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Pflanzliche Wirkstoffe

Der Einfluss von Soja-Isoflavonen auf Zytokine und auf chronische Entzündungen

Soja-Isoflavone werden seit Jahrzehnten auf ihre potenziellen gesundheitlichen Vorteile untersucht. Besonders in Bezug auf chronische Inflammationsprozesse rückt die Wirkung dieser pflanzlichen Substanzen auf Zytokine wie CRP, IL-6 und TNF-alpha in den wissenschaftlichen Fokus. Welche Rolle spielen sie wirklich bei chronischen Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis und metabolischem Syndrom?

Keypoints

  • Chronische Entzündungsprozesse sind Schlüsselfaktoren bei Krankheiten wie rheumatoider Arthritis und metabolischem Syndrom.

  • Soja-Isoflavone zeigen eine potenzielle immunmodulatorische Wirkung, die jedoch durch bisherige Studien nicht eindeutig belegt werden konnte.

  • Weitere Forschung ist notwendig, um die therapeutische Relevanz von Soja-Isoflavonen in der Medizin zu explorieren.

  • Im Fokus steht die Fähigkeit eines Organismus zur Produktion von Equol, der gesundheitsfördernden Wirkung von Soja und geeigneten nutritiven Maßnahmen.

Die Prävalenz chronischer Erkrankungen hat in den letzten Jahrzehnten drastisch zugenommen, wobei Fettleibigkeit, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs heute zu den häufigsten Todesursachen in der westlichen Welt zählen. Diese Erkrankungen, die häufig als „non-communicable diseases“ (NCD) bezeichnet werden, stehen in enger Korrelation zu anhaltenden Entzündungsprozessen, die den menschlichen Körper langfristig schädigen und das Risiko für schwerwiegende Komplikationen erhöhen. Im Zuge der Globalisierung und der Übernahme westlicher Ernährungsgewohnheiten in anderen Teilen der Welt wird dieses gesundheitliche Problem immer prägnanter.

Die wissenschaftliche Forschung konzentriert sich daher zunehmend auf die Identifikation von Mechanismen, die diese chronischen Inflammationsprozesse fördern oder hemmen können. Insbesondere der Zusammenhang zwischen Ernährung und Entzündungen hat das Interesse der Forscher geweckt. Während eine Ernährung, die reich an tierischen Fetten und Proteinen ist, das Risiko für inflammatorische Erkrankungen zu erhöhen scheint, hat sich gezeigt, dass pflanzliche Lebensmittel, insbesondere solche, die reich an sekundären Pflanzenstoffen sind, eine potenziell protektive Wirkung haben könnten.

In diesem Zusammenhang rücken Soja-Isoflavone in den Fokus der Forschung. Soja, eine in Asien traditionell verzehrte Hülsenfrucht, wird zunehmend auch in westlichen Gesellschaften wegen seiner potenziell gesundheitlichen Vorteile beachtet. Die in Soja enthaltenen Isoflavone, insbesondere Daidzein und Genistein, gehören zur Gruppe der Phytoöstrogene und besitzen eine chemische Struktur, die dem menschlichen Östrogen ähnelt. Diese Eigenschaft ermöglicht es ihnen, an Östrogenrezeptoren zu binden und somit ähnliche, wenn auch schwächere, hormonelle Wirkungen zu entfalten. Vor allem die Rolle dieser Substanzen in der Regulation von Entzündungsprozessen wird intensiv beforscht, da sie als natürliche Alternativen zu synthetisch hergestellten Medikamenten gegen entzündliche Erkrankungen dienen könnten.

Ein interessanter Aspekt der Isoflavone ist ihre Wirkung auf Zytokine, die als proinflammatorische Botenstoffe in entzündliche Prozesse involviert sind. Zytokine wie das C-reaktive Protein (CRP), Interleukin-6 (IL-6) und Tumor-Nekrose-Faktor-alpha (TNF-alpha) spielen eine zentrale Rolle in der Pathogenese zahlreicher Erkrankungen, darunter rheumatoider Arthritis, entzündlicher Darmerkrankungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Untersuchungen deuten darauf hin, dass Soja-Isoflavone in der Lage sein könnten, die Konzentration dieser Zytokine zu modulieren und somit entzündliche Prozesse zu reduzieren.

