Über die vielen Vorteile eines Primärversorgungszentrums
Autorin:
Mag. Dr. Katharina Hauer
Ärztin für Allgemeinmedizin
Primärversorgungszentrum Traun
E-Mail: hauer.katharina@gmx.net
Web: www.pvz-traun.at
Der Beitrag des Juristen Mag. Markus Lechner „ Umstrittenes Verrechnungsmodell: Vor- und Nachteile von Primärversorgungseinheiten (PVE) “ in der Ausgabe 2/24 hat einige Reaktionen hervorgerufen. Manche stimmten dem Autor zu, einige gar nicht. Wir dürfen den Kommentar einer Allgemeinmedizinerin veröffentlichen, die in einem Primärversorgungszentrum (PVZ) tätig ist: Mag. Dr. Katharina Hauer vom PVZ Traun.
Der Artikel suggeriert, dass die Für und Wider dieses neuen Systems aufgezeigt werden. Tatsächlich hat der Autor mit seinen Vermutungen über mögliche Nachteile von Primärversorgungseinheiten (PVE) in meinen Augen nur eine Lanze für die Einzelordination gebrochen. Ich möchte Missverständnisse – die sich zumindest für unsere Organisation, das PVZ Traun, ergeben – klarstellen.
Wo sind PVE?
Primärversorgungseinheiten entstehen vielerorts in Gebieten, die als „Brennpunkte“ gelten (keine Hausapotheke, Speckgürtel von Städten etc.) und die sich schwertun, offene Kassenstellen zu besetzen. „Schöne Stellen“ mit Hausapotheken am Land oder in guten Wohngegenden haben kaum Besetzungsprobleme. Dennoch muss im Sinne der Patient:innen auch in diesen Gebieten eine allgemeinmedizinische Versorgung angeboten werden, da sonst die Ambulanzen extrem belastet werden.
Versorgung durch PVE
Es stimmt: „Gute und effiziente Primärversorgung ist in der Lage, 90% aller medizinischen Angelegenheiten abschließend zu bewältigen …“ Wir haben in unserem Team Logopäd:innen, Ergotherapeut:innen, klinische Psycholog:innen, Physiolog:innen, Diätolog:innen und Sozialarbeiter:innen. Wir bieten Sturzprophylaxe für Patient:innen ab 60, eine Walkinggruppe, eine Rückenschule und eine Sing- und Stimmgruppe an. Weiters werden Diabetes-Schulungen durchgeführt. In unserem Team befinden sich auch zwei Kinderärzt:innen und zwei diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerinnen mit Spezialisierung auf Kinder- und Jugendlichenpflege, die Stillberatungen durchführen. Unsere Therapien sind für die Patient:innen zugänglich und kostenlos (ÖGK, SVS und BVA). Viele unserer Patient:innen befinden sich in einer finanziell angespannten Situation – ohne dieses Angebot könnten sie eine solche Gesundheitsleistung nicht in Anspruch nehmen. Eine Tatsache, die im Widerspruch zur vom Autor gestellten Annahme steht, „(…) dass vergleichbare Behandlungen in Primärversorgungseinheiten wesentlich teurer sind als in bewährten Strukturen“.
Thema Öffnungszeiten und freie Ärzt:innenwahl
Dass Patient:innen keine „(...) Garantie haben, dass ihr persönlicher Arzt jederzeit auch zugegen ist“, trifft zumindest für uns so nicht zu. Wir sind sechs Allgemeinmediziner und (ja!) auch Allgemeinmedizinerinnen und haben 55 Stunden die Woche offen. Unsere Öffnungszeiten sind Montag bis Donnerstag 7:00 bis 19:00 Uhr und Freitag 7:00 bis 16:30 Uhr mit jeweils einer halben Stunde Mittagspause von 13:00 bis 13:30 Uhr. Im Gegensatz zu unserem Primärversorgungszentrum hat übrigens keine:r der umliegenden Kolleg:innen am Freitagnachmittag geöffnet.
Für die Patient:innen besteht freie Arzt- und Ärztinnenwahl, das heißt, sie können den Arzt/die Ärztin angeben, zu dem/der sie wollen. Unsere Zeiten sind so gelegt, dass jeder Arzt/jede Ärztin Randzeiten bedient und somit von seinen/ihren Stammpatient:innen außerhalb von deren Arbeitszeiten besucht werden kann. Akutpatient:innen bekommen den ersten freien Termin, aber dabei handelt es sich meist um Husten, Schnupfen, Heiserkeit, Krankenstand. Für solch ein Krankheitsbild ist eine persönliche Betreuung durch den vertrauten Hausarzt/die vertraute Hausärztin zweitrangig.
