Adipositas: eine Frage der Motivation?
Autor:innen:
Dr. med. Ruth Hanßen1,2
Dr. rer. nat. Dr. med. Sita Arjune1
Prof. Dr. rer. nat. Marc Tittgemeyer2,3
1Poliklinik für Endokrinologie, Diabetologie und Präventivmedizin, Uniklinik Köln
2Max Planck Institut für Stoffwechselforschung Köln
3Cologne Excellence Cluster for Aging and Aging-Associated Diseases, Köln
E-Mail: tittgemeyer@sf.mpg.de
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Die zunehmende Prävalenz von Adipositas über die letzten Jahrzehnte ist ein Thema von grossem wissenschaftlichem und medizinischem Interesse, aber trotz vieler Fortschritte sind die Ursachen für diesen Anstieg noch nicht hinreichend geklärt. In jüngerer Vergangenheit haben verstärkte Forschungsbemühungen nicht nur zu einem tiefgreifenden Wandel im wissenschaftlich-medizinischen Verständnis von Adipositas geführt, sondern auch wesentlich zur Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten beigetragen. Ein wesentlicher Schritt hierbei war, Regulierungsprinzipien des Gehirns in der Kontrolle unseres Energiehaushalts zu berücksichtigen.
In diesem Übersichtsartikel werden wir zunächst kurz beleuchten, wie unser Gehirn im Zusammenhang mit Essverhalten sensorische Signale aus der Körperperipherie auswertet und durch Hunger- bzw. Sättigungsgefühle für eine ausgeglichene Energiebilanz sorgt.
Hierbei betrachten wir Adipositas im Kontext beeinträchtigter Regelkreismechanismen zur neuronalen Integration und Interpretation sensorischer Informationen des Körperzustands und diskutieren, welche Konsequenzen ein falsch regulierter physiologischer Bedürfniszustand auf unser Verhalten haben kann. Schliesslich gehen wir auf die darauf basierenden medikamentösen Therapieoptionen ein.
Zentralnervöse Regulation des Essverhaltens
Ein Paradigmenwechsel in der Adipositasbehandlung hat sich durch das Verständnis ergeben, dass Adipositas eine chronische Erkrankung ist, die mit einer zentralnervösen Dysregulation einhergeht und dadurch sowohl kurzfristige Diätbemühungen als auch langfristige Lebensstiländerungen für Betroffene nur schwierig umsetzbar macht. Dabei sind für die oft erfolglosen angestrebten Änderungsmassnahmen im Essverhalten vor allem Einschränkungen in der Signalumsetzung in zwei Hirnregionen verantwortlich: in einem Teil des Hypothalamus, welcher für die homöostatische Regulation einer physiologischen Bedürfnislage des Körpers verantwortlich ist – Hunger und Sättigung resultieren hieraus –, und in Teilen des Mittelhirns, dem sog. mesolimbischen Dopaminsystem, welches wesentlich in unseren motivationalen Antrieb involviert ist und zudem notwendigerweise Verhaltensanpassung initiiert.
