
Welche Therapieempfehlungen sollten am raschesten umgesetzt werden?
Stv. Leiter der AG Herzinsuffizienz der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft<br> 3. Medizinische Abteilung Universitätsklinikum St. Pölten<br> E-Mail: deddo.moertl@stpoelten.lknoe.at

Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Update Behandlungsalgorithmus bei Herzinsuffizienz mit LVEF≤40% (HFrEF)
Für die Behandlung der HFrEF zeigt sich in den neuen Guidelines ein deutlich vereinfachter Behandlungsalgorithmus (Abb.1).1 Statt in einer kaskadenartigen Flow-Chart werden die pharmakologischen Therapien der Klasse I zusammen als First-Line-Therapien in einer gemeinsamen Box dargestellt. Dies impliziert, dass die traditionelle Sequenzierung – zuerst ACE-Hemmer und Betablocker, dann Mineralokortikoidrezeptor-Antagonist (MRA), dann Wechsel auf den ARNI Sacubitril/Valsartan – einiges von ihrer früheren Bedeutung verloren hat. Dies wird auch von den Guideline-Autoren in mündlichen Präsentationen so erklärt.
Abb. 1: Therapiealgorithmus für Patienten mit HFrEF (grün: Klasse-I-Empfehlung, gelb: Klasse-IIa-Empfehlung)
Wesentlich wichtiger ist, dass ein neu diagnostizierter HFrEF-Patient innerhalb weniger Wochen sämtliche Klasse-I-Medikamente in Zieldosis als Therapieziel hat. Welcher Weg letztendlich – nach erfolgreicher Therapieoptimierung – dorthin geführt hat, ist retrospektiv gesehen unwichtig – es muss nur klappen.1
Ebenso nachvollziehbar ist aber auch, dass die Guidelines-Autoren die aktuell vorliegende Evidenz abbilden müssen. Deshalb versteckt sich im Text dennoch die evidenzbasierte Sequenzierung der Klasse-I-Medikamente: ACE-Hemmer und Betablocker sollen sofort nach Diagnosestellung gegeben werden, der MRA soll zu ACE-Hemmer und Betablocker dazugegeben werden und Sacubitril/Valsartan wird nach wie vor als Ersatz für den ACE-Hemmer empfohlen, wenn Patienten trotz ACE-Hemmer, Betablocker und MRA immer noch symptomatisch sind, auch wenn Sacubitril/Valsartan auch ohne vorhergegangenen ACE-Hemmer in Betracht gezogen werden kann.1
Neue Substanzklassen bei HFrEF
Neu hinzugekommen bei der Behandlung der HFrEF sind die SGLT-2-Inhibitoren. Diese werden bei HFrEF-Patienten empfohlen, die bereits mit ACE-Hemmer oder Sacubitril/Valsartan, Betablocker und MRA behandelt sind. Wesentlich ist, dass aufgrund der Datenlage zur Behandlung der HFrEF unter den SGLT-2-Inhibitoren nur Dapagliflozin und Empagliflozin empfohlen sind.1, 2, 3
Die besondere Situation beim Einzug dieser neuen Substanzen auf Anhieb mit einer Klasse-I-A-Empfehlung für die Behandlung der HFrEF ist, dass wir nicht nur bereits eine europäische und damit österreichische Zulassung für die Indikation HFrEF haben, sondern auch die Substanzen seit vielen Jahren kennen und nicht erst neu Erfahrungen damit sammeln müssen.
Wegen der Aufhebung der traditionellen Sequenzierung wäre es natürlich angenehm, gleich mit der einfachsten Therapie zu starten, nämlich den SGLT-2-Inhibitoren, da hier keine Probleme mit Hypotonie, Bradykardie, Verschlechterung der Nierenfunktion oder Hyperkaliämie zu erwarten sind.2,3 Darüber hinaus sind weder eine Auftitration noch spezifische Nachkontrollen erforderlich. Dies erscheint aufgrund der Datenlage vertretbar und ist aus Praktikabilitätsgründen nachvollziehbar. Da die Situation bezüglich der Kostenerstattung in Österreich zum Zeitpunkt der Erstellung des Artikels noch im Fluss ist, erscheint dies als einzige Hürde, die beim Start mit SGLT-2-Inhibitoren als HFrEF-Therapie genommen werden muss.
