„Von der Idee bis zur Eröffnung hat es drei Jahre gedauert“
Das Interview führte:
Mag. Andrea Fallent
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Nach 20 Jahren Ehe gehen Dr. Peter Haubenberger und seine Frau auch beruflich gemeinsame Wege – sie leiten seit Kurzem eine Primärversorgungseinheit in Wien, die sechs Tage die Woche für Patient:innen geöffnet ist. Welche Herausforderungen das mit sich bringt, erzählt der passionierte Allgemeinmediziner im Gespräch mit ALLGEMEINE+.
Anfang Jänner 2024 eröffneten Dr. Peter Haubenberger und seine Frau Dr. Livia Haubenberger die Primärversorgungseinheit (PVE) Wien West direkt am Westbahnhof. Das Hausarztzentrum ist Montag bis Freitag zwischen 7 und 19 Uhr und samstags von 8 bis 13 Uhr geöffnet und bietet medizinische Akutbetreuung ohne Terminvereinbarung an. In den großzügigen Räumlichkeiten sind Allgemeinmedizin, Diätologie, Psychotherapie, Sozialarbeit und Komplementärmedizin unter einem Dach vereint. Im Interview spricht Dr. Peter Haubenberger über die Besonderheiten einer Primärversorgungseinheit, ihre umfassenden Betreuungsangebote und seine medizinische Leidenschaft, die Phytomedizin, die vor allem bei häufigen gesundheitlichen Problemen wie Erkältungskrankheiten oder Schlafstörungen zum Einsatz kommt.
Herr Dr. Haubenberger, aus welchen Gründen haben Sie sich für die Allgemeinmedizin entschieden?
P. Haubenberger: Schon während des Studiums hatte ich die Allgemeinmedizin im Kopf und habe mit meinen Zusatzausbildungen, zuerst Akupunktur und dann Phytotherapie, begonnen. Ich wollte immer die gesamte Medizin ausüben und nicht nur ein bestimmtes Fachgebiet. Ich mag einerseits diese Abwechslung – von Kopfweh bis zu Schmerzen in der kleinen Zehe – und andererseits finde ich die umfassende Betreuung als zumeist erster Ansprechpartner im Gesundheitssystem schön. Und gerade bei häufigen Beschwerden wie Erkältungen stellt die Phytotherapie eine wunderbare Ergänzung dar. Es gibt hier eine Fülle von Möglichkeiten, pflanzliche Wirkstoffe zum Beispiel zur Immunstärkung einzusetzen, wie die südafrikanische Kapland-Pelargonie oder auch den Sonnenhut, die Echinacea. Ich verschreibe in diesem Zusammenhang gerne magistrale Teerezepturen, die man sehr gut als Begleittherapie einsetzen kann und die auch von der Krankenkasse bezahlt werden.
01 Der moderne Empfangsbereich der PVE mit Infotafel
Stichwort Phytotherapie: Neben Erkältungen und Magen-Darm-Problemen sind auch Schlafstörungen ein häufiges Problem. Welche Möglichkeiten bietet die Phytotherapie für eine bessere Nachtruhe?
02 Dr. Peter und Dr. Livia Haubenberger
P. Haubenberger: Schlafstörungen sind natürlich ein sehr breitflächiges Thema. Man muss bei den Schlafstörungen zuerst versuchen, die Ursache ausfindig zu machen. Die kann hormonell, aber auch psychisch bedingt sein. Es gibt zudem Schlafstörungen, bei denen sich einfach keine ursächliche Grunderkrankung finden lässt. Dann kommen wiederum Medizinaltees zum Einsatz, aber auch Fertigpräparationen, zum Beispiel ein zugelassenes Arzneimittel für Schlafstörungen auf Lavendelbasis oder Spezialitäten mit Passionsblume. Sie haben den großen Vorteil, dass sie zwar schlaffördernd, aber nicht als Hypnotikum selbst wirken und kein Hangover in den nächsten Tag hinein auftritt. Natürlich gibt es dazu auch noch eine Vielzahl an Teemischungen, wie etwa Kombinationen mit Baldrian und mit Melatonin.
Praxis-Tipp
Primärversorgungseinheiten
Primärversorgungseinheiten (PVE) sind eine neue Organisationsform für eine umfassende Gesundheitsversorgung. Das Leistungsspektrum geht über die klassische ärztliche Tätigkeit hinaus, es umfasst auch pflegerische, therapeutische und soziale Aufgaben. PVE haben einen Kassenvertrag mit allen gesetzlichen Krankenversicherungen, Versicherte können mit der e-card alle Vertragsleistungen einer PVE in Anspruch nehmen.
Auf der Website der Plattform Primärversorgung (
https://primaerversorgung.gv.at
), die von der Gesundheit Österreich GmbH und dem Gesundheitsministerium etabliert wurde, steht die Infomappe „Krankheitsprävention, Gesundheitsförderung und Gesundheitskompetenz in der Primärversorgungseinheit“ mit Anregungen für konkrete Umsetzungsmaßnahmen zum Download zur Verfügung. Diese geben auch Hinweise auf die erforderlichen Ressourcen sowie Weiterbildungs- und Kooperationsmöglichkeiten.