Hypothalamus
Im Hypothalamus liegen die Neuronenpopulationen, die u.a. unser Hunger- und Sättigungsgefühl regulieren. Sie können anhand ihrer Neurotransmitter- oder Rezeptorexpression grob in zwei Hauptakteure unterteilt werden: in 1.) die «Agouti-related peptide» (AgRP) und NeuropeptidY (NPY) produzierenden Neuronen, die Hunger signalisieren, sowie 2.) die Proopiomelanocortin (POMC) produzierenden Neuronen, die ein langfristiges Sättigungssignal codieren.1 AgRP-exprimierende Neuronen werden durch Fasten aktiviert – dies verursacht Hunger, prinzipiell ein aversiver Zustand, der die Suche nach und den Verzehr von Nahrung motiviert.2–5 Durch Essen wird die Aktivität der AgRP-Neuronen auf drei verschiedenen Zeitskalen wieder auf den Ausgangswert zurückgeführt: schnell und vorübergehend nach der sensorischen Wahrnehmung von Nahrungsmittel-bezogenen Hinweisreizen;6 langsam und länger anhaltend als Reaktion auf Nährstoffe im Magen-Darm-Trakt – dabei ist die Hemmung proportional zur Anzahl der zugeführten Kalorien, aber überraschenderweise unabhängig von den Makronährstoffen in der Nahrung oder dem Ernährungszustand;7 und sehr langfristig bis dauerhaft mit der Wiederherstellung des Energiegleichgewichts.8
Die schnelle Regulierung durch Nahrungsmittelhinweise ist von besonderem Interesse, da die durch sensorische Reize ausgelöste Verringerung der Aktivität der AgRP-Neuronen zur Steuerung des Verhaltens dient. Ein Umgebungshinweis, der die Verfügbarkeit von Nahrung zuverlässig vorhersagt, kann somit den Motivationsantrieb innerhalb desselben Umgebungskontextes steigern. Für die Entwicklung einer solchen kontextinduzierten Reaktion ist jedoch Hunger erforderlich, was darauf hindeutet, dass die gegenüber Hunger empfindlichen neuronalen Schaltkreise die körperliche, physiologische Bedürfnislage (gewissermassen ein Energiezustand) mit einem bestimmten Umgebungskontext verknüpfen. Da AgRP-Neuronen durch Energiedefizite aktiviert werden, sind diese Neuronen notwendig, um einen solchen Antrieb zu generieren.
Im Gegensatz dazu werden POMC-Neuronen hauptsächlich durch periphere Signalstoffe, die Informationen über einen positiven Energiezustand geben, angeregt. Dies können Signale über langfristig angelegte Energiereserven sein, z.B. vermittelt durch das Adipokin Leptin, das zum grössten Teil in den Fettzellen produziert wird und damit mit der Körperfettmenge korreliert, sowie kurzfristige Sättigungsignale durch postprandiale gastrointestinale Hormone wie Insulin oder GLP-1.9 Interessanterweise beruht auch die appetithemmende Wirkung von Nikotin auf der Stimulierung der POMC-Neuronen durch Nikotin.10
Mesolimbisches Dopaminsystem
Die Informationen über den aktuellen Energiezustand werden sowohl vom Hypothalamus als auch direkt über verschiedene Signalwege an das mesolimbische Dopaminsystem des Gehirns weitergegeben, welches unsere Verhaltensanpassung durch Verknüpfung von sensorischer Information mit Nahrungsmittelhinweisen aus der Umwelt realisiert und somit kontextabhängig unseren motivationalen Antrieb kodiert (z.B. die Motivation, sich zur Nahrungsbeschaffung anzustrengen). Dabei stellen die Projektionen von dopaminergen Neuronen aus der ventralen tegmentalen Area zum ventralen Striatum (Nucleus accumbens) einen besonders gut untersuchten Teil des mesolimbischen Systems dar.