Besondere Aufmerksamkeit gilt hierbei der Fähigkeit von Individuen, Equol zu produzieren – einen Metaboliten von Isoflavonen, der in Abhängigkeit vom individuellen Darmmikrobiom gebildet wird. Equol-produzierende Personen, vor allem Frauen nach der Menopause, scheinen besonders von den entzündungshemmenden Eigenschaften der Soja-Isoflavone zu profitieren. Epidemiologische Studien zeigen, dass asiatische Bevölkerungen, die traditionell eine Ernährung reich an Sojaprodukten zu sich nehmen, ein niedrigeres Risiko für die Entwicklung von Zivilisationskrankheiten aufweisen, was auf den potenziell schützenden Einfluss von Soja zurückzuführen sein könnte.

Vor diesem Hintergrund untersucht dieser Artikel die möglichen antiinflammatorischen Effekte von Soja-Isoflavonen auf Zytokine und deren Bedeutung für die Prävention und Behandlung chronischer Erkrankungen. Ziel ist es, durch eine systematische Analyse der aktuellen Studienlage die Evidenzlage zu bewerten und herauszuarbeiten, ob und in welchen Kontexten der therapeutische Einsatz von Soja-Isoflavonen sinnvoll sein könnte.

Methode

Die hier präsentierten Ergebnisse basieren auf einer systematischen Literaturrecherche, die die wissenschaftlichen Datenbanken PubMed, Google Scholar und Cochrane nutzte. Die Auswahl der Studien erfolgte anhand relevanter MeSH-Terms wie Daidzein, Genistein, Equol und „inflammatory cytokines“ und umfasste hauptsächlich randomisierte kontrollierte Studien (RCT), Metaanalysen und systematische Reviews.

Der Fokus lag dabei auf der Untersuchung der Effekte von Soja-Isoflavonen auf proinflammatorische Zytokine wie CRP, IL-6 und TNF-alpha. Diese Zytokine sind eng mit der Pathogenese chronisch-entzündlicher Erkrankungen verbunden, die die Grundlage für zahlreiche NCD wie rheumatoide Arthritis, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen und das metabolische Syndrom bilden.

Für die Analyse wurden rezente Studien eingeschlossen, die relevante Daten zur Soja-Isoflavon-Supplementation und deren Wirkung auf inflammatorische Biomarker enthielten. Dabei war es von zentralem Interesse, ob die Supplementation von Soja-Isoflavonen eine signifikante antiinflammatorische Wirkung entfaltet und welche Faktoren diese Wirkung beeinflussen könnten. Ein besonderer Schwerpunkt lag auf der Unterscheidung von Equol-produzierenden und nicht-Equol-produzierenden Individuen, da bekannt ist, dass Equol-Produzent:innen besser in der Lage sind, die Isoflavone zu metabolisieren und möglicherweise stärker von den positiven Effekten profitieren.

Ergebnisse

Die Analyse der ausgewählten Studien ergab gemischte Ergebnisse hinsichtlich der antiinflammatorischen Wirkung von Soja-Isoflavonen auf Zytokine. Etwa die Hälfte der Studien berichtete über signifikante Effekte, insbesondere in Subgruppenanalysen, die sich auf postmenopausale Frauen konzentrierten, die Equol produzieren konnten. Andere Studien hingegen konnten keine eindeutigen Effekte feststellen. Diese Diskrepanzen verdeutlichen, dass die individuelle Fähigkeit zur Metabolisierung von Isoflavonen, insbesondere die Fähigkeit, Equol zu synthetisieren, eine Schlüsselrolle im therapeutischen Potenzial von Soja-Isoflavonen spielt.

CRP und IL-6

Die Reduktion von CRP, einem zentralen Marker für systemische Inflammationsprozesse, wurde in mehreren Studien beobachtet. Besonders postmenopausale Frauen, die hohe Dosen von Soja-Isoflavonen erhielten, zeigten signifikante Verbesserungen in ihren CRP-Werten, was auf eine dosisabhängige Wirkung hinweisen könnte. IL-6, ein weiteres proinflammatorisches Zytokin, blieb jedoch in den meisten Studien unbeeinflusst, was darauf hindeutet, dass Soja-Isoflavone möglicherweise nicht auf alle Entzündungsmarker gleich wirken.