Auf der Website der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) können Interessierte weitere Informationen rund um die PVE-Gründung abrufen:
https://www.gesundheitskasse.at/cdscontent/load?contentid=10008.750982&version=1683035390
Mit den Sommerferien beginnt auch wieder die Hauptreisezeit. Welche Phytotherapeutika sollten in der Reiseapotheke nicht fehlen?
03 Eine der weiteren Allgemeinmediziner:innen im Team: Dr. Harriet Afriyie
P. Haubenberger: Ich beginne mit Mitteln gegen Durchfall, unter denen es durchaus auch gute mit pflanzlichen Wirkstoffen gibt. In dieser Indikation können etwa getrocknete Heidelbeeren oder Schwarztee eingesetzt werden. Aber auch die spezielle Karottensuppe nach Moro kann relativ einfach zubereitet werden, ohne dass man mit chemischen Mitteln intervenieren müsste. Gegen Magenverstimmungen gibt es zudem ein Fertigpräparat auf Basis einer altbewährten Kräuterrezeptur, die sehr gut wirkt und ebenfalls eine konventionelle Therapie ersetzen kann. Für traumatische Verletzungen wie z.B. Prellungen bieten sich Salbenzubereitungen an, die etwa Beinwell enthalten. Ebenso kann die Phytotherapie bei Hautirritationen durch UV-Strahlung punkten. Johanniskrautöl hilft bei leichten Verbrennungen und Sonnenbrand, da es eine durchblutungsfördernde und antiphlogistische Wirkung hat.
Welche Ausbildung empfehlen Sie Kolleg:innen, die sich auch für Pflanzenheilkunde als ganzheitliche Ergänzung interessieren?
P. Haubenberger: Die Österreichische Gesellschaft für Phytotherapie bietet ein ÖÄK-Diplom in Niederösterreich und in Tirol an, das acht Module umfasst. An der Karl Landsteiner Universität Krems ist der Zertifikatslehrgang „Therapeutische Möglichkeiten evidenzbasierter Phytotherapie“ geplant.
Sie leiten gemeinsam mit Ihrer Frau seit Anfang des Jahres eine Primärversorgungseinheit. Was hat Sie dazu motiviert?
04 Pflege-Fachassistentin Doris Lustig im Labor
P. Haubenberger: Wir haben aus mehreren Gründen beschlossen, nach 20 Jahren Ehe nun auch beruflich einen gemeinsamen Weg zu beschreiten, und haben uns 2021 für die Eröffnung einer Gruppenpraxis in Wien-Fünfhaus beworben. In der weiteren Folge wurden wir vonseiten der Sozialversicherung und der Ärztekammer auch hinsichtlich der Möglichkeit einer Primärversorgungseinheit beraten, da sich einerseits der Standort optimal dafür eignet und andererseits die Ärztedichte in der Umgebung gering und daher der Bedarf an umfassender Versorgung sehr groß ist. Und so hat es sich relativ rasch ergeben, dass wir uns dafür beworben haben. Dazu kam, dass wir diese großzügigen Räumlichkeiten der ÖBB direkt am Wiener Westbahnhof anmieten konnten. Mit dieser Entscheidung sind wir natürlich auch ein großes Risiko eingegangen – nicht nur finanziell und organisatorisch. Ein solches Projekt bringt auch eine umfassende Lebensumstellung mit sich.
Wie einfach oder schwierig war die Umsetzung?
P. Haubenberger: Von der Idee bis zur Eröffnung hat es drei Jahre gedauert. Dadurch hatten wir auch genügend Zeit, alles so umzusetzen, wie wir uns das vorgestellt haben. Eventuell würde ich das eine oder andere etwas anders machen als vor drei Jahren geplant, aber im Großen und Ganzen sind wir mit der Umsetzung zufrieden.
In welchen Bereichen unterscheidet sich eine Gruppenpraxis von einer Primärversorgungseinheit?
P. Haubenberger: Eine Primärversorgungseinheit ist an sich eine Gruppenpraxis, nur mit speziellen Vorgaben. Wir müssen zum Beispiel die Möglichkeit einer Psychotherapie sowie soziale Betreuung und diätologische Beratung anbieten. Diese sinnvollen Bereiche haben wir von Anfang an eingeplant. Wenn es zum Beispiel um soziale Fragen wie Pflegegeld, um Rehabilitation oder lokale Förderungen der Stadt Wien geht, bin ich als Arzt bisweilen überfordert. Aber unsere Patient:innen kommen eben auch mit solchen Problemen zu uns. In diesen Fällen kann ich auf unsere Sozialarbeiterin verweisen, die sie beraten kann.
