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Alopecia areata

Weitere Wirkbelege für JAK-Inhibitoren

Die Zukunft scheint vielversprechend für Patienten mit schwerer Alopecia areata: JAK-Inhibitoren zeigen sich auch langfristig wirksam. Der Wermutstropfen der effektiven Systemtherapie mit JAK-Inhibitoren ist, dass diese dauerhaft durchgeführt werden sollte.

Systemische JAK-Inhibitoren haben ein neues Kapitel bei der Behandlung der Alopecia areata (AA) aufgeschlagen. Seit 2022 ist der JAK-1/2-Inhibitor Baricitinib EU-weit als Konsequenz der positiven Ergebnisse der BRAVE-AA1- und BRAVE-AA2-Studien zur Behandlung von AA zugelassen. In diesen Studien wurden insgesamt 1200 Erwachsene mit ≥50% Haarausfall im SALT-Score (Severity of Alopecia Tool) randomisiert auf einmal täglich 2mg oder 4mg Baricitinib oder ein Placebo. Der SALT-Score ist eine gewichtete Summe des prozentualen Haarausfalls in den vier Quadranten der Kopfhaut und reicht von 0 (kein Haarausfall) bis 100 (vollständiger Haarausfall).

In der 4-mg-Gruppe erreichten 34% der Teilnehmer einen SALT-Score-Wert ≤20, 24,9% einen SALT-Wert ≤10. Inzwischen liegen auch Langzeitdaten zur Baricitinib-Behandlung vor. So wurde am AAD ein Poster zur Anwendung über einen Zeitraum von drei Jahren vorgestellt.1 Grund für die von Prof. Maryanne Senna, Beth Israel Lahey Health & Harvard Medical School, Boston (USA), vorgestellte Studienverlängerung der BRAVE-AA-Studien bestand darin, die Langzeitwirksamkeit von Baricitinib zu testen, da die meisten Patienten mit schwerer AA langfristig behandelt werden müssen. Alle Patienten, die hier teilnahmen, hatten in Woche 52 auf die Behandlung mit Baricitinib angesprochen, definiert als Patienten, die mit 4mg und 2mg Baricitinib behandelt wurden und in Woche 52 einen SALT-Score ≤20 erreichten.

Insgesamt behielten 89,1% der mit der hohen Baricitinib-Dosis und 83,6% der mit der niedrigen Dosis behandelten Teilnehmer in Woche 152 einen SALT-Score ≤20 bei. Ausserdem stieg der Prozentsatz der Patienten, die vollständig oder fast vollständig nachgewachsene Augenbrauen und Wimpern hatten, von Woche 52 bis Woche 152: 70% in der 4-mg-Baricitinib-Gruppe und 68,4% in der 2-mg-Gruppe hatten nach 52 Wochen ein vollständiges oder fast vollständiges Nachwachsen der Augenbrauen erreicht. Dieser Prozentsatz stieg in Woche 152 auf 80% in der 4-mg-Gruppe und auf 66,7% in der 2-mg-Gruppe. Nach 52 Wochen hatten 70,8% der mit 4mg Baricitinib behandelten Patienten und 68,3% der mit 2mg Baricitinib behandelten Patienten vollständig oder fast vollständig nachgewachsene Wimpern, auch diese Prozentsätze stiegen auf 80,9% bzw. 78,1% in Woche 152.1

Ritlecitinib: Wirkbelege bei Patient:innen ab 12 Jahren

In seinem Vortrag über JAK-Inhibitoren bei AA betonte Prof. Brett King, Yale University School of Medicine in New Haven (USA), dass Baricitinib nicht der einzige wirksame JAK-Inhibitor zur Behandlung der AA darstellt.2 Ebenfalls über positive Studiendaten verfügen demnach die JAK-Inhibitoren Ritlecitinib und Deuruxolitinib.

