An Diabetes mellitus Typ 3c denken
Die häufigste Form des Diabetes mellitus im Erwachsenenalter ist der Typ-2-Diabetes, ein Typ-1-Diabetes ist deutlich seltener, kann sich aber in jedem Alter entwickeln. Dabei ist es eine diagnostische Herausforderung, dies im hektischen Praxisalltag nicht zu übersehen und die richtigen Therapieschritte zu setzen. Ein kurzer Leitfaden zur Vorgangsweise.
Keypoints
-
Diabetes mellitus Typ 3c ist eine Diabeteserkrankung aufgrund einer exokrinen Pankreaserkrankung. 5–10% aller Diabetesfälle sind als Typ 3c zu klassifizieren.
-
Die häufigste Ursache eines Typ-3c-Diabetes ist eine chronische Pankreatitis, zu den selteneren Ursachen zählen Pankreasneoplasien, akute Pankreatitis, Pankreatektomie, zystische Fibrose und Hämochromatose.
-
Eine frühzeitige Insulintherapie ist häufig indiziert, die glykämische Kontrolle ist durch schwankende Werte sowie Insulin- und Glukagonmangel erschwert.
-
An eine exokrine Pankreasinsuffizienz ist stets zu denken, die orale Substitution der Pankreasenzyme kann zur Verbesserung der Symptomatik und der Blutzuckereinstellung beitragen.
Eine Hyperglykämie bedingt durch Erkrankungen des exokrinen Pankreas wird auch als pankreopriver Diabetes bezeichnet. In Tabelle 1 ist die Klassifikation des Diabetes mellitus laut rezenten ADA-Leitlinien dargestellt. Der Typ-3-Diabetes umfasst spezifische Typen unterschiedlicher Genese inklusive Endokrinopathien oder monogenetischer Ursache, wobei Erkrankungen des exokrinen Pankreas zur Diagnose Typ 3c leiten. In Beobachtungsstudien wird die Prävalenz des Diabetes Typ 3c mit 5–10% angegeben. Dieser Diabetestyp ist somit eine häufige Herausforderung im diabetologischen Alltag, dem gegenüber steht jedoch das Fehlen spezifischer Leitlinien für Diagnostik und Therapie.
Tab. 1: Klassifikation des Diabetes mellitus (nach ADA Standards of Medical Care in Diabetes - 2021. Diabetes Care 2021; 44[Supplement_1]: S15-S33)
Falsche erste Klassifikation bei Diagnose Typ 3c häufig
In der klinischen Routine wird die Diabetesdiagnose meist anhand von HbA1c, Blutglukose, oralem Glukosetoleranztest und Symptomatik zunächst unabhängig vom Diabetestyp gestellt. Für die weitere Planung des Diabetesmanagements ist das Wissen um die Genese des Diabetes essenziell. Eine einheitliche Definition des Typ-3c-Diabetes existiert nicht, meist wird aber die Diagnose Typ 3c gestellt, wenn eine Erkrankung des exokrinen Pankreas vorliegt. Bei Patienten mit zusätzlichen Charakteristika eines Typ-2-Diabetes sind Überschneidungen der Diabetestypen möglich und eine sichere Diagnose erschwert. Ewald und Bretzel haben versucht, praxisnah diagnostische Kriterien eines Typ-3c-Diabetes zu definieren (Tab. 2). Die Autoren fordern neben dem Nachweis einer exokrinen Pankreasinsuffizienz und einer pathologischen Bildgebung des Pankreas auch das Fehlen von Autoantikörpern zur Abgrenzung zu anderen Diabetestypen.
Tab. 2: Definition des Diabetes mellitus Typ 3c (nach Ewald N, Bretzel RG: Eur J Intern Med 2013; 24: 203-6)
Die regelmäßige Anwendung solch eines diagnostischen Algorithmus könnte für eine korrekte und rechtzeitige Diagnose Typ 3c sorgen. Je nach zugrunde liegender Pankreaserkrankung, untersuchter Population, Alter und BMI der Patienten werden viele Diabetesneuerkrankungen zunächst falsch klassifiziert. In einer retrospektiven Studie wurde die Wahrscheinlichkeit der Fehltypisierung mit fast 50% angegeben. Eine weitere Untersuchung betonte dieses Problem und zeigte auf, dass selbst bei Patienten mit bekannter Pankreaserkrankung nur in 2–3% der Fälle die korrekte Diagnose Typ 3c gestellt wurde, mit mehr als 85% wurde der überwiegende Teil der Patienten als Typ-2-Diabetes geführt und therapiert.