TNF-alpha

Für TNF-alpha, ein weiteres entscheidendes Zytokin in chronischen Entzündungsprozessen, konnten in den meisten Studien keine signifikanten Reduktionen festgestellt werden. Dies deutet darauf hin, dass TNF-alpha weniger empfindlich auf die Wirkung von Soja-Isoflavonen reagiert oder dass längere Studienzeiträume und höhere Dosierungen erforderlich wären, um einen Effekt zu erkennen.

Verschiedene Zytokine und Marker

Darüber hinaus zeigten einige Studien signifikante Veränderungen in anderen Biomarkern wie Adiponektin und dem insulinähnlichen Wachstumsfaktor 1 (IGF-1), insbesondere bei Equol-Produzent:innen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Soja-Isoflavone in bestimmten Bevölkerungsgruppen, insbesondere postmenopausalen Frauen, eine Rolle als entzündungshemmende Substanzen spielen könnten. Vor allem Equol-Produzent:innen schienen stärker von der Isoflavon-Supplementation zu profitieren, was die Bedeutung des individuellen Metabolismus für das therapeutische Potenzial unterstreicht.

Fazit

Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass die aktuelle Studienlage zwar Hinweise auf die potenziellen Vorteile von Soja-Isoflavonen bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen liefert, jedoch keine eindeutige Empfehlung für ihren therapeutischen Einsatz zulässt. Besonders vielversprechend erscheinen die Effekte bei postmenopausalen Frauen, die Equol produzieren können, da sie in mehreren Studien signifikante Verbesserungen bei Entzündungsmarkern wie CRP und dem Peptidhormon Adiponektin zeigten. Dennoch bleibt die Evidenzlage uneinheitlich, insbesondere was die Wirkung auf Zytokine wie IL-6 und TNF-alpha betrifft.

Praxistipp
Die Anwendung von Soja-Isoflavonen könnte in Zukunft eine ergänzende Therapieoption für die Behandlung von Entzündungen darstellen.Patient:innen mit chronischen Entzündungen sollten die Einnahme von Soja-Isoflavon-Präparaten in Absprache mit ihren Ärzt:innen erwägen, jedoch sind weitere Forschungs­ergebnisse abzuwarten.

Zukünftige Forschungsanstrengungen sollten sich daher intensiver mit den Einflussfaktoren auf die Wirksamkeit von Soja-Isoflavonen auseinandersetzen. Insbesondere das individuelle Mikrobiom, das eine entscheidende Rolle in der Fähigkeit zur Equol-Produktion spielt, sollte weiter erforscht werden. Ebenso sind Fragen zur optimalen Darreichungsform und Dosierung noch offen und sollten in zukünftigen Studien geklärt werden. Ein besseres Verständnis dieser Faktoren könnte es ermöglichen, Soja-Isoflavone als ergänzende Therapieoption bei milden chronisch-entzündlichen Erkrankungen einzusetzen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Soja-Isoflavone, insbesondere bei bestimmten Patient:innengruppen, ein vielversprechendes Potenzial für die Prävention und Behandlung entzündungsbedingter Krankheiten bieten könnten. Bevor jedoch klare therapeutische Empfehlungen ausgesprochen werden können, ist noch erhebliche weitere Forschung, vor allem im europäischen Raum, erforderlich, um die Mechanismen und Bedingungen ihrer Wirkung besser zu verstehen.

● Cheng WX et al.: Genistein inhibits angiogenesis developed during rheumatoid arthritis through the IL-6/JAK2/STAT3/VEGF signalling pathway. J Orthop Translat 2019; 22: 92-100 ● Guerre-Millo M: Adiponectin: an update. Diabetes & Metab 2008; 34(1): S. 12-18 ● Hall WL et al.: Soy-isoflavone-enriched foods and inflammatory biomarkers of cardiovascular disease risk in postmenopausal women: interactions with genotype and equol production. Am J Clin Nutr 2005; 82(6): 1260-8; quiz 1365-6 ● Hwang JS et al.: Development of multiple complications in type 2 diabetes is associated with the increase of multiple markers of chronic inflammation. J Clin Lab Anal 2008; 22(1): 6-13 ● World Health Organization (2020): The top 10 causes of death. Online verfügbar unter https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/the-top-10-causes-of-death . Zuletzt aktualisiert am 7.8.2024. Zuletzt abgerufen am 30.10.2024

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