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Status und Gesundheit in der Schweiz

Lebenszufriedenheit und -standard hoch, aber nicht alle haben teil

Die Lebenszufriedenheit in der Schweiz ist konstant hoch, wie eine aktuelle Erhebung des Bundesamtes für Statistik zeigt. Sie erreichte für 2022 sogar den höchsten Wert in Europa. Dennoch hatte fast jede zehnte Person hierzulande Schwierigkeiten, finanziell über die Runden zu kommen – das wiederum kann erhebliche Folgen für die individuelle Gesundheit mit sich bringen und dadurch auch volkswirtschaftlich relevant werden.

Auf einer Skala von 0 bis 10 lag laut der «Erhebung über die Einkommen und Lebensbedingungen» des Bundesamtes für Statistik rückblickend für das Jahr 2022 der Mittelwert der Zufriedenheit mit dem jetzigen Leben in der Schweiz bei 8, während er z.B. in Deutschland 6,5 betrug. Besonders zufrieden ist die Bevölkerung in zwischenmenschlichen Bereichen wie dem Zusammenleben, dem Arbeitsklima oder den persönlichen Beziehungen. Gleichzeitig ist – trotz des relativ hohen Preisniveaus in der Schweiz – auch der Lebensstandard höher als in anderen Ländern. Gemessen wird er anhand des medianen verfügbaren Äquivalenzeinkommens, er liegt in der Schweiz 1,2-mal so hoch wie im Nachbarland Deutschland.1

Aber nicht jeder in der Schweiz profitiert von solch guten Bedingungen: 2022 hatten 9,9% der Personen hierzulande Schwierigkeiten, bis zum Monatsende über die Runden zu kommen, und 4,9% der Bevölkerung waren von materieller und sozialer Deprivation betroffen. Sie mussten aus finanziellen Gründen auf wichtige Güter, Dienstleistungen (wie z.B. aus dem Bereich der Gesundheitsförderung & Prävention) sowie auf soziale Aktivitäten verzichten, konnten ihre Rechnungen nicht rechtzeitig bezahlen bzw. keine unerwarteten Ausgaben begleichen – wie sie z.B. in einem Krankheitsfall denkbar sind.

2022 waren, gemessen an ihrem Einkommen 2021, 8,2% der Bevölkerung einkommensarm (ca. 702000 Personen). Dabei sind seit dem Jahr 2022 erfolgte Preisanstiege für Elektrizität, Heizkosten und Konsumgüter in diesen Zahlen noch gar nicht abgebildet.

Das bleibt nicht ohne Folgen ...

Menschen mit wenig Einkommen, niedriger Bildung und/oder beruflicher Stellung sterben früher, leiden eher unter chronischen Erkrankungen und zeigen − im ohnehin kürzeren Leben − häufiger gesundheitliche Beeinträchtigungen. Das gilt auch für krankheitsbedingte Einschränkungen in Alltagsgestaltung und Lebensqualität durch individuelle Faktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel, Übergewicht oder Hypertonie. Personen mit tieferem Einkommen in der Schweiz haben z.B. ein sechsmal höheres Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken2– und je tiefer der sozioökonomische Status (SES) in einer Gemeinde bzw. in einem Quartier, desto tiefer die Lebenserwartung. In Bern und Lausanne z.B. sterben Männer in Quartieren mit einem tiefen SES durchschnittlich 4,5 Jahre früher und Frauen 2,5 Jahre früher als in Quartieren mit einem hohen SES.3 Gleichzeitig ist die Bereitschaft, selbst für die eigene Gesundheit aktiv zu werden und Zeit dafür zu investieren (bspw. mit kostengünstigen Angeboten bei einem Sportverein), geringer, wenn mehr tägliche Zeit für Überstunden oder schlecht bezahlte Nebenjobs investiert werden muss.

Videosprechstunde und digitale Apps,bspw. zur Hautkrebsfrüherkennung, helfen hier kaum weiter.Denn es mangelt gerade bei diesen Personengruppen im Regelfall an den technischen und finanziellen Möglichkeiten und gleichzeitig an einer grundlegenden navigativen Gesundheitskompetenz, um u.a. zeitnah den Weg zum Facharzt zu finden. Dabei darf auch die volkswirtschaftliche Perspektive nicht unterschätzt werden:4Für die Schweiz werden die gesamten direkten Kosten der nichtübertragbaren Krankheiten (NCDs) allein für das Jahr 2011 auf knapp 52 Milliarden Franken geschätzt (eine Aktualisierung der Daten ist für die zweite Hälfte des Jahres 2024 angekündigt). Damit wird den NCDs ein Anteil von 80% der gesamten direkten Gesundheitsausgaben zugeschrieben. Umso bedenklicher, wenn man im Blick hat, dass eine Verschlechterung der allgemeinen Gesundheitsbedingungen im Rahmen der Corona-Pandemie und ihrer negativen Folgen (u.a. Anstieg psychosozialer Belastungserscheinungen bei Kindern und Jugendlichen in der Schweiz5) bei den wirtschaftlichen Auswertungen des Beispieljahres 2011 nicht berücksichtigt ist.

Pressemitteilung: «Schweiz mit höchster Lebenszufriedenheit Europas – doch nicht alle haben teil», Bundesamt für Statistik, April 2024, Neuchâtel

1 Erhebung über die Einkommen und Lebensbedingungen, Bundesamt für Statistik, 20242 Chancengleichheit in der Gesundheitsförderung und Prävention in der Schweiz, Gesundheitsförderung Schweiz, 2020 3 Chancengleichheit und Gesundheit – Zahlen und Fakten für die Schweiz, BAG, 2018 4 Wieser S et al.: Die Kosten der nichtübertragbaren Krankheiten in der Schweiz. Schlussbericht, Studie im Auftrag des BAG. Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), Winterthur 2021 5 Zunahme psychischer Probleme bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen – eine Tagung mit jungen Menschen zu Ursachen und Lösungsansätzen, Public Health Schweiz Kongress, Nachbericht, Mai 2023

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