in women newly diagnosed with vulvovaginal atrophy and dyspareunia. Menopause 2020; 27: 134-42
North American Menopause Society: Clinician’s Guide 3. 2007, 55
Weber MA et al.: Assessment of vaginal atrophy: a review. Int Urogynecol J 2015; 26: 15-28
S3-Leitlinie Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen. Version: 2.3. Stand: 01.01.2020
Labrie F et al.: Prasterone has parallel beneficial effects on the main symptoms of vulvovaginal atrophy: 52-week open-label study. Maturitas 2015; 81: 46-56
Portman DJ et al.: Lack of effect of intravaginal dehydroepiandrosterone (DHEA, prasterone) on the endometrium in postmenopausal women. Menopause 2015; 22: 1289-95
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