Highlights in der Diabetestechnologie
Autorin:
Prim. Dr. Claudia Francesconi
SKA – Rehabilitationszentrum Alland
Die diesjährige ATTD-Konferenz verwob in bereits bekannter Weise die Themen Technologien bei Diabetes mellitus Typ 1 und die therapeutischen Optionen bei Adipositas. Bei letztgenanntem besteht zum Glück ein breiter werdendes Angebot auf Basis der Inkretintherapie auch in Kombination mit weiteren Molekülen, die zusätzliche Benefits versprechen.
Keypoints
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Gute klinische Daten liegen nicht nur für die Verbesserung des HbA1c , sondern auch für andere wichtige Parameter (bspw. TIR) für CGM-basierte Systeme vor.
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Mittels „Predict“-App können Betroffene KI-unterstützt Prognosen zu Glukoseverlauf und Hypoglykämierisiko untertags sowie zur Nacht abrufen.
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Das Smartpen-System InPen stellt eine Alternative für Nicht-Pumpenträger und für Menschen mit ICT-Therapie dar.
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Das Connect System Libre bietet durch seine einfache Handhabung besonders älteren, nicht technikaffinen Personen Vorteile.
Die technischen Neuerungen in der Behandlung des Diabetes mellitus Typ 1 (T1D), bezogen auf „continuous subcutaneous insulin infusion“ (CSII) und Sensortechnologien, sind durch die Thematik der jährlichen ATTD-Konferenz vorbehalten. So wichtig therapeutische Optionen bei Adipositas sind, so werden sie doch auf zahlreichen Kongressen thematisiert. Die diesjährigen Konferenzhighlights widmen sich daherhauptsächlich den Themen „Automated insulin delivers“(AID)-Systeme, neue technische Möglichkeiten bei „Continuous glucose monitoring“(CGM)-Systemen und dem Ausblick auf zukünftige, noch selbstständigere/mehr integrativ arbeitende Systeme – nicht nur für Pumpenträger.
CGM: Datenlage zu Diabetes mellitus Typ 2
Trotz oder gerade wegen der großen Vielfalt von bereits auf dem Markt befindlichen CGM-Systemen gibt es auch in diesem Bereich noch Herausforderungen zu bewältigen. Zum einen hätte der breitflächigere Zugang für Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 (T2D) unabhängig von einer Insulintherapie zweifelsohne eine bessere Compliance im Lebensstilbereich zur Folge. Durch eine bessere und vor allem objektivere Datenlage zu CGM bei T2D würde es die frühzeitige Therapieeskalation für betreuende Ärzt:innen erleichtern. Gute Daten liegen sowohl für Insulin spritzende Menschen mit Diabetes als auch bei Einnahme von oralen Antidiabetika bzw. GLP-1-Rezeptor-Antagonisten vor. Die Hauptursache für die guten klinischen Daten wie die Verbesserung des HbA1c oder eines höheren Prozentsatzes der „time in range“ (TIR) ist die Motivation der Betroffenen, leichteren Zugang zu Blutzuckerwerten zu haben und damit einen direkten Zusammenhang zu Mahlzeiten, Snacks oder auch Bewegung sehen zu können – aber auch die verminderte Angst vor zu niedrigen Blutzuckerwerten.
Zum anderen ist die Weiterentwicklung der Prognosegenauigkeit dieser Geräte in Bezug auf Blutzuckertrends ein wichtiger Schritt. Denn wenngleich die Reduktion von Hypoglykämien mittels rechtzeitiger Alarmierung die Angst davor und daraus resultierende Gefahren und Komplikationen drastisch vermindern kann, so ist gleichzeitig die potentielle Alarmierung selbst Teil einer Lebensqualitätseinschränkung. Auch die Trendpfeile verursachen bei vielen Anwendern Panik. Es wurde auch bewiesen, dass unter CGM viele asymptomatische Hypoglykämien stattfinden, die von Betroffenen nicht registriert werden, selbstlimitierend sind und keiner Reaktion bedürfen. Die Alarmierung wird damit per se zum Problem.
Die genannten Probleme betreffen hauptsächlich Menschen mit Diabetes, die mittels „Multiple daily injections“(MDI)-Insulintherapie (funktionelle Insulintherapie; FIT) oder einer mechanischen CSII therapiert sind. Die Betroffenen benötigen damit eine Hyoglykämievorbeugung durch die Abschaltautomatik eines AID-Systems.
„Predict“-App für mehr Vorhersagewerte
Daher ist der Innovationsschritt der Firma Roche mit der Entwicklung der „Predict“-App zu dem neuen CGM-Gerät Accu Check Smart Guide vielversprechend. Das Gerät selbst unterscheidet sich in Tragedauer und Genauigkeit unwesentlich von den bereits am Markt befindlichen Geräten, hat jedoch außer der „Reader“-App, die für normale Blutzuckerkontrollen und Statistikanwendung ist, als zweite App die „Predict“-App. Mittels Verarbeitung individualisierter Daten mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) ist die App in der Lage, eine Vorhersage vom 2-stündigen Glukoseverlauf, 30-minütigen Hypoglykämierisiko und eine Prognose der Hypoglykämien in der Nacht (7 Stunden) zumachen. Die Genauigkeit der Prognosen variiert, sie sind aber erstaunlich akkurat. Die Exaktheit der Vorhersagen reicht von 99% für die 30-minütigen Vorhersagewerte bis hin zu >80% für die Nachtprognose.