Der JAK-Inhibitor Ritlecitinib wurde in einer Phase-2b/3-Studie an Jugendlichen (12 Jahre) und Erwachsenen untersucht, wobei hier Jugendliche nach Ausführung von Prof. King ein ähnlich gutes Ansprechen zeigten wie Erwachsene.2

Zudem wurde beim Kongress eine Analyse der ALLEGRO-LT-Extensionsstudie mit Ritlecitinib vorgestellt, in der Behandlungsergebnisse von Patienten mit den ungünstigen Subtypen Alopecia totalis (AT) und Alopecia universalis (AU) diskutiertwurden:3 Hier zeigte sich, dass zu Monat 24 je nach statistischer Auswertung noch 36,1% bis 59,6% der AT/UT-Patienten einen SALT-Score ≤20 erreichten.3

Der dritte systemische JAK-Hemmer mit Wirkbelegen ist Deuruxolitinib: In der höchsten Dosis erreichten 42% der Patienten einen SALT-Score ≤20. Dass sich auch mit diesem JAK-Hemmer ein langfristig hohes Ansprechen erreichen lässt, zeigten die ebenfalls von Prof. King vorgestellten Studienergebnisse mit Deuruxolitinib nach 68-wöchiger Therapie.4 Die Daten stammen aus zwei offenen Verlängerungsstudien der in Europa und in den USA durchgeführten THRIVE-AA1- und THRIVE-AA2-Studien. Nach 68 Wochen erreichten 76,6% der mit 8mg zweimal täglich behandelten Patienten und 66,7% der mit zweimal täglich 12mg Deuruxolitinib behandelten Patienten in der OC-Analyse einen SALT-Score ≤20. Auch in diesen Studien verbesserten sich die früher erreichten Behandlungsresultate stetig weiter.5

Dagegen erwies sich die Lokaltherapie mit JAK-Inhibitoren bei AA als unwirksam. In einer Phase-2-Studie wurden Patienten mit AA mit einer 1,5%igen RuxolitinibCreme im Vergleich zu Placebo behandelt – leider ohne Erfolg. Ähnlich verliefen nach Ausführung von Prof. King sowohl eine randomisierte doppelblinde Studie mit einer topischen Delgocitinib-Zubereitung als auch eine offene Studie mit einer Tofacitinib-Salbe. Bei AA sollten seiner Einschätzung nach JAK-Inhibitoren also stets systemisch verabreicht werden.

Behandlung der schweren AA: je früher, umso erfolgversprechender

Bei der Therapie der AA gilt ungeachtet des eingesetzten JAK-Inhibitors: Patienten, die zu Behandlungsbeginn noch Haare aufweisen, erreichen ein deutlich besseres Ansprechen. So erreichten in einer Studie mit Baricitinib insgesamt 39% der Patienten nach 52 Wochen einen SALT-Score ≤20. Diesen Endpunkt erreichten mit 51,2% deutlich mehr Patienten, die zu Baseline noch 50% bis 94% ihres Kopfhaars hatten, doch nur 27,7%, die zu Studienbeginn entweder keine oder nur mehr 5% der Kopfhaare aufwiesen.

Ein weiterer wesentlicher prognostischer Faktor ist die Dauer des aktuellen Schubs: So war Baricitinib deutlich wirksamer, wenn dieser weniger als vier Jahre dauerte, wohingegen ein schlechteres Behandlungsergebnis bei Schüben mit einer Dauer von über vier Jahren erreicht wurde. Mit der Behandlung abzuwarten, macht nach Ausführung von Prof. King auch deshalb keinen Sinn, da eine spontane Remission bei schwerer AA sehr unwahrscheinlich ist: Einer Studie zufolge erleben nur 2,3% der Patienten mit schwerer AA im Zeitraum von 36 Wochen eine Spontanremission.2

Alle Patienten sollten nach Empfehlung von Prof. King darüber aufgeklärt werden, dass die Behandlung dauerhaft durchgeführt werden muss. Ein Behandlungsstopp führe bei den meisten Patienten zu einem Ausfall der Haare. Es dauere dann Monate, bis sie erneut nachwachsen. Wenn überhaupt erwogen wird, die Dosis zu verringern, so sollte dies nur in kleinen Schritten über mehrere Monate vorgenommen werden.3

