Eisberg voraus – weiterhin inkomplette Datenlage bezüglich T2D in Österreich
Die Zahl der von Diabetes mellitus Typ 2 betroffenen Menschen steigt ständig. Trotz jahrelanger mehrfacher Versuche gibt es in Österreich weiterhin keine systematisierte Erfassung der exakten Daten von Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 in einem zentralen Register.Einsolches wäre aber für die Versorgungsplanung der nächsten Jahre essenziell.
In Österreich zitierte Daten beruhen auf einer groben Schätzung
Diabetes mellitus Typ 2 (T2D) ist eine gefährliche, aber auch gut behandelbare Krankheit. Neben einer frühen Diagnosestellung (aktuell erfolgt sie meist 6 Jahre zu spät) ist eine multifaktorielle Therapie notwendig. Die Behandlungserfolge hängen stark davon ab, ob Patient:innen ihre Krankheit verstehen und dieses Verständnis im täglichen und lebenslangen Selbstmanagement umsetzen können. In Österreich ist mit dem „Therapie Aktiv – Diabetes im Griff!“-Programm ein eigenes Disease-Management-Programm (DMP) installiert. Das ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung und liefert sehr gute Ergebnisse. Noch viel mehr kann erreicht werden, wenn alle Berufsgruppen, die sich um Menschen mit Diabetes kümmern, aufeinander abgestimmt arbeiten.
Trotz mehrfacher Versuche gibt es in Österreich weiterhin kein zentrales Register zur Erfassung der an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankten Menschen. Eine möglichst exakte Erfassung der Daten ist allerdings zur Optimierung der Versorgung unumgänglich. Die derzeit in Österreich häufig zitierten Daten beruhen auf einer groben Schätzung der International Diabetes Federation (IDF). Demnach sind in Österreich derzeit 6,6 Prozent der Bevölkerung an Diabetes mellitus erkrankt. Die ÖDG fordert daher ein zentrales Register basierend auf ELGA, um bessere Planungen und Abschätzungen für Therapie und Versorgung der Betroffenen in der Zukunft anstellen zu können.
„Diabetes bedeutet noch immer einen Verlust an Lebensjahren und eine Minderung der Lebensqualität. Diabetes ist die Hauptursache für Herzkrankheit, Schlaganfall, Blindheit, Nierenversagen und Beinamputationen“, erklärt Prim. Univ.-Prof. Dr. Martin Clodi, Präsident der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) und Vorstand der Abteilung für Innere Medizin im Konventhospital Barmherzige Brüder Linz, und führt aus: „Studien belegen klar, dass Lebensqualität erhalten und Sterblichkeit reduziert werden kann, wenn die richtige Therapie rechtzeitig beginnt und das Selbstmanagement der Patient:innen stimmt. Gut eingestellte Menschen mit T2D haben ein vergleichbares Risiko für Tod, Herzinfarkt oder Schlaganfall wie die Allgemeinbevölkerung.“
Regelmäßige Überprüfung der zentralen Werte durch Ärzt:innen
Die Werte für HbA1c, LDL-Cholesterin, Harneiweißausscheidung und Blutdruck sollten im Zielbereich liegen, um das Risiko für Folgeerkrankungen zu minimieren. Zentral zur Erreichung der Zielwerte sind eine umfassende Diabetesschulung und ein kontinuierlich unterstütztes, informiertes Selbstmanagement. „Hier ist schon der erste Meilenstein, an dem Ärzt:innen mit anderen Gesundheitsberufen Hand in Hand arbeiten sollten: Ärzt:innen erheben die Werte und vermitteln nach einem ausführlichen ärztlichen Gespräch weitere diabetesspezifische Schulungen durch spezialisierte Pflegepersonen, Diätolog:innen und Bewegungstherapeut:innen“, betont OA Dr. Michael Resl, ebenfalls aus dem Konventhospital Barmherzige Brüder Linz und Erster Sekretär der ÖDG.