Ursachen
Die Ursache eines Diabetes mellitus Typ 3c ist definitionsgemäß eine Erkrankung des exokrinen Pankreas, allerdings liegen der Pankreaspathologie sehr unterschiedliche Krankheitsbilder zugrunde.
Die wichtigsten Ursachen des Diabetes Typ 3c sind:
-
chronische Pankreatitis
-
akute Pankreatitis
-
Pankreatektomie
-
Pankreasneoplasie
-
zystische Fibrose
-
Hämochromatose
-
traumatisch
-
fibrokalkulöse Pankreatopathie
-
seltene genetische Pankreatopathien
-
idiopathisch
Die Erkrankung des Pankreas führt zu einem strukturellen und funktionellen Verlust des Pankreasgewebes und in weiterer Folge zum Verlust einer adäquaten Insulinsekretion aus den Betazellen und schließlich zur Hyperglykämie. Das Ausmaß des Insulinmangels und somit der Hyperglykämie korreliert meist weitgehend mit dem Ausmaß des zerstörten Pankreasgewebes. Das Spektrum reicht somit von potenziell reversiblen Einschränkungen bei einer akuten Pankreatitisepisode oder einem schleichenden Verlust der Insulinsekretion bei zystischer Fibrose bis zum absoluten Insulinmangel nach totaler Pankreatektomie.
Chronische Pankreatitis
Die chronische Pankreatitis ist die häufigste Erkrankung, die zu einem Diabetes Typ 3c führt, die Prävalenz schwankt in Studien zwischen 26% und 80%. Aufgrund des hohen Diabetesrisikos wird bei Patienten mit chronischer Pankreatitis ein jährliches Screening mit Bestimmung von HbA1c und Nüchternglukose empfohlen.
Akute Pankreatitis
Auch bei Patienten nach schwerer akuter Pankreatitis kann eine endokrine Pankreasinsuffizienz beobachtet werden, insbesondere bei Nekrosen von >50% des Parenchyms ist das Risiko deutlich erhöht. Eine Kontrolle des Blutzuckerwertes bei diesem Patientenkollektiv wird somit nicht nur in der Akutphase, sondern auch im Verlauf empfohlen. Eine ähnliche hohe Diabetesprävalenz von etwa 65% ist in Studien auch bei einer Autoimmunpankreatitis dokumentiert worden. Die vermutlich T-Zell-vermittelte Betazelldysfunktion kann durch Gabe von Prednison verbessert werden, je nach Steroiddosis erschwert dies jedoch zumindest vorübergehend die glykämische Kontrolle weiter.
Pankreasneoplasie
Eine Tumorerkrankung des Pankreas kann zum einen direkt die Funktion der Betazellen beeinflussen und zum anderen kann die Tumortherapie inklusive Operation und Chemotherapie die Entstehung eines Typ-3c-Diabetes bedingen. Ein Zusammenhang zwischen Diabetes mellitus und Pankreaskarzinom besteht in beide Richtungen. Bei 70% der Patienten liegen zum Zeitpunkt der Neudiagnose eines Pankreaskarzinoms auch ein Diabetes mellitus oder eine gestörte Glukosetoleranz vor. Somit kann die Erstmanifestation des Diabetes mellitus ein Zeichen einer Pankreasneoplasie sein. Zum anderen ist im Verlauf einer Typ-2-Diabetes-Erkrankung das Risiko für die Entwicklung eines Pankreaskarzinoms um den Faktor 1,5–2 erhöht.
Zystische Fibrose
Auch der „cystic fibrosis-related diabetes“ (CFRD) fällt in die Kategorie Diabetes Typ 3c. Patienten mit zystischer Fibrose entwickeln im Verlauf der Erkrankung in hohem Ausmaß eine Hyperglykämie als Zeichen der Pankreasbeteiligung. In Studien wird die Prävalenz des Diabetes mellitus bei CF-Patienten mit zumindest 30% angegeben, im Verlauf der Erkrankung nimmt die Wahrscheinlichkeit einer Glukosestoffwechselstörung sukzessive weiter zu. Da der CFRD auch mit einer erhöhten Mortalität assoziiert ist, sind eine rechtzeitige Diagnostik und Therapie essenziell. Es wird empfohlen, ein Screening mit oralem Glukosetoleranztest einmal jährlich ab dem 10. Lebensjahr zu planen. Für die Behandlung der davon betroffenen Patienten existieren eigene Guidelines, neben einer individuellen Ernährungsberatung ist in den meisten Fällen eine Insulintherapie indiziert.
Hämochromatose
Die Hämochromatose (früher Bronzediabetes genannt) hat mit einer meist früheren Diagnosestellung und Therapie etwas an Bedeutung verloren, sollte aber als mögliche Ursache eines Diabetes und somit als Differenzialdiagnose bei typischer Klinik und Laborkonstellation beachtet werden.