Ein Spezialfall stellten AA-Patienten mit gleichzeitig bestehender ausgeprägter atopischer Dermatitis, signifikanten Allergien und/oder einer IgE-Konzentration von200 dar. Hier erwies sich Dupilumab in einer Phase-2a-Studie als sehr wirksam.6

Kinder: verträgliche Lokaltherapie

In der Pädiatrie fehlen derzeit Behandlungsmöglichkeiten mit einem guten Nutzen-Risiko-Verhältnis für AA. Andererseits gibt es Daten, die nahelegen, dass eine frühe Intervention bereits bei der ersten Manifestation der AA im Kindesalter evtl. die weitere Krankheitsprogression aufhalten könnte. Diese therapeutische Lücke könne Coacillium schliessen, eine Lösung mit botanischen Extrakten (22,5%) von Zitrone, Zwiebel, Kakao und Guaran – so die Ansicht von Prof. Bianca Piraccini, Universität Bologna (Italien). Experimentell bewirkte der Pflanzenextrakt einen Rückgang proinflammatorischer Adhäsionsmoleküle, die eine wesentliche Rolle bei AA spielen.

An der Phase-2/3-Studie RAAINBOW nahmen 62 AA-Patienten im Alter von 2 bis 18 Jahren mit einem SALT-Score von 25–50 (entspricht mässiger AA) und 50–95 (schwerer AA) teil.5 Der primäre Studienendpunkt wurde erreicht, so betrug die mittlere Veränderung des SALT-Scores an Woche 24 in der Verumgruppe 22,9% gegenüber –8,0% in der Placebogruppe (p<0,0001). 26% der mit dem Pflanzenextrakt behandelten Patienten erreichten sogar eine relative Verringerung des SALT-Scores um mindestens 40%.6

Im Anschluss an die Behandlungsphase von 24 Wochen wurde eine behandlungsfreie Studienphase von weiteren 24 Wochen durchgeführt. Bemerkenswerterweise verbesserte sich der SALT-Score nach dem Absetzen von Coacillium weiter von 44 in Woche 24 auf 29 in Woche 48, 24 Wochen nach der letzten Anwendung der Lösung. Bei 82% der Teilnehmer, die mit der pflanzlichen Lösung behandelt wurden, wuchs das Haar nach Absetzen der Behandlung weiter. Dies ging mit einer Verbesserung der Lebensqualität Hand in Hand, die mit zwei verschiedenen Fragebögen zur Lebensqualität ermittelt wurde.

In Woche 48 erreichte fast die Hälfte (46,7%) der Teilnehmer in der Interventionsgruppe einen SALT-Wert ≤20 (verglichen mit 9,1% in der Placebogruppe; P=0,0031), ein Drittel der Teilnehmer erreichte sogar einen SALT-Wert ≤10 (verglichen mit 0% in der Placebogruppe; P=0,0065). Die durchschnittliche SALT-Änderung bei denjenigen, die auf die Behandlung mit Coacillium ansprachen, betrug 41%.6

Die Lösung wurde im Allgemeinen gut vertragen, nur ein Patient brach die Behandlung aufgrund eines Ekzems ab, das sich nach Behandlungsende zurückbildete. Wie Prof. Piraccini in ihrer Schlussfolgerung betonte, ist Coacillium das erste Medikament, das bei AA eine anhaltende Remission nach der Behandlung zeigt. Die Lösung wird schnell vom Haarfollikel absorbiert und ist einfach anzuwenden.

AAD 2024 Annual Meeting, 8.–12. März, San Diego, CA, USA

1 Senna M et al.: P49690, AAD 2024, 8.–12. März, San Diego, USA 2 King B: Symposium 022 Alopecia Areata: New Therapies, AAD 2024,8.–12. März, San Diego, USA 3 Piliang M: LB1, AAD 2024, 8.–12. März, San Diego,USA 4 King B: LB2, AAD 2024, 8.–12. März, San Diego,USA 5 Guttman-Yassky E et al.: Allergy 2022;77:897-906 6 PiracciniM: LB1, AAD 2024,8.–12. März, San Diego, USA

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