Bereits frühe Tierstudien konnten zeigen, dass während der Nahrungsaufnahme Dopamin im Striatum freigesetzt wird.11,12 Eine Hemmung dieser Dopaminfreisetzung führt zum Verhungern und schliesslich zum Tod.13,14 Die Dopaminfreisetzung wird von den im Magen-Darm-Trakt ankommenden Nährstoffen über verschiedene Wege getriggert, z.B. ist eine Signalübertragung über den Vagusnerv für die Hemmung verschiedener Neuronen durch Fett erforderlich.15 Im Gegensatz dazu vermittelt die spinale Darm-Hirn-Signalübertragung das Vorhandensein von Glukose im Darm.15 Die aktuelle Vorstellung ist, dass über diese Signalwege und die entsprechende Dopaminfreisetzung im Gehirn sogenanntes Verstärkungslernen codiert wird16 (der Begriff kommt aus der Verhaltensbiologie und definiert, wie neues Verhalten und neue Erfahrungen durch die positiven und negativen Folgen unseres Verhaltens geformt werden). Neben der Rolle von Lebensmitteln als «Verstärker» unseres Verhaltens stellt die Freisetzung von Dopamin ein vielschichtiges Signal dar, das zum einen die geschätzte Wahrscheinlichkeit, die angestrebte Folge des Verhaltens (ggf. ein gewisses Belohnungsempfinden) zu erhalten, reflektiert; durch das Dopamin wird zum anderen aber auch unsere Bereitschaft, sich für als wertig empfundene Entscheidungen einzusetzen, codiert.17–19 Dabei fördern Dopaminneuronen des ventralen Mittelhirns und ihre Projektionsziele adaptives Verhalten, indem sie die Motivation und verstärkende Signale durch dopaminabhängige synaptische Plastizität regulieren. Insbesondere die Dopaminprojektion von der ventralen tegmentalen Area zum Nucleus accumbens ist dabei entscheidend für das Lernen aus Feedback*. Die dopaminergen Neuronen der ventralen tegmentalen Area codieren sogenannte Vorhersagefehler («prediction errors»), wichtige Lernsignale zur Formalisierung der neurobiologischen Umsetzung von motiviertem Verhalten. Vorhersagefehler sind definiert als die Diskrepanz zwischen den tatsächlichen und den erwarteten Werten der Ergebnisse einer Handlung. Diese Fehler ermöglichen es uns, unsere Vorhersagen darüber, welche Ergebnisse in einem bestimmten Kontext wahrscheinlich vorteilhaft sind, zu aktualisieren und so unsere Entscheidungen angepasst auf optimale Verhaltensweisen auszurichten. Im Kontext des Essens führen interessanterweise Nahrungsmittel mit einem hohen Fett- und Zuckergehalt zu einer verstärkten Aktivierung des Dopaminsystems und werden daher als besonders erstrebenswert wahrgenommen.20–23 Somit haben sowohl die Nahrung selbst als auch unser metabolischer Zustand Einfluss auf die Codierung von Feedbackprozessen und Motivation.
Veränderungen der Regulierung des Essverhaltens bei Adipositas
Der regelmässige Konsum von Nahrungsmitteln mit hohem Fett- und Zuckergehalt führt zu Veränderungen sowohl in der Funktionsfähigkeit der homöostatischen Regulation im Hypothalamus24 als auch in der Verhaltensanpassung im mesolimbischen System. Tatsächlich sind bei jungen, gesunden Erwachsenen 8 Wochen einer Intervention mit 160kcal/d einer fett- und zuckerhaltigen Quarkspeise hinreichend, um zu Veränderungen im mesolimbischen Dopaminsystem zu führen. Unabhängig von einer Zunahme des Körpergewichts und Veränderungen in Stoffwechselmarkern hat der Genuss von fett- und zuckerreichen Lebensmitteln folgende Auswirkungen:
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Er reduziert die Vorliebe für fettarme Lebensmittel,
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spielt eine entscheidende Rolle bei der Hochregulierung der Gehirnreaktionen auf die Erwartung und den Verzehr von sehr schmackhaften, energiereichen Lebensmitteln und
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hat eine allgemeine Wirkung auf die neuronale Kodierung von Vorhersagefehlern im Kontext des assoziativen Lernens und unabhängig von der Verstärkung durch Hinweisreize von Nahrungsmitteln.25
In Tierstudien konnte nachgewiesen werden, dass diese Präferenzänderung auf einer reduzierten Dopaminausschüttung beim Erhalt von niedrigkalorischem Essen beruht. Parallel dazu führt eine Ernährung mit viel Fett und Zucker, deren Kombination oft in stark prozessierten Lebensmitteln zu finden ist,26 zu einer eingeschränkten Deaktivierung von AgRP-Neuronen im Hypothalamus bei der Zufuhr von Essen.27 Beide Veränderungen scheinen der Eintritt in eine Spirale eines ungesunden Lebensstils zu sein.