Durch die exokrine Pankreaserkrankung kommt es nicht nur zu einem Insulinmangel, sondern auch Glukagon und Somatostatin stehen nicht adäquat zur Verfügung. Bei Patienten mit Diabetes Typ 3c können dadurch im Vergleich zu anderen Diabetestypen häufiger stark schwankende Glukoseprofile mit höherem Hypoglykämierisiko und eine nicht zufriedenstellende glykämische Kontrolle dokumentiert werden.
Therapie des Diabetes Typ 3c
Für die Therapie des Diabetes Typ 3c existieren (mit der Ausnahme des CFRD) keine spezifischen nationalen oder internationalen Leitlinien. Bei nur gering erhöhten Glukoseprofilen kann im Einzelfall eine Therapie mit oralen Antidiabetika versucht werden. Eine Metformintherapie ist bei gleichzeitig vorhandener Insulinresistenz eine mögliche Option. Der Einsatz von inkretinbasierten Therapien wird bei chronischen Erkrankungen des exokrinen Pankreas nicht empfohlen, das erhöhte Risiko für euglykämische Ketoazidosen bei Vorliegen eines Insulinmangels ist unter SGLT2-Hemmern zu beachten und Sulfonylharnstoffe sind bei Typ-3c-Diabetes mit einem erhöhten Hypoglykämierisiko vergesellschaftet.
Praxistipp
Bei Diagnose einer Pankreaserkrankung sollte ein Diabetesscreening erfolgen und an einen Typ 3c gedacht werden.Je nach Ausmaß des Insulinmangels ist somit eine Insulintherapie meist die Therapie der 1. Wahl und rechtzeitig zu implementieren. Die Art der gewählten Insulintherapie ist individuell auf die Glukoseprofile und den Tagesablauf des Patienten abzustimmen. Bei Patienten mit relevantem Insulinmangel ist meist eine Basis-Bolus-Therapie indiziert und, wenn im Alltag umsetzbar, zu bevorzugen.
Bei Beschwerden wie abdominellen Schmerzen oder Flatulenz, bei fettreichen Stühlen oder Gewichtsverlust ist an das Vorliegen einer exokrinen Pankreasinsuffizienz zu denken und eine entsprechende Diagnostik durchzuführen. Die Bestimmung der Pankreaselastase im Stuhl hat sich als günstige und einfache Screeningmethode bewährt. Ein ausreichender oraler Pankreasenzymersatz bewirkt nicht nur eine Verbesserung der Symptomatik und der Malnutrition sowie des Vitaminmangels, sondern hilft auch bei der Diabeteseinstellung. Eine suffiziente Therapie der exokrinen Pankreasinsuffizienz führt über den Inkretineffekt auch zu einer verbesserten Insulinsekretion.
Literatur:
• Bojunga J, Schlereth F: Diabetes mellitus Typ 3c – Prävalenz, Diagnose, Besonderheiten der Therapie. Diabetologe 2018; 14: 269-77 • Diabetes mellitus – Anleitungen für die Praxis. Überarbeitete und erweiterte Fassung 2019. Wien Klin Wochenschr 2019; 131(Suppl 1): S1–S246 • ADA Standards of Medical Care in Diabetes - 2021. Diabetes Care 2021; 44(Suppl 1): S15-S33 • Ewald N, Bretzel RG: Diabetes mellitus secondary to pancreatic diseases (type 3c)—are we neglecting an important disease? Eur J Intern Med 2013; 24: 203-6 • Woodmansey C et al.: Incidence, demographics, and clinical characteristics of diabetes of the exocrine pancreas (Type 3c): A retrospective cohort study. Diabetes Care 2017; 40: 1486-93
Weitere Literatur beim Verfasser
Das könnte Sie auch interessieren:
Diabetes erhöht das Sturzrisiko deutlich
Eine dänische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl Patienten mit Typ-1- als auch Patienten mit Typ-2-Diabetes öfter stürzen und häufiger Frakturen erleiden als Menschen aus einer ...
Notfall Diabetische Ketoazidose: Leitliniengerechtes Handeln kann Leben retten
Akute Stoffwechselentgleisungen können lebensbedrohlich sein und erfordern eine rasche und leitliniengerechte Diagnostik und Therapie. Pathogenese, Klinik, typische Befunde und die ...
Wie oft wird Diabetes nicht oder spät erkannt?
Im Allgemeinen wird von einer hohen Dunkelziffer an Personen mit undiagnostiziertem Typ-2-Diabetes ausgegangen. Ein Teil davon sind von Ärzten „übersehene“ Fälle. Eine von der University ...