Patient:innenverteilung durch Verrechnungssystem und Vollversorgungsauftrag
Dass sich PVE „(...) aufgrund des Verrechnungssystems auf einfache und finanziell lukrative Fälle konzentrieren würden“, kann ich nicht bestätigen und steht im Gegensatz zur Vielzahl meiner chronisch kranken Patient:innen, die mich teilweise fast wöchentlich besuchen kommen. Es ist eine Tatsache, dass in PVE Patient:innen aufgrund der leichteren Zugänglichkeit häufiger pro Quartal zum Arzt/zur Ärztin gehen (Zahlen liegen der ÖGK vor). Das ist allerdings nicht sonderlich „kostendeckend“! Die Aussage, dass „PVZ die Überlastung von fachärztlichen und Spitalsbereichen anheizen“, finde ich persönlich beleidigend, weil sich diese nicht mit meinem Berufsalltag deckt.
Zum Thema Vollversorgungsauftrag: PVZ sind VERPFLICHTET, Substitutionspatient:innen zu behandeln. Um die Koordination mit den hiesigen Anlaufstellen/Kliniken zu verbessern, wird in unserem Fall im Herbst sogar ein Koordinationstreffen von allen Parteien durchgeführt. Substitutionspatient:innen können sich somit außerhalb ihrer Arbeitszeiten ein Substitutionsrezept abholen. Im Gegensatz zu PVE sind Einzelordinationen dazu nicht verpflichtet, dementsprechend niedrig ist auch deren Angebot.
Fazit
Als Fazit möchte ich mitgeben, dass wir als Team des PVZ Traun viel Mühe, Zeit und Geld vorab in die Vorbereitung dieser Struktur gesteckt haben. Es werden in wöchentlichen Besprechungen mit allen Berufsgruppen die Arbeitsabläufe optimiert. Wir sind ein großer Betrieb und können somit viele Ressourcen bündeln und Leistungen anbieten, die in einer Einzelpraxis nicht möglich wären.
Ich bin jedoch keine Freundin davon, unterschiedliche Gruppen zu vergleichen und gegeneinander auszuspielen. Beide Systeme, Primärversorgungszentren und Einzelordinationen, haben ihr Für und Wider und ihre Eigenheiten – genauso wie ihre Betreiber:innen. Ich für meinen Teil sehe mich durchaus als Teil der Primärversorgung und versuche, dies an jedem Ordinationstag und Wochenenddienst an die Patient:innen bestmöglich weiterzugeben. Primärversorgungszentren können also einen wichtigen Beitrag zur lokalen Gesundheitsversorgung leisten, indem sie fächerübergreifende Medizin und Therapien anbieten. Für die Patient:innen bedeutet das rasche und gut organisierte Leistungen und für die Teammitglieder gute Arbeitsbedingungen.
Das PVZ Traun stellt sich vor
2018 beschlossen die Allgemeinmediziner Dr. Johann Jagersberger und Dr. Gerald Dürr die Gründung eines Primärversorgungszentrums in Traun. Grund dafür war die bevorstehende Pensionierungswelle bei den ansässigen Hausärzten, die die Gesundheitsversorgung der lokalen Bevölkerung bedrohte. Von den Vorteilen eines PVZ überzeugt, eröffnete 2022 das Primärversorgungszentrum Traun im Gesundheits- und Stadtteilzentrum Weidfeld in Traun/St. Dionysen. Die Räumlichkeiten sind mit dem Lift barrierefrei zu erreichen, auf rund 1300m2 Fläche befinden sich 16 Ordinationszimmer und sieben Therapieräume. Eine komplett getrennte Infektionsordination sowie ein eigener Laborbereich ermöglichen eine moderne Rundum-Gesundheitsversorgung unter einem Dach.
Neben sechs Allgemeinmediziner:innen und zwei Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendheilkunde werden die Patient:innen vor Ort durch Physiotherapeut:innen, eine Ergotherapeutin, klinische Psychologinnen, Logopädinnen, Diätolog:innen, Sozialarbeiterinnen, diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerinnen rundum betreut, 15 Ordinationsassistentinnen sorgen für den reibungslosen Ablauf. Insgesamt besteht das Team des PVZ Traun aus 55 Personen – eine Mitarbeiter:innenzahl, die die Arbeit planbarer macht, Familie, Beruf und Freizeit lassen sich so besser vereinbaren.
Mehr Informationen zum PVZ Traun finden Sie unter www.pvz-traun.at .
Das könnte Sie auch interessieren:
Vor- und Nachteile von Primärversorgungseinheiten
Die Kritiker der Primärversorgungseinheiten geben zu bedenken, dass die Umsetzung aufgrund des Verrechnungssystems kontraproduktiv im Sinne einer echten Primärversorgung sein könnte, da ...
ALLGEMEINE+ auf universimed.com
Ab sofort finden Sie alle Inhalte von ALLGEMEINE+ auf unserem Portal universimed.com! Sie müssen nichts weiter tun - die Log-in-Daten bleiben dieselben.
Kündigung des kurativen Einzelvertrages
Der kurative Einzelvertrag eines Kassenvertragsarztes kann auf vielfältige Art und Weise beendet werden: neben Kündigung des Gesamtvertrages auch durch Erreichen des 70.Lebensjahres, ...