Noch deutlicher werden diese Einschränkungen, wenn bereits eine Reduktion der Insulinempfindlichkeit bei Menschen mit Übergewicht oder Adipositas besteht. Bei Personen mit Adipositas tritt im Vergleich zu Personen mit Normalgewicht eine fehlerhafte Einschätzung des erwarteten Feedbacks auf: Das mesolimbische System ist in Erwartung eines als «Belohnung» empfundenen Hinweisreizes (beispielsweise eines Schokoladenriegels) stark aktiviert. Sobald der Schokoladenriegel jedoch verzehrt wird, fällt die Aktivierung des mesolimbischen Systems deutlich geringer aus als zuvor angenommen.28 Diese Vorhersagefehler (also die Diskrepanz zwischen dem erwarteten und dem tatsächlichen sensorischen Feedback) gilt als ein zusätzlicher Treiber für eine gesteigerte Nahrungsaufnahme. Da das Dopaminsignal im mesolimbischen System nicht nur Vorhersagefehler bezüglich Speisen codiert, kommt es bei Adipositas und Insulinresistenz auch zu Einschränkungen des assoziativen Lernens im essensunabhängigen Kontext.29 Als Konsequenz sind dadurch auch der Antrieb, die Bildung von Motivation und die kontextabhängige Verhaltensanpassung eingeschränkt, da die Motivation, Anstrengungen für eine Belohnung auf sich zu nehmen, auf dem vorhergegangenen Erlernen der Assoziation zwischen einem Hinweisreiz und dem dadurch signalisierten Feedback basiert.18,30 Bei Personen mit Normalgewicht steigt die Motivation mit dem Hungergefühl, doch bei Adipositas und Insulinresistenz bleibt dieses Hungergefühl ohne Auswirkung auf den Motivationsantrieb.31 Die Veränderungen im mesolimbischen System und das damit verbundene Defizit im Motivationsantrieb wirken sich somit insgesamt hinderlich auf eine Änderung des Lebensstils aus – unterbewusst werden Personen mit Adipositas durch falsch verknüpfte Signale aus dem Körper oder der Umgebung mit Schaltmechanismen des Antriebs im Gehirn in ein Verhalten getrieben, welches die Menschen immer weiter zum Essen antreibt.
Medikamentöse Beeinflussbarkeit der Regulierung des Essverhaltens
Die mit Adipositas einhergehende Dysregulation der neuronalen Schaltkreise im Gehirn macht für Betroffene langfristige Lebensstiländerungen oft schwierig umsetzbar. Dementsprechend stellen GLP-1-Analoga, welche v.a. im Hypothalamus, aber auch im mesolimbischen System wirken, einen Meilenstein in der Adipositastherapie dar.32,33 GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) aktivieren POMC-Neuronen, welche die bei Adipositas nur noch eingeschränkt herunterregulierbaren AgRP-Neuronen hemmen.32 Zudem führt die Aktivierung von GLP-1-Rezeptoren in der ventralen tegmentalen Area und im Striatum zu einem reduzierten Streben nach «(Essens-)Belohnungen».34–37 Dabei reduzieren GLP-1-RA die Ausschüttung von Dopamin während der Antizipation/Erwartung einer «Belohnung» und verstärken sie während des eigentlichen Konsums.34,36 Zudem beeinflussen GLP-1-RA die durch Funktionsstörungen im mesostriatalen System bedingten essensunabhängigen Verhaltenseinschränkungen. Unter dem Einfluss von GLP-1-RA normalisiert sich das motivationale Verhalten,31 und auch das Lernen aus Vorhersagefehlern, unabhängig von der Nahrungsaufnahme, nähert sich dem von Normalgewichtigen an.29 Aufgrund dieser von der Nahrungsaufnahme unabhängigen Wirkungen wurden GLP-1-RA bereits in Studien zu klassischen Substanzabhängigkeiten untersucht.38–40 Dabei tragen sie anscheinend zu einem verringerten Alkoholkonsum bei Personen mit Alkoholabhängigkeit und gleichzeitiger Adipositas bei und unterdrücken die durch Nikotin verursachte Dopaminausschüttung als Belohnungssignal im Striatum. Zudem zeigen erste Tierversuche, dass die Kombination aus Nikotin und GLP-1-RA die Erregbarkeit von POMC-Neuronen im Hypothalamus sowie von dopaminergen Neuronen in der ventralen tegmentalen Area steigern kann, was eine Überprüfung dieser Kombination im Rahmen der Adipositastherapie sinnvoll erscheinen lässt.33