Ein Viertel bis ein Drittel unserer Patient:innen hat zudem psychische Probleme. Da können wir viel über ein Gespräch bewirken oder sie medikamentös unterstützen, aber das reicht oft nicht. Dann kann unsere Psychotherapeutin übernehmen – und zwar sehr unkompliziert von Tür zu Tür. Sehr wertvoll ist auch die Möglichkeit der Diätologie. Wir haben viele Patient:innen mit Adipositas und Diabetes, aber interessanterweise auch viele mangelernährte – zum Beispiel Menschen mit Unverträglichkeiten, die sich fast gar nichts mehr zu essen trauen. Darum kümmern sich unsere beiden Diätologinnen. Weiters planen wir noch einen Raum so umzugestalten, dass hier auch noch Physiotherapie durchgeführt werden kann.
Welche Empfehlungen können Sie Kolleg:innen für die Umsetzung einer Primärversorgungseinheit geben?
P. Haubenberger: Wichtig ist, von Anfang an einen guten Plan zu haben – vom Versorgungskonzept über den Businessplan bis hin zu den eigenen Zielvorstellungen. Das sind Dinge, die wir im Studium und auch in der sonstigen Ausbildung eigentlich nie gelernt haben, mit denen man sich aber auseinandersetzen muss. Unbedingt sollte man die Planung der Räumlichkeiten auch selbst in die Hand nehmen. Die Abläufe sollten gut durchdacht werden, um effiziente Prozesse und damit auch eine hohe Patientenzufriedenheit zu erreichen. Weiters ist es wichtig, ein gutes Team aus den verschiedenen Berufsgruppen aufzubauen. Wir haben bereits ein Jahr vor der Eröffnung eine Managerin angestellt, die für das Personalrecruiting, den Organisationsaufbau und die Dokumentation zuständig war. Die Entscheidung, ob angestellt wird oder nicht, sollte dennoch „Chefsache“ sein.
Fortbildungen zu Phytotherapie
ÖÄK-Diplom Phytotherapie
Phytotherapie ist nach der Definition der Österreichischen Gesellschaft für Phytotherapie jene Therapierichtung, die zur Therapie und Prophylaxe Arzneimittel pflanzlicher Herkunft (Phytopharmaka = Phytotherapeutika) anwendet, dabei jedoch ausschließlich nach medizinisch-naturwissenschaftlichen Grundsätzen vorgeht.
Bei der Ausbildung wird Wert darauf gelegt, Kenntnisse und Erfahrungen mit pflanzlichen Produkte im weiteren Sinn zu vermitteln, d.h., auch pflanzliche Arzneimittel, deren Anwendung mit naturwissenschaftlichen Methoden (noch) nicht oder nicht zufriedenstellend belegt werden kann (z.B. pflanzliche Arzneimittel der traditionellen europäischen Medizin, Nahrungsergänzungsmittel etc.), im Curriculum entsprechend zu behandeln. Der Diplomlehrgang besteht aus einem theoretischen und einem praktischen Ausbildungsteil und umfasst insgesamt 8 Module in Form von Wochenendseminaren. Die Weiterbildung kann bereits während des Medizinstudiums absolviert werden.
Weitere Informationen:
https://www.phytotherapie.at
Tirol:
https://www.schlosshofen.at/bildung/gesundheit/phytotherapie-oeaek/
Zertifikatslehrgang
An der Karl Landsteiner Privatuniversität in Krems ist der Lehrgang „Therapeutische Möglichkeiten evidenzbasierter Phytotherapie“ geplant. Weitere Informationen:
office@kl.ac.at
Wie sind Ihre Erfahrungen als Lehrpraxis im Rahmen der allgemeinmedizinischen Ausbildung?
P. Haubenberger: Wir haben uns bemüht, rasch eine Lehrpraxis-Ordination zu werden. Das konnten wir erreichen, da ich schon davor eine Wahlarztordination hatte und wir beide schon mehrere Jahre allgemeinmedizinische Erfahrung haben. Unsere Lehrpraktikantin ist sehr zufrieden, da sie in den Alltag einer allgemeinmedizinischen Ordination hineinschnuppern kann und selbst viel Erfahrung auch in der Kommunikation mit den Patient:innen sammelt. Es ist doch anders, in einer Ordination zu arbeiten als im Spital. Diese Umstellung fällt vielen Jungmediziner:innen gar nicht leicht.
Zu Ihrem Leistungsangebot zählt auch die Telemedizin. In welchem Rahmen wird diese bei Ihnen bereits durchgeführt?
P. Haubenberger: Telemedizin ist ein Projekt, das sich im Moment noch auf telefonische Beratung beschränkt. Zum Beispiel können Besprechungen von Befunden sehr gut telefonisch abgewickelt werden, dazu müssen unsere Patienten nicht persönlich kommen. Dazu wird einfach vorab ein Termin vereinbart. Wir haben sogar einen eigenen Raum für Telemedizin, zum Beispiel für Videokonferenzen. Die Umsetzung umfangreicher telemedizinischer Angebote haben wir für Herbst 2025 angepeilt.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
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