
Update Impfen 2025
Autorin:
Priv.-Doz. Dr. Maria Paulke-Korinek, PhD, DTM
Leiterin der Abteilung VII/A/10 – Impfwesen
Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz
E-Mail: maria.paulke-korinek@sozialministerium.at
Das Interview führte:
Dr. Katrin Spiesberger
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Die kalte Jahreszeit bringt so manche Atemwegsinfektion mit sich. Vor deren schweren Verläufen schützen entsprechende Impfungen. Aber auch „klassische Kinderkrankheiten“ können durch Impfungen verhindert werden. Wie es derzeit um die österreichische Impflandschaft bestellt ist, berichtete uns die „oberste Impfärztin“ des Landes, Priv.-Doz. Dr. Maria Paulke-Korinek, PhD, DTM, Leiterin der Abteilung Impfwesen im Bundesministerium.
Der Österreichische Impfplan wird immer im Herbst aktualisiert. Was sind die wichtigsten Neuerungen in der Version 2024/2025?
M. Paulke-Korinek: Eigentlich gab es zuletzt zwei Aktualisierungen: eine im Herbst, da zu diesem Zeitpunkt die Covid-Impfungen verfügbar waren und die Influenza-Saison gestartet ist. Eine zweite Aktualisierung fand am 18. Dezember statt, da wir im kostenfreien Kinderimpfprogramm eine zweite Schutzimpfung gegen Keuchhusten bereitstellen konnten. Außerdem gab es mit der Bereitstellung des RSV-Immunglobulins, also des passiven Schutzes gegen RSV, im kostenfreien Kinderimpfprogramm für alle Kinder eine weitere besondere, große Neuerung. Wir wollten natürlich nicht, dass eine veraltete Version des Impfplans kursiert, und sicherstellen, dass wirklich alle die aktuellste Information haben.
Gefühlt sind gerade alle krank. Die Atemwegsinfektionen und vor allem Influenza haben Hochsaison. Bei welchen Personen machen denn Impfungen Sinn und wovor schützen sie?
M. Paulke-Korinek: Prinzipiell ist es natürlich altersabhängig, für welche Personen welche Impfungen empfohlen sind.
Zunächst haben wir die klassischen Kinderimpfungen, von denen die wichtigsten und die meisten Impfungen im kostenfreien Kinderimpfprogramm abgedeckt sind.
Dieses kostenfreie Programm gibt es seit 1998. Damals sind mehrere von den neuen Kombinationsimpfstoffen auf den Markt gekommen, die relativ hochpreisig sind, beispielsweise die Sechsfachimpfung. Man wollte nicht, dass es dadurch zu sozialen Benachteiligungen kommt, und um sicherzustellen, dass alle Kinder, ungeachtet des Einkommens der Eltern, den gleichen Zugang zu den Impfungen haben, wurde dieses erfolgreiche kostenfreie Programm ins Leben gerufen.
Wie schon erwähnt, konnten wir nun erreichen, dass die zweite Keuchhusten-Schutzimpfung in der Schule bereitgestellt wird, und mit der passiven RSV-Immunisierung gegen eine weitere Atemwegserkrankung vorgehen.
Momentan gibt es noch ein zweites öffentliches Impfprogramm, nämlich das gegen Influenza. Es ist wirklich ein großer Meilenstein in der Impfgeschichte Österreichs, dass sich Bund, Länder und Sozialversicherungverpflichtet haben, gemeinsam für die gesamte Bevölkerung ein öffentliches Impfprogramm bereitzustellen – dies gilt nicht nur für Kinder und Senior:innen, sondern für die gesamte Population. Ursprünglich gab es in der Bundeszielsteuerungskommission den Beschluss für dieses öffentliche Impfprogramm Influenza und in weiterer Folge konnte im Rahmen der Gesundheitsreform und der Finanzausgleichsverhandlungen sogar erzielt werden, dass es auch zukünftig – für die momentan laufende Finanzausgleichsperiode – zusätzliche Gelder fürs Impfen gibt.
Wir sind optimistisch, dass die öffentlichen Impfprogramme für die gesamte Bevölkerung weiter ausgebaut werden können.
Der dritte Block sind die Impfungen, die für Personen ab 60 Jahren beziehungsweise für Risikogruppen empfohlen sind – Risikogruppen wie chronisch Kranke, also beispielsweise schwer herz- oder lungenkranke Personen, Personen mit onkologischen Erkrankungen, Diabetes oder einem BMI über 30kg/m2.
Für diese Personengruppen sind weitere Impfungen empfohlen, die für die erwerbstätige Bevölkerung unter 60 nicht empfohlen sind, beispielsweise die Pneumokokken-Impfung, die Herpes-zoster-Impfung oder auch die Impfung gegen RSV.Last but not least haben wir auch noch das öffentliche Impfprogramm des Bundes gegen Covid-19.