Zwischen Abnahme und Zunahme: das Pendel der Gewichtsregulierung
Die grösste Hürde bei jeder Gewichtsreduktionstherapie ist der erneute Gewichtsanstieg nach Beendigung der Behandlung.41 Im Hypothalamus führt eine diätetische Gewichtsabnahme zu verstärkten synaptischen Verknüpfungen aktivierender Afferenzen von AgRP-Neuronen, was ein erhöhtes Hungergefühl zur Folge hat.42 Erste humane Studien lassen ausserdem vermuten, dass die mit Adipositas verbundenen Veränderungen im mesolimbischen System durch eine diätetische Gewichtsreduktion nicht rückgängig gemacht werden können. Die Dopaminausschüttung im Striatum nach Nahrungsaufnahme bleibt nach einer 10%igen Gewichtsreduktion im Vergleich zu Personen mit Normalgewicht unterschiedlich.43 Da die zentralnervösen Anpassungen bei Adipositas nach derzeitigem Kenntnisstand nicht vollständig umkehrbar scheinen, bleibt die Frage nach einer dauerhaften (und bezahlbaren) Adipositastherapie bestehen. Eine mögliche Zwischenlösung nach erfolgreicher diätetischer Gewichtsabnahme oder bariatrischer Operation könnten GLP-1-RA sein, die besonders in Verbindung mit sportlicher Aktivität zur Stabilisierung des reduzierten Körpergewichts beitragen können.44,45 Um langfristig dem Wiederanstieg des Gewichts nach erfolgreicher Therapie vorzubeugen, werden die Integration der Pharmakotherapie in konservative Schulungsprogramme und der Aufbau einer weniger adipositasfördernden Umgebung politisch immer relevanter.
Zusammenfassung
Abschliessend lässt sich sagen, dass Adipositas durch Veränderungen in den zentralnervösen Netzwerken, die unser Verhalten und unsere Motivation dem aktuellen physiologischen Bedürfniszustand anpassen, bedingt ist. Diese neuronale Dysregulierung erschwert die Anpassung des Lebensstils und die Gewichtsabnahme unter den gegenwärtigen Bedingungen der ständigen Verfügbarkeit von hochkalorischem Essen in der westlichen Gesellschaft stark. GLP-1-RA intervenieren in diesen Netzwerken und tragen durch ein reduziertes Hungergefühl sowie eine Rekalibrierung der zustandsabhängigen Motivation zu einer Reduktion des Körpergewichts bei. Angesichts der Tatsache, dass die neuronalen Dysregulierungen bei Adipositas nach gegenwärtigem Verständnis nicht vollständig umkehrbar sind, sind die Entwicklung neuer Behandlungsansätze sowie die Integration der vorhandenen Therapieoptionen in umfassende Behandlungskonzepte für Adipositas von grundlegender Bedeutung.
* Ein Spezialfall dieses sog. Feedback- oder assoziativen Lernens ist das Lernen aus Belohnung (positives Feedback). Aus diesem Grunde wird Dopamin oft als «Glückshormon» bezeichnet, weil seine Ausschüttung mit einem Belohnungsreiz assoziiert sein mag. Belohnung ist hier allerdings nicht im hedonischen Sinn zu verstehen, sondern als Verstärker des Lernens –im Sinne der Verhaltensbiologie.
Literatur:
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