Die Bedeutung der App für Betroffene liegt in der Möglichkeit, vorbeugend Handlungen zu setzen und nicht auf eine mögliche Alarmierung warten zu müssen. Verbesserte technische Möglichkeiten vor allem im Bezug auf Trendvorhersagen würden daher nicht nur eine bessere Blutzuckereinstellung, sondern auch eine bessere Lebensqualität erzielen lassen.
INSPIRE-Studie: verbesserte Blutzuckerwerte & Lebensqualität
Das belegen auch die Daten der INSPIRE-Studie, in welcher Menschen mit Diabetes von mechanischen auf AID-Pumpensysteme umgestellt wurden. Das Phänomen, dass auf niedrige (oder auch hohe) Blutzuckerwerte ohne Zutun des Patienten eine automatisierte Reaktion des Systems erfolgt, wurde als massiver Gewinn an Lebensqualität in entsprechenden Fragebögen von Betroffenen beschrieben. Veränderung wird nicht nur durch die Weiterentwicklung der Geräte selbst erzielt, sondern vor allem auch durch die Implementierung neuer Endpunkte in Studien wie die TIR (InRange, Switch PRO) oder auch „time below range“ (TBR; Ultraflexi-1). Sie ermöglichen einen viel detaillierteren Blick auf die jeweilige Stoffwechseleinstellung, als es der Endpunkt HbA1c zulässt, und beziehen die Glukosevariabilität als wichtigen Parameter für die Entstehung von Gefäßkomplikationen mitein.
Obwohl uns die Datenlage (DIAMOND- Studie) vor einigen Jahren eindrücklich den Vorteil eines CGM-Systems unabhängig vom damit unterstützten Therapieregime (CSII bzw. MDI) auf die Stoffwechseleinstellung gezeigt hat, liegt in den letzten Jahren vermehrt der Vorteil bei CSII-Systemen, die sich einer KI in Form eines AID-Systems bedienen.
Keine Pumpe – Alternativen?
Eine Alternative für Menschen mit Diabetes, die keine Pumpe tragen wollen, stellt das Smartpen-System InPen der Firma Medtronic in Kombination mit dem neuen Sensorsystem Simplera dar. Letzteres unterscheidet sich in Aussehen, Setzstellen und Genauigkeit wenig von der Konkurrenz. Betroffene benutzen damit kein automatisiertes System, können aber trotzdem den Vorteil eines mit vielen nützlichen Informationen unterstützenden Boluskalkulators nützen, der gleichzeitig eine Art Logbuch über getätigte Injektionen mit Dokumentation von Zeitpunkt, Menge und Art des Insulins ist. Die Kombination des Smartpensystems mit dem CGM-System bietet für Betroffene die Option, dennoch eine KI in Anspruch zu nehmen, die unter Einbezug der Kohlenhydrat/Insulin-Algorithmen, der Insulinwirkdauer und des aktuellen Blutzuckers sowie der Trendanalyse Dosierungsvorschläge im Sinne eines Bolusrechners gibt. Zusätzlich werden Erinnerungen bei vergessener Insulinabgabe (generell oder zum richtigen Zeitpunkt) sowie Alarme für weitere Insulinkorrektur bei steigendem Blutzucker und gleichzeitig ungenügendem aktivem Insulin – inklusive Dosierungsvorschlägen ― bereitgestellt. Es stellt eine potente Alternative zu AID-Systemen dar, wenn alle Funktionen und Features dieses Systems ausgenutzt werden. Dadurch bietet es Informationsgehalt für Betroffene und betreuende Ärzt:innen – hier besonders interessant der Blick auf den Spritz-Ess-Abstand. Eine weitere Feinheit des Devices ist die Option, Mahlzeitengrößen zu schätzen, anstatt Kohlenhydratberechnungen anzustellen. Meist kommt es der Realität vieler Patienten mehr entgegen.
Einzigartig ist bislang die Option, auch Menschen mit intensivierter konventioneller Insulintherapie (ICT) mit fixen Insulinvorgaben bezogen auf den präprandialen Blutzucker mit dem Smart-Pen-System durch ein Schema zu unterstützen bzw. die Behandlung zu optimieren. Es gibt zwei Penvarianten, die mit Insulinen von Novo Nordisk und Eli Lilly befüllt werden können. Im Pen wird sowohl die Insulintemperatur als auch die Verweildauer einer Patrone überwacht.
Einfache Handhabung: Libre Connect System für Ältere
Ein weit weniger integratives System, jedoch einfacher in der Handhabung und damit auch für ältere bzw. wenig technikaffine Betroffene geeignet, ist das bereits länger zur Verfügung stehende Libre Connect System der Firma Abbott. Es wurde im Rahmen eines Symposiums mit Fallbeispielen vorgestellt. Dabei erfolgte die simple Erfassung der Insulinabgabe sowie der abgegebenen Einheiten mittels Einbindung der Pens in das Libre Sensor System. Patienten mit MDI/FIT-Therapie sind daher nicht länger gezwungen, auf KI-Unterstützung zu verzichten.
Conclusio
Praxistipp
Auch wenn Menschen mit Diabetes keine vollautomatisierten CGM-Systeme wünschen, können heute KI-unterstützte Tools Betroffenen dennoch viele Vorteile bringen.Die Evidenz für die Verbesserung sowohl der klinischen Parameter wie HbA1c, TIR, TBR, „time above range“ (TAR), „time in therapeutic range“ (TTR), aber auch der Lebensqualität unter Anwendung von CGM-unterstützten CSII und/oder MDI-Systemen istmittlerweile groß. Nur die Tatsache, ein CGM-System zu benutzen, ist nicht mehr der allein ausschlaggebende Faktor für eine gute Stoffwechseleinstellung.
Literatur:
bei der Verfasserin
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