Wie sieht es mit den offiziellen Empfehlungen zur Covid-Impfung aus?
M. Paulke-Korinek: Die Covid-Impfung wird nach wie vor empfohlen – für Personen ab dem vollendeten 12. Lebensjahr und insbesondere für Risikogruppen und Personen ab 60 Jahren. Auch für Gesundheitspersonal macht die Covid-Impfung besonders viel Sinn, da dieses durch den Kontakt mit an Covid-19 Erkrankten einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt ist. Da es sich um eine saisonale Impfung handelt, sollte man einmal pro Jahr gegen Covid impfen, wenn nicht kurz vorher eine Infektion stattgefunden hat. Man geht davon aus, dass man für ca. ein Jahr nach der Infektion einen gewissen Schutz hat.
Welche Schutzimpfungen sollte man noch im Blick haben?
M. Paulke-Korinek: Ganz wichtig ist momentan die Dreifachimpfung Diphtherie/Tetanus/Keuchhusten, die für Personen im erwerbsfähigen Alter alle fünf Jahre empfohlen wird.
Aufgrund der Ausbruchsituation möchte ich explizit darauf hinweisen, dass es in jedem Lebensalter wichtig ist, einen Masernschutz zu haben. In den letzten Jahren beobachteten wir ein wirklich relevantes Masernausbruchsgeschehen: Im Jahr 2024 hatten wir 542 bestätigte Fälle.
Bei Masern denken ja viele, dass es sich um eine harmlose Kinderkrankheit handelt. In der Tat ist es aber so, dass mehr als ein Fünftel aller Fälle, die gemeldet wurden, auch im Krankenhaus aufgenommen werden. Es handelt sich also durchaus um eine schwere Erkrankung – das Masernvirus ist eines der ansteckendsten Viren beim Menschen, die es gibt, wir sehen die Masernfälle in allen Altersgruppen.
Sie haben den Keuchhusten angesprochen. Wie erklärt man sich die Fallzahlen vor dem Hintergrund, dass gegen Keuchhusten in der Dreifachimpfung zusammen gegen Diphtherie und Tetanus geimpft wird und die Tetanus-Impfbereitschaft ja relativ hoch ist?
M. Paulke-Korinek: Vorweg: 2024 wurden 15465 Fälle von Keuchhusten registriert. Das kann auf mehrere Gründe zurückgeführt werden: Zunächst hat die Pertussis-Schutzimpfung – im Gegensatz zur Masernimpfung, die nach zwei Impfungen einen 95%igen Schutz mit sich bringt – eine gewisse Schutzwirkung, die aber enden wollend ist. Sprich, man kann auch an Keuchhusten erkranken, wenn man geimpft ist, so wie es bei all diesen respiratorischen Erregern inkl. Influenza oder Covid-19 der Fall ist. Wir lassen uns impfen und haben dann Antikörper im Blut. Die Erreger setzen sich aber auf die Schleimhaut und verursachen dort die Erkrankung. Diese Impfungen schützen vor schweren Verläufen, und die sind es ja, die man verhindern will.
Beim Keuchhusten kommt hinzu, dass der Erreger Bordetella pertussis ständig in der Bevölkerung zirkuliert: Kinder stecken die Erwachsenen an, die Erwachsenen wieder Erwachsene, die Erwachsenen die Kinder. Durch diesen wellenförmigen Kreislauf hat man eine natürliche Boosterung, sodass das Schutzniveau auch von Personen, die nicht geimpft sind, durch den natürlichen Kontakt mit dem Erreger erhöht wird. Diese natürliche Zirkulation ist durch die Pandemiemaßnahmen entfallen.
Der dritte Faktor sind die schlichtweg zu niedrigen Durchimpfungsraten. Wir empfehlen seit Jahren ausdrücklich, dass alle Auffrischungsimpfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Polio oder Keuchhusten mit Kombinationsimpfstoffen durchgeführt werden sollen, bei denen auch der Keuchhusten mit abgedeckt wird. In der Realität sehen wir aber, dass das nicht passiert und oft einfach nur gegen Diphtherie/Tetanus ohne die Keuchhusten-Komponente geimpft wird – aus Kostengründen.
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass vor allem durch die Pandemie der Impfwille der Bevölkerung generell gesunken ist. Ist das tatsächlich so?