„Therapie Aktiv“ funktioniert und motiviert – alle Patient:innen brauchen Zugang
Strukturierte, ergebnisorientierte Schulungsprogramme können den HbA1c-Wert, den Blutdruck und das Gewicht positiv beeinflussen und dazu beitragen, Lebensstiländerungen bei der Ernährung, bei der Bewegung und beim Rauchen zu bewirken. Dies ist international bewiesen. Auch die nationalen Auswertungen zum DMP „Therapie Aktiv – Diabetes im Griff!“ sprechen eine deutliche Sprache: Eine 30-prozentige Senkung der Mortalität bei weniger Kosten und geringeren und kürzeren stationären Krankenhausaufenthalten konnte nachgewiesen werden. Die ÖDG fordert daher, dass alle an Diabetes mellitus Typ 2 erkrankten Patient:innen in das DMP eingeschrieben und entsprechend betreut werden müssen. Insbesondere ist eine genaue, registerbasierte Erhebung der Betroffenen notwendig, um entsprechende gesundheitsökonomische Daten exakt vorausberechnen zu können. Die aktuellen Zahlen, auch aus dem IDFDiabetesAtlas, geben nur einen inkompletten, nicht vollständig korrekten Überblick und sind zum Teil frei erfunden. Die Zahlen der IDF orientieren sich schlicht an Zahlen von benachbarten Ländern, ohne nur ansatzweise Zahlen aus Österreich zu repräsentieren.
Was das DMP „Therapie Aktiv“ bietet
Beim DMP „Therapie Aktiv – Diabetes im Griff!“ vereinbaren die Patient:innen mit den betreuenden Ärzt:innen regelmäßig Ziele, die sie bis zum nächsten Termin erreichen wollen. Sie erhalten qualitätsgesicherte Schulungen durch unterschiedliche Gesundheitsexpert:innen und werden auch an notwendige Kontrolluntersuchungen zum Beispiel bei Augenärzt:innen erinnert. Auch die Füße werden immer wieder kontrolliert, um das diabetische Fußsyndrom rechtzeitig zu erkennen und ihm vorzubeugen. Gerade Fußamputationen sind besonders beeinträchtigende Diabetesfolgen und stellen auch einen signifikanten Prädiktor für eine vorzeitige Mortalität dar.
ÖDG begrüßt Diabeteszentrum Wienerberg
Abschließend betont Clodi: „Menschen mit Diabetes können ihren Krankheitsverlauf positiv beeinflussen, wenn sie ab dem ersten Tag der Diagnose und dann kontinuierlich in ihrem weiteren täglichen Leben Beratung und Betreuung in einer strukturierten Form von einem starken und kompetenten Team erfahren. Das neue Diabeteszentrum in Wien-Favoriten ist ein Beispiel für ein optimales Teamwork in der Diabetesbetreuung. Hier sind alle Profis in einem Haus, die Wege sind kurz und es wäre wünschenswert, wenn mehrere dieser Institutionen in Zukunft österreichweit und wohnortnah zur Verfügung stünden. Zu dieser vernetzten Betreuung können auch die digitalen Lösungen der Telemedizin einen wichtigen Beitrag leisten, wenn sie konsequent in das DMP implementiert werden. Denn durch die Vernetzung aller Beteiligten können die Qualität und Kontinuität der Betreuung über alle Ebenen sichergestellt werden.“
Quelle:
Pressemitteilung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft am 31. Mai 2023. Mehr Informationen über die Aktivitäten der ÖDG finden Sie unter www.oedg.at .
Das könnte Sie auch interessieren:
Diabetes erhöht das Sturzrisiko deutlich
Eine dänische Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl Patienten mit Typ-1- als auch Patienten mit Typ-2-Diabetes öfter stürzen und häufiger Frakturen erleiden als Menschen aus einer ...
Notfall Diabetische Ketoazidose: Leitliniengerechtes Handeln kann Leben retten
Akute Stoffwechselentgleisungen können lebensbedrohlich sein und erfordern eine rasche und leitliniengerechte Diagnostik und Therapie. Pathogenese, Klinik, typische Befunde und die ...
Wie oft wird Diabetes nicht oder spät erkannt?
Im Allgemeinen wird von einer hohen Dunkelziffer an Personen mit undiagnostiziertem Typ-2-Diabetes ausgegangen. Ein Teil davon sind von Ärzten „übersehene“ Fälle. Eine von der University ...