Neben dieser neuen Klasse-I-A-Empfehlung für Dapagliflozin und Empagloflozin gibt es auch unter den Klasse-II-Empfehlungen sehr praxisrelevante Neuerungen, die auf der Evidenz kürzlich erschienener Trials beruhen. Mit Vericiguat hält eine neue Substanzklasse, die solublen Guanylat-Zyklase-Stimulatoren, die bereits in der pulmonalen Hypertension verwendet werden, in die Therapie der HFrEF Einzug.1
Basierend auf den Daten der VICTORIA-Studien4 ist Vericiguat empfohlen bei Patienten mit HFrEF, die trotz ACE-Hemmer, Betablocker und MRA rezent wegen Verschlechterung hospitalisiert wurden. Die Anwendung bei dieser relativ großen Patientengruppe wird dadurch erleichtert, dass Vericiguat bis zu einer eGFR von 15ml/min/1,73m2 zugelassen ist. Somit haben wir neuerdings eine Therapie mit speziellem Fokus auf die HFrEF-Population nach Dekompensation, die durch ein besonders hohes Risiko für repetitive Hospitalisierungen in naher Zukunft charakterisiert ist: Im VICTORIA-Trial konnten diese repetitiven Hospitalisierungen relativ um 26% gesenkt werden.4
Die bisherige Empfehlung einer Eisensubstitution mit Eisencarboxymaltose bei ambulanten Patienten wird nun, basierend auf den Daten der AFFIRM-AHF-Studie,5 um hospitalisierte Herzinsuffizienzpatienten mit Eisenmangel erweitert, um das Risiko für weitere Herzinsuffizienzhospitalisierungen zu reduzieren. Damit in Zusammenhang steht eine neue Klasse-I-Indikation für regelmäßiges Erstellen eines kompletten Blutbildes und Eisenstatus (Ferritin, Transferrinsättigung).
Erstmals Therapieempfehlung auch für Herzinsuffizienz mit LVEF 41–49% (HFmrEF)
In der 2016 erschienenen Vorversion der ESC-Guidelines zu Diagnose und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz wurde die Herzinsuffizienz nach der Auswurffraktion in HFrEF („heart failure with reduced ejection fraction“, LVEF <40%), HFpEF („heart failure with preserved ejection fraction“, LVEF≥50%) und die dazwischenliegende Gruppe HFmrEF („heart failure with mid-range ejection fraction“, LVEF 40–49%) eingeteilt. Diese Einteilung ist im Prinzip bei den ESC-Guidelines 2021 gleichgeblieben.1
Geringfügig verschoben haben sich die LVEF-Grenzwerte. HFrEF: LVEF≤40%, HFmrEF: 41–49%, HFpEF: LVEF≥50%. Das Akronym HFmrEF für die Gruppe mit LVEF 41–49% ist zwar gleichgeblieben, wurde aber von dem neutral gehaltenen Begriff „mid-range“ in „mildly reduced“ umbenannt. Auch wenn dies keine perfekte Nomenklatur ist – denn „leicht reduziert“ empfindet man rein intuitiv als Untergruppe von „reduziert“, und hier gibt es ja mit 40% eine klare Trennlinie zwischen HFrEF und HFmrEF –, so drücken die Guideline-Autoren zumindest damit aus, dass die meisten Patienten dieser HFmrEF-Gruppe denHFrEF Patienten ähnlicher sind als den HFpEF-Patienten, und auch, dass man für diese Patienten eine HFrEF-Therapie in Betracht ziehen soll.1
Bisher waren immer nur Diuretika zur Reduktion der Hypervolämie und die Suche nach und Behandlung von Komorbiditäten empfohlen, mit dem Hinweis, dass keine spezifische Herzinsuffizienztherapie bislang mit einer Prognoseverbesserung überzeugen konnte. Tatsächlich gibt es nun erstmals für die klassischen HFrEF-Therapien ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptor-Blocker, Betablocker, Mineralokortikoidrezeptor-Antagonisten und Sacubitril/Valsartan basierend auf diversen Sub- und Subgruppenanalysen zumindest jeweils eine Klasse-IIb-Therapieempfehlung auch für die HFmrEF-Gruppe.1
Somit erhielten alle Medikamente mit Klasse-I-Empfehlungen für HFrEF nun auch eine Behandlungsempfehlung für HFmrEF und können laut Guidelines bei jeder Herzinsuffizienz mit einer LVEF<50% zum Einsatz kommen – mit Ausnahme der SGLT-2-Inhibitoren. Diese Ausnahme der SGLT-2-Inhibitoren erfordert eine Nachbesserung der Guidelines, die sicher nicht fünf Jahre bis zum Erscheinen der nächsten geplanten Herzinsuffizienz-Guideline-Ausgabe warten kann.
Aufgrund der Daten aus den beiden großen HFrEF-Studien DAPA-HF und EMPEROR-reduced erhielten die SGLT-2-Inhibitoren Dapagliflozin und Empagliflozin allerdings auf Anhieb eine I-A-Empfehlung für HFrEF zur Reduktion des Risikos für Herzinsuffizienzhospitalisierungen und Tod – unabhängig vom Vorhandensein eines Diabetes mellitus.2, 3
Ausblick für Herzinsuffizienz mit LVEF≥50% (HFpEF)
Die Ergebnisse aus EMPEROR-Preserved mit einer Reduktion des primären kombinierten Endpunktes aus kardiovaskulärem Tod und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz durch Empagliflozin bei Herzinsuffizienz mit einer LVEF>40% wurden zwei Stunden nach Präsentation der neuen Herzinsuffizienz-Guidelines vorgestellt und konnten somit noch nicht einfließen.6
Von den Guideline-Autoren wurde jedoch in diesem Zusammenhang ein anlassbezogenes Update der Guidelines innerhalb der nächsten 2 Jahre in Aussicht gestellt. Idealerweise könnten in dieses Update dann auch die Daten der derzeit noch laufenden Studie DELIVER,7, 8 einer Outcome-Studie mit Dapagliflozin bei Herzinsuffizienz mit LVEF>40%, einfließen und so – bei positivem Ergebnis – zu einer I-A-Indikation für SGLT-2-Inhibitoren bei HFmrEF oder sogar HFpEF führen. Die Abgrenzung einer „leicht reduzierten“ von einer „reduzierten“ LVEF könnte dabei auch gleich überarbeitet werden.
Schlussfolgerungen
Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich laut 2021 ESC-Guidelines für Herzinsuffizienz insbesondere die Therapiemöglichkeiten für chronische Herzinsuffizienz erweitert haben: Mit SGLT-2-Inhibitoren kam eine neue I-A-Empfehlung für HFrEF dazu, mit Vericiguat hielt die Substanzklasse der solublen Guanylatzyklase-Stimulatoren Einzug als Therapie bei HFrEF-Patienten mit kurz zurückliegender Herzinsuffizienzhospitalisierung, intravenöse Eisencarboxymaltose ist nun auch im hospitalisierten Setting empfohlen und Patienten mit leicht reduzierter Herzinsuffizienz erhalten erstmals eine Empfehlung für prognoseverbessernde Therapien. Dennoch erfordern neue Daten ein zügiges Update dieser Guidelines, das auch diverse andere Nachjustierungen ermöglichen wird.
Literatur:
-
McDonagh TA et al. for the ESC Scientific Document Group: 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J 2021; 42(36): 3599-726
-
McMurray JJV et al.: Dapagliflozin in patients with heart failure and reduced ejection fraction, DAPA-HF. N Engl J Med 2019; 381(21): 1995-2008
-
Packer M et al.: Cardiovascular and renal outcomes with empagliflozin in heart failure, EMPEROR-reduced: N Engl J Med 2020; 383(15): 1413-24
-
Armstrong PW et al.: Vericiguat in patients with heart failure and reduced ejection fraction. N Engl J Med 2020; 382(20): 1883-93
-
Ponikowski P et al.: Ferric carboxymaltose for iron deficiency at discharge after acute heart failure: a multicentre, double-blind, randomised, controlled trial. Lancet 2020; 396(10266): 1895-904
-
Anker SD et al.: Empagliflozin in heart failure with a preserved ejection fraction. N Engl J Med 2021, Aug 27. doi: 10.1056/NEJMoa2107038. Online ahead of print
-
Solomon SD et al.: Dapagliflozin in heart failure with preserved and mildly reduced ejection fraction: rationale and design of the DELIVER trial. Eur J Heart Fail 2021; 23(7): 1217-25
-
Dapagliflozin evaluation to improve the lives of patients with preserved ejection fraction heart failure. (DELIVER): NCT03619213
Das könnte Sie auch interessieren:
ALLGEMEINE+ auf universimed.com
Ab sofort finden Sie alle Inhalte von ALLGEMEINE+ auf unserem Portal universimed.com! Sie müssen nichts weiter tun - die Log-in-Daten bleiben dieselben.
Gendergesundheitsbericht 2024
Im österreichischen Gesundheitssystem ist sexuelle Gesundheit nicht verankert, das Thema wird vorwiegend aus der Risikoperspektive betrachtet. Der Gendergesundheitsbericht 2024 ...
Dislozierte Abgabestellen von Apotheken
In der Ausgabe 06/2023 wurde über eine geplante Änderung des Apothekengesetzes berichtet, mit welcher dislozierte Abgabestellen von Apotheken eingeführt werden sollten. Nicht nur ist in ...