M. Paulke-Korinek: Um ehrlich zu sein: Es stehen uns keine genauen Zahlen zur Verfügung. Wir haben zwar die Zahlen vom kostenfreien Kinderimpfprogramm, aber darüber hinaus und abgesehen vom öffentlichen Impfprogramm Influenza und von den Covid-Impfungen spielt sich das Impfwesen am Privatmarkt ab. Es werden zwar schon sehr viele Impfungen in den e-Impfpass eingetragen, es wäre mit der momentanen Datenlage aber absolut unzulässig, davon auf Durchimpfungsraten zu schließen. Darum haben wir die Daten aus den Impfprogrammen, die uns zur Verfügung stehen, mithilfe von entsprechenden mathematischen Modellen analysieren lassen und dabei zeigt sich – sowohl für Masern als auch für die Diphtherie/Tetanus/Keuchhusten/Polio-Impfung –, dass die Durchimpfungsraten schlichtweg auf zu niedrigem Niveau stabil sind. Ein Trend, den wir seit 2016 so beobachten.
Betonen möchte ich eher die Impflücken, die z.B. in den Jahren 2020/2021 aufgrund des Lockdowns entstanden sind und die bis heute nicht geschlossen werden konnten. Ähnlich war es bei der Schweinegrippe-Pandemie 2009 – auch hier gab es eine Impflücke in Bezug auf Masern bei den Kindern, die wir bis heute nicht schließen konnten. Die Durchimpfungsraten der letzten zwei Jahrgänge liegen nun zumindest wieder auf einem Niveauwie vor der Pandemie, also weiterhin zu niedrig.
Ein gutes Beispiel, das zeigt, dass die Impfbereitschaft wirklich sehr spezifisch ist, ist die Erfolgsgeschichte der HPV-Impfung. Hier ist die Akzeptanz sehr hoch.
Wie können die Hausärztinnen und Hausärzte dazu beitragen, diese Lücken zu füllen? Welche Strategien können sie anwenden?
M. Paulke-Korinek: Wir wissen aufgrund von unzähligen wissenschaftlichen Publikationen, dass der persönliche Arztkontakt, also das Gesprächmit einem Arzt oder einer Ärztin, dem bzw. der die Menschen vertrauen, der allerwichtigste Faktor ist, aufgrund dessen sich Menschen für oder gegen eine Impfung entscheiden. Das kann man gar nicht oft genug den Kolleginnen und Kollegen ins Bewusstsein rufen. Woran wir momentan intensiv arbeiten – und ich hoffe, dass wir dies nächstes Jahr umsetzen können –, ist, dass der Kollege oder die Kollegin in Zukunft alle Impfungen im e-Impfpass einsehen kann und sieht, wenn der Patient oder die Patientin vor ihm bzw. ihr sitzt, welche Impfung gerade empfohlen ist, weil das im e-Impfpass – basierend auf den Vorimpfungen – automatisch berechnet wird.
Zudem gibt es ja die WHO-Empfehlung, die wir auch entsprechend im Impfplan abgebildet haben, dass wirklich jeder Arztkontakt dazu genutzt werden sollte, den Impfstatus zu überprüfen. In diesen Zeiten ist es mit Hinblick auf Masern, auf Keuchhusten wirklich ganz, ganz wichtig und wertvoll, dass die Kolleginnen und Kollegen einfach nur kurz nach dem Impfstatus fragen. Denn wir haben festgestellt, dass die meisten Menschen sich nicht deswegen nicht impfen lasssen, weil sie Impfgegner sind oder es ablehnen, sondern weil sie es einfach nicht wissen. Deswegen ist es umso wichtiger, dass die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte entsprechend Bescheid wissen.
Worüber sollten die Hausärztinnen und Hausärzte momentan Bescheid wissen?
M. Paulke-Korinek: Die HPV-Impfung wird derzeit noch bis zum 31.12.2025 bis zum 30. Lebensjahr kostenfrei angeboten. Wenn also die Hausärztinnen und Hausärzte in der Grippezeit ihre Patientinnenund Patienten sehen, sollen sie sie auf die Möglichkeit der HPV-Impfung aufmerksam machen. 4 von 5 Menschen infizieren sich einmal im Leben mit HPV. Es wäre wirklich schade, wenn die Menschen das Impfangebot nicht in Anspruch nehmen, weil sie nicht davon wissen.
Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass man sich möglichst bald die erste Teilimpfung verabreichen lassen sollte, dann ist die zweite Teilimpfung, die nach sechs Monaten gegeben wird, auch noch gratis. Ich glaube, dassdas schon ein sehr, sehr wertvolles Angebot ist.
Bei den Impfungen gilt: Es braucht Ärztinnen und Ärzte, die sie umsetzen, und Menschen, die wissen, dass sie sich impfen lassen müssen. Und in beiden Fällen sind die praktischen Ärztinnenund Ärzte enorm wichtige Partner.
Vielen Dank für das Gespräch!
Hier kommen Sie zur aktuellen Version 1.1 des Österreichischen Impfplans 2024